Review von Tim Herrmann (mail) | 01.06.2010
Es ist schon irgendwie merkwürdig, dass der forschende Mensch immer fasziniert in die Sterne blickt und sich fragt, welche fremden Welten da draußen wohl darauf warten, entdeckt zu werden, während er praktisch umgeben ist von einer völlig fremdartigen Welt, die er noch nicht zu sehen bekommen hat. Die Weltmeere und vor allem die Tiefsee gelten als weniger gut erforscht als die relativ unspektakulär staubige Oberfläche des Mondes, obwohl sie sich praktisch genau vor der Haustüre befinden. Diesem Fakt und der „Faszination Ozean“ im Allgemeinen trug Arika mit einer Spieleserie namens "Eternal Blue" Rechnung, das den Spieler abtauchen und im unendlichen Blau schwebend entspannen ließ. Zu kommerziellem Erfolg schaffte es das Konzept aber erst, als es unter dem Titel "Endless Ocean" im Rahmen von Nintedos Touch!Generations-Reihe vermarktet wurde. Der zweite Wii-Teil der Tauchsimulation schafft es jetzt, 2010, nach Europa. Wir haben Endless Ocean 2 – Der Ruf des Meeres für euch ausführlich getestet - und auch wenn es nicht in die unerforschten Mysterien der Tiefsee geht, verraten wir euch trotzdem, wie dieses Spiel seine ganz eigene Faszination entwickelt.
Das begehbare Aquarium
Um Endless Ocean zu beschreiben, ist eine kleine Zeitreise zum ersten Teil gar nicht unsinnig, schließlich bekommt der Spieler im zweiten Teil im Prinzip noch einmal dieselbe Idee aufgetischt: Endless Ocean war ein Touch!Generations-Titel, wie er im Buche stand. Allein mit der Wiimote gesteuert, ließ der Titel seine Spieler ziellos durch den Ozean schweifen, damit sie die Schönheit der Natur betrachten und ab und zu auch einige Aufträge erfüllen. Im Hintergrund konnte man eigene Musik über SD-Karte laufen lassen und immer machen, was man wollte.
Man sah Fischschwärme, wie sie durch die kleinen Öffnungen in Korallenriffen glitten, man erlebte die Imposanz von riesigen Meeresbewohnern, wie sie majestätisch an einem vorbeizogen, und konnte mit den einzelnen Fischen auch interagieren. Man könnte Endless Ocean und damit auch den zweiten Teil also als riesige, begehbare virtuelle Aquarien beschreiben, in denen man wegen der Größe immer wieder Neues entdecken kann. Die schiere Menge und Vielfalt der eingebauten Fischarten täuschte auch (fast) darüber hinweg, dass die Meeresbewohner eigentlich kein Verhalten aufwiesen und lediglich animierte Modelle im 3D-Raum waren, die auf nichts und niemanden reagierten.

Dementsprechend gab es – wie so oft bei Nintendos Spielen für eine breitere Zielgruppe – auch diesmal wieder eine tiefe Spaltung der Spielergemeinde: Was einige stundenlang staunend an den Bildschirm fesselte, verurteilten andere als typische Touch!Generations-Leier, der zwar eine interessante Idee zugrunde liegt, die aber einfach nicht länger als eine Stunde motivieren kann.
Nintendo und Entwickler Arika haben sich die Kritik angehört und in Endless Ocean 2 tatsächlich tatkräftig darauf reagiert.
Adventures of the Deep
Der Untertitel von Endless Ocean 2 außerhalb Deutschlands ist nicht umsonst „Adventures of the Deep“, also Abenteuer (in) der Tiefe. Der Entwickler nimmt den Spieler diesmal stärker an die Hand und gibt ihm einen roten Faden, der ihn durch das gesamte Spiel lotst. Wo es früher trotz der Geschichte am Rande meist der Willkür des Spielers überlassen war, welche Partien des Meeres er ausführlicher erkundet, gibt es nun eine recht ausführliche Handlung im Hintergrund, die euch Ziele vorgibt. Es geht um versunkene Tempel und Schlösser, längst vergessene Zivilisationen und damit verbunden auch um das Individualschicksal eines Mädchens namens Océane und seiner verstorbenen Eltern. Océane und ihr Großvater Jean-Eric leiten den Tauchservice R & R auf einer kleinen Insel irgendwo im Pazifik. Ihr als Spieler werdet zu Beginn gleich als neuer Mitarbeiter eingestellt und dürft fortan mit Océane tauchen gehen und die Geschichte erleben, die euch auf die Spur des mysteriösen Liedes der Drachen schickt.
