Review von Tim Herrmann (mail) | 28.12.2009
Man nehme: eine erfolgreiche Lizenz und ein wenig unkompliziertes, actionreiches Gameplay, das bunt darum gestrickt wird, und fertig ist das dampfende Lizenzspiel aus der 5-Minuten-Terrine. Das Rezept lässt sich glücklicherweise noch variieren und unterschiedlich würzen, was sich gut anhand des Beispiels von Marvel Super Hero Squad verdeutlichen lässt. Denn wer es nicht genau weiß, könnte diesen Titel von THQ ganz schnell mit Marvel - Ultimate Alliance von Activision verwechseln. Im Prinzip stecken nämlich zwei fast identische Spielideen dahinter. Dennoch richten sich beide aber an völlig unterschiedliche Zielgruppen - wurden also, um auf die abstraktere Ebene zurückzukommen, noch einmal ordentlich nachgewürzt. Wir haben Marvel Super Hero Squad für euch unter die Lupe genommen und können in unserem Test klären, welche Gewürze THQ auf die Marvel-Lizenz gestreut hat, um dem Spiel eine Daseinsberechtigung zu geben.
Marvel Ultimate Alliance ultralight
Es ist frappierend, wie ähnlich sich Marvel - Ultimate Alliance (bzw. der zweite Teil davon) und Marvel Super Hero Squad sind, obwohl sie von völlig unterschiedlichen Teams entwickelt und von völlig unterschiedlichen Publishern auf den Markt gebracht wurden. In beiden Spielen hat der Spieler die Kontrolle über die geballte Kraft von vereinten Marvel-Charakteren aus vielen Universen und Welten, die die Comic-Reihe zu bieten hat. In Teams manövriert ihr sie durch eine Vielzahl von simpel gehaltenen Levels und ballert, hämmert oder feuert mit den charakteristischen Spezialfähigkeiten auf die Gegner ein, was das Zeug bzw. die Kontrahenten halten.

Nun darf man sich fragen: Warum hat THQ ein Spiel entwickelt, das es bereits in fast identischer Fassung von Activision gibt? Mag der Publisher, der in diesem Jahr fast eine halbe Milliarde Dollar Verlust gemacht hat, die stets spannende Atmosphäre im Gerichtssaal, wo er von Activision des Plagiats bezichtigt würde? Nun, ganz so abstrus lautet die Existenzbegründung von Marvel Super Hero Squad nicht - mit etwas Abstand ist sie sogar recht einleuchtend: Während Marvel Ultimate Alliance eher für ältere Spieler gedacht ist, richtet sich Marvel Super Hero Squad klar an die jüngere, um nicht zu sagen "ganz junge" Klientel. Wolverine ist kein Kraftpaket mit tödlichen Klingenhänden mehr, sondern ein recht niedlicher, ein Meter großer Knubbelkopf mit lustiger Frisur und agilen Fingerchen. Der Hulk unterdessen präsentiert sich nicht mehr in gefährlich-ekeligem Schimmelgrün, sondern leuchtet grell in Neontönen auf und lässt die Muskeln spielen.
Der grafischen Aufmachung entspricht auch das Gameplay, das der Spieler vorgesetzt bekommt: Zwischensequenzen sollen nicht den Eindruck eines aufwändig animierten Marvel-Filmes machen (wie es sie ja in den letzten Jahren zuhauf gab), sondern eher an eine Sonntagmorgen-Cartoon-Sendung erinnern. Standbilder, in die sich ab und zu Animationen und Bewegungen mischen, werden mit deutscher Sprachausgabe und merklich übermotivierten Sprechern vermischt und leiten so in die leider nur sehr rudimentär ausgeprägte Geschichte ein, in der Allzweckbösewicht Dr. Doom wieder einmal Böses plant, wogegen die Superheldenallianz vorgeht.
