Review von Tim Herrmann (mail) | 06.12.2009
Galileo Mystery ist nicht grundlos ein gefundenes Fressen für Komiker und Satiriker überall in Deutschland. Das mittlerweile etablierte TV-Format bei ProSieben tut so, als wäre es eine Dokumentation, ist aber in Wirklichkeit ein Unterhaltungsformat, das mit pseudowissenschaftlicher Beweisführung und dramatischer Inszenierung für ein schauriges Zittern auf der einen Seite und auf der anderen Seite für ein gutes Gewissen wegen des vermeintlichen Bildungscharakters sorgt. Ein erstes Videospiel, auf dessen Cover jetzt groß das Logo des Magazins prangt, steht jetzt auch in den Regalen: Die Krone des Midas nennt sich dieser Titel von SevenOne Intermedia, der sich heute unserem strengen Test stellt.
Wer findet die Lizenz...?
Normalerweise sollt man meinen, dass Entwickler und Publisher sich eine teure Lizenz sichern, um ihrem Titel einen Aufmacher zu geben, ihn für eine breitere Masse interessanter zu machen und ihm Merchandising-Charakter zum beliebten Mutterprodukt zu verleihen. So wartet man in Galileo Mystery - Die Krone des Midas beim Spielstart auch nur geradezu darauf, dass gleich Aiman Abdallah, Moderator des Formats, gruselig von unten beleuchtet und mit konspirativem Gesichtsausdruck im Gepäck, ins Bild schreitet und den mysteriösen Sachverhalt der nächsten paar Stunden erklärt. Doch darauf wird der Spieler mit dem Hang zum Übersinnlichen vergeblich warten.
Stattdessen darf er Stephan begleiten, einen comichaft animierten, fünfundzwanzigjährigen Berufseinsteiger, der seine neue Stelle als Nachtwächter in einem dunklen und nicht gerade einladenden Museum antreten möchte. Unfreiwillig wird er Zeuge, wie der grantelige Nachtwächter mit dreißigjähriger Berufserfahrung unsanft vom Direktor aus dem Job befördert wird, den er gleich füllen wird. Der übellaunige Ex-Nachtwächter wird ebenfalls nicht von Aiman Abdallah gespielt. Der Direktor auch nicht, Stephan erst recht nicht. In Wirklichkeit kommt das Gesicht von Galileo Mystery gar nicht zum Vorschein, genauso wenig wie der Name "Galileo Mystery" selbst.

Die Lizenz ist also eine reine Titellizenz, die ihren Zweck aber zunächst eigentlich genauso erfüllt wie die eines "Mario & Sonic" - das Spiel wird erst einmal gekauft. Und dann kann es ja sowieso nicht mehr umgetauscht werden, also ist es egal, was genau vom Kaufgrund noch im Spiel vorkommt. Fragwürdig bleibt diese Aktion aber nichtsdestotrotz. Schließlich möchten Spieler in einem Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen auch mit Nintendos Mario und SEGAs Sonic bei den Olympischen Spielen teilnehmen und kein Point & Click Abenteuer mit einem Pizzabäcker namens Mario und seinem britischen Schwippschwager Sonic spielen, in dem es um die Reise zu einer großen Sportveranstaltung geht. Böse Zungen würden diese Lizenzpolitik wahrscheinlich schon als Etikettenschwindel bezeichnen...
Point & Click & Try To Run
Eine interaktive Episode von Galileo Mystery gibt es also nicht. Stattdessen bleibt eigentlich nur noch eine Alternative übrig, schließlich handelt es sich um einen deutschen Entwickler, der an diesem Titel gewerkelt hat: ein Point & Click Abenteuer. Unüberraschenderweise ist Die Krone des Midas genau das. Bei deutschen Point & Click Abenteuern kommen dem geneigten Fan wahrscheinlich gleich die zwei Geheimakten - Geheimakte Tunguska und Geheimakte 2: Puritas Cordis - in den Sinn, zwei geniale Abenteuer mit flotter Spielbarkeit, logischen Rätseln und feschen Dialogen. Die Krone des Midas möchte genau in diese Kerbe hauen.
Stephan, der Protagonist, versucht, ein schlagfertiger, lockerer und manchmal etwas unbeholfener Charakter zu sein und damit für Humor zu sorgen. Ergänzung dazu ist seine Freundin Jessica, die schon länger im Museum arbeitet, in dem sich der gesamte Titel abspielt. Mit ihr zusammen löst Stephan einige Rätsel und lüftet den Vorhang um die mysteriösen Ereignisse, die sich zufällig genau zu seinem Arbeitsstart abspielen.
