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Review von Tim Herrmann (mail) | 01.02.2010
Tatsunoko...? Hmm, Tatsunoko, was ist das? Diese Frage schwirrte zumindest einigen durch den Kopf, als im August 2008 das erste Mal eine Meldung in unsere Nachrichtenrubrik flatterte, die von einem Spiel namens Tatsunoko Vs. Capcom sprach, das ursprünglich nur für Spielhallen in Japan geplant war. Wenn man Marvel Vs. Capcom hörte, war alles klar: Marvel-Helden kämpfen gegen Capcom-Maskottchen. Und auch bei Tatsunoko Vs. Capcom würde das nicht anders sein, dachte man - nur dass die Tatsunoko-Helden im Westen nur den wenigsten bekannt sind und dass das Studio seine besten Tage spätestens seit den Neunzigern eigentlich hinter sich hat.
Tatsunoko Vs. Capcom - Cross Generation of Heroes erschien im Dezember 2008 in Japan. Und Europa machte sich keine großen Hoffnungen auf einen Release. Obwohl alle Capcom-Vs.-XY-Titel bisher ihren Weg in den Westen gefunden hatten, erschien ein Prügelspiel mit obskuren Anime-Maskottchen nicht besonders westkompatibel - besonders in Anbetracht von Unklarheiten und Rangeleien um die Lizenzen.
Das Spiel selbst allerdings schien - Tatsunoko hin oder her - qualitativ sehr hochwertig zu sein, mit seinem gut ausbalancierten Zwei-gegen-Zwei-Prinzip und vielen Spezialangriffen. Und so entschied sich Capcom tatsächlich dazu, das Spiel zu lokaliseren - und wie man es lokalisierte. Zwar hat die Umsetzung ein ganzes Jahr gedauert, dafür hat man sich aber nicht mit einer einfachen Übersetzung der Bildschirmtexte zufrieden gegeben, sondern so viele Extras hinzugefügt, dass man den Titel sogar in Japan noch einmal aufs Neue auf den Markt bringt. Ob sich die lange Reise für das Spiel gelohnt hat?
Arcade, Arcade, Arcade!
Tatsunoko Vs. Capcom heißt jetzt mit Untertitel "Ultimate All-Stars" und ist ein zweidimensionales Beat'em Up der alten Schule. Dass es ursprünglich nur als Spielautomat erscheinen sollte, merkt man ihm schon relativ schnell an. Denn unnötiges Drumherum in Form von Geschichten in einem Story-Modus oder anderen Hintergrundmotivationen hat sich Capcom größtenteils gespart, sodass die ersten Schritte im Spiel gleich ein paar kompromisslose Kämpfe mit harten Bandagen im Arcade-Modus bedeuten. Zunächst wählt ihr zwei Charaktere aus der Liste aus, wobei nur einer gleichzeitig kämpft und der zweite ihn entweder ersetzt oder ihm bei bestimmten Attacken zur Seite steht.

Schon in den ersten Sekunden des Kampfes deutet sich an, dass Tatsunoko Vs. Capcom eine ziemlich gute Kampfbalance für sich gefunden hat. Ein absoluter Neuling lernt schnell, wie er was machen kann und welche Folgen welche Art von Angriff hat. Im Gegenzug wird aber auch sehr fix sehr klar, dass einfaches wiederholtes Drücken auf den Angriffsknopf keine positiven Effekte hat - dann wird der Spieler eher eine virtuelle Faust auf der ebenso virtuellen Nase fühlen, als er "Tatsunoko" sagen kann. Es geht darum, die eigenen Angriffe möglichst gut zu verketten, immer rasanter zuzuschlagen, immer perfekt die Knöpfe zu bedienen, um letztendlich eine gigantische Kombo zu erzielen, in die man auch den Reservecharakter mit einbeziehen kann, und dem Gegner einen empfindlichen Teil seiner Energieleiste zu rauben.