Im Vordergrund steht aber nicht die Geschichte oder die Präsentation, sondern (leider) das Gameplay: Mit einem Team aus zwei vorher ausgewählten Marvel-Helden zieht ihr in den Kampf und erfüllt Aufträge, die euch eine S.H.I.E.L.D.-Teamleiterin erteilt. Das hört sich zunächst nach viel Abwechslung mit unterschiedlichen Spezialfähigkeiten, knackigen Team-Rätseln oder gewagten Kombo-Angriffen an, bedeutet aber im Prinzip wieder einmal nur endloses und anhaltendes Laufen und Schlagen, was vor die Fäuste, den Laserblick, die Klingen, den Hammer oder die mutierten Körperteile kommt. Ihr sollt bestimmte Gebiete von Feindscharen und deren Equipment befreien, ein Tor beschützen, Teammitglieder retten oder einfach Ziele erreichen. Weil das Ganze eher auf Kinder ausgelegt ist, steigt der Schwierigkeitsgrad kaum an und intellektuell anspruchsvoll wird Marvel Super Hero Squad auch nie. Das Konzept von Marvel Ultimate Alliance, das ja durchaus nicht schlecht bei Kritikern ankam, wurde in Marvel Super Hero Squad also mit niedlichem Grafikstil und anspruchslosem Spielverlauf lediglich auf kalorienarm und leicht verdaulich getrimmt und kann demnach getrost als Marvel Ultimate Alliance light bezeichnet werden, das mit einer ordentlichen Portion Süßstoff besonders süß und damit speziell für Kinder schmackhaft ist, um noch einmal auf den Bezug zum Kochen aus der Einleitung zurückzukommen. Zumindest sollte das Ganze insgesamt schmackhaft sein, aber manchmal kann zu viel light und zu viel Süße auch schädlich sein...

Wo bin ich gerade? Warum macht der das? Und wo soll ich hin?
Die Vergangenheit hat gelehrt, dass das einfache Kopieren eines Konzeptes nicht gleichbedeutend mit Erfolg oder gar Qualität ist. Besonders dann nicht, wenn man durch eine Zielgruppenänderung auch noch so etwas wie Individualität ins Konzept bringt. Marvel Super Hero Squad macht klar, dass auch ein ganz traditioneller, geradliniger Action-Brawler nicht einfach schnell dahin programmiert werden kann, sondern immer ausreichendes Feintuning braucht. Das fällt bei Marvel Super Hero Squad besonders auf, weil dieses Spiel jegliches Feintuning, jegliche sorgsame Überprüfung und jeden Anflug von selbstkritischer Reflexion vollkommen vermissen lässt. Das Spiel funktioniert schlicht nicht richtig.
Ihr steuert euren kleinen Knubbelmarvelheld mit dem Nunchuk, lasst ihn mit der Z-Taste springen und greift mit A- und B-Knopf an, wobei letzterer für besonders schwere Angriffe gedacht ist. Unschön ist nun, dass das Gameplay zum reinen Buttonsmashing verkommt, ihr drückt immer und immer wieder den A- und B-Knopf, bekommt aber einfach kein angemessenes Feedback vom Spiel. Ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung: Fünf Gegner kommen auf euer Zweiergespann zugelaufen, ihr drückt den A-Knopf und der Held (z.B. Wolverine) hechtet auf den ersten Gegner zu und prügelt auf ihn ein. Wenige Sekunden später finden wir uns in einem großen Gewühl wieder, in dem der Spieler überhaupt nicht mehr erkennt, a.) wo seine Spielfigur gerade ist und b.) was sie gerade tut. So drückt er eine wirre Kombination aus A, B und dem Control-Stick, um dann, wenige Sekunden später, festzustellen, dass sein Spielcharakter schon längst fünf Meter vom Geschehen entfernt steht und auf eine Wand einschlägt.
