Review von Tim Herrmann (mail) | 08.04.2007
Zur schnellen, einfachen und unkomplizierten Herstellung eines Spiels für Nintendos neue Heimkonsole Wii nehme man: ein kleines Entwicklerteam aus Montreal und ein Spiel, das bereits auf anderen Konsolen erschienen ist und durchweg gute Wertungen eingefahren hat. Man wärme alles für ca. drei Monate unter Beigabe einiger gerendeter Screenshots auf und präsentiere den Titel wie das neueste Nonplusultra. Wenn alles richtig gemacht wurde, erscheint nun ein so genanntes Wiimake, vorausgesetzt man hat keine zusätzlichen Inhalte, keine andere Handlung oder eine überarbeitete Grafik hinzugefügt. Am Ende der Herstellung garniere man das „neue“ Produkt mit einem frischen Namen und verkaufe es erneut zum vollen Preis in den Läden. Fertig! Nach nur wenigen Monaten!
Was ihr gerade gelesen habt, könnte vielleicht ein kurzes Rezept aus einem Büchlein sein, das Ubisoft vor einigen Monaten für sich entdeckt hat und das den Publisher kurzerhand zur Entwicklung eines „neuen“ Spiels für die momentan gut laufende Konsole Wii überzeugen konnte.
Ob man das tatsächlich alles so hart sagen muss, oder ob Ubisoft bei Prince of Persia – Rival Swords für Wii eigentlich alles richtig gemacht hat und man ihnen für die Neuauflage dankbar sein kann, könnt ihr in unserem Test zum Perserprinzen für Wii lesen.
Der affenartige Akrobaten-Prinz
Das Spiel beginnt gleich furios: Der Prinz kommt gerade von der Insel der Zeit wieder, die Neulingen in der Serie erst einmal gar nichts sagen wird und die auch nicht näher beschrieben wird; im Schlepptau hat er eine gewisse Kaileena, die zufällig auch die Herrscherin der Zeit ist. Der Prinz freut sich darauf, in seine Heimatstadt Babylon zurückzukehren, doch die Freude währt nicht allzu lange: Als die beiden einen ersten Blick auf die Stadt werfen können, müssen sie nicht nur entsetzt feststellen, dass alles in Schutt und Asche liegt und ein brutaler Krieg in den Straßen tobt. Nein, zusätzlich dazu werden sie auch noch von den Stadtmauern aus bombardiert und voneinander getrennt. Anstatt nun also von einem Willkommenskomitee herzlich empfangen zu werden, muss der Blaublütige jetzt wie ein Verbrecher durch seine Stadt schleichen, immer auf der Hut vor den bizarren Kreaturen mit Vogel- oder Schweine(?)masken. Extrem unpraktisch und nicht förderlich bei der ganzen Schleicherei ist, dass keine Tür der Stadt aufgeschlossen ist und auch öffentliche Wege nicht unbedingt die klügste Idee sind, wenn man auf der Flucht vor Bösewichten ist, die einen gerne tot sehen würden. Dem Prinzen bleibt also nur eine Möglichkeit: Klettern, Hangeln, an Wänden entlanglaufen, Mauern hochkraxeln, springen, schwingen und so weiter und so fort. Und darin zeigt sich auch gleich einer der Hauptaspekte des Spiels: die Akrobatik, die man benötigt, um durch die Stadt zu gelangen. Die unterschiedlichen Parcours sind unheimlich intelligent gestaltet, es ist nie unfair und nie zu leicht, sein Ziel zu erreichen. Außerdem macht es einfach tierisch Spaß, dem Prinzen zuzusehen, wie er einem Affen gleich durch die Stadt springt oder hangelt, wie leichtfüßig er auch die größten Mauern und Abgründe überwinden kann. Wenn jedoch eine Häuserschlucht erstmal überwunden ist, war das auch das letzte Mal, dass man dieses Stück Babylon zu Gesicht bekommen hat. Denn das Spiel ist strikt linear gehalten, es gibt also keine Wiederkehr an bekannte Orte, um beispielsweise neue Türen zu öffnen oder neue Fähigkeiten anzuwenden. Die Entscheidung, ob das gut ist oder schlecht, bleibt jedem selbst überlassen.
Was ist neu?
Als nächstes beschäftigen wir uns mit dem Hauptaspekt und dem Einzigen, was neu ist bei „Rival Swords“ – mit der Steuerung: Allein ihretwegen hat Ubisoft die ganzen Strapazen auf sich genommen und sich an die nervenaufreibende Produktion des neuen Titels gemacht.