Während die grundlegenden Angriffe schnell zu erlernen sind, ist der Rest eine Perfektionsaufgabe für alte Meister - also genau die Klientel, die nach einem Street Fighter IV auf Wii gelechzt und mit der Serie im immerwährenden Streben nach vollkommener Perfektion und funkelnder Kampfästhetik viele Stunden verbracht hat. Für Möchtegern-Fighter, die ab und zu mal Aggressionen ablassen möchten, ist Tatsunoko Vs. Capcom eher nichts - auch wenn Basisangriffe schnell gelernt sind und man schon schnell erste Erfolge erzielt, muss man seinen Ehrgeiz auf das Erlernen bestimmter Angriffsmuster konzentrieren, Moves wie eine Choreografie auswendig lernen, um dann dieses erhabene Glücksgefühl empfinden zu können, dem wehrlosen Gegner gerade in der Luft schwebend eine Kombo aus 75 Schlägen auf den Torso gedonnert zu haben.
Kämpfen mit unterschiedlichen Akzenten
Der gerade angesprochene Arcade-Modus ist dafür gedacht, dass ein (bzw. zwei) Spieler gegen den Computer antreten, sich durch zufällig ausgewählte Gegnerkombinationen kämpfen, um am Ende gegen einen mehrstufigen Endgegner zu bestehen, dessen Niederlage eine Anime-Endsequenz für den glorreichen Capcom- bzw. Tatsunoko-Helden und andere Extras freischaltet. Darüber hinaus gibt es aber wie üblich auch noch zahlreiche weitere Spielmodi, die sich im Kern zwar immer um das Verkloppen eines Gegners drehen, ihre Akzente aber unterschiedlich setzen. So ist zum Beispiel ein Time-Trial-Modus vorhanden, in dem ihr nicht nur gegen ein Feind-Duo, sondern auch gegen die tickende Uhr kloppt. Der Spieler kann sich auch mit einem begrenzten Energievorrat so lange durch die Gegner schlagen, bis er doch irgendwann eine Niederlage erleidet. High-Scores stellen hierbei natürlich die treibende Motivationskraft im Hintergrund dar.

In einem Versus-Modus dürfen zwei Spieler in einem Raum gegeneinander antreten - wer vor dem Match um die Ehre ein wenig Training braucht, kann dies im Trainingsmodus tun, wo sich die Gegner so einstellen lassen, dass sie entweder erbitterten Widerstand leisten oder den optimalen Sandsack zum Trainieren von anspruchsvollen Kombos abgeben. Im Trainingsmodus lassen sich im oberen Bildschirmrand auch die verfügbaren Attackentypen einblenden, sodass man sie sich für den Ernstfall ins Gehirn eingravieren kann. An dieser Stelle ist es beim Training auch sinnvoll, sich endgültig auf eine Steuerungsvariante festzulegen, die einen durch das Spiel begleiten soll. Tatsunoko Vs. Capcom unterstützt nämlich gleich fünf Variationen: Die Wiimote einzeln in quer gehaltener Form, Wiimote und Nunchuk im Kombination, Classic Controller, GameCube-Pad und Tatsunoko Vs. Capcom-Arcade-Stick, der speziell auf dieses Spiel ausgelegt ist.
Da fast nichts über Bewegungssteuerung abläuft, ist der Spieler auf zahlreiche Knöpfe angewiesen, die der GameCube- oder der Classic-Controller am besten bieten können (nach dem teuren und extra für Tatsunoko Vs. Capcom angefertigten Extra-Pad von MadCatz, das mit großen Knöpfen aufwartet und damit für beinharte Profis zweifellos die beste Variante ist). Da beim Control-Stick alle acht Richtungen ausgenutzt werden, brauchen ernsthafte Spieler Halt beim Manövrieren und müssen bei der Wiimote-Nunchuk-Steuerung noch auf die wackelige linke Hand mit dem Nunchuk und dadurch auf die richtige Stellung des Control-Sticks achten. Unspielbar ist Tatsunoko Vs. Capcom aber mit den Standardcontrollern natürlich nicht, auch mit Ihnen kann man exzellente Ergebnisse bei dem auf Präzision basierenden Spiel erzielen.