Beim Point & Click Gameplay verlassen sich die Entwickler auf eine Mischung aus Wii-Remote und Nunchuk-Steuerung, mit der sie sich allerdings nicht mit Ruhm bekleckern, auch wenn man meinen könnte, dass hier nicht viel falsch zu machen sei. Während der Spieler seinen Spielcharakter mit dem Nunchuk durch die zahlreichen Räume des Museums lenkt, muss er mit dem Pointer immer Ausschau nach verborgenen Items oder interessanten Gegenständen halten, die man eventuell untersuchen könnte. Wirklich schwierig ist das Ganze natürlich nicht (auch wenn multitasking-unfähige Spieler sicherlich die eine oder andere Gewöhnungsminute brauchen), aber eine Frage lässt diese Art der Steuerung unbeantwortet: Muss das sein?
Geheimakte 1 und 2 haben klar gemacht, wie es richtig funktioniert. Wii-Fernbedienung auf den Bildschirm richten und einfach drauflos klicken. Beim Navigieren über den Bildschirm stößt der Pointer automatisch auf interessante Anhaltspunkte, alle Kommandos kommen hier wortwörtlich aus einer Hand. Die zweihändige Steuerung macht für Galileo Mystery (wie auch für alle anderen Genre-Vertreter) keinen Sinn und hat vor allen Dingen keinen Vorteil gegenüber der Wiimote-Steuerung ohne Nunchuk. Nicht einmal als Alternative wird das Nunchuk eingespart.

Darüber hinaus ist die Erweiterung auch noch für eine Aufgabe im Spiel zuständig, die herzlich schlecht umgesetzt wurde: das Laufen. Eine einfache Bewegung des Control-Sticks lässt Stephan loslaufen - langsam, ganz langsam kriecht er dann durch das Gemäuer. Erst der Z-Knopf verleiht ihm etwas mehr Geschwindigkeit. Doch der Fakt, dass sich der Protagonist ständig in jedweder Dekoration des Museums verfängt, bremst ihn dann doch wieder aus. All das sind Kleinigkeiten, aber sie behindern einen Titel, mit dem man Stunden verbringen soll, unnötigerweise durch Zusatzlästigkeiten. Wenn nicht einmal der elementare und allem zugrunde liegende Spielinhalt richtig funktioniert, das Laufen, wie soll dann der ganze Rest eine gute Mischung ergeben?
Und was hat das mit den Illuminaten zu tun...?
Gar nichts. Aber die Titelphrase dieses Abschnitts schlägt schön den Bogen zwischen der nicht genutzten und oft veräppelten Lizenz und den Rätseln des Titels. Die sind meistens nämlich genauso mysteriös wie die im Fernsehen behandelten Absonderlichkeiten. Angeblich hat Jörg Beilschmidt (Entwickler von Geheimakte Tunguska und Geheimakte 2) seinen Teil zum Spieldesign beigetragen, allerdings ist davon nur allzu oft relativ wenig zu sehen.
Einige Rätsellösungen im Spiel sind geradezu abstrus (Schildkrötenpanzer? Absperrseile? Äxte? Und das alles als Weg hinaus aus einem verschlossenen Raum?) und lassen wenig von der Genialität einer Geheimakte durchblicken. Die Kopfnüsse bestehen fast ausschließlich aus dem Sammeln allerhand Gegenstände, dem Kombinieren derselben und dem schlussendlichen Anwenden. Anders als in den jetzt schon mehrmals erwähnten Adventures von Deep Silver aber wird auf die Lösungen nicht dezent im Spielverlauf hingedeutet (durch Hinweissystem oder Ingame-Tipps für aufmerksame Spieler), sondern einfach auf möglichst langes Durchhaltevermögen der Spieler gehofft. So werdet ihr euch oft dabei erwischen, wie ihr alles mit allem kombinieren und auf alles anwenden wollt, bis irgendetwas passiert.
Immerhin: Ein Hinweissystem gibt es in "Die Krone des Midas". Allerdings ist auch dieses wenig subtil: Es setzt euch einfach die Lösungen der Rätsel vor und gibt nicht etwa eurer Kreativität einen Anstoß. Das haben andere Titel wie Baphomets Fluch - Director's Cut schon besser hinbekommen.