Beim ersten Anblick der neuen Möglichkeiten von Wii bezüglich der Kontrollschemata muss man auf der Stelle Klarheit darüber erlangt haben, wie gut dieses Konzept doch zu „Prince of Persia – The Two Thrones“ passen würde, das Ende 2005 für GameCube, PlayStation2, XBOX und Co. erschienen ist und durchweg gute Wertungen bei den Testern einfahren konnte. Und tatsächlich scheint gerade das Free-Form-Fighting-System, bei dem man vormals mit verschiedenen Tastenkombinationen viele verschiedene und verheerende Moves gegen seine Feinde ausführen konnte, prädestiniert für Wii zu sein. Schließlich kann die Wii-Fernbedienung ja Bewegungen im Raum erkennen und somit eigentlich perfekt als Schwertersatz dienen. Das ist so nicht unbedingt gelungen, denn wie gewohnt gibt es keine 1:1 Kontrolle über den Dolch; vielmehr dienen nun die Bewegungen von Wiimote und Nunchuk als Knopfersatz. Wo früher beispielsweise AABAA gedrückt werden musste, wird nun die Wiimote zweimal runter, dann das Nunchuk einmal hoch und dann wieder die Wiimote zweimal runter bewegt. Das fühlt sich zwar nicht unbedingt nach echtem Schwertkampf an, funktioniert aber trotzdem gut. (Fast) Tausendundeine Variation an verschiedenen Moves bekommt man geboten: Angriffe nach einem Wandlauf, Attacken von einer Säule aus, Kampfgriffe, bei denen der Gegner auf den Rücken geschleudert wird, sehr komplizierte Schwungkombinationen, die extrem durchschlagskräftige Schwerthiebe auslösen oder die Speed-Kills, bei denen man einen Gegner heimlich, still und leise von hinten ausschalten kann, wenn man das richtige Timing erwischt. Man könnte mehrere Zeilen damit füllen, welche Tastenkombination in Verbindung mit welcher Handbewegung welchen Dolchhieb auslöst. Das tun wir aber an dieser Stelle nicht, denn das stünde für Käufer auch alles jederzeit im Pausenmenü. Mit der Zeit werdet ihr euch ein Repertoire zurechtgelegt haben, das ihr mit der Zeit immer weiter füllt und das ihr später routiniert abrufen könnt. Wenn ihr zum Beispiel an einer Wand steht, bietet sich an, an dieser hinaufzulaufen und dann mit gezücktem Dolch auf den Feind niederzuregnen (was im Übrigen sehr cool aussieht, wie auch viele andere Moves).
Mehr Eindruck macht die Steuerung noch bei „normalen“ Bewegungen des Prinzen. Wenn man seinen Dolch in eine Kerbe in der Wand haut, um dann wieder irgendwo anders hinspringen zu können, fühlt sich das einfach intuitiv, simpel und gut an. Noch besser hat mir gefallen, wie der Dunkle Prinz seine Kette auswarf, um à la Spiderman an Stangen umher zu schwingen oder Blöcke an sich zu reißen.
Jetzt beginnt das Review zu "Prince of Persia - The Two Thrones"
Ich hoffe, dass ich nicht einigen schon die Vorfreude auf das Spiel verdorben habe, indem ich den „Dunklen Prinzen“ erwähnt habe, die Gestalt, die auch dick und fies auf dem Cover prangt. Der Dunkle Prinz ist bei „Prince of Persia Rival Swords“ bzw. „The Two Thrones“ das dunkle Ebenbild des Prinzen, das aufgrund verschiedener Umstände, die ihr im Spiel kennenlernen werdet, immer öfter Besitz des Protagonisten ergreift und ausgestattet mit einer fiesen Kette seinen Feinden die Hölle heiß macht. Leider kann der Dunkle Prinz nur überleben, wenn er regelmäßig mit dem so genannten „Sand der Zeit“ in Verbindung kommt, was die Sequenzen mit ihm noch ein wenig hektischer machen. Leider kann man sich nicht jederzeit in das dunkle Ebenbild verwandeln, das hätte vielleicht noch etwas mehr Komplexität in die Sprungpassagen des Spiels gebracht (obwohl diese auch schon so erste Sahne sind). Der eben genannte „Sand der Zeit“ hat aber noch mehr Nutzen: Mithilfe dieses ominösen Staubes kann der Prinz nämlich praktische Dinge tun, die ihm zwar nur selten zum Lösen von Rätseln helfen, dem Spiel aber einen beachtlichen Teil Frustfaktor nehmen. Wenn man zum Beispiel die Zeit für ein paar Sekunden zurückspult, lässt sich ein ärgerlicher Fehler, den man gerade begangen hat (zu früh abgesprungen, weggerutscht etc.), rückgängig machen und somit kann ohne nervigen Neuanfang einfach weitergespielt werden.
