Review von Tim Herrmann (mail) | 13.10.2009
In diesem Jahr feiern die Teenage Mutant Ninja Turtles ihren 25. Geburtstag. 25 Jahre, das ist in der Unterhaltungsindustrie eine lange Zeit und man muss es den Pizza fressenden Kampfkröten hoch anrechnen, sich überhaupt gehalten haben zu können. Nichtsdestotrotz haben auch die langlebigen Turtles das letzte Vierteljahrhundert nicht ohne gewisse Abnutzungserscheinungen überleben können. Serien kamen, feierten Erfolge, gingen, kamen wieder und floppten teilweise und die letzten Wiederbelebungsversuche mit dem Animationsfilm aus dem vorletzten Jahr sowie die dazugehörigen Videospiele konnten ebenfalls nichts mehr reißen. Trotzdem: Besonders wegen glorreicher SNES-Zeiten genießen die Teenage Mutant Ninja Turtles auch heute noch teils großes Ansehen bei ihren treuen Fans und deswegen war die erste Euphorie auch entsprechend groß, als Teenage Mutant Ninja Turtles: Smash-Up im letzten Winter enthüllt wurde. Jetzt ist es erschienen, trumpft bei NintendoWiiX mit einem großen Gewinnspiel auf und stellt sich jetzt todesmutig unserem Test.
Frappierende Einflüsse
News zu TMNT – Smash-Up gingen stets einher mit dem Vergleich zu einem bestimmten Spiel: Super Smash Bros. Brawl. Große Fußstapfen, denen sich Ubisoft und GameArts hier stellen, schließlich ist der Prügler von Nintendo einer der bestverkauften und bestbewerteten Titel auf der aktuellen Heimkonsole. Aber die Verantwortlichen von Smash-Up sind ja selbst Schuld an diesem Vergleich, schließlich hat man schon zur Ankündigung stolz und werbewirksam klar gemacht, dass Entwickler von Super Smash Bros. Brawl mitarbeiten und dass man sich spielerisch an dem Prestige-Prügler orientieren wolle. Klar eine Werbung an müde gewordene Fans von Brawl.

Erste Trailer und Bilder hätten diese offiziellen Ankündigungen eigentlich gar nicht als Zusatzkommentare gebraucht – allen einigermaßen bewanderten Betrachtern wäre sofort klar gewesen, welches Spiel hier die Vorlage geliefert hat. Bis zu vier Charaktere aus dem Turtles-Universum kämpfen in einer zweidimensionalen Arena mit dreidimensionalem Hintergrund und lassen Faust-, Fuß- und Spezialhiebe aufeinander niederprasseln. Diese Arenen veränderten sich mit zunehmender Kampfdauer und machten den Teilnehmern das Leben noch schwerer. Das fertige Spiel ist hierzu natürlich keine 180°-Drehung zu den damaligen Eindrücken. Teenage Mutant Ninja Turtles – Smash-Up ist nicht nur in Videos, sondern auch in seiner Vollversion eine ziemlich eindeutige Kopie von Nintendos Super Smash Bros. Brawl auf fast allen Ebenen und macht damit vielleicht seinen größten Fehler.
Die erste und zugleich größte Auffälligkeit ist schon beim Countdown vor einem Match auszumachen. Ein dramatischer Ansager zählt von drei auf das berühmte und irgendwie vertraute „Go!“, woraufhin dann so lange gekämpft wird, bis Energiebalken geleert sind. Natürlich ist allein dieser Countdown noch nicht die einzige Parallele zu Brawl, die zu verhüllen keiner für nötig erachtet zu haben scheint. Die Charakterauswahl erinnert genauso an Nintendo und Masuhiro Sakurai wie das Freispielen von Freischaltbarem in einem Shooter-Minispiel oder die Features und Modi, die TMNT – Smash-Up anbietet. Auch die Steuerung orientiert sich klar an Super Smash Bros. Brawl: Es werden Wii-Remote, Nunchuk, Classic- und GameCube-Controller unterstützt, bei denen man die Knopfbelegung frei anpassen kann. Standardmäßig funktioniert bis auf wenige Ausnahmen auch alles so, wie von Brawl gewohnt.
Es ist fast schon erschreckend, wie wenig Wert bei der Entwicklung darauf gelegt wurde, eigenständig zu sein und wie unverhohlen die kopierten Inhalte dargestellt werden. Es ist vielleicht noch ein nachvollziehbares Argument, wenn von Entwickler- oder Publisherseite gesagt wird, dass „man Gutes lieber übernimmt, als es selbst schlechter zu machen“ – aber so oder so stellen sich die Entwickler mit ihrem Konzept und ihrer Herangehensweise selbst ein Bein. Denn trotz aller übernommener Features kommt man selbstverständlich nicht an Nintendos riesiges Feature-Paket heran, das so gigantisch war, dass ein ganzer Blog ein Jahr lang jeden Tag lang mit einem neuen Infohäppchen gefüttert werden konnte.

