Review von Tim Herrmann (mail) | 26.11.2009
20. November 2009 auf irgendeinem Fernseher in Europa: In einem Spiel, das auf einer der HD-Konsolen läuft, schleicht der verhüllte Spielcharakter gefährlich leise durch dunkle Gassen, hält Ausschau nach Verbrechern oder Monstern, seine tödliche Waffe immer im Anschlag, stets bereit zur Flucht und bereit zum Kampf. Um ihn herum erstreckt sich eine riesige und immer frei begehbare Spielwelt, die komplett in hochauflösender 3D-Grafik ausmodelliert ist und im Spiel ihre eigene kleine Welt und eine ganz bestimmte Eigendynamik zu entwickeln scheint.
Parallel dazu hüpft am 20. November 2009 auf irgendeinem anderen Fernseher in Europa ein italienischer Klempner von links nach rechts durch eine knallrot, strahlend blau oder neongrün schimmernde 2D-Spielwelt, trägt dabei einen für seine Figur wenig schmeichelhaften Pinguinanzug und schreit euphorisch "Yippeee!", wobei er einer Reihe von Schildkröten auf den Kopf hüpft und Münzen einsammelt.
New Super Mario Bros. Wii nennt sich letztgenanntes Spektakel - und es ist der größte Titel dieses Jahres für Nintendo und die aktuelle Heimkonsole. Wie sich ein solches scheinbar zurückgebliebenes Abenteuer in zweidimensional scrollender Comic-Grafik bloß trauen kann, sich der Konkurrenz in Form großer, opulenter HD-Highlights zu stellen, erfahrt ihr nun in unserem ausführlichen Test zu New Super Mario Bros. Wii.
New, Old Super Mario Bros.
Revolutionen und spielerische Sensationen sollte man bei New Super Mario Bros. Wii zunächst nicht erwarten. Schon gleich zu Beginn wird klar, was der geneigte Mario-Fan oder der, der es erst noch werden will, in den nächsten Stunden bekommen wird: Ein old-school'eskes Gameplay-Feuerwerk in 2D-Grafik. Die einleitende Sequenz, in der Peach (diesmal wenigstens ein bisschen kreativer als sonst) gekidnappt wird, gehört schnell der Vergangenheit an und im ersten Level dürft ihr euch das erste Mal seit langer, langer Zeit wieder auf dieses bekannte "Doooing" freuen, wenn Mario sich mit seinen italienischen Edeltretern in die Luft erhebt. Das erste Mal seit 19 Jahren ist Mario wieder in 2D auf der Heimkonsole vertreten und alles fühlt sich erst einmal noch genauso an wie damals: Die ersten Schritte erinnern stark an die von Super Mario Bros. auf dem NES: Ein Itemblock und ein Gumba begrüßen euch und ermöglichen euch die ersten Sprünge.
Und so geht es dann auch weiter. Mario springt von Plattform zu Plattform, sammelt Münzen und Power-Ups ein und besiegt Endgegner. So "new" ist New Super Mario Bros. Wii also nicht. Und das ist natürlich auch gewollt, schließlich erreicht man damit sowohl die ganz alten Fans, die noch einmal dieses Gefühl von damals erleben wollen, und man ermöglicht gleichzeitig den vielen neuen Kunden, in ein leicht zugängliches Spiel einzusteigen, das sie einmal auf einer anderen Ebene fordert als ein Wii Sports.
