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Avatar - Das Spiel
Review von Tim Herrmann (mail) | 30.12.2009
Teuer = gut? In vielen Fällen hat diese Gleichung schon gestimmt, in mindestens genauso vielen Fällen ist sie aber gründlich nach hinten losgegangen. Filme mit einem hohen Budget erreichen meist besonders auf dem visuellen Sektor ganz Großes. James Cameron's Avatar steht momentan auf dem ersten Platz der teuersten Filme aller Zeiten. Eine halbe Milliarde Dollar hat das Projekt gekostet, das den Zuschauer mithilfe von 3D-Technologie und einer Mischung aus Animation und Realfilm in eine andere Welt entführen will. Ubisoft hat sich schon früh die Lizenzen gesichert und damit angegeben, hielt sich aber bei Infos zum Spiel stets genauso bedeckt wie Regisseur Cameron in Bezug auf den Film. Jetzt sind beide erschienen und stellen sich dem Urteil von Spielern und Kinogängern. Wir zählen zu Ersteren und erläutern in unserem Test, warum James Cameron's Avatar - Das Spiel auf wackeligen, wenn auch eigenen Beinen steht.

Die Ankömmlinge haben unser Land besetzt
Um eines gleich vorwegzunehmen: Avatar - Das Spiel hat mit dem Kinofilm vom Ablauf der Geschichte her nichts zu tun. Die Geschichte der Vorlage wird nicht umgesetzt, nicht nacherzählt, es wird nicht einmal darauf angespielt. Lediglich das Grundproblem bleibt bestehen: Die Menschheit hat den fernen Mond Pandora für sich entdeckt und will seine Rohstoffvorkommen ausbeuten - allerdings gibt es da auch noch ein Volk aus Ureinwohnern, das nach den Gesetzen der Natur lebt, den Menschen technologisch weit unterlegen, aber mit der Invasion ganz und gar nicht einverstanden ist - also im Prinzip eine moderne Adaption von alten Indianergeschichten wie "Winnetou", "Pocahontas" oder auch "Der mit dem Wolf tanzt".

Während im Film von einer Liebesgeschichte eines Mensch-Alien-Hybrids, des Avatars, berichtet wird, geht es im Spiel um einen einsamen Na'vi-Krieger namens Rai'uk. Die Na'vi, das sind die Ureinwohner von Pandora: blaue, fast drei Meter große Wesen, die perfekt an ihre Umwelt angepasst sind und mit mächtigen Stäben und Bögen gegen Hubschrauber und Maschinengewehre kämpfen. Rai'uk befindet sich, ganz untypisch für seine friedliche Rasse, auf einem Rachefeldzug - denn ein Mensch hat sein Dorf rücksichtslos verwüstet und zerstört systematisch sein Heimatland. Geschichte abgehandelt. Auf der Jagd nach dem Missetäter erfährt der Na'vi-Krieger von noch mehr Verbrechen der Menschen an den Na'vi und der Natur und rächt sich dafür pausenlos.

Der Krieger war aufgerufen zu handeln
"Der Krieger war aufgerufen zu handeln", wird am Ende eines jeden Einleitungstextes geschrieben. Diese kurzen Erläuterungen zur Geschichte stehen am Anfang der Missionen und ersetzen damit jegliches filmisches Erlebnis, was schon zweifelhaft ist in Anbetracht der Tatsache, dass das Videospiel auf einem Film basiert. Dieses "Handeln" des Kriegers besteht im Wesentlichen aus Schleichen und Kämpfen: James Cameron's Avatar - Das Spiel ist fast ausschließlich ein Stealth-Spiel, bei dem die Grenzen zum Action-Adventure aber oft nicht besonders klar definiert sind. Es geht darum, euren Na'vi-Krieger leise durch Hochburgen der Menschen zu lotsen, ihn unerkannt Laser-Schranken passieren zu lassen, Feinde still und im Voraus zu töten. Ihr kontrolliert den Krieger mit dem Nunchuk durch die linear konstruierten, grünen Level-Landschaften des Urwaldes von Pandora bzw. durch die grauen Militärbasen der Menschen. Sobald sich Feinde in den Weg stellen, geht der Na'vi in den Schleichmodus und ihr solltet ihn entweder in hohes Gras manövrieren, das es eigentlich überall gibt, oder eine Alternativroute wandern lassen, die euch an den Wachen vorbeischleust oder die Möglichkeit eröffnet, sie ungesehen von oben anzugreifen.