Prominenz, Prominenz, Prominenz
Mit einer großen Lizenz als Aufmacher (auf dem Cover) wollten sich die Entwickler offenbar noch nicht zufrieden geben. Zusätzlich zu Galileo Mystery konnte man auch einige nicht unbekannte Sprecher für die Sprachaufnahmen gewinnen. Stephan wird dabei vom deutschen Sprecher von Tobey Maguire (Spider-Man) gesprochen, die deutsche Stimme von Nicole Kidman leiht Jessica ihr Sprechorgan. Sie machen ihren Job beim Sprechen gut, können aber nicht über die vielerorts vorhanden Schwächen hinwegtäuschen: Zunächst wurde in den gerade niedergeschriebenen Sätzen bewusst nicht das Wort "Synchronisation" verwendet, denn dieses würde implizieren, dass es Lippenbewegungen gibt, auf die die gesprochenen Sätze passen müssen. Die gibt es aber eigentlich nicht. Die Mimik ist starr, Animationen sehr karg und rar gesäht. Emotionslos ist wohl das beste Wort, um die Gespräche zu beschreiben.
Zweitens: die Qualität der Dialoge. Gewollte Witzigkeit kann manchmal voll nach hinten losgehen, das wissen wir alle. Und auch die Mischung aus konspirativer Verschwörungskonversation und locker leichtem Smalltalk mit dem einen oder anderen eingestreuten Witz kann nicht zünden. Kein Vergleich zur schlagfertigen Berliner Schnauze Nina Kalenkwo aus Geheimakte 1 und 2, die zu allem etwas zu sagen hatte.
Auch die Gesprächsführung ist manchmal suboptimal. So werden Oberthemen, die bereits besprochen wurden, beispielsweise nicht ausgeblendet. Dadurch kann es oft passieren, dass ihr euch durch verschiedene Oberthemen klickt, über Gott und die Welt plaudern müsst und nach einer weiteren Passage noch einmal genau dasselbe hört, weil ihr euch verklickt habt. Wenigstens kann man Dialoge mit dem B-Knopf verkürzen.
Grafisch ist das Spiel übrigens eine weitere PS2-Katastrophe (wenig überraschend, schließlich ist das die dritte Zielplattform für das Spiel neben Wii und dem Nintendo DS). Schlechte Lichteffekte, unpolierte Charakteranimationen und -Modelle, schlechte Texturen mit unnatürlichen Farben. Ein Blick in die Vergangenheit von vor sechs bis sieben Jahren. Währenddessen ist der Ton aber recht gut. Die Klänge passen gut auf das pseudomysteriöse Hintergrundgeschehen und die Sprachausgabe ist trotz der oben beschriebenen Schwächen handwerklich sehr gut gemacht.
Fazit: Es sind wie so oft hauptsächlich Kleinigkeiten, die Galileo Mystery - Die Krone des Midas Türen zu höheren Wertungen verschließen: Warum zwingt der Entwickler seine Spieler zu einer Zwei-Hand-Steuerung, obwohl allein die Wii-Remote völlig ausgereicht hätte und sogar besser gewesen wäre? Warum rennt der Protagonist entweder viel zu langsam oder viel zu ungenau durch die Gegend und warum bremst er sich immer selbst aus, indem er sich in vorhandenen oder nicht vorhandenen Hindernissen verheddert? Galileo Mystery ist einfach durch und durch ungeschliffen. Während der Sound gut ist, haben sich Grafik und Gameplay irgendwo im letzten Jahrzehnt verloren und warten mit langweiligen Dialogen, schlechten Animationen und selten überzeugenden Rätsellösungen auf. Die Lizenz findet sich darüber hinaus auch nur auf dem Cover wieder und verwehrt etwaigen Fans von Galileo Mystery somit jeden Bezug zur namensgebenden Vorlage.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Galileo Mystery - Die Krone des Midas | |
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| 5.5 | Grafik Schlechte Animationen, laue Lichteffekte und unansehnliche Texturen bemühen sich nicht darum zu verbergen, dass auch dieser Titel mit der PS2 im Hinterkopf entwickelt wurde. | |
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| 7.8 | Sound Mysteriöse Melodien und dunkle Klänge passen gut auf das Geschehen in dem nächtlichen Museum. | |
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| 6.0 | Steuerung Unnötige Verkomplizierung durch zweihändiges System, während die einfache Wiimote-Kontrolle wesentliche einfacher gewesen wäre. | |
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| 6.4 | Gameplay Langweiliges Lauf-und-Such-Gameplay mit unbefriedigenden Rätseln und einer Geschichte, die erstens relativ lauwarm ist und zweitens nichts mit der Lizenz zu tun hat. | |
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| 6.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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