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Free Running
Review von Tim Herrmann (mail) | 08.11.2009

Was früher Stoff für rasante Actionfilme mit professionell ausgebildeten Stuntmen war, ist heute ein populärer und schön anzusehender Trendsport: Parcours nennen Kenner die Kunst, von A nach B zu gelangen und sich dabei von nichts aufhalten zu lassen. Der simpelste Fall eines Hindernisses auf der Marschroute ist eine Bank, die man überspringt. Komplizierter wird es erst, wenn ein ganzes Hochhaus oder ein Industriepark vor einem liegt. Dann muss sich der Renner seine Umwelt zunutze machen und in einer Mischung aus Akrobatik und Gerätturnen über Abhänge, Schluchten oder durch Öffnungen sausen. Das Thema wird auch in der Videospielindustrie langsam immer interessanter: Mirror’s Edge auf der PS3 und XBOX360 war eine Hommage an den Sport und band ihn in eine Hintergrundgeschichte ein. Auch Ubisoft meldet sich jetzt zu Wort und bringt mit Free Running ein weiteres Parcours-Spiel auf den Markt. Schon 2007 gab es eines für die PlayStation 2, jetzt kommt Free Running für Wii. Wir haben es für euch getestet.

B, Z, Schwung, Schwung, C, C, Stick, A, Schwung!
Man kann Free Running nicht unbedingt als großes Feature-Paket bezeichnen. Startet man das Spiel das erste Mal, wird man von einem Menü begrüßt, das einem einzig die Wahl zwischen Multiplayer- und Singleplayer-Modus bietet (neben einigen Nebenfunktionen wie den Optionen oder den Profileinstellungen). Standardmäßig ist der Titel auf den Einzelspielermodus ausgelegt, also sollte man sich auch hier zuerst umsehen, um die Grundlagen von Free Running kennenzulernen.



In einem dreistufigen Tutorial, das eine ganze Weile dauert und absolviert werden muss, bevor irgendein Teil des eigentlichen Spiels beginnt, bekommt ihr von eurem coolen und sehr versierten Trainer in seiner auf Parcours ausgelegten Sporthalle die wichtigsten Moves beigebracht. Das geht los bei Hammeraufgaben wie dem Laufen durch drei Ringe in einer Linie und endet beim gewagten Sprung von einem Gerüst und katzenartiger Landung auf einer Plattform. Dabei wird vor allem die Steuerung in den Vordergrund gestellt, die jeglichen Intuitivitätstrend der vergangenen Jahre größtenteils außer Acht lässt. Knöpfe sind hier das Maß (fast) aller Dinge, Bewegungskommandos spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Der C-Knopf ist in vielen Fällen die wichtigste und beste Wahl für waghalsige Manöver. Er verhilft euch dazu, nach einem langen Fall einigermaßen sicher abzurollen, über kleinere Hindernisse zu hüpfen oder an Wänden zu laufen. Der B- und der Z-Knopf dagegen haben Kombinationsfunktionen. Setzt man B und Z zusammen mit einem Controllerschlenker und unterschiedlichen Variationen zusammen, kann euer Parcours-Läufer während des stinknormalen Laufens ein paar extravagante Tricks ausführen, die wichtige Zusatzpunkte bringen.

Insgesamt ist die Steuerung dank der starken Konzentration auf relativ wenige Aktionsknöpfe glücklicherweise recht schnell erlernbar, beherbergt aber dahinter eine Komplexität und Vielfalt an Tricks, die erst einmal anstrengend zu meistern ist und die auch nicht immer einfach auszuführen sind – teils wegen Problemen mit dem Timing, teils einfach wegen schlechter spielerischer Umsetzung. Manche Umgebungen ermöglichen einige Tricks gar nicht, weswegen es oft wieder „Ausprobieren“ heißt, um sie sich selbst wieder ins Gedächtnis zu bringen.