Wenn sich der Krieger direkt hinter oder über einem ahnungslosen Menschlein befindet, kann der Spieler durch Bedienen des B-Knopfs ein Stealth-Manöver auslösen: Während eines Quick-Time-Kommandos schwingt ihr die Wii-Fernbedienung in eine vorgegebene Richtung und beseitigt den Gegner mit einem Wisch. Das hat allerdings immer zur Folge, dass die restlichen Wachen auf euch aufmerksam werden. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder lasst ihr den Na'vi wieder im hohen Gras verschwinden und wartet, bis die Gegner sich in Sicherheit wiegen, oder ihr stürzt euch mit Gebrüll in den Kampf. Entscheidet sich der Spieler für das Stealth-Gameplay, muss er kein besonders raffinierter Taktiker sein. Denn auch wenn ein Gegner direkt vor dem Na'vi steht, verliert er ihn aus den Augen, sobald er einen Schritt ins Gras macht. Hier wird es dem Spieler ein wenig zu leicht gemacht, Verfolgungen gibt es nicht und wer einfach zwanzig Sekunden abwartet, kann seine Stealth-Manöver von neuem starten. Der Stab, die Allzweckwaffe der Na'vi-Krieger, wird mit Bewegungen der Wii-Remote gesteuert, was auch recht gut funktioniert. Das Spiel erkennt vier Schlagrichtungen und führt sie auch so aus, wie sie der Controller macht - warum hat man nicht hier optional Wii MotionPlus unterstützt, dafür aber bei der Neigungssteuerung einer Wespe...? Der Bogen wird standesgemäß mit dem Pointer gesteuert, hat aber weniger Durchschlagskraft.

Und so geht es dann durch die Level: Man schaltet alle Gegner aus - möglichst viele davon still und leise und ohne sich in einen Nahkampf verstricken zu lassen, in dem die Menschen mit Maschinengewehren aufwarten. Ab und zu bekommt der Spieler es mit Laser-Anlagen zu tun, die er ausschalten und umgehen muss - ansonsten wird er doch wieder in einen Nahkampf verwickelt oder zur Flucht gezwungen. Abwechslung bringen Banshee-Passagen ins Spielgeschehen. Banshees sind blau-bunte Drachenvögel aus Pandora, auf denen der Krieger reiten und seine Feinde verfolgen kann. In der Standardsteuerung bewegt ihr ihn durch Neigungen des Nunchuks durch die Lüfte und schießt mit eurem Bogen auf den Gegner oder auf von ihm ausgestreute Luftminen, um nicht selbst verletzt zu werden. Quick-Time-Events ermöglichen es, dem Gegner auf die Pelle zu rücken und vom Gejagten zum Jäger zu werden. Allerdings ist das auch alles, was hier passiert: Die Umgebungen wiederholen sich, Manöver und Quick-Time-Events auch und Checkpoints gibt es ebenfalls keine. Die Banshee-Flüge haben irgendwie Lückenfüller-Charakter.

Mut zur Innovation
Die Wii-Version von Avatar hat nicht nur mit dem Film wenig gemeinsam, sondern auch mit den Varianten für die XBOX360 und die PlayStation 3. Lediglich einige optische Motive erkennt man ab und zu wieder, das Spielprinzip und der -Ablauf sind aber verschieden. Hier haben die Entwickler also schon Mut zur Exklusiv-Entwicklung bewiesen und dieser Mut zeigt sich auch in der Steuerung. Zunächst ist da die Stabsteuerung mit der Wii-Remote, die mittlerweile natürlich nichts Besonderes mehr ist, aber immerhin besser daher kommt als die Knopfsteuerung, auf die viele Multiplattform-Lizenzumsetzungen in letzter Zeit auch auf Wii wieder verstärkt gesetzt haben, und besser als simple, alibihafte Schüttelsteuerung.



Darüberhinaus unterstützt Ubisoft in diesem Titel auch wieder das Balance Board und Wii MotionPlus wie schon bei Academy of Champions Football und Shaun White Snowboarding. Die Fehler der Umsetzung der beiden Zubehöre in den eben genannten Spielen (das Balance Board in Shaun White ausgenommen) werden hier aber genau so noch einmal gemacht. Dass sie unterstützt werden, tut für das Spiel nämlich absolut nichts zur Sache, die Zubehöre werden lediglich als kleine, unbedeutende Gimmicks gebraucht, die noch dazu nicht besonders gut eingebunden wurden. Das Balance Board kommt in den oben bereits angesprochenen Passagen mit dem Banshee zur Verwendung. Anstelle des Nunchuks und dessen recht groben Bewegungssensoren kommt hier nun der ganze Körper zur Verwendung, der den Vogel durch Gewichtsverlagerung in einer Ebene manövriert. Besonders sensibel ist das Ganze allerdings nicht und es ist schwer, den Körper schnell in die Richtung zu bringen, in die der Vogel eigentlich flattern sollte. Im Sitzen unterdessen funktioniert dies auch nicht, schließlich müsst ihr gleichzeitig mit den Händen auch noch zielen und habt keine Möglichkeit, euch irgendwie abzustützen.

