Review von Marian Wehmeier (mail) | 29.12.2009
Die wilden Touren in Crazy Taxi, die Maraca-Tänze in Samba de Amigo, die Wettkämpfe der in Plastikkugeln gehüllten Affen in Super Monkey Ball - diese Sega-Spiele sind abgedreht. Abgedreht, und doch vergleichsweise harmlos. Denn im Portfolio von Sega, der Keimzelle für verrückte Spielkonzepte, finden sich Titel wieder, die in weitaus heiklere Dimensionen virtuellen Wahnwitzes stoßen. Typing of the Dead etwa, ein Tastaturtrainer mit Zombies. Oder SEGAGAGA, eine Simulation, bei der man in die Rolle von Sega-Mitarbeitern schlüpft und versucht, mit neuen Spielen verlorene Marktanteile zurückzugewinnen. Und nun schlägt Sega wieder zu. Zumindest lässt das der Titel vermuten: Die wahnsinnige Welt des Sports (kurz WWDS), eine Minispielsammlung, verspricht olympische Action beim Extrembügeln, Käserollen und Thunfisch-Weitwurf.
Ein kleiner Lichtblick
Eine weitere Minispielsammlung. Großes Gegähne in den Redaktionen und Foren. Die Gleichgültigkeit, mit der man die Flut an Minispielen entgegnet, ist die logische Konsequenz eines saturierten Marktes. Wer braucht schon die Hunderste Tennis- oder Golf-Adaption auf Minispielformat? Die Distanz, mit der man WWDS begegnen wird, dürfte nicht kleiner sein. Immerhin sind es nicht nur Minispiele, sondern sogar ziemlich eigentümliche Minispiele. Es wird daher für viele ein kleines Phänomen sein, dass es sich bei WWDS um eines der besten Partyspiele auf der Wii handelt.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Riege der herkömmlichen Sportarten erschöpft war und neue Ideen die Minispielsammlungen fühlen würden. Dass Sega, einst für Qualität berühmt, sein Können auf Minispielniveau dressiert, ist wenig verwunderlich. Eher ist es das Symptom einer Gilde, die immer exzessiver dem Leitsatz frönt, Spieleentwicklung geschähe eher dem Profit denn der Idee wegen. WWDS ist in dieser Hinsicht ein kleiner Lichtblick in der Minispielpampa, innovativ und schräg - ein prima Alleinstellungsmerkmal.
Zehn durchdachte Minispiele
Doch so innovativ und schräg WWDS sein mag - alle Verrücktheit nützt nichts, wenn die Minispiele unbrauchbar oder unspielbar sind. Diese Zweifel sind verständlich: Eine witzige Idee macht kein gutes Spiel (gerade wenn man sich auf dieser Idee ausruht). Umso erfreulicher ist, dass Sega witzige Ideen in gute Spiele verpackt hat. Ob nun das Kartenboxen, Möbelrennen oder Eisgolfen - alle zehn Minispiele sind wohldurchdacht, leicht zu verstehen und doch schwer zu meistern.
Das Spiel gliedert sich in einen Tour- und einen Partymodus. Im Partymodus können bis zu vier Spieler in bis zu fünf Minispielen gegeneinander antreten. Im Tourmodus, alleine und im Verbund mit Freunden spielbar, müssen Touren gewonnen werden, die jeweils aus drei Minispielen bestehen. Steht man nach den ersten beiden Minispielen auf dem ersten Platz, wird man zum Finale zugelassen, wird das dort abgehaltene Minispiel für den Partymodus freigeschaltet. Gewinnt man das Finale sogar, stößt der jeweilige Endspielgegner zur Charakterauswahl hinzu. Zusätzlich gibt es für jeden bestrittenen Wettkampf Preisgelder. Gelder, die man für neue Accessoires, wie etwa Mii-Masken für die Charaktere oder nützliche Items für die Minispiele, ausgeben kann.

Die Punktejagd beginnt!