„Ich hüpf’ dich hoch“
"New" wird New Super Mario Bros. Wii vor allen Dingen (wenn nicht ausschließlich) durch seinen Multiplayer-Modus für bis zu vier Spieler. Auch wenn es im Fall von New Super Mario Bros. Wii angesichts der kaum vorhandenen Geschichte eigentlich unangebracht ist, sprechen wir vom (vermeintlich) klassischen Einzelspielermodus des Spiels nachfolgend einfach vom Story-Modus. Und die Betitelung „Einzelspielermodus“ ist ebenfalls unglücklich, weil er in Wirklichkeit nicht mehr ausschließlich ein Einzelspielermodus ist. Normalerweise ist der Story-Modus lediglich für einen Spieler gedacht, der sich mit all seinem Geschick durch Unterwasser-, Wüsten- Wald- und Wiesenlevel kämpft. In New Super Mario Bros. Wii dagegen wird diese jahrelange Tradition über den Haufen geworfen. Ihr könnt das komplette Spiel auch in einer Vierergruppe absolvieren, vom allerersten bis zum letzten Level. Die einzelnen Level sind dabei teilweise durchaus mit dem Multiplayer-Modus im Hinterkopf gestaltet. Das heißt aber nicht, dass man durchweg mit riesigen, mehrspieler-freundlichen Gigantenplattformen bedient wird, die jeder unerfahrene Spielerneuling treffen kann. Kompromisse gibt es in New Super Mario Bros. Wii nicht. Vielmehr kann es zum Beispiel ab und zu so sein, dass sich ein Weg in vier Teile gabelt, in denen euch Unterschiedliches erwartet: Münzen, Sternmünzen, Items oder Röhren. In solchen Passagen macht es sich bezahlt, wenn man in der Gruppe spielt, weil man sonst als akribischer Komplettionist zweimal laufen und umdrehen müsste.
In solchen Passagen kommt der kooperative Aspekt des Spiels zum Tragen. Das Zweier- bis Vierergespann sollte gut aufeinander abgestimmt zusammen arbeiten, möglichst viele Münzen sammeln und viele 1-Ups für das Gemeinwohl ergattern. Der Mehrspielermodus birgt aber noch andere Chancen, die man am besten mit einem herrlich widersinnigen Sätzchen beschreiben könnte, das in vielen Wohnzimmern mit New Super Mario Bros. Wii im Laufwerk ins Ohr fallen wird: „Ich hüpf’ dich hoch“. Spieler müssen sich nicht nur geschickt aufteilen, sondern teilweise auch Fähigkeiten miteinander kombinieren, indem Spieler A seinem Mitspieler beispielsweise während seines Sprunges auf den Kopf hüpft und dadurch selbst wesentlich höher kommt. Das ist vom physikalischen Standpunkt her natürlich völlig abstrus, eröffnet aber teilweise ganz neue Möglichkeiten. Alternativ können sich Spieler auch tragen und sich so gegenseitig durch haarige Passagen helfen oder von Items profitieren, die nur einer von beiden hat. „Ich hüpf’ dich hoch“ ist ein sehr frischer Aspekt des Mario-Gameplays, den es so bisher noch nicht gab und der durchaus den Reiz bietet, das Spiel öfter als andere Titel lieber in der Gruppe als allein zu bestreiten.
Selbstverständlich hat es aber auch seinen Reiz, manchmal ein richtiges A…ntisoziales Wesen zu sein und seine Mitspieler zu behindern oder zu piesacken. Im „Story-Modus“ ist das allerdings nicht ratsam. Denn spätestens ab Welt 4 pfeift das Spiel darauf, ob es nun einen oder vier Charaktere gibt, die sich jetzt über das Level und die engen Plattformen verteilen müssen. Jeder muss irgendwo seinen Platz finden und warten, während begabtere Spieler nicht einfach drauflos preschen können. Kaum empfehlenswert ist es da, als Spieler 1 selbst für den Tod seiner Mitspieler zu sorgen, weil man sich damit indirekt selbst schadet. Denn der Vierspieler-Modus hat auch Auswirkungen auf den Spielfluss. Als Alleinspieler ist es bekanntlich so, dass ein Versuch zu Ende ist, sobald man als Mario einem tiefen Abgrund zum Opfer fällt. Dann wird ein Leben abgezogen und der Level startet erneut, vielleicht von der Mittelmarkierung. Im Vielspieler-Modus dagegen kehrt ihr, sofern ihr noch Leben übrig habt, nach dem Versagen in einer Luftblase zurück, könnt euch befreien lassen und damit sofort wieder mit einsteigen. Der Level-Versuch endet erst, wenn drei Mitspieler ohne irgendein Leben ausgeschaltet sind und zugucken müssen und dann auch noch der letzte Verbliebene versagt. Schließlich gibt es dann niemanden mehr, der ihn befreien könnte. Die zweite Möglichkeit wäre die, dass alle auf einmal „tot gehen“, und die dritte, dass alle auf 0 Leben fallen. Das ist dann das klassische Game Over. Insgesamt hilft der Vielspieler-Modus aber dabei, dass kurze, ärgerliche Individualfehler (die im schwierigen New Super Mario Bros. Wii besonders im wilden Multiplayer-Modus nicht selten sind) nicht gleich zum sofortigen Aus führen, sondern dass noch eine Chance besteht, mit Hilfe der Mitspieler weiterzuspielen. Das ist eine sehr angenehme Art und Weise, wie kleine Fehler nicht ganz so hart ins Gewicht fallen.
