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Review von Burkhart von Klitzing (mail) | 02.12.2009
Bemüht man den großen Gelehrten namens Internet um eine Erklärung des Terms „obskur“, so erhält man unter anderem die Schlagworte „dunkel“, „verdächtig“, „rätselhaft“ und „fragwürdig“ – allesamt Adjektive, die auf die eine oder andere Art und Weise auch auf die bislang zweiteilige Horror-Serie Obscure zutreffen. Dunkel? Natürlich, schließlich handelt es sich um klassische Vertreter des Survival-Horror-Genre. Verdächtig? Entwickler Hydravision bediente sich schamlos verdächtig vieler bekannter Elemente aus allerlei Spielen und Filmen. Und rätselhaft? Nunja, im ungeschriebenen Gesetz des Genres steht wohl in Blut geschrieben, dass die eine oder andere Denksportaufgabe den Spieler auf Trab zu halten hat. Doch das größte Rätsel bleibt, warum bei der europäischen XBox-Fassung von Obscure I die Seite der Hülle komplett leer ist.
Brüste sind lustig… oder?
Zurück zu Obscure II, mit dem Untertitel „The Aftermath“, und zu seinen unübersehbaren Inspirationen. Kaum beginnt das Intro, fühlt sich der Spieler in einen 90er-Jahre Teenie-Horrorfilm versetzt. Technisch miserable Szenen rund um eine Universität präsentieren die Ereignisse des Erstlings, rund um moralisch fragwürdige Experimente und die Zucht gefährlicher Pflanzen, aus denen einige Jugendliche als nachhaltig geprägte Opfer als Überlebende hervorkommen. Unterlegt wird das Ganze noch stilgerecht von weichgespültem Teenie-Rock, der trotz oder gerade wegen seiner Belanglosigkeit wunderbar in das anschließende Szenario passt, das kein Klischee auszulassen scheint. Held Corey ist der beliebte Skater, der neben dem Chaos vor allem die Frauen an- oder auszieht, je nach Situation. Mit in seinem Zimmer wartet bereits seine bezaubernde asiatische Freundin Mei, die zu allem nerdtastischen Überfluss auch noch eine begeisterte Videospielerin ist. Sogar Zocker, die sich daran stören könnten, dass die virtuelle Dame, die genau in ihr Beuteschema passt, vergeben ist, bekommen Abhilfe in Form der Zwillingsschwester Jun. Wer dabei doch tatsächlich Gedanken an einen Dreier verschwendet, der ist den französischen Entwicklern näher als er denken mag. Was sich bei der noch friedlichen Erkundung des Campus an augenzwinkerndem Humor bis hin zu infantilen Zoten ansammelt, ist in der weiten Welt der Videospiele selten. Während sie beispielsweise bei Conker’s Bad Fur Day einen zentralen Spielinhalt darstellen, können sie in Obscure II allerdings jederzeit auf Wunsch zur Randerscheinung degradiert werden, was angesichts der (hoffentlich) gewollten B-Movie-Qualität positiv stimmt.
Überall hängen Zettel an schwarzen Brettern mit Aufschriften wie „Frauen für R'n'B-Filmdreh gesucht und dazu circa 30 kg Goldumhänger und -Ketten“, zig geleerte Bierdosen bilden eine Pyramide, Mitschüler erzählen von ihren sexuellen Ausschweifungen. Was anfangs eine gelungene Abwechslung zu den meist bierernsten Horrorszenarien ähnlicher Titel darstellt und das eine oder andere Schmunzeln abringt, verursacht mit der Zeit eher Schmerzen im Fremdschamzentrum des Gehirns, wenn sich beispielsweise Corey nach einem Unfall einzig um das Wohlergehen seines Autos kümmert oder wenn andere Helden ein ums andere Mal im Angesicht des Tods Doppeldeutigkeiten einstreuen müssen. Komplettiert wird das Gesamtbild des B-Movie-Films durch unsagbar schlechte Synchronsprecher, die das dünne Skript gekonnt ergänzen. All das geht noch als Geschmackssache durch. Schlichtweg unzumutbar sind dagegen die Zwischensequenzen, die in ähnlicher Qualität vor knapp 13 Jahren auf dem PC etwa in Warcraft II zu Jubelarien verleitet hätten. Wie gesagt: Vor 13 Jahren. Der Übersetzung merkt man indes an, dass sie nicht von Deutschen stammt. Wie sonst wären Begriffe wie „Kaningen“ oder „es endigte“ zu erklären?