Die Minispiele sind charmant und witzig in Szene gesetzt und driften nur selten ins Alberne (die Stage beim Holzhacken heißt Hackedichter Wald). Als Charaktere stehen anfangs das zierliche Blondchen Tiffany und die nicht nur mit feuerroter Haartracht bestückte Mia, der Japanokämpfer Sasuke und der sanfte Riese Jack zur Auswahl. Nachdem man sich für einen der vier entschieden und der hyperaktive, leicht tuckig anmutende Conférencier, mit buntem Rüschenhemd und Monokel durch die Wettkämpfe führend, die Minispiele mit dem Schlachtruf "Wahnsinnssport" eröffnet hat, beginnt die Punktejagd. Go, Soldier!... - I'm too pretty to lose...
Jeder einzelne Wettbewerb ist ein kleines Highlight. Bei der Rasenmäherraserei etwa sitzt man auf einem Aufsitzmäher und muss fünf Runden über einen dicht bewachsenen Parkour fahren. Je mehr Gras man mäht, desto mehr Turboboost erhält man, während umherspringende Kühe und in der Luft kreisende Ufos die Sicht und die Strecke versperren.
Ähnlich humorvoll geht es beim grandiosen Käserollen zu, das entgegen der tatsächlichen Disziplin nicht darin besteht, einem den Berg herunter stürzendem Käserad hinterher zu springen. Vielmehr muss man sein Käserad in einen Kreis rollen und es dabei spiralförmig, mittels möglichst hoher Wurfkraft und gutem Neigungswinkel, über so viele im Kreis eingezeichneter Felder wie möglich jagen. Die äußeren Ringe des Kreises bringen wenige Punkte ein, die inneren dafür umso mehr.
Boxen, Brausen und Extrembügeln
Beim Kartenboxen, mitunter die Attraktion des Spiels, haut man sich im Ring zunächst ordentlich auf die Fresse - um sich dann in der zweiten Runde an einen Tisch zu setzen und Memory zu spielen. Während beim Boxen jeder Spieler über einen Abwehrgegenstand verfügt (z.B. volle Einkaufstüten oder ein Teddybär), gibt es beim Memospielen einige witzige und fiese Überraschungen unter den Kärtchen. Ziel ist es, den Gegner entweder im Ring auszuknocken oder ihn mit sieben Memory-Pärchen zu besiegen. Boxen, Karten, Boxen, Karten, Boxen, Karten! Steht am Ende kein Sieger fest, entscheidet die Anzahl der Kartenpärchen.
Ebenso kurios geht es zu beim Möbelrennen, wo man mit seinem Mobiliar (Gattung: Wohn- und Schlafzimmer, Klo, Klo-Deluxe etc.) eine von zwei Strecken herunter braust. Ein Schadensmodell, ein paar listige Fallen und Abkürzungen sorgen für replay value. Etwas simpler ist das Holzhacken: Hier bekommt man Holzstücke vorgelegt, die es mittels Axt kleinzuhacken gilt. Dabei muss man achten auf das Holz, das waagerecht gestellt ist (es muss mit einer anderen Remote-Bewegung gehackt werden), und brennende Dynamitstäbe.
Der Thunfisch-Weitwurf ähnelt der Leichtathletikdisziplin Hammerwurf, nur mit Thunfisch anstatt Metallkugeln, und das Eisgolfen könnte fast als Kopie des normalen Wii Sports-Pendants durchgehen (nur halt ohne Eis). Beim Schlammrutschen schliddert man durch braune Modder in eine Wand aus Klötzen - je weiter diese dann fliegen, desto mehr Punkte gibt es. In der Disziplin Pultstockspringen, eines der etwas flauen Minispiele, muss man mit einem Stab möglichst weit über einen Fluss springen und das Extrembügeln, durch vorgegebene Tastenfolge leicht verständlich, kombiniert Bügeln und Fallschirmspringen.