Miteinander, Gegeneinander, Ohneeinander
Gerade ging es eher um die kooperativen Effekte des Gameplays. Doch auch der Wettbewerb kommt nicht zu kurz: Neben dem „Story-Modus“ gibt es noch zwei weitere Modi, die komplett auf den Mehrspielermodus ausgelegt sind. Hier geht es dann wirklich kompromiss- und freundschaftslos darum, wer die meisten Münzen oder Punkte sammelt, wer die wertvollen Sternmünzen einsackt und wer welches Item ergattern kann. Es bietet es sich dann auch an, Gegner böse grinsend hochzuheben und in Abgründe zu werfen, mit Yoshi zu fressen oder mit Koopa-Panzern zu traktieren. Hier darf sich der von Grund auf böse Mario ausleben und muss nicht Acht darauf geben, dass er sich durch seine Taten selbst den Ast absägt, auf dem er sitzt.
Während diese zwei Spielmodi eher auf kurzweiligen Multiplayer-Spaß ausgelegt sind, ist den traditionellen Einzelspieler-Passagen (die sie ja eigentlich nicht mehr sind), keinerlei Partylastigkeit anzumerken. Es handelt sich um traditionelle, schwierige Mario-typische Jump & Run-Passagen mit ständig beweglichen, schwebenden Plattformen, vielen Gegnern, tiefen Abgründen und einigen wirklich haarigen Stellen. Manchmal ist es ein Spiel zum Hassen - und das will man doch auch manchmal. Im Mehrspielermodus wird diese Schwierigkeit durch das Wiederkehr-Feature ein wenig abgefedert, das nicht gleich jeden Fehler ultimativ bestraft, sondern neue Chancen bietet. Gleichzeitig werden Tode aber durch gegenseitige Behinderung in der Gruppe wesentlich häufiger. Diese beiden Aspekte gleichen sich wunderschön gegenseitig aus und rufen so keinen qualitativen Unterschied zwischen Einzel- und Mehrspielermodus hervor.
Die Renaissance des Gameplays
"Das Gameplay ist alles" ist eine oft gedroschene Phrase, die besonders zum Wii-Start angesichts der recht schwachen technischen Daten häufig Teil des Standardrepertoires in allerhand Foren war. Allerdings hat dieser Satz mittlerweile schon fast Parodiecharakter, schließlich hat auch er nicht darüber hinweg täuschen können, dass es schon genug Wii-Spiele gegeben hat, bei denen besonders das Gameplay ein Problem waren, trotz der neuen Bewegungssteuerung oder frischen Spielideen.
New Super Mario Bros. Wii ist gewissermaßen eine Wiedergeburt des Gameplays der alten Zeiten und des oben genannten Leitgedankens, als es noch keine HD-Grafiken zum Blenden gab. Bis auf sein Gameplay hat das Spiel einfach nichts: Es gibt keine ausufernden Online-Multiplayer-Modi mit zig Karten und hunderten Spieleinstellungen, es gibt keine Ranglisten, es gibt keinen eigenen herunterladbaren Wii-Kanal, keine Extrarubriken, in denen man sich Musik anhören, Artworks und Extras ansehen kann, und keine Charakter-Editoren, wie man sie heutzutage eigentlich schon standardmäßig in jedem zweiten Spiel findet. All das soll keine Kritik sein, denn New Super Mario Bros. Wii braucht diese ganzen Aspekte nicht, weil es sich auf sich selbst und auf sein Gameplay konzentriert.
