Review von Lars Peterke (mail) | 04.11.2009
Im letzten Jahr gab es neben dem allgegenwärtigen Fortsetzungswahn der Hersteller mit Guitar Hero und Konsorten auch einige neue Franchises, die um die Gunst der Spieler buhlten. Eines dieser Spiele kam ausgerechnet von EA, genauer gesagt dem Inhouse-Team Visceral Games, das man bereits von der Versoftung der Filmtrilogie „Der Pate“ her kennen könnte. „Dead Space“ hieß ihr neues Machwerk, das den Spieler auf einen knallharten Survival-Trip schickte. Nachdem ein mysteriöses Artefakt geborgen wurde, verloren die Crewmitglieder an Bord des Raumschiffes Ishimura den Verstand und der Spieler durfte nun in der Rolle von Isaac Clark das Raumschiff durchforsten, haufenweise Aliens niederschlachten („Cut their limbs!“) und sich einen Weg suchen, um die feindseelige Bedrohung zu stoppen.
„Dead Space“ war eine gelungene Mischung aus Resident Evil und Doom und ließ sich hier und dort sicher auch von Metroid inspirieren. Dabei haben die Entwickler von Visceral Games sich viel Zeit mit der Konzeptionierung gelassen und das Spiel konnte mit einem klugen Upgrade-System für Items, einer beeindruckenden Soundkulisse und beklemmender Atmosphäre punkten. Spätestens nach den guten Kritiken und Verkaufszahlen sollte das Franchise dann in Serie gehen. Unlängst folgte ein Anime-Film mit ergänzender Nebenstory auf DVD und nun das Prequel für die Wii mit dem Titel „Dead Space Extraction“. Und der ist trotz des Vorab-Schimpfwortes „Rail-Shooter“ nicht bloß ein EA-Konter gegen Capcom und Konami.

Rail-Shooter, wie funktionert das denn jetzt?
Im Hauptmenü habt ihr eigentlich nur die Wahl zwischen dem Story- und dem Challenge-Modus. Während der erste der beiden sich von selbst erklärt, könnt ihr bei letzterem jederzeit bestimmte Areale der Story nachspielen und euren Highscore verbessern. Stürzt ihr euch in die Story, schlüpft ihr zunächst in die Rolle von Sam, der Mitglied eines Bergungsteam ist, dass ein geheimnisvolles Artefakt mit dem Namen Red Marker entfernen soll. Später wird sich das Level als Prolog entpuppen, dem neun weitere, sehr umfangreiche Level folgen. Diese können dabei schonmal über eine halbe Stunde dauern, weshalb eine durchaus angemessene Spielzeit gegeben ist. Insgesamt dürfte euch Dead Space Extraction im Singleplayer 6-7 Spielstunden unterhalten. Das ist zwar nicht so viel wie in einem Resident Evil, doch liegt ja bekanntlich in der Kürze die Würze. Dank der vielen Ereignisse innerhalb der Level und dem Coop-Modus des Spiels werdet ihr das ein oder andere Level sicher öfter spielen und auch höhere Schwierigkeitsstufen spielen, obgleich Dead Space schon auf "Normal" sehr fordernd ist. Also kein Grund zur Sorge, was den Umfang angeht.
Und wie sieht es nun mit der Mechanik des Rail-Shooters aus? Eure Spielfigur läuft von selbst durch die Level und sieht sich um und interagiert mit den Charakteren. Quasi wie eine Art interaktiver Spielfilm, bei dem ihr selbst schießen müsst, es sei denn, ihr wollt den "Abspann" umbedingt vor Ende des "Films" sehen. Der Gradlinigkeit des Spiels wird mit optionalen Wegen und versteckten Extras entgegengewirkt. Man muss die Augen wirklich sehr offen halten, um alles zu finden, was es eben zu finden gibt. So ist das Rail-Shooting also viel mehr eine Entlastung, dank der ihr euer Augenmerk auf andere Dinge legen könnt. Genauer gesagt fordern die Entwickler es in diesem Falle von euch und haben das Spielkonzept entsprechend ausgerichtet. Das Resultat ist in keinem Fall negativ. Denn Dead Space Extraction macht deutlich, dass dieses Maß an komprimierter Action, teils filmischer Atmosphäre und vor allem Hektik in einem normalen "freien" Shooter so nicht möglich gewesen wäre.
Zum Beginn werdet ihr mit der Steuerung vertraut gemacht. Zielen könnt ihr mit dem Pointer der Wii-Fernbedienung. In bestimmten Spielsituation stoppt das Spiel zudem und Pfeile am Cursor zeigen euch an, dass ihr für einen kurzen Zeitraum Gelegenheit habt, euch komplett im Areal umzusehen und gegebenenfalls Items aufzuspüren. Diese sammelt ihr mit dem A-Knopf, der für alle Interaktionen zuständig ist und mittels Telekinese die Objekte anzieht. Schießen könnt ihr mit dem B-Knopf. Dreht ihr zuvor eure Wii-Fernbedienung ein wenig im Uhrzeigersinn und haltet die Position, nutzt ihr das Sekundärfeuer der zur Zeit gewählten Waffe.