The same procedure as every year
Spielerisch liegen die deutlichen Vorbilder ebenfalls in der Vergangenheit, genauer gesagt im Jahr 1996, das den Release des ersten Resident Evil sah, oder im Jahr 2003, der Geburtsstunde von Resident Evil Outbreak. Knappe zehn Stunden lang durchstreift der Spieler zwar stets dunkle, aber dennoch optisch abwechslungsreiche Areale auf der Suche nach dem Übergang zum nächsten Abschnitt, während er sich mal mehr um simple Rätsel und mal mehr um den Kampf mit allerlei Feindesgetier kümmern muss. Die meisten Gebiete wie ein Verbindungsgelände, der Campus, Kellergewölbe und sogar ein Wald sind dabei äußerst linear. Der Bewegungsspielraum erschöpft sich dabei in gelegentlichen alternativen Abzweigungen, die innerhalb weniger Meter zu optionalen Goodies à la Bonusmunition oder zu essentiellen Puzzlekomponenten führen. Seltener verbindet auch mal eine etwas größere Halle diverse Räume, die ebenfalls kaum mehr als fünf Minuten der Erkundung bedürfen. Trifft man bei diesen Touren nun – mehr als oft – auf diverse pflanzliche Horrorwesen, fungieren im besten Falle Schrotflinte, Armbrust und Co. als Herbizid, was aufgrund geringer Munitionsvorräte leichter gesagt denn getan ist, so dass die Teenagerbande bald schon vorzeitig auf Hockeyschläger, Baseballschläger, Rohr und andere Nahkampfwaffen, die sich allesamt gleich führen lassen, ausweicht, um Patronen einzusparen.
Problem bei beiden Waffentypen ist vor allem zu Beginn die Steuerung, die entweder unnötig kompliziert oder als Vertreter der Kategorie „nett gemeint“ ausfällt. Prügelschwünge wurden wie so oft auf die Bewegungssensoren der Wiimote abgelegt, wodurch alternativ horizontale oder vertikale Schwünge aktivierbar sind, was sich zu keiner Zeit wie das Führen einer Waffe, sondern mehr wie das Aktivieren einer nicht abbrechbaren Kampfanimation durch simplen Knopfdruck anfühlt. Schusswaffen dagegen erfordern fast schon eine Puzzleeinlage. Kampfstellung einnehmen per Z-Taste, Gegner anvisieren mit Cursor und A-Taste und schließlich Feuern mit einem Druck auf B. Daneben am besten noch per Stick ausweichen und irgendwie das Gehirn entknoten. Mit der Zeit gewöhnt man sich doch noch an die Bedienung der Kämpfe, wirklich gut werden sie dadurch aber immer noch nicht, da das geforderte Maß an Geschicklichkeit arg gering ist und auch die grauen Zellen kaum beansprucht werden. Wer einigermaßen darauf achtet, Munition zu sparen und kleinere Feinde auch mal im Nahkampf zerlegt, der muss nur noch ein Auge darauf haben, mit den Heil-Items nicht zu sparsam umzugehen. Schäden gänzlich zu vermeiden, ist nur selten möglich, was besonders dann nervt, wenn das fehlerhafte Speichersystem zum Tragen kommt. Während die Speicherpunkte bis auf wenige Ausnahmen gut verteilt sind, irritiert die Post-Game-Over-Frage, ob man am letzten Speicherpunkt fortsetzen möchte, denn damit ist nicht der letzte Speicherpunkt des laufenden Spiels gemeint, sondern der letzte Punkt, an dem gespeichert wurde. Ladet ihr einen früheren Spielstand, werdet ihr also nicht an dem jeweiligen Ort wiederbelebt. Ein weiterer Faktor, der vor allem anfangs im wahrsten Sinne des Wortes den Blick vom Geschehen ablenkt, ist die sensible Kamera. Einmal den Cursor zu weit bewegt und schon ist das Chaos perfekt.