Das Leveldesign strahlt nur geradezu vor Brillanz und lässt keinen Zweifel daran, dass es Kunst ist, so etwas zu erschaffen. Wo der Titel noch sehr standardmäßig beginnt, wartet Nintendo später mit Abwechslung auf, wie man sie aus den größten Titeln des Entwicklers kennt. Man hat bei keinem Level das Gefühl, dass es auch nur annähernd eine Kopie eines früheren Levels ist. Kein Sprung gleicht einem anderen, jede Sekunde fühlt sich neu und frisch an. Wo ein Level von einem bestimmten mit Stachelkugeln werfendem Gegner geprägt ist, muss der andere in kompletter Dunkelheit bestritten werden. Während es in einer Stage keinen festen Boden gibt, scrollt ein anderer automatisch von links nach rechts und setzt den Spieler damit gewissermaßen unter seichten Druck. Wer bisher noch keinen 2D-Mario-Titel gespielt hat, kann niemals erahnen, was ihn im nächsten Level wohl erwartet.
Trotz der unglaublichen Simplizität des Gameplays - springe mit dem 2-Knopf und steuere nach links und rechts - ist New Super Mario Bros. Wii niemals eintönig, niemals langweilig und niemals repetitiv. Das liegt am schier künstlerisch gestalteten Gameplay, das das Genie der Entwickler um Shigeru Miyamoto einmal mehr durchblitzen lässt. Das Wandern von Level zu Level wird auch noch angenehm unaufdringlich von Extra-Herausforderungen aufgelockert, in denen es darum geht, Toads zu retten, gegen plötzlich auftauchende Riesengumbas anzutreten oder Minispiele für Extra-Gewinn zu bestreiten.
Die konservative Kreativität
Aber neben überschwänglichem Lob dürfen auch kleine oder größere Kritikpunkte nicht vergessen werden: So kann manchmal der Eindruck entstehen, dass New Super Mario Bros. Wii fast schon zu Old-School, also zu traditionell ist. Wo Nintendo in Super Mario Galaxy noch alle bestehenden Gesetze der Schwerkraft über Bord warf und mit unheimlich klugen und kreativen Spielchen mit Blickwinkeln, Dimensionen und Gravitation begeisterte und zum Staunen anregte, wirkt der zweidimensionale Wii-Ableger fast schon konservativ: Der Ablauf der Welten ist fast der gleiche wie bei New Super Mario Bros. auf dem Nintendo DS. Erst kommen die Auen des Pilzkönigreichs, dann eine Wüste, dann eine von Eis bestimmte Welt, Wälder und tropische Paradiese. Dazwischen mischen sich auch ab und zu die bekannten Festungen und Burgen der Koopas und von Zeit zu Zeit auch Abwechslungen wie Abschnitte auf dem fliegenden Schiff der Peach-Entführer ein.
Auf neue, wirklich frische Ideen wartet man aber über lange Strecken vergeblich. Im Hinterkopf bleiben immer die auflockernden 2D-Abschnitte in Super Mario Galaxy, in denen u.a. auch die Schwerkraft ins Spiel kam. Sie bewiesen damals, dass sich kreative und von der Norm abweichende Ideen auch in der zweiten Dimension umsetzen lassen, und tragen dazu bei, dass man zumindest aus Sicht des kritischen Testers die Frage nicht ignorieren will, warum es solche Geistesblitze nicht auch in New Super Mario Bros. Wii gibt. Das Leveldesign ist also wieder sehr kreativ, aber ansonsten ist das Spiel im Vergleich zu anderem, was der Klempner schon geleistet hat, konservativ.
Konservativ bleibt Nintendo auch bei der Frage nach dem Drumherum: Oft diskutiert wurde schon, warum nur zwei Toads spielbar sind. Und auch wenn diese Geschichte nichtig erscheint, muss die Frage nach dem "Warum?" zugelassen sein in Zeiten, in denen es riesige Feature-Pakete wie Super Smash Bros. Brawl gibt, die zusätzlich zum eigentlichen Gameplay noch etlichen Extrastoff liefern. New Super Mario Bros. Wii erweckt bei diesen und bei zahlreichen anderen, noch viel kleineren und nichtigeren Punkten den Eindruck, dass die Entwickler sich zu sehr auf die schon angesprochene Phrase "Das Gameplay ist alles" konzentriert haben. Dass sie stimmt, wurde ja schon genannt, aber sie entbindet niemals von Kreativität als i-Tüpfelchen und von Zusatzaufwand bei der Entwicklung.
