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All-Star Cheerleader 2
Review von Tim Herrmann (mail) | 03.05.2010

Vor ziemlich genau einem Jahr erschütterte ein Spiel namens All-Star Cheerleader die Videospielbranche. Scham- und schonungslos brach es mit allen Klischees, die Hollywood über die Jahrzehnte um den knallharten Cheerleading-Sport gestrickt hatte, und präsentierte die halsbrecherische Akrobatik der wagemutigen Sportheldinnen in ihrer vollen, unverfälschten Ästhetik. Man betätige nun den Ironieschalter in die andere Richtung und kehre dabei jedes Vorzeichen um: All-Star Cheerleader war natürlich kein herausragendes Spiel, es war unterer Durchschnitt für eine ganz bestimmte Zielgruppe und vollgestopft mit knallpinken Klischees. Der zweite Teil ist nun erschienen. Die Pompoms liegen bereit… und los geht’s!

Born in the USA
Der Cheerleading-Sport ist etwas Uramerikanisches. Angefangen als reine Anfeuerung für die schuleigenen Sportmannschaften, hat sich zumindest der Sport mittlerweile emanzipiert und unterhält seine eigenen Mannschaften, in denen die sogenannten Squads weniger mit blödem Grinsen und schlechten Anfeuerungsreimen überzeugen, sondern mit in der Tat anspruchsvollen Hebefiguren und knochenharter Akrobatik. Die Entwickler von All-Star Cheerleader scheinen sich dafür aber nicht sonderlich zu interessieren.

Denn auch dieses Mal präsentiert sich das Spiel wieder in knalligem Pink, der Frauenanteil bei den Sportlern beträgt etwa 90 Prozent und das Tanzen reduziert sich auf Armbewegungen und ab und zu kleine Hüpfer. Von aufwändigen Pyramiden oder ähnlichem ist nichts zu sehen. Immerhin: Die Cheerleader geben sich keinen dümmlichen Anfeuerungsrufen („Spielt mit, ihr seid der Hit“) hin, sondern treten tatsächlich als eigenständige Sportler vor einer Jury an. Die farbliche Gestaltung in Grellpink und Neonlila deutet schon darauf hin, dass die Idee voll mit allen möglichen US-Klischees aus poppigen High-School-Seifenopern im Hinterkopf entwickelt wurde.



Richtig deutlich wird die extreme Amerikalastigkeit des Titels aber erst im Karrieremodus, der sich im Vergleich zu allen anderen Modi darin unterscheidet, dass zwischen den Choreografien kleine, wenig aufwändig animierte Bildergeschichten ablaufen: Es geht um das Übliche – ein eingespieltes Team wird von einem Neuling aufgebrochen, es gibt einigen Zickenterror, einige Ressentiments und Schicksalsschläge, bis am Ende alle Freunde werden und gemeinsam in den Cheerleader-Olymp aufsteigen. Perfekte Soap-Kulisse für anspruchslose und leicht verdauliche Zwischendurchunterhaltung.

Copy & Paste
Man könnte diesen Test nun mit den Worten beenden: Für alles Weitere werft einfach einen Blick auf unseren Test von All-Star Cheerleader aus dem Jahr 2009. Stattdessen verbalisieren wir den auffälligsten Aspekt von All-Star Cheerleader aber an dieser Stelle: Es handelt sich im Prinzip noch einmal um das gleiche Spiel wie vor einem Jahr.

Die Menügestaltung ist fast gleich geblieben, die Ingame-Grafik lässt keinerlei Verbesserungen erkennen und selbst die Hintergrundgeschichte hat sich - bis auf die Namen der Protagonisten - nur wenigen Überarbeitungen überzogen. Die verfügbaren Features sind gleich geblieben, die Möglichkeiten sind dieselben, das Gameplay wurde nicht überarbeitet, die Steuerung einfach noch einmal verwurstet.

Copy-and-Paste-Entwicklung nennt man so etwas wohl: Mit ganz viel gutem Willen kann man All-Star Cheerleader 2 als Update bezeichnen, das einige wenige Feinheiten hinzufügt und mancherorts die farbliche Gestaltung ein wenig angepasst hat. Ansonsten liegt aber das gleiche Spiel mit den gleichen Mängeln und den gleichen Langweiligkeiten vor wie noch vor einem Jahr. Sollten gerade waschechte Fans vom ersten Teil mitlesen, so sei ihnen ans Herz gelegt, zweimal zu überlegen, ob sie ihr Geld wirklich in den Nachfolger investieren sollen, der sie lediglich mit einer leicht variierten Geschichte und ein paar neuen Hintergrundgrafiken überrascht.



Arme hoch, Arme runter

Eigentlich treten bei mir gerade ernsthafte Zweifel daran auf, ob in diesem Test nicht vielleicht fast mehr Mühe und Arbeit steckt, als sie die Entwickler in die Entwicklung von All-Star Cheerleader 2 gesteckt haben. Schließlich ist doch eigentlich alles gleich geblieben - beziehungsweise musste eigentlich sogar alles gleich bleiben, schließlich betrug die Entwicklungszeit für den Nachfolger nicht einmal ein halbes Jahr. Selbst bei der Steuerung hat man, obwohl im ersten Teil schon minderwertig, keine Veränderungen vorgenommen. Auf einer Leiste fahren Symbole für Wiimote und Nunchuk, die die Richtungen eurer Arme angeben, von rechts nach links. Im richtigen Moment sollt ihr die Controller nach oben, rechts, links, schräg unten oder ruckartig in die Höhe bewegen.