Die Lokalisierung als Remake
Auch die Nintendo Wi-Fi-Connection bietet sich zum Online-Spielen an. Ihr könnt europa- oder weltweit gegen Freunde und Fremde antreten (müsst für Ersteres allerdings wie üblich Freundecodes eingeben) und könnt euch mit Siegen im Rang verbessern, wodurch ihr stärkere Gegner vorgesetzt bekommt. Auch gegen ewige Spielabbrecher hat Capcom Schritte unternommen: Wer wiederholt durch Verbindungsabbruch auffällt, wird als ein solcher Spielverderber gebrandmarkt und tritt dann nur noch gegen seinesgleichen an. Die "Hölle der Online-Spieler" nennt man das inoffiziell.
Der Online-Modus war 2008 noch nicht vorhanden, als Tatsunoko Vs. Capcom in Japan erschien. Erst für den Westen entschloss sich der Publisher für dieses zusätzliche Feature, das dem Titel mehr als nur gut tut. Schließlich basiert das Konzept hauptsächlich auf Überlegenheit über einen Gegner - und dieses Überlegenheitsgefühl ist nun einmal stärker, wenn tatsächlich irgendwo noch jemand anderes an einem Bildschirm sitzt. Wii Speak oder sonstige Chat-Möglichkeiten werden leider nicht unterstützt, dafür gibt es aber eine sehr einfache Variante, fremde Gegner auf eine Rivalenliste zu setzen und irgendwann Revanche zu fordern.
Der Online-Modus ist nicht das einzige neue Feature, das sich Capcom für den Westen hat einfallen lassen. Darüber hinaus gibt es auch noch einen neuen Spielmodus namens Tatsunoko Vs. Capcom - Ultimate All-Shooters, in dem ihr mit bis zur drei Mitspielern im Stile eines klassischen 2D-Shoot'em-Ups auf alles einstürmt, was sich bewegt. Allerdings muss dieser Modus - wie so viele Extras und Geschenke - erst durch Erfolge an anderer Stelle freigeschaltet werden.

Auch für zusätzliche Charaktere hat der Entwickler gesorgt. Frank West aus Dead Rising ist jetzt mit von der Partie und lässt charakteristische Schläge los. Yatterman wurde ebenfalls nachträglich eingefügt, genauso wie Tekkaman Blade oder MegaMan Zero. Passend dazu gibt es auch einige neue Arenen wie das zombieverseuchte Kaufhaus aus Dead Rising. Tatsunoko Vs. Capcom im Westen ist also weniger Lokalisierung als vollwertiges Remake des Originalspiels: Es wurde aufgestockt, verbessert und angepasst - da verzeiht man das eine Wartejahr nicht nur, sondern dankt Capcom sogar mit Kusshand dafür, dass der Titel a) überhaupt hierzulande erschienen und b) auch noch so viel besser als die Ur-Version ist. Dass der Titel nicht in deutscher Sprache existiert und auch in der deutschen Version nur englischen Bildschirmtext bietet, fällt angesichts der geringen Textmengen kaum ins Gewicht.
Japanisch bis zum Geht-nicht-mehr
Nun ist die Frage, ob in Europa auch tatsächlich genug Käufer zugreifen werden. Denn man muss eingestehen, dass Tatsunoko Vs. Capcom japanisch bis zum Gehtnichtmehr ist. Das fängt beim ganz Offensichtlichen an, also den Spielcharakteren. Die Hälfte des Kaders ist im Westen völlig unbekannt und die Charaktere sehen so obskur aus, dass sie auch wirklich nur aus Japan kommen können: Merkwürdige Umhänge, komische Helme, seltsame Klingen und Dornenpanzer wirken auf das Auge des europäischen Zuschauers sehr fremd, obwohl sie sich gut ins Gesamtbild eingliedern. Es ist beim ersten Spielstart einfach keine Identifikation mit Ken the Eagle, Yatterman, Jun the Swan oder Tekkaman vorhanden, und bei Ryu, MegaMan, Viewtiful Joe und Co. fühlt man sich erst einmal wohler.