Die Unterstützung von Wii MotionPlus ist noch oberflächlicher: Manchmal trifft der Na'vi-Krieger auf Wespennester, bei denen er die Kontrolle über eine Wespe übernehmen und mit ihr die Landschaft auskundschaften kann. Die Steuerung des Viechs geht aber auch nur sehr schwer von der Hand, ist ungenau, hat keinen wirklichen Nutzen für das Spiel und bleibt demnach verzichtbar.

Unberührtes Pandora
Avatar setzt als Film voll auf seine optische Seite und handelt die Geschichte fast schon nebenbei am Rande ab. James Cameron will, dass man den Film nicht nur sieht, sondern erlebt, dass man in die neue Welt regelrecht eintaucht. Auf der PlayStation 3 und der XBOX360 wurde das mit einer Grafik realisiert, die auf kompatiblen Fernsehern mit 3D-Effekten aufwartet und die neue Welt in ihrer vollen Pracht darstellen kann. Wii hat natürlich weniger Leistung auf dem Kasten und das merkt man auch. Nichtsdestotrotz sorgt eine starke Engine im Hintergrund für eine ziemlich detailreiche und farbenprächtige Umgebung mit vielen Nuancen und schönen Animationen und Modellen. Die Flüssigkeit hat darunter aber oft zu leiden: Das Spiel ruckelt manchmal merklich und bremst den Spielfluss aus.

Wenn dazu dann noch die ungünstige Kamera kommt, die nicht selten völlig unpassend irgendwo im Protagonisten oder knapp dahinter zu stecken scheint, werden Kämpfe schwieriger als sie eigentlich sein müssten, und der Spieler verliert die Orientierung, weiß nicht mehr, wo er eigentlich gerade ist. Glücklicherweise gibt es die Möglichkeit, die Kamera entweder hinter dem Na'vi auszurichten oder sie in die Richtung zeigen zu lassen, in der das Ziel liegt. Avatar ist optisch recht gut gelungen, allerdings entsteht zu keinem Zeitpunkt ein echter Wow-Eindruck - die Landschaften wären immer auch irgendwie austauschbar durch irgendeinen Schauplatz im südamerikanischen Regenwald. Neue Erlebnisse vermittelt die Gestaltung auf Nintendos Konsole trotz Detailreichtum und sauberer Ausgestaltung nicht.

Fazit:
Avatar - Das Spiel möchte auf eigenen Beinen stehen, schafft dies aber nur bedingt. Die eigenständige und vom Film unabhängige Geschichte wird nur sehr rudimentär und oberflächlich erzählt und hauptsächlich durch sterile Textkästen vorangetrieben, was dem filmischen Erlebnis regelrecht in den Magen boxt. Das Gameplay unterdessen ist in den ersten Minuten noch atmosphärisch und es macht Spaß, sich als getarnter Ureinwohner durch die neue Welt zu pirschen - später wiederholt es sich dann aber immer und immer wieder und auch die Wii-Features mit Balance Board, Wii MotionPlus oder auch dem normalen Wii-Controller können für keine neuen Erlebnisse sorgen. Die Grafik ist gut, aber aufgrund der technischen Beschränkungen nicht in der Lage, wie auf den HD-Konsolen ein echtes, wenn nicht das einzige Kaufargument zu sein. So bleibt eine Filmumsetzung übrig, die sich die Grundidee schnappt, etwas Neues nicht besonders überragend und recht abwechslungsarm darum strickt und das Attraktivste am ganzen Avatar-Franchise nicht berücksichtigen kann: die Technik.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Avatar - Das Spiel
Wertungen Beschreibung
8.0Grafik
Satte Farben, viele Details, schönes Design, saubere Gestaltung von Animationen - Allerdings macht die Framerate dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung und lässt das Spiel manchmal ruckelig werden. Bei optischen Innovationen wie im Film oder in den HD-Versionen redet die Wii-Version nie mit.
7.5Sound
Meistens unauffällig: Eher still und unterschwellig bringt der Ton bedrohliche Atmosphäre durch den Bildschirm, wodurch der Stealth-Aspekt unterstrichen wird. Die deutsche Sprachausgabe überzeugt.
7.2Steuerung
Die Unterstützung von Wii MotionPlus und Balance Board war nett gemeint, ist aber nicht gut und nur sehr oberflächlich gelungen. Ansonsten bietet Avatar eine meistens funktionierende Kontrolle mit zwei Händen, Knöpfen und unaufdringlichen Bewegungskommandos.
6.8Gameplay
Nach den ersten paar Missionen fehlt die Abwechslung - sowohl in Hinsicht auf das Spielgeschehen als auch in Hinsicht auf die Optik. Die Banshee-Flüge sind eher lästig, das Stealth-Gameplay manchmal nicht ganz ausgereift.
6.9Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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