Horror zu zweit
Als hilfreich bei den Scharmützeln erweist sich indes das Koop-Feature. Zu jeder Zeit läuft ein Duo aus Teenagern durch die Korridore und erwehrt sich der zahlreichen Gefahren. Einzelgänger übergeben die Kontrolle des Mitstreiters an die ordentliche KI und wechseln auf Knopfdruck jederzeit zwischen den beiden Helden. Die einzige Möglichkeit, auf das Verhalten der CPU Einfluss zu nehmen, liegt darin, dem Kollegen gezielt Waffen in die Hand zu drücken, also etwa nur einen Golfschläger, damit nicht die beste Munition im kleinen Feind landet, oder einen Taser, der meist effektiver vor Schaden bewahrt als andere Todbringer. Der wahre Zweck des kleinen Heldentrupps liegt indes in der Möglichkeit des Zweispielermodus. So kann ein Freund jederzeit an der selben Wii ins Spiel einsteigen und auf Wunsch auch wieder aussteigen und so die Kontrolle erneut an die CPU übergeben. Ein Onlinemodus oder zumindest eine Splitscreenoption wären zwar nett gewesen, aber auch so macht die Überlebenstour zu zweit einiges her und fühlt sich trotz des älteren Resident Evil Outbreak erfreulich frisch an.
Die spielbaren Charaktere rekrutieren sich dabei aus mehr als nur zweien. An seltenen Ruhepunkten sammelt sich die Riege der bis zu acht Stereotypen und wartet darauf, ins Abenteuer ziehen zu dürfen. In den Kämpfen macht es zwar keinen Unterschied, ob nun ein muskelbepackter Hockeyspieler oder ein zierliches Mädel den Prügel schwingt - das wäre wohl zu viel der Logik gewesen für ein Spiel, das nie versucht, über das Niveau von Scary Movie zu springen -, dafür hat es Auswirkungen auf die zahlreichen Rätsel. Wobei „Rätsel“ oft nicht ganz das richtige Wort ist. Meist gilt es lediglich das besondere Talent eines Charakters einzusetzen, was weniger Hirnwindungen zermartert als das gezielte Abfeuern eines Revolvers. Eine erhöhte Kante lockt zu einem Kletterausflug? Corey ist euer Mann. Ein zerrissenes Dokument könnte wichtige Informationen liefern? Hoffentlich ist Amy im Team, sonst steht der Rückweg zur wartenden Gruppe an. Die eine oder andere interessante Kopfnuss hat Hydravision dennoch in petto, wenn euch etwa abverlangt wird, die richtigen Grabsteine auf einem Friedhof emporragen zu lassen. Neben diesen Ingame-Rätseleien steht das eine oder andere Knobel-Minispiel auf dem Programm, die von spaßigen Schüttelworten hin zu viel zu fummeligen Dietricheinlagen reichen.
Atmosphäre zum (Grimassen) Schneiden dick
Den Großteil der Spielzeit bestreitet ihr mit stets ähnlich ablaufenden Kämpfen und Rätseln. Entscheidet sich Obscure II schließlich doch einmal dafür, etwas Abwechslung einzustreuen, sind auch hier die Ergebnisse von unterschiedlicher Qualität. So bekamen die Entwickler wohl ein schlechtes Gewissen, einfach ein PS2-Spiel zu portieren, ohne die Möglichkeiten der Wiimote links und rechts in irgendwelche Leibesübungen einzustreuen. Wildes Auf- und Abschütteln bei Klettereinlagen findet sich mittlerweile auf der Liste der gewohnten und akzeptierten „Übel“, aber gleichzeitiges Drehen von Wiimote und Nunchuk beider Spieler auf einem Flaschenzug verkommt schnell zu Frust. Bosse wiederum sind zu spärlich gesät und enttäuschen durch mangelnde stilistische Unterschiede. Ein Highlight wiederum ist die Passage, in der das Team getrennt wird und der eine Teil für einige Minuten durch den Keller irrt, während der andere Teil von außen die Kameras bedient, um Sicht auf den kämpfenden Charakter zu gewähren. Hier zu sterben, ist keine Schande, und lässt sich ohnehin halbwegs getrost erdulden, da die Spannung beim nächsten Versuch wieder so dicht ist, wie man es in einem Horrortitel erwartet. Man tastet sich einige Schritte voraus, erreicht den Rand des Bereiches einer Kamera, wechselt zur nächsten, stellt sie schnell scharf und hofft unterdessen darauf, nicht plötzlich die Aufmerksamkeit eines Gegners auf sich zu ziehen. Es entsteht so ein Gefühl von Hilflosigkeit und Anspannung, wie sie selten im Genre zu finden sind. Schade, dass es so kurz anhält.