Zielloses Laufen
Das althergebrachte Sprichwort des Konfuzius, „Der Weg ist das Ziel“, ist bei kaum einem Spiel gültiger als in Free Running. Das suggeriert allein schon der Titel des Spiels – ihr sollt frei rennen. Das Spiel stellt euch lediglich einen Kasten an Levels zur Verfügung und übergibt euch dann die Kontrolle über einen selbstgewählten Spielcharakter, der eine Reihe von Animationen abspielen kann.



Nachdem das oben absolvierte Training abgeschlossen ist, wird das erste echte Level freigeschaltet. Ihr findet euch wieder auf dem Dach eines Hochhauses, das euch mit vielen Wänden, Masten und Geländern optimale Startbedingungen zum Rennen gibt. Nun liegt es an euch: Wollt ihr einfach wild durch die Gegend laufen und mit tollen Move-Kombos viele Punkte verdienen, um eine Trophäe zum Auf-den-Kaminsims-Stellen zu haben, oder wollt ihr euch an eines der Aktionssymbole wenden, die ebenfalls überall warten. Sie geben euch ein Ziel vor, das im jeweiligen Level zu erfüllen ist. Sammelt so und so viele Punkte mit verschiedensten Tricks, passiert alle Ringe in einer vorgegebenen Zeit, erreicht eine bestimmte Anzahl an Symbolen, gewinnt ein Rennen gegen einen Konkurrenten. Diese kleinen Aufgaben geben wenigstens einen dünnen roten Faden vor, an dem man sich entlang hangeln und die Levels geordnet kennenlernen kann.

Ansonsten bietet euch Free Running aber nicht viel an, was zum Weiterspielen motiviert. Ab und zu schaltet ihr einige Extras wie neue Kleidung oder sonstige Anpassungsgegenstände frei, die ihr in eurer „Bude“ unter die Lupe nehmen könnt. Eine Geschichte gibt es (anders als beim in der Einleitung erwähnten Mirror’s Edge) nicht – und so bleibt eure einzige Aufgabe, immer mehr Umgebungen zu besichtigen und mit euren akrobatischen Raffinessen zu bezwingen. Jedes Level fungiert dabei immer als eine Art Spielplatz, auf dem ihr euch austoben könnt.

Nichtsdestotrotz hat der Spieler irgendwann ein Auge dafür, wann er welchen Trick ausführen soll und wo was zu tun ist. So verliert der Titel irgendwann seinen Hauch des Besonderen, schließlich ändern sich die Animationen nie und das Level-Design ist nicht so genial, dass sich nach jedem Trick eine neue Kombinationsmöglichkeit oder gar ein richtiger Pfad aus Move-Möglichkeiten bietet. Manchmal ist einfach Schluss. Optimal wäre es, immer mehr und mehr Moves miteinander zu kombinieren und damit den so genannten „Flow“ in die Höhe zu treiben, doch darauf sind die Levels nicht immer ausgelegt.

Einmal schleifen, bitte
Free Running baut ganz klar auf dem Konzept auf, etwas schreckhaften und wenig risikobereiten Spielern die virtuelle Möglichkeit zu geben, ein Pixel-Ich ohne Rücksicht auf Verluste durch den Großstadtdschungel zu jagen und dabei die Freiheit absoluter Grenzenlosigkeit zu erfahren. Leider erfordert das auch eine gewisse handwerkliche Perfektion, die Free Running leider vermissen lässt.



Auch wenn es sich anhört, als sei dies ein ständiger Copy-and-Paste-Satz, aber grafisch bewegt sich das Spiel auf schwachem PlayStation-2-Niveau. Teils extremes, lästiges Kantenflimmern macht dem Titel zu schaffen, obwohl einige Texturen zumindest aus der Ferne gar nicht mal schlecht aussehen. Die steifen Animationen des Spielcharakters, die puppenartigen Verformungen nach Stürzen und die vorgefertigten, undynamischen, langweiligen Siegesposen nach erfüllten Aufgaben lassen schnell die Lust an der Simulation vergehen. Das Spiel ist hier völlig ungeschliffen und man sieht ihm deutlich an, dass es sich um eine Produktion mit Kleinbudget handelte, das nicht viel Spielraum für Größeres oder Aufwändigeres ließ.