Das kommt zum einen daher, dass man das Spielgeschehen wegen der schwunghaften Kamera ab und zu aus dem Blick verliert, und zum anderen bewirken manche Knopfkombinationen Spezialangriffe, die den Protagonisten gleich um mehrere Meter nach vorn und damit um Längen am eigentlichen Ziel vorbeihechten lassen. Der Spieler stellt sich während seines Feldzuges also regelmäßig Fragen wie "Was passiert da eigentlich gerade?","Huch, wie ist denn das jetzt gerade passiert?" oder "Warum macht der das jetzt gerade und warum macht er das andere gerade nicht?". Dazu kommt die stete Frage danach, wo man eigentlich hin soll. Zwar werden Aufträge vergeben, Karten gibt es aber nicht und wegen der zahlreichen Kameraschwenker verliert man schon sehr schnell jegliche räumliche Orientierung.

Im Vergleich zu dieser unbalancierten Klopperei mit zahllosen Gegnern und Gegenständen, die eine völlig unnachvollziehbar unterschiedliche Anzahl an Schlägen brauchen, bis sie endlich explodieren, wirken nicht fehlerfreie Action-Spiele wie Spyborgs wie reine Meisterwerke. Wie immer: Man lernt erst zu schätzen, was man an einem gut geschliffenen, wenn auch recht abwechslungsarmen Action-Spiel hat, wenn man es nicht mehr bekommt. Marvel Super Hero Squad erinnert in jeder Spielsekunde an diese Weisheit. Zwar sind die Optik und die Präsentation recht gut gelungen und die Marvel-Lizenzen interessant umgesetzt worden, das schlechte und einfach nicht gut funktionierende Gameplay bricht dem Titel aber sein Genick. Das kann BlueTongue, Entwickler des Spiels, eigentlich besser, aber man merkt, dass das Gameplay hier nachträglich, unsauber und unter Zeitdruck schnell um die bereits bestehende Lizenz und die optische Präsentation gestrickt wurde und nicht andersherum. So bekommt der Käufer letztendlich ein unfertiges Produkt beziehungsweise eine ungare Mahlzeit
Fazit: Marvel Super Hero Squad versucht, die gute Idee von Marvel Ultimate Alliance zu übernehmen und auf ein jüngeres Publikum zuzuschneiden. Was grafisch und technisch recht gut gelingt, scheitert an dem unsauber ausgearbeiteten Gameplay. Ungenauigkeiten in der Kameraführung und der Charakterkontrolle, unkontrollierbarer Ablauf der Kämpfe und wenig Abwechslung machen den Titel zu einem sehr durchschnittlichen, linearen, spielerisch belanglosen Action-Brawler mit langweiligen Gegnern und langweiligem Level-Design, der auch für Kinder wenig Substanz abseits der Lizenzen bietet.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Marvel Super Hero Squad | |
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| 6.8 | Grafik Ordentliche, auf niedlich getrimmte Charaktermodelle treffen auf technisch einigermaßen sauber modellierte Umgebungen, die allerdings vom Design her nur zum Gähnen animieren. | |
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| 6.7 | Sound Die Sprecher erzählen ihre Texte zwar in Deutsch, tun dies aber in recht übertriebener Art und Weise, was wirklich nur den Charakter eines billigen Cartoons erzeugt und keineswegs den einer hochwertigen Produktion. | |
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| 4.2 | Steuerung Schlechte Kameraführung, schlechte Steuerung, die auf bestimmte Kommandos nicht oder nicht gut reagiert und oftmals zu unvorhersehbaren oder unerwünschten Reaktionen im Spiel führt, die alles unnötig zäh und lahm machen und keine Action aufkommen lassen. | |
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| 5.4 | Gameplay Langweiliger Spielablauf, wenig Abwechslung, einfallsloses Leveldesign und eine relativ wenig originelle Geschichte nehmen der einigermaßen gut umgesetzten Lizenz ihre Zugkraft. | |
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| 5.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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