Der Großteil von Obscure - The Aftermath sitzt in Sachen Atmosphäre zwischen den Stühlen. Ist der Anfang noch lustig-beschwingt, startet der Horror kurz darauf mit einer wohligen Mischung aus Gore, Schockelementen und Anspannung, bevor die Stimmung in einen leidlich lustigen Teenie-Horror absteigt. Die Monsterreigen bestehen aus gerade einmal einer handvoll Kreaturen, die nur auf den freispielbaren Artworks wirklich zur Geltung kommen. Im Spiel selbst wirkt alles wie ein uninspirierter Haufen deformierter Gliedmaßen, die mal an einem aufgedunsenen, wankenden Körper kleben, mal an flink springenden Wesen und mal an fliegenden Monstern mit weiblichen Stimmen. Immerhin ist das Design der Speicherpunkte trotz Simplizität fantastisch gelungen. Anstatt Schreibmaschinen zu bedienen, fungieren mutierte Pflanzen bei Kontakt nicht nur als sofortiges Schlafmittel, sondern eben auch als Speicherpunkt; grotesk. Skurril dagegen: Das Spiel versucht schon so gut es geht jenseits der Gürtellinie zu sein, doch, dass einige der Feinde mutierte, nackte Menschen mit prominent in Szene gesetzten Genitalien sein sollen (die nervigen Flieger sind große Vaginas), fällt selbst nach dem Durchspielen nicht auf. Die ständige Anwesenheit eines zweiten Helden wirkt sich ebenfalls negativ auf die Stimmung aus. Permanentes Reden und insbesondere flapsige Sprüche lassen nur in ausgewählten Momenten ein Gefühl von Panik oder Angst zu, wozu die mittelmäßige Optik ihr Übriges beiträgt. Anders dagegen die audiotechnische Seite: Sprechen die dilettantischen Sprecher die Scary Movie-Fraktion an, so wären die Soundeffekte auch in einem Resident Evil gut aufgehoben und selbst der Wiimote-Lautsprecher wurde mit einem Nachladegeräusch bedacht. Die größte Stärke des Titels liegt allerdings im Soundtrack. Die Mischung aus klassischer Orchestermusik und dem Knabenchor der Pariser Oper ist ebenso episch wie beunruhigend.Fazit: Obscure II versucht sich durch sein Setting vom Einheitsbrei des Genres abzuheben. Das klappt auch zu einem gewissen Grad, so dass Fans von seichtem Horror problemlos ihr Hirn abschalten können, um ein paar Stunden lang Teenager auf Monsterklumpen einprügeln zu lassen, doch will sich weder die humoristische noch die angsteinflößende Komponente gänzlich entfalten und das Kampfsystem hätte etwas mehr spielerischen Einfluss vertragen können. Wer die spärliche Konkurrenz auf der Wii bereits abgehakt hat, schnappt sich einen Freund, der gute Musik zu schätzen weiß und greift beim niedrigen Preis des Spiels zu Wiimote und Nunchuk. Aber Vorsicht: Obskur bedeutet eben auch fragwürdig - in diesem Fall wohl bezogen auf die Qualität.
Von Burkhart von Klitzing
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| Wertung für das Spiel Obscure II | |
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| 6.1 | Grafik Durchschnittskost voller verwaschener Texturen. Die offiziellen Screenshots täuschen leider. | |
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| 8.4 | Sound Fantastische Musik trifft auf Amateursprecher. | |
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| 6.2 | Steuerung Mit der Zeit gewöhnt man sich an die anfänglichen Hürden in allen Bereichen. | |
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| 6.5 | Gameplay Dezent eintönige Survival-Horror-Kost, wie man sie seit Jahren kennt. | |
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| 6.5 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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Review: Obscure II
HerstellerPlaylogic
GenreHorror
VersionPAL
Controller-VoraussetzungWii-Remote, Nunchuk
Spieler1 - 2
SchwierigkeitsgradMittel
Altersempfehlung
Ab 16 Jahren
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Ja
Widescreen Modus
Ja
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Nein
Wifi-Connection
Nein
WiiConnect24 Support
Nein
Releaseerschienen
Preis (€)14,95
Innovationsfaktor
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