Maximal vier Waffen könnt ihr tragen, zwischen denen ihr mit dem Control-Stick wechseln könnt. Mit dem Z-Knöpf könnt ihr nachladen. Drückt ihr den Z-Knopf zweimal im richtigen Abstand, könnt ihr mittels getimtem Nachladen schneller sein. Mit dem Minusknopf könnt ihr kurz eure Statusanzeige aufrufen und der C-Knopf ist schlussendlich für die Stase zuständig, mit der ihr (sofern ausgerüstet) die Zeit für einen kurzen Moment anhalten oder verlangsamen könnt.

Vollgepackt mit Action und Dynamik
Die Steuerung ist recht intuitiv und bereits nach dem erstem Level sitzt alles. Der Rest ist Taktik, beispielsweise welche Waffe sich für welchen Gegner am besten eignet. Zusätzlich gibt es noch einige Schüttel-Kommandos, diese werden aber meist im Spiel angezeigt, sodass ihr nicht alles Mögliche im Kopf behalten müsst. Dies ist auch bitter nötig, denn Dead Space: Extraction ist so vollgepackt, dass ihr über jede Verschnaufpause froh seid.
In anfänglichen Laufpassagen findet meist interessanter und klasse synchronisierter Dialog statt, der euch in die Spielstory einführt. Meist habt ihr auf euren Missionen allerhand Begleiter bei euch, mit denen ihr zu fliehen versuchen müsst. Nebenbei solltet ihr noch die Augen nach Objekten und Items aufhalten, die ihr im Vorbeigehen einsammeln könnt. Munition und Medipacks sind unerlässlich für das Überleben, während Logbücher der Crewmitglieder euch immer weiter in die Story reißen.
Alle anderen Situationen sind meist Kämpfe. Diese sind immer super und meist auch überraschend im Level verstreut, sodass es Schockmomente gibt und ihr ständig ein wenig angespannt und konzentriert vor der Konsole sitzen werdet. Man weiß nie exakt, was als nächstes kommt, und wie man eventuell die Taktik anpassen muss. Aufgelockert wird das Spiel dann durch kleine Lötaufgaben, die ihr mit der Wii-Fernbedienung durchführt, um kaputte Türen und Konsolen wieder in Gang zu bringen. Mitunter werdet ihr währenddessen auch angegriffen und müsst richtig flott sein, um nicht das Zeitliche zu segnen. Weiter aufgelockert wird das Spiel durch Kleinigkeiten, beispielsweise das Verbarrikadieren eines Durchganges mit einem Gitter, das ihr fix mit eurer Nagelpistole fixieren müsst.

Dabei schränkt euch das Spiel bei all diesen Tätigkeiten nicht immer geradlinig ein, sondern gibt in einigen Leveln die Möglichkeit, an verschiedenen Stellen eure Laufroute selbst aus verschiedenen Optionen heraus zu wählen. Dies sorgt für Abwechslung und Wiederspielwert. Zudem finden sich auch einige freischaltbare Boni im Hauptmenü, die ihr bekommt, wenn ihr eine Mission besonders gut abgeschlossen habt. Selbiges gilt für Upgrades eurer Waffen und Rüstung. Die gibt es ebenfalls nur, wenn ihr besonders gute Ränge in den Missionen einfahrt.
Da Dead Space: Extraction nicht der erste Wii-Shooter dieser Art ist, haben die Entwickler entsprechend mitgedacht und auch Features ins Spiel eingebaut, die aus der Sicht des Wii-Besitzers zum guten Ton des Genres gehören. Das wäre zum einen natürlich die Unterstützung des Wii-Zappers, für den einige gesonderte Steuerungskonfigurationen im Optionsmenü zur Auswahl stehen. Bei unserem Test hat uns die klassische Steuerung mit dem Nunchuk allerdings mehr überzeugt, da hier mehr Möglichkeiten und Komfort gegeben sind. Ebenfalls ist ein kooperativer Modus für zwei Spieler verfügbar, der im kompletten Spiel möglich ist. Ein Freund kann durch Drücken des Plus-Knopfes jederzeit in das Spielgeschehen einsteigen und wahlweise auch nur mit einer Wii-Fernbedienung ohne Nunchuk mitspielen. Dabei übernimmt er die Steuerung eures Begleiters und kann sich an der Vernichtung der Alien-Massen beteiligen.
Schade ist nur, dass man das tolle Upgrade-System des richtigen Dead Space gestrichen hat und dass die Waffen automatisch nach jedem Level verbessert werden. Sicher wäre es zusätzliche Motivation und Ansporn gewesen, wenn das Spiel für gesammelte Items, gelungene Treffer einfach Punkte vergeben hätte, die man dann zwischen den Levels in Upgrades innerhalb eines „Skill-Trees“ investiert hätte. Somit hätte der Titel ein wenig nettes Taktik-Flair erhalten und den Spieler zu verschiedenen Spielweisen angeregt.