Ansporn für Einzelspieler
Natürlich verlieren alle diese Minispiele mit der Zeit einen Teil ihres Witzes, einen Teil ihres Reizes. Auch wird die Anzahl der Minispiele auf Besitzer von Mario Party oder Rayman Raving Rabbits mickrig wirken. Man darf jedoch nicht vergessen, dass alle Wettbewerbe ausgeklügelt konzipiert sind und, im Gegensatz zur fast omnipräsenten Einfachheit von Minispielen auf der Wii, durchaus für Ansporn sorgen. Das gelingt WWDS durch den Tourmodus, der das Spiel nicht nur für Mehrspieler und Partyabende attraktiv macht, und das Erspielen von Charakteren und Minispielen, neuen Parkours und nützlichen Items. Schade ist, dass in WWDS keine altbekannten Charaktere spielbar sind - wenn Sega schon mit Sega Superstars Tennis oder Sonic & Sega All-Stars Racing viele Firmenmaskottchen recycelt, warum dann nicht hier? Sonic, Ryo Hazuki, Ulala, ein Sprüher aus Jet Set Radio oder Ecco the Dolphin hätten das Spiel noch wahnsinniger gemacht.
Die Steuerung der Minispiele ist durchweg intuitiv und sinnig - sie sitzt spätestens nach zwei, drei Versuchen. Selbst die Rennspielpassagen, für die die Remote waagerecht gehalten werden muss, lassen sich souverän steuern.
Grafisch bietet WWDS ein gesundes Mittelmaß. Farbenfrohen, detaillierten Umgebungen und den interessanten, wenn auch nicht zu interessanten Charakteren sieht man die Mühe an, mit der sie designt wurden. Die abgedrehte Präsentation trügen ein paar flache Sprites (meist Zuschauer), die unschön in fast jedem Minispiel klaffen. Mehr Finesse hätte auch das Menü vertragen, es wirkt hin und wieder etwas umständlich, und die Grafiken, die die Minispiele während des Ladevorgangs erklären sollen, irritieren zunächst mehr als dass sie helfen.
Jedes Spiel ist mit einer netten Melodie unterlegt, manche dieser Lieder entpuppen sich gar als Ohrwurm. Das Menü wird teils von einem belanglosen Lounge-Sound untermalen, der weder passt noch gut klingt. Die Sprachschnipsel der Kämpfer reduzieren sich je auf maximal ein halbes Dutzend, während eine deutsche Synchronisation der Menüführung und der Ansagen im Spiel eine willkommene Überraschung ist. Fazit: WWDS ist eine gute, verrückte und gleichzeitig durchdachte Minispielsammlung. Die zehn Minispiele sind liebevoll und lustig inszeniert, verlieren jedoch mit der Zeit ihren Witz und ihren Reiz. Dank des Tourmodus, den freischaltbaren Extras und der flippigen Präsentation kommen auch Solisten auf ihre Kosten, Mehrspieler erfreuen sich derweil am heiteren Partymodus. Ein technisch absolut solider Titel, der für Fans von Minispielen ein Muss darstellt. Alle anderen sollten vorher Probespielen und dann überlegen, ob die knapp 30 Euro gut investiert wären. An die Qualität und den spielerischen Umfang von Wii Sports Resort kommt WWDS nämlich nicht.
Von Marian Wehmeier
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| Wertung für das Spiel Die wahnsinnige Welt des Sports | |
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| 7.4 | Grafik Gelungene Stages und Charaktere, insgesamt recht detailverliebt und farbenfroh. Menügrafiken etwas wirr, Zuschauer-Sprites fallen fast durchweg negativ auf. | |
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| 8.2 | Sound Ein paar nette Melodien, gelegentlich mit Ohrwurmcharakter, arg limitierte Anzahl der Sprachsamples der Kämpfer, dafür deutsche Synchronisation von Menü und Ansagen. | |
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| 9.0 | Steuerung Meist leicht verständliche Steuerung, die spätestens nach zwei, drei Versuchen sitzt. Selbst die Rennspiel-Passagen, in der die Remote waagerecht gehalten wird, funktionieren problemlos. | |
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| 7.4 | Gameplay Der Partymodus bietet Gelegenheit für ausgiebige Spielabende vor der Wii, der Tourmodus für Einzelspieler einige Stunden Beschäftigung. Freischaltbare Extras, Ladensystem für neue Items bringen zusätzlich Motivation. Die zehn Minispiele verlieren jedoch mit der Zeit ihren Witz und ihren Reiz. | |
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| 7.4 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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