Kommen wir zur technischen Seite von Prince of Persia – The Two Thrones. Nein, ich habe mich im letzten Satz nicht verschrieben. Das Review im Review hat schon mit dem letzten Absatz begonnen, denn alles, was jetzt beschrieben wird, wurde eins zu eins und unverändert aus der GameCube- bzw. PS2- bzw. aus anderen Versionen übernommen. Die Grafik präsentiert sich auf einem relativ soliden Niveau und schlägt so manche Optik, die man schon auf Wii ertragen musste, immer noch um Längen. Trotzdem muss man nicht verschweigen, dass das Ende 2005 erschienene The Two Thrones eine kleine Aufhübschung sehr gut vertragen hätte. Wenn die besiegten Gegner nicht in den Wänden verschwinden würden und die Mauern auch nicht ab und zu „Tapetenrisse“ hätten, durch die man irgendetwas Weißes hindurchschimmern sieht, wäre das sehr famos. Auch der Prinz selbst hätte gegen einige Polygone mehr, so dass er nicht so eckig und kantig aussehen würde, sicher nichts gehabt. Die Zwischensequenzen, die man von Zeit zu Zeit zu sehen bekommt (manche als FM-Video, manche in Spielgrafik) sehen ebenfalls recht schön aus.

Musik und Soundeffekte ziehen das Spiel genauso nach oben: Einen dicken Pluspunkt bekommt die komplett deutsche Sprachausgabe, die nicht nur einen lebendigen Ausdruck bietet, sondern auch durch eine atmosphärische, persisch angemessene Wortwahl glänzt. Leider aber ohne Untertitel, weswegen man manche Passagen ab und zu wegen Nebengeräuschen nicht gut oder gar nicht versteht. Die Erzählerin des Märchens aus Tausendundeiner Nacht fängt nämlich manchmal mitten während des Spiels an zu quatschen. Die Musikstücke tun ebenfalls alles andere als weh in den Ohren: Die Klänge während der Kämpfe nerven nicht und in den Akrobatik-Passagen schmeicheln orientalische Töne das Ohr.
Fazit: Tja, wie bewertet man nun ein Spiel wie Prince of Persia – Rival Swords? Auf der einen Seite war, ist und bleibt es ein tolles Spiel, an dem man nicht wirklich viel aussetzen kann. Grafik und Sound sind beide auf einem guten Level und die Akrobatik-Action verbunden mit den actiongeladenen Kämpfen machen einfach Spaß. Dazu stimmen Umfang und Atmosphäre und die Portierung auf Wii ist insgesamt gut gelungen. Auf der anderen Seite muss man aber auch bedenken, dass Ubisoft hier nichts weiter gemacht hat, als das Spiel für eine abwärtskompatible (!) Konsole neu aufzuwärmen und ihm eine neue Steuerung zu verpassen. Dass man nicht einmal die Grafik wirklich merklich überarbeitet oder zusätzliche Features oder Passagen hinzugefügt hat, stellt für mich noch einen weiteren Minuspunkt dar. Nun muss jeder für sich selbst entscheiden, ob ihm eine neue, nicht wirklich überragend bessere Steuerung tatsächlich 50€ wert ist, oder ob er nicht doch lieber zur mittlerweile sehr günstigen Cube-Version greift und diese auf Wii spielt. In die Endbewertung fließen sowohl der Faktor, dass es sich hierbei um ein tolles Spiel handelt, als auch der Punkt, dass der Vollpreis absolut nicht (mehr) gerechtfertigt ist, mit ein.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Prince of Persia - Rival Swords | |
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| 7.0 | Grafik Durchweg guter grafischer Stil und stimmige Atmosphäre. Leider gibt es einige Schwächen mit den Texturen und auch die Charaktere könnten polygontechnisch betrachtet besser aussehen. | |
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| 8.3 | Sound Hier gibt es nichts wirklich auszusetzen, alles ist in Ordnung, die Musik kommt zum richtigen Zeitpunkt in richtigen Dosen und auch die Soundeffekte kommen recht überzeugend 'rüber. | |
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| 8.6 | Steuerung Die Stadt Babylon und ihre Sprungpassagen sind sehr intelligent gestaltet, das Hin- und Herspringen und tausendundeine Möglichkeit, irgendwo hin zu kommen, machen einfach Spaß. | |
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| 7.8 | Gameplay Die Steuerung funktioniert durchweg gut. Sie artet zwar während der Kämpfe etwas zu heftig in wildes Gefuchtel aus, ist dafür aber in anderen Situationen umso instinktiver und passender. | |
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| 7.5 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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