Die Geschichte ist vielleicht nicht besonders spektakulär und reißt auch nicht unbedingt immer mit, aber sie ist eine sehr willkommene und sinnvolle, vielleicht sogar notwendige Erweiterung des Konzepts. Denn letztendlich ist eine Geschichte in einem Videospiel schließlich nicht mehr als eine Motivation, die zum Weiterspielen anregen soll. Während es in Gehirntrainern (um einmal ein weiteres Touch!Generations-Beispiel heranzuziehen) die Motivation gibt, seine Ergebnisse stetig zu verbessern, wurde der Spieler in Endless Ocean lediglich davon angestachelt, möglichst alle Spezies bzw. Items in den Weiten des Ozeans zu finden. Das reichte für viele auf Dauer nicht aus, weswegen sie nun von einer Geschichte bei der Stange gehalten werden.

Praktisch ist das vor allen Dingen, weil die Geschichte geschickt mit dem bisherigen ozeanischen Konzept verknüpft wird. Ihr legt alle Wegstrecken im Wasser zurück – und im Wasser gibt es Fische. Ihr steht so gut wie nie unter Zeitdruck und habt alle Zeit der Welt, um beruhigt auf das Ökosystem blicken zu können, die verschiedenen Fische zu betrachten oder sie zu füttern – das alles sozusagen im Vorbeigehen bzw. -Schwimmen. Mit der Zeit geht euch während eines Tauchgangs allerdings der Sauerstoff aus, dann heißt es automatisch, dass eine Rückkehr zum Boot nötig wird. Diesmal müsst ihr Fische übrigens nicht erst streicheln, um sie in euren Katalog aufzunehmen. Einfaches Anklicken genügt, um einen lehrreichen Eintrag zur Spezies aufrufen zu können. Insgesamt gibt es diesmal 349 Tierarten, die es zu entdecken gilt: überwasser und unterwasser. Nochmals deutlich mehr als im ersten Teil.
Die Levelarchitektur ist darüber hinaus etwas anders gestaltet als im ersten Teil: Ihr taucht nicht mehr nur in einem Meer, sondern bereist verschiedene Meere und Ozeane auf der ganzen Welt – Eismeere, das Mittelmeer, den Pazifik und noch mehr. Jeder große Komplex ist aufgeteilt in verschiedene Unterwasserorte, die man beim Tauchgang entdecken muss. Hat man sie einmal gefunden, werden sie auf der Karte verzeichnet und fungieren dann als Checkpoints, an denen man erneut abtauchen kann, nachdem man wieder vom Boot kommt. Deswegen ist es auch nicht dramatisch, wenn einem, wie oben erwähnt, der Sauerstoff ausgeht: Ihr könnt einfach im nächstgelegenen Gebiet wieder abtauchen und müsst nicht erneut die gleichen Wegstrecken zurücklegen.
Eine Prise alt, eine Prise neu
Es wurde im Verlauf des Textes schon deutlich, dass Endless Ocean 2 seinen Vorgänger in vielen Bereichen einfach konsequent erweitert und dabei wenig neue Impulse setzt. Das entspannende Erkundungsgameplay ist 2010 noch genauso vorhanden wie 2007, dafür gibt es aber diesmal eine stärker ausgeprägte und motivierende Hintergrundgeschichte, wesentlich größere Tauchgebiete mit fair gesetzten Checkpoints und mehr Abwechslung im Wasser. Darüber hinaus bieten sich auch ein paar neue Items zum Spielen an, allen voran wohl der Pulsar, mit dem man Fische durch elektromagnetische Impulse heilen oder verscheuchen kann. Fisch-Shooter könnte man das nennen.

Der Multisensor erkennt versteckte Items im Meeresboden, auf die Pfeife reagieren Delfine und kleine Wale. In der Basis, einer winzigen Insel im Pazifik von 30m Durchmesser, befindet sich nun all das, was es im 1. Teil auf dem Schiff gab, also ein Buch zur Artenbestimmung, ein Münzregister, in dem gefundene Münzen angeführt werden, oder auch ein Funkgerät, mit dem eine fahrende Händlerin gerufen werden kann, die eurem Taucher neue Features verkauft oder gefundene Items ankauft oder untersucht. Auch dieses Mal könnt ihr wieder Aufträge annehmen und Führungen durch den Ozean anbieten oder Fotos von Tieren machen, für die ihr bezahlt werdet.