Auf Grafik und Sound, um diese beiden (in Zusammenhang mit diesem Spiel fast schon unwichtigen) Punkte im Rahmen eines solchen Tests nicht ganz unbeachtet zu lassen, trifft das übrigens auch zu: Die 2D-Grafik ist mitnichten hässlich und lieblos, hätte aber noch Potential nach oben gehabt, was ab und zu mit netten 3D- oder Lichteffekten angedeutet wird. Beim Sound erwarten euch die gewohnten Melodien, die auch schon aus dem DS-Ableger bekannt sind. An orchestrale Meisterwerke wie in Super Mario Galaxy ist aber nicht zu denken. Sie hätten natürlich so auch nur selten gepasst, aber dass man auch in einem 2D-Jump & Run viel mit Musik und Sound machen kann, haben andere Spiele schon bewiesen. Unterdessen gibt es an den klassischen Sound-Effekten kaum etwas zu meckern.
Wenn du nicht weiter weißt...
Nach New Super Mario Bros. DS, das sich fast zwanzig Millionen Mal verkauft und trotzdem mit erheblicher Kritik zu kämpfen hatte, war die erste Reaktion von Fans auf die Wii-Neuankündigung die übliche: Erwartungen herunterschrauben und erst einmal mit dem Schlimmsten rechnen. Würde Nintendo den Schwierigkeitsgrad für seine neuen Kunden wieder hinabsetzen und damit den Charme der zweidimensionalen Mario-Spiele ruinieren?
Nintendo ist diesen Weg nicht gegangen: New Super Mario Bros. Wii ist knifflig und Nerven zerreibend und preist sich auch auf der Verpackung damit an. Dieses euphorische Gefühl, wenn man majestätisch durch die Levels gleitet und punktgenaue Sprünge setzt, ist immer noch da. Und im nächsten Moment erwischt man sich bei diesem krampfhaft zischenden Einatmen, das in Kombination mit erschrockenem Zucken oder wutbeflecktem Fluchen auftritt, wenn man sich blöderweise in irgendeinem Abgrund platziert hat und nochmal von vorn anfangen darf. Das größte Gut von Nintendos neuem Mario ist bei alldem aber immer, dass Frust niemals aufkommt.
Recht schnell lernt der Spieler seine eigenen Fehler kennen, legt sich neue Strategien für perfekte Runs zurecht, hat den Ehrgeiz, jede einzelne Sternenmünze zu ergattern und nimmt es dem Titel nur selten übel, dass er es gewagt hat, ihn noch einmal von vorne anfangen zu lassen. Das alles gilt für die alteingesessenen Mario-Fans, die sich die Spiele genau wegen dieses einatmenden Zischens kaufen, die ihren Mario manchmal hassen wollen und die gerne cholerische Ansätze demonstrieren, wenn sie ihr vollstes Fingergeschick zur Schau stellen wollen.
Alle anderen Spielerklassen - und damit sind hauptsächlich Nintendos neue Zielgruppen gemeint - werden recht schnell in Situationen kommen, in denen sie schneller mehr Leben verlieren als die alten Fans, weil sie mit den alten Mario-Geheimnissen und -Tricks noch nicht besonders gut vertraut sind. Später wird der Schwierigkeitsgrad dann so haarig, dass sie ihren eigenen Spielstil entweder auf die neuen Herausforderungen anpassen oder auf Nintendos Super-Assistenten hoffen müssen, das neue, patentierte Hilfe-Feature. Wer in ein und demselben Level achtmal scheitert, bekommt optional die Chance, den Level von Luigi spielen zu lassen. Während der automatisch gesteuerte Charakter durch die Levels hüpft, guckt der Neuling zu, lernt und kann dann jederzeit fließend wieder selbst die Kontrolle übernehmen. Ein sehr guter Kompromiss zwischen akribischen Komplettionisten, die alles selbst machen wollen, und neuen Spielern, die schlicht nicht alles selbst machen können, aber trotzdem ein Recht darauf haben, das ganze Spiel zu sehen, für das sie ihr Geld auf den Tisch gelegt haben.