Audiovisuelle Güteklasse A
Eines ist ganz klar: Spiele wie Dead Space machen erst richtig Laune, wenn die Atmosphäre stimmt. Prinzipiell ist dies sogar der Faktor, der das Spiel im Großen und Ganzen ausmacht und den Spieler letztendlich vereinnahmt. Und leider wissen wir alle, das der Grafikchip der Wii wie ein Damoklesschwert über diesem Faktor schwebt. Doch im Falle von Dead Space: Extraction sieht alles erstaunlich anders aus und die Entwickler haben Pionierarbeit geleistet. Die Umgebungen sind erstaunlich detailliert und profitieren von wirklich guten Lichteffekten und überraschend guten Texturen.

Wo andere Spiele Abstriche machen, geht Dead Space: Extraction konsequent weiter, fügt alles zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen, vermeidet dabei Framerate-Einbrüche und das Spiel bleibt auch bei hohem Gegneraufkommen stabil. Kurz gesagt kratzt das Spiel also schon fast an Metroid Prime 3. Nur selten findet man Elemente, die hübscher hätten sein können. Hier und da die Gegner vielleicht, aber allumfassend sieht das Spiel dem HD-Hauptspiel gar nicht so unähnlich, sofern man solche Schmankerl wie Bumpmapping und eine hohe HD-Auflösung mal außen vor lässt.
Dazu gesellt sich eine wirklich tolle Klangkulisse. Die Musik wechselt von dramatisch zu leise, spielt gekonnt mit Soundeffekten und erzeugt hin und wieder diese kurze, beklemmende Atmosphäre, wenn man einen dunklen Raum betritt und nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke lauert. So passiert es, dass man wirklich stellenweise etwas gebannt vor dem Fernseher sitzt. Dead Space: Extraction schafft es genau wie sein großer Bruder, euch vollends in die Spielwelt zu ziehen und es empfielt sich daher besonders, den Titel am Abend im dunklen Zimmer in einer ruhigen Stunde zu spielen. So beispielsweise im dritten Level, wenn ihr zunächst durch die Lüftungsschächte kriecht, euren Leuchtstab mit der Wii-Fernbedienung anzündet, erst nur Geräusche hört, bevor dann die Gegner aus allen Ecken auf euch zukriechen. Atmosphäre und Grusel-Feeling, wie es sein sollte.
Fazit: Wenn es einen weiten Vorteil an Schienenspielen dieser Art gibt, dann ist es wohl die Tatsache, dass es wenig zu erzählen und zu erklären gibt. Dead Space: Extraction ist schlicht und ergreifend ein sehr actionreicher und vollgepackter Shooter mit toller Atmosphäre, recht beeindruckender Grafik und Präsentation. Der Umfang geht in Ordnung, alle gewünschten Features sind vorhanden und das Spiel bietet genug Story und Aspekte, um sich wunderbar in die Riege der restlichen Dead Space Titel einzubringen. Für Wii-Verhältnisse hat Visceral Games also einen der besten Shooter kreiert, der ohne große Probleme an The Conduit und Co. vorbeirauscht und sich fast direkt neben Metroid an die Genre-Spitze stellen darf. Bleibt abzuwarten, ob Capcom uns mit Resident Evil: Darkside Chronicles noch mehr überrascht, als es bei diesem Titel seitens EA der Fall ist. Von uns gibt es jedenfalls eine uneingeschränkte Kaufempfehlung und den WiiX-Award für dieses ungemein stimmige Spiel. Wer Rail-Shooter also nach wie vor für langweilig hält, wird hier eines besseren belehrt. Und dass man mit dem Spielcharakter nicht selbst frei laufen kann und muss, hat ja auch etwas für sich. Als Redakteur wird man eben irgendwann faul.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel Dead Space Extraction | |
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| 9.0 | Grafik Hier wird sehr viel aus der Wii herausgekitzelt und Dead Space überzeugt mit vielen hübschen Arealen, Texturen, Charakter- und Gegnermodels sowie tollen Lichteffekten. | |
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| 9.4 | Sound Atmosphärische Sounds und Hintergrundmelodien, wie man sie sich für ein Survival-Spiel wie dieses nur wünschen kann. Auch die englische Synchronisation verdient viel Lob. | |
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| 9.4 | Steuerung Die Steuerung mit Wii-Fernbedienung und Nunchuk funktioniert super und lässt keine Wünsche offen. Zudem ist ein guter Zapper-Support vorhanden und ein zweiter Spieler benötigt nicht unbedingt ebenfalls ein Nunchuk, um in das Spiel einzusteigen. | |
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| 8.7 | Gameplay Sehr ausgereifter Shooter mit viel Abwechslung, guter Story und packender Inszenierung. Schade nur, dass durch das fehlende Upgrade-System und dem Inventar aus Dead Space der kleine Spritzer Taktik fehlt. | |
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| 9.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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