Was alles in allem im Vergleich zu Teil 1 bleibt, ist die Grafik, die gut, aber nicht überragend ist: Im Meer überzeugen natürlich vor allem die Fischmodelle, die sorgfältig modelliert sind und keine Mängel aufweisen. Allerdings bietet das Spiel optisch nur selten Wow-Effekte: Nähert ihr euch einem Fischschwarm, löst sich dieser nicht etwa hektisch in alle Richtungen auf, sondern bleibt einfach stur dort, wo er ist – dadurch bekommt der Spieler kein Feedback auf seine Anwesenheit, was nicht förderlich für die Atmosphäre ist. Auch Ansonsten ist der Titel optisch nicht besonders beeindruckend: Alles wirkt etwas stumpf und nur gerade so detailliert, wie es mindestens sein muss (ausgenommen die Nahansichten von kleinen Hot-Spots, an denen ihr kleinere Lebewesen in perfekt ausmodellierten Standbildern betrachten könnt). Lichtreflexionen in kleinen Fischschwärmen, Schatten von größeren Tieren oder Partikeleffekte für Plankton, Kleintiere oder Luftblasen gibt es nicht. Die Grafik in Endless Ocean 2 erfüllt also lediglich ihren Zweck, und überzeugt mit ihrer Meeresdarstellung im Gesamten weniger als mit den auf gewisse Orte konzentrierten Details. Von der Darstellung über Wasser braucht man gar nicht lange reden: Die Charaktermodelle weisen zwar keine größeren Fehler auf, kommen dafür aber auch mit einem Minimum an Animationen oder Effekten aus und die Umgebungsgrafik flimmert unscharf vor sich hin. Nach wie vor ist dieser Missstand nicht besonders förderlich für die Gesamtatmosphäre und muss deswegen als Kritikpunkt betrachtet werden.

Wer übrigens im Gegensatz zu Fischschwärmen durchaus auf Anwesenheit des Spielers reagiert, sind Haie und andere Lebewesen, die sich nicht gerne vom tauchenden Menschlein stören lassen. Sie können meistens mit dem Pulsar vertrieben werden, lassen manchmal aber auch keine Alternative zur Flucht. Tod gibt es in Endless Ocean 2 nach einem Haiangriff übrigens nicht – die Tiere beißen nicht, sondern schlagen lediglich mit der Schwanzflosse zu, was dann auch nur Sauerstoffvorrat kostet und einen irgendwann zum Auftauchen zwingt. Im Allgemeinen spielt das Konzept immer dann sein volles Potential aus, wenn die Umwelt auf den Spieler reagiert bzw. er von ihr beeinflusst wird, also z.B. bei Interaktion mit einem Delfin, bei umher streifenden Hammerhaien oder auch, wenn man die Silhouette eines riesigen Wals wahrnimmt. In solchen Situationen ist Endless Ocean 2 unschlagbar: Hier entsteht eine dichte Spielatmosphäre und man fühlt sich selbst klein und verloren im riesigen Ozean. Selbiges gilt für die Ruinen, die eine entscheidende Rolle in der Geschichte von Endless Ocean 2 spielen: Versunkene Schlösser zu durchschwimmen, die seit Jahrhunderten nur noch von Kiemenatmern bewohnt werden, verleiht dem Spiel eine besondere Note.
Gut gelungen ist auch der Sound, der mit lizenzierten Musikstücken aufwartet oder einfach nur das leise Rauschen des Wassers mit dem rhythmischen Atmungsgeräusch verknüpft. Schade, dass die Entwickler keine Sprachausgabe eingebaut haben, die die Geschichte hätte vertiefen können. So gibt es über Wasser lediglich Textkästen mit rudimentär ausgeprägten Mundbewegungen, was nicht für gute Production Values spricht und einen faden Nachgeschmack hinterlässt, wenn man bedenkt, wie viel beim so genannten Storytelling noch drin gewesen wäre.
Die Steuerung hat sich im Vergleich zum Vorgänger ebenfalls gar nicht geändert: Ihr bewegt mit dem Pointer permanent einen Punkt, dem euer Taucher folgt, wenn ihr den B-Knopf drückt. A interagiert mit allen Fischen oder Hot-Spots, wodurch Endless Ocean zu einer Art Point & Click Abenteuer unter Wasser wird. Die Steuerung funktioniert grundsätzlich ganz gut, wäre mit dem Nunchuk aber vermutlich besser von der Hand gegangen. Dass die Wiimote allein besonders für die neuen Zielgruppen die zugänglichste Variante ist, ist klar. Doch eine zweihändige Alternative hätte sicherlich nicht geschadet, schließlich ist es ziemlich umständlich, gleichzeitig bestimmte Punkte anzuvisieren, während sich ständig die Kamera dreht und sich der Taucher in irgendwelchen Steinen, Felsen oder Tieren verfängt.

Durchs Meer surfen
Auch dieses Mal unterstützt Endless Ocean 2 – Der Ruf des Meeres wieder die Nintendo Wi-Fi-Connection, erweitert das Feature aber mit Nintendos Zubehör Wii Speak. Dadurch könnt ihr euch jetzt zu zweit im Internet treffen und die unendlichen Weiten des Ozeans durchstreifen, während ihr im Hintergrund mit dem Zubehör optional chatten könnt. Große spielerische Vorteile bekommt ihr durch dieses Feature nicht, allerdings ist es eine gute Erweiterung für den Entspannungsaspekt des Spiels.
Ebenfalls mit von der Partie ist in Endless Ocean 2 wieder ein kleiner Hausdelfin, dem ihr à la Nintendogs kleine Tricks beibringen könnt. Natürlich will er von euch auch belohnt und gelobt werden. Münzsammlungen, vergrabene Items und die finanziell sehr ertragreiche Vervollständigung der Weltkarte sind weitere Aspekte, die euch bei Endless Ocean 2 immer wieder auch außerhalb der Geschichte ins Meer bringen können. Der Transfer von SD-Kartenmusik ist nicht mehr möglich.
Fazit: Endless Ocean 2 ist eine konsequente Verbesserung des Vorgängers, der die guten Aspekte ohne große Veränderungen übernimmt und sie mit wichtigen und nützlichen Erweiterungen auffrischt. Es gibt eine deutlich stärker im Vordergrund stehende Geschichte, die durchs Spiel führt, mehr Items und insgesamt einfach mehr Gameplay im traditionellen Sinne: Der Spieler wird nicht allein im großen Ozean gelassen, sondern zumindest zum Teil an die Hand genommen und so relativ systematisch durch eine abwechslungsreichere, größere und vielfältigere Meereswelt gelotst. Im Vordergrund steht aber weiterhin das Mach-was-du-willst-Prinzip, das euch mit kleinen Nebenaufgaben und Suchspielen auf Trab halten kann. Insgesamt muss man aber sagen: Wer von Teil 1 schon gelangweilt war, wird mit Teil 2 genauso wenig anzufangen wissen, und wer mit Endless Ocean 2 ein komplett neues Spiel erwartet, bekommt lediglich das bekannte Konzept in einer neuen, größeren Welt und ein paar der alten Fehler: Die Grafik ist immer noch nicht überragend, die Atmosphäre dafür größtenteils dicht. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass diejenigen, die vom ersten Teil schon begeistert waren und Lust auf mehr haben, bedenkenlos zugreifen können, und aufgrund der Verbesserungen auch sollten. Insgesamt betrachtet ist Endless Ocean 2 ein begehbares Aquarium, das ab und zu ein wenig lebendiger sein dürfte, insgesamt aber eine interessante Spielerfahrung bietet, die sich lohnt.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Endless Ocean 2 - Der Ruf des Meeres | |
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| 7.2 | Grafik Sehr gute Fischmodelle, die allerdings selten mehr sind als pure Modelle und nur ziellos als Dekoration in der Umgebung herumschwimmen. Wenig Effekte, simple Gesamtpräsentation mit Verbesserungspotential. | |
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| 8.6 | Sound Beruhigende, passende Lizenzmelodien mischen sich mit gut platzierter Stille, die die Ohren nur dem friedlichen Rauschen des Meeres und dem Atemgeräusch überlassen. | |
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| 7.1 | Steuerung Einsteigerfreundliche, aber verbesserungswürdige Steuerung mit Pointer und Knöpfen, die teilweise schlecht zu erreichen sind. Eine zweihändige Steuerung hätte viele Problemchen gelöst, die zwar nicht schlimm sind, aber trotzdem ab und zu auftreten und lästig werden. | |
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| 8.0 | Gameplay Das Entspannungsgameplay wird mit einer Geschichte und ein wenig mehr spielerischer Action aufgepeppt, sodass der Spieler nun systematisch etwas zu tun bekommt und nicht mehr nur ziellos durchs Meer streifen muss. | |
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| 8.1 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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