Der Mangel an Feinschliff äußert sich nicht nur auf der grafischen Ebene, sondern auch bei der Steuerung und der Balance zwischen Kamera und Spielfigur. Normale Sprünge sind nicht etwa kleine Hüpfer, sondern übertriebene Hechtsprünge ins Nichts. Leichte Korrekturen mit dem Control-Stick resultieren nicht selten in einem ungünstigen und übertriebenen Richtungswechsel von 45% - und die Kamera folgt dem nur ab und zu. Meistens bleibt sie in Wänden hängen oder zeigt den Free Runner von vorne, wie er unweigerlich dem Abgrund entgegen jagt. Auch hier hätten einige Monate mehr Entwicklungszeit einige zusätzliche Pünktchen auf die Endwertung mit sich gebracht.

Das Menü und die ganze Gestaltung des Spiels brüllen geradezu „Low Budget“ – es gibt relativ wenige Levels, deren Spielzeit dann auch noch durch viele ähnliche Aufgaben gestreckt wird. Das Menü ist statisch und fast einfarbig gehalten und bietet extrem wenige Optionen, die Grafik kommt sehr unansehnlich daher, der Ton dafür manchmal ganz unterhaltsam (eine unheimlich motivierte weibliche Stimme schreit immer euphorisch die Bezeichnungen der Tricks in die im Hintergrund laufenden Hip-Hop-Klänge). Das Konzept hinter Free Running ist im Prinzip recht interessant und keine schlechte Idee – aber bei diesem Titel handelt es sich mehr um einen Spielplatz als um ein Spiel. Ihr habt eigentlich nichts zu tun und könnt lediglich mithilfe eurer eigenen Motivation durch die Gegend laufen. Diese Motivation wird sich aber dank der minderwertigen technischen und teils auch handwerklich schlechten Umsetzung in Grenzen halten.

Fazit:
Hinter Free Running steckt kein schlechtes Prinzip und der Titel von Reef Entertainment hätte zu einem einigermaßen guten Spiel werden können. Leider mangelt es ihm in allen Aspekten massiv an Feinschliff und man merkt ihm die PS2-Portierung recht deutlich an. Die Grafik bleibt weit hinter vielem aus der Gegenwart zurück, die Steuerung ist teils sehr diffus und die Optionen sowie die Ingame-Spielaufgaben halten sich in zu überschaubaren Grenzen. Free Running wird zum Budgetpreis angeboten, weist aber trotzdem zu viele Fehler auf, um Genre-Fans Freude zu machen. Wer wirklich Lust auf ein Parcours-Spiel hat, sollte lieber zu Mirror’s Edge auf der HD-Konsole greifen, welches das Parcours-Gameplay mit einer motivierenden Rahmengeschichte verbindet und mit der feingeschliffenen Präsentation das Gefühl erzeugt, das Free Running gerne ebenfalls für sich gepachtet hätte.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Free Running
Wertungen Beschreibung
5.4Grafik
Kantenflimmern, schlechte Charaktermodelle- und Animationen vermiesen den Simulationsaspekt des Titels.
7.2Sound
Passende und unaufdringliche Klänge aus dem Hintergrund vermischen sich mit teils erheiternd unpassenden Sprechern.
6.5Steuerung
Sehr knopflastig, mit vielfältigen Tricks, was teils sehr komplex wird.
5.9Gameplay
Kein roter Faden leitet durchs Spiel, der Spieler muss sich selbst beschäftigen und bekommt kaum eine Motivation zum Weitermachen.
6.0Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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