Fazit: Gameplay ist (fast) alles. Das hat Nintendo mit New Super Mario Bros. Wii - wieder einmal? - endgültig belegt. Der Titel kann nicht mit einer komplexen Geschichte aufwarten, bietet keine HD-Grafiken und schon gar keine Bewegungsfreiheit in einer episch-riesigen Welt in der dritten Dimension, überzeugt nicht mit grandiosen Extra-Bibliotheken und einem platzenden Menü voller Zusatzoptionen. Das unglaublich intelligente, abwechslungsreiche und mit Überraschungen bepackte Design der Levels macht einfach Spaß. Der Schwierigkeitsgrad ist deutlich höher als alle Pessimisten befürchtet hatten, der Levelaufbau wesentlich besser als im oft kritisierten DS-Ableger. Und auch der neue Multiplayer ist eine perfekte Ergänzung zum klassischen Konzept, der mit seiner sensibel ausbalancierten Spielbarkeit überzeugen kann. Nichtsdestotrotz ist New Super Mario Bros. Wii keine Sensation wie Super Mario Galaxy, dazu fehlt es ihm an neuen Gameplay-Ideen, begeisternden Konzepten und frischen Denkansätzen. Es verlässt sich ab und zu etwas zu stark auf sein grandioses Leveldesign und vergisst dahinter etwas das Drumherum eines durch und durch perfekten Spiels. So bleibt es immer noch eines der besten Spiele dieser Konsolengeneration: Es lässt keine Münder offen stehen, aber macht schlicht und einfach eine ganze Menge Spaß.
Zweite Meinung von Lars PeterkeIrgendwie kann Nintendo ja echt machen, was es will. Ein Fitness-Spiel nach dem nächsten, eine Sportspiel-Sammlung als Sommer-Blockbuster oder irgendwelches Gehirn- und Augentraining und dennoch bedarf es nur eines weiteren Mario-Spiels, um meine Liebe für den Traditionskonzern neu zu entfachen. New Super Mario Bros. beweist wieder eindrucksvoll, dass bei Nintendo in Japan einige Gameplay-Pioniere sitzen, die es besonders in zweidimensionalen Spielen schaffen, mich stundenlang vor den Bildschirm zu fesseln. Jede Minute in New Super Mario Bros. Wii ist Gameplay-Genuss pur. Keine Schnörkel, aufgebauschte RPG-Elemente, komplexe Story, die ich verstehen muss, oder dumme Lauf- und Suchaufgaben, die die Spielzeit künstlich strecken sollen. Zudem können dank des Multiplayers nun bis zu drei Mitspieler mitmachen und Mario ist kein bloßes Zuguck-Spiel mehr und kann obendrein überraschend hohe Partyqualitäten aufweisen. Denn trotz des (erfreulich) hohen Schwierigkeitsgrads kann jeder mitmachen. Mario kennt und versteht schließlich jeder. Ebenfalls verdienen die Entwickler Lob für die tolle Bandbreite an Retro-Elementen. Dank Yoshi kommt das Flair von Super Mario World auf, die Melodie im ersten Endboss-Schloss versetzt einen atmosphärisch nach Yoshis Island und die Gameplay-Architektur der Level glorifiziert die NES-Klassiker. New Super Mario Bros. Wii gehört definitiv in jede Wii-Sammlung und hat mich überzeugt. Nintendo hat's eben immer noch drauf.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel New Super Mario Bros. Wii | |
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| 7.9 | Grafik Scharfe, farbenfrohe und immer flüssige 2D-Grafik mit einigen schön anzusehenden 3D-Effekten, die aber in keiner Weise den Anspruch an sich selbst hat, ein Kaufgrund für das Spiel zu sein und sich schnell zufrieden mit sich selbst gibt. | |
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| 8.5 | Sound Mario-Melodien mit Ohrwurmcharakter in verschiedenen Arrangements, die allerdings von der Qualität her bei Weitem nicht an das heranreichen, was Super Mario Galaxy vollbracht hat. | |
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| 9.2 | Steuerung Unglaubliche Simplizität, die sich praktisch nur auf zwei Knöpfe und ein Steuerkreuz für links und rechts beschränkt. Schüttel- und Bewegungsfeatures fallen nicht negativ ins Gewicht, tragen aber auch nicht viel zum Spielgefühl bei. | |
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| 9.5 | Gameplay Brillantes Leveldesign mit viel Abwechslung in- und außerhalb der Level trifft auf eine perfekte Balance im Multiplayer-Modus. Der Titel ist (dank Hilfe-Feature) niemals ein Spiel nur für Hardcore-Nerds, macht gleichzeitig aber auch keine Kompromisse beim Schwierigkeitsgrad. | |
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| 9.1 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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