Die Bewegungserkennung funktioniert nur ab und zu - mit Glück. Feedback in Form von Punkten gibt es nicht, nur am Ende bekommt ihr eine abschließende Bewertung. Was die Cheerleader im Hintergrund machen, läuft ziemlich unabhängig von eurem Armgefuchtel ab. Und eigentlich könnt ihr es euch sowieso nicht angucken, weil ihr permanent auf die Move-Liste starrt.

Auch das Balance-Board ist diesmal wieder mit dabei, doch auch hier: keine Veränderungen. Es wird nicht für subtile Gewichtsverlagerungen oder zum kniffligen Ausbalancieren von Hebefiguren benutzt, sondern dient als alternative Tanzmatte, die ab und zu durch Fußdruck betätigt werden soll. Das funktioniert aber nicht: Gleichzeitig die Arme zu bewegen und einen Schritt zur Seite zu gehen, bringt einen nicht nur aus dem spielerischen Gleichgewicht, sondern fühlt sich auch zu keinem Zeitpunkt so an, als wäre man ein echter Cheerleader.

Abgesehen davon, dass die Bewegungssteuerung im Regelfall weniger gut reagiert, fühlt es sich auch überhaupt nicht authentisch an, die Wiimote in der rechten Hand nach unten links und das Nunchuk in der linken Hand nach oben rechts zu reißen. Das fühlt sich eher wie Rheumagymnastik an.



Grinsendes Honigkuchenpferd

Auf die grafische Gestaltung braucht man wohl gar nicht mehr groß eingehen. Mimik ist bei den Tänzerinnen kaum zu erkennen, denn das gesamte Gesicht wird überstrahlt von einem breiten Honigkuchen-Permanentgrinsen powered by Botox. Die Charaktermodelle sehen, wenn sie im Hintergrund da vor sich hin wackeln, durch ihre Armut an jeglicher Struktur und Animationen aus wie angepinselte Strichmännchen.

Nach einer jeden Choreografie machen die Tänzer noch ein paar Faxen, die einfach extrem doof aussehen. Aus ihren Händen fließen Regenbögen und man fragt sich nur die ganze Zeit: „Warum?“ Der grafische Minimalismus macht sich auch in der Geschichte bemerkbar, denn wo es beim letzten Teil noch so etwas wie Filmsequenzen gab, bekommt der Spieler bzw. die Spielerin diesmal nur Standbilder samt Textkästen zu sehen.

Immerhin ist das Spiel komplett in deutscher Sprache synchronisiert, was auch recht gut gelungen ist. Die Musik im Hintergrund kann man wohl nur in die Kategorie Geschmackssache einordnen. Es ist nicht jedermanns Lieblingsgenre, wenn irgendein überzogener US-Rap mit Cheer-Schreien unterlegt oder wenn Epilepsiegewummere wie vom Jahrmarkt mit elektronisch veränderten Schreistrophen ergänzt wird. Ab und zu findet man erträgliche Stücke, die sich allerdings auch schnell freiwillig selbst in die Schublade „Cheerleading“ einordnen und mit euphorischen Sprechgesängen vor poppigen Elektrobeats aufwarten.

Die üblichen Features aus dem letzten Teil sind übrigens immer noch dabei: Ihr könnt eure eigene Choreografie entwerfen, einen eigenen Auftritt samt Hintergrundkulisse, Musik und Choreo entwerfen und eigene Cheerleader in einem Charakterditor modifizieren.

Fazit:
Man hat im Verlauf dieses Testes nun viel Spitzzüngiges und Sarkastisches gehört, doch wenn man die plakative Ironie einmal ablegt und ganz objektiv auf All-Star Cheerleader 2 blickt, so erkennt man doch ein gerade noch durchschnittliches Tanzspiel, das für beinharte Cheerleading-Fans einigermaßen interessant sein kann – aber nur wenn sie den Sport selbst nicht kennen und demnach keine Vergleiche ziehen können. Was dem Spiel die Existenzberechtigung bei allen anderen Zielgruppen entzieht, ist die dreiste Neuverwurstung eines kompletten Spiels, die minderwertige optische Präsentation und die sehr spezielle, teilweise geradezu nervtötende akustische Gestaltung. All-Star Cheerleader ist eine Billigentwicklung, wie sie im Buche steht, die mit ihrem Minimalismus und den wenigen Ideen fast niemandem wirklich gefallen wird.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel All-Star Cheerleader 2
Wertungen Beschreibung
4.8Grafik
Steife Charaktermodelle, einseitige farbliche Gestaltung, fast schon peinliche Effekthascherei mit Regenbogeneffekten und eine minimalistische, aufwandlose Präsentation der Hintergrundgeschichte.
6.0Sound
Aufdringliches Gewummere und Gekreische, uramerikanische Cheer-Gesänge und viel unwirklicher, affektierter Elektro-Pop sind nicht jedermanns Sache. Die Sprachausgabe ist gut.
4.8Steuerung
Funktioniert nicht. Bewegungen werden nur manchmal erkannt, Feedback gibt es kaum. Die Steuerung fängt keinerlei Tanzatmosphäre ein.
6.0Gameplay
Wer kein Problem damit hat, immer und immer wieder nach demselben Schema zu tanzen, bekommt eine ordentliche Auswahl an Modi und Features, die das Hampeln in unterschiedliche Kulissen verlegen.
5.2Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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