Trotzdem gut
Trotzdem und gerade deshalb ist TMNT – Smash-Up natürlich keine spielerische Katastrophe. Was es macht, macht es richtig. Das Brawling-Gameplay profitiert von der Erfahrung, die die Entwickler schon mit Super Smash Bros. Brawl hatten, funktioniert gut und ist ordentlich ausbalanciert. Die Turtles und ihre Gegner kämpfen schnell und effektgeladen, fliegen nur so durch die Lüfte (übrigens mit ein wenig unrealistischen physikalischen Gravitationsverhältnissen für flügellose Schildkröten) und haben abwechslungsreiche Spezialattacken auf Lager, die sie entweder aus der Luft, vom Boden oder sich von Wänden abstoßend anwenden können.
Auch bei der Grafik profitiert der Titel von dem, was mit Super Smash Bros. Brawl schon erreicht wurde. Die dynamischen Arenen leuchten in scharfen Farben, die Charaktermodelle sind überraschend gut gelungen, klasse animiert und die dynamischen Effekte in den veränderlichen Arenen (die sich entweder automatisch verändern oder auf bestimmte Angriffe oder Aktionen reagieren) sorgen für einige optische Highlights. Dazu gilt es natürlich stets, nirgends zu fallen und sich damit gleich selbst auszuschalten (in einer Arena wird man beispielsweise bei Bodenkontakt gleich von einem Alligator gefressen).
Beim Sound hat man sich hauptsächlich auf Rumms- und Wumms-Effekte verlassen und dudelt im Hintergrund rockige Metal-Musik herunter, die wenig Besonderheiten vorzuweisen hat und kaum länger als eine Minute im Gedächtnis bleibt.
Ohne Charme
Warum haben die Turtles heutzutage eigentlich noch so viele Anhänger? Neue konnten sie durch den Animationsstreifen TMNT wohl kaum dazu gewinnen, also besteht der heutige Freundeskreis der Ninjakröten wohl noch aus Fans von klassischen Spielen wie Turtles in Time oder der kultigen Zeichentrickserie, in der Leonardo, Michelangelo, Raffael und Donatello (alle Namen waren ursprünglich Parodien auf die berühmten Renaissance-Künstler) als sympathische Verbrechensbekämpfer und nicht als übermächtige, aggressive Superturtles dargestellt wurden. Von diesem Charme, den die Fans heute noch erwarten, ist allerdings nichts zu finden. Im Arcade-Mode, das ist der Story-Modus in dem Brawler, gibt es keine vollanimierten Zwischensequenzen im Zeichentrick-Format, nicht einmal Filmchen im Stile von TMNT aus 2007, sondern schwarzweiß gehaltene Standbilder mit Untertiteln und trashigen Dialogzeilen (die dann allerdings von Zeit zu Zeit wieder an die beliebte Vorlage erinnern).

Vom Einfluss des Turtles-Vaters, Peter Laird, der (auch laut dickem Aufdruck auf der Verpackung) an dem Spiel mitgearbeitet haben soll, ist jedenfalls nichts zu sehen. Weder bei der Geschichte und deren Darstellung noch in den Kämpfen selbst lassen die Turtles irgendetwas von dem durchblicken, was sie berühmt und beliebt gemacht hat. Sie sind, so hart es klingt, größtenteils seelenlose Kampfmaschinen, die man problemlos durch irgendwelche Roboter austauschen könnte und danach fast das gleiche Spiel hätte. Immerhin werden die Kämpfe im Arcade-Modus auch zwischendurch durch kleine Minispielchen (die ebenfalls von Super Smash Bros. Brawl inspiriert sind) unterbrochen, in denen die Turtles die serientypische Pizza einsammeln bzw. verkloppen müssen. Doch auch das wirkt wenig charmant, sondern eher gezwungen.
Das Turtles-Universum ist außerdem nicht so groß, wie das, was Nintendo sich im Laufe der Jahrzehnte zusammen gesammelt hat. Oder: Vielleicht ist es doch groß genug, dann haben die Entwickler aber keinen Wert darauf gelegt, auch in diesem Aspekt dem Vorbild von Super Smash Bros. Brawl zu folgen und eine Art Turtles-Enzyklopädie zu erschaffen. Es gibt 16 Charaktere, die man außerhalb des Story-Modus (wo der Teilnehmerkreis eingeschränkt ist) spielen kann, dabei drei Rabbids als Gastcharaktere. Übrigens auch hier wieder ein sehr deutlicher Bezug zu Super Smash Bros. Brawl: Die drei Rabbids sind ganz eindeutig ein Schritt auf dem Weg zu einer Art Ubisoft-Sammlung – dieser Weg musste aus Zeitgründen allerdings wohl abgebrochen werden, sodass Altair, der Prince of Persia und Co. es nicht mehr ins Spiel geschafft haben.
Modi, Modi, Modi
Da der Story-Modus nicht besonders viel Charme beinhaltet und daher für Fans nicht unbedingt das unumstrittene Highlight von TMNT – Smash-Up darstellt, heißt es, auch auf die anderen Modi zurückzugreifen, die der Titel anbietet. Auch hier ein großer Teil des Arsenals von Super Smash Bros. Brawl: In einem Missionsmodus gilt es, bestimmte Aufgaben (50 an der Zahl) in bestimmten Arenen in einer bestimmten Zeit zu erledigen. Im Survival-Modus heißt es „Kämpfen bis zum Umfallen“, während ihr euch natürlich auch online oder offline mit Freunden oder Fremden im Multiplayer (der genau wie in Brawl Battle Royal heißt) kloppen könnt. Im Online-Modus sind die Wartezeiten sehr unterschiedlich. Mal geht es sehr fix, bis ihr Mitspieler gefunden habt, mal sitzt ihr minutenlang vor dem gleichen Bildschirm. Mit Turtle-Panzern, die man während des Spielens verdient, können die Spieler sich auch Extras freikaufen und diese begutachten.
Fazit: Aufmerksame Leser werden bemerkt haben: Der Name „Super Smash Bros. Brawl“ taucht in diesem Review mindestens genauso oft auf wie der Titel des eigentlich hier behandelten Spiels, Teenage Mutant Ninja Turtles – Smash-Up. Das liegt daran, dass das Konzept