Aber all das fällt nicht besonders negativ auf: Denn Tatsunoko Vs. Capcom ist ein gutes Kampfspiel - ob nun mit weltbekannten Maskottchen oder mit obskuren Nischen-Charakteren aus Fernost. Das Kampfsystem ist komplex, vielschichtig und abwechslungsreich und gleichzeitig gut erlernbar.
Auch grafisch ist Tatsunoko Vs. Capcom sehr hübsch anzusehen. Das Spiel präsentiert sich vor beweglichen 3D-Hintergründen, die zum Spielgeschehen aber nichts beitragen. Die Kämpfer sind dreidimensional modelliert und füllen große Teile des Bildschirms aus. Spezialangriffe sind perfekt in Szene gesetzt, glühende Lichteffekte und Explosionen lassen keine Wünsche offen. Der Sound kommt kaum zum Zug, weil er permanent von Soundeffekten, (japanischen oder englischen) Sprachsamples oder anderen Geräuschen überspielt wird. Lediglich die Hauptmenüs sind sehr spartanisch gehalten und auch ansonsten setzt der Titel nicht auf besonders viel Farbe oder ideenreiches Design außerhalb der Kampfbildschirme.Fazit: Trotz aller Barrieren, die durch die sehr japanische Prägung von Spieldesign und vor allem Spielfiguren entstehen, ist mit Tatsunoko Vs. Capcom ein Spiel in Europa erschienen, das einen sehr guten Ersatz für Street Fighter IV auf Nintendos Konsole darstellt. Es bietet kompromisslose Fighting-Action der ganz alten Schule, erlaubt furiose Angriffskombos und fordert willigen Spielern die nötige Disziplin und Ehrgeiz ab, wodurch langjährige Beat'em-Up-Fans lange Zeit an den Bildschirm gefesselt werden. Dabei sieht das Spiel die ganze Zeit exzellent aus und läuft ohne Beanstandungen flüssig, auch wenn sich Capcom bei der Gestaltung außerhalb des eigentlichen Kampfgeschehens (Menü-Design, Zwischenbildschirme etc.) jegliche Schnörkel gespart hat. Die Umsetzung für Europa ist mit Online-Modi und zahlreichen Extras aufpoliert worden und verdient dafür das uneingeschränkte Lob der Genrefans, welches sie mit einem Kauf dieses Beat'em Ups ausdrücklich an den Publisher aussprechen sollten.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Tatsunoko Vs. Capcom - Ultimate All-Stars | |
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| 8.5 | Grafik Saubere und vor allem flüssige Präsentation in den Kämpfen mit brillanten Spezialeffekten. Dafür sterile Schlichtheit in Menüs, Zwischenbildschirmen und drumrum. | |
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| 8.2 | Sound Rasantes Gedudel mischt sich mit authentischen Soundeffekten und japanischen oder englischen Sprachsamples. | |
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| 8.7 | Steuerung Es werden so viele Möglichkeiten angeboten, dass für jeden Spielertyp etwas dabei ist. Die Knopfsteuerung ist zwar sehr komplex, aber unerlässlich für das Konzept und muss dementsprechend erst einmal erlernt werden. | |
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| 8.7 | Gameplay Arcade-Feeling! Das Spiel vermittelt genau das Gefühl, das Fans von einem solchen Beat'em Up erwarten. Es geht keinerlei Casual-Kompromisse ein und bietet ein geradliniges, schnörkelloses Gameplay in vielen Modi an. | |
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| 8.6 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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Review: Tatsunoko Vs. Capcom - Ultimate All-Stars
HerstellerCapcom
GenreKampfspiel
VersionPAL
Controller-VoraussetzungWii-Remote, optional: Nunchuk, GameCube- oder Classic-Controller, Tatsunoko Vs. Capcom-Arcade-Stick
Spieler1-4
SchwierigkeitsgradSchwer
Altersempfehlung
Ab 12 Jahren
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Ja
Widescreen Modus
Nein
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Nein
Wifi-Connection
Ja
WiiConnect24 Support
Nein
Releaseerschienen
Preis (€)49,95
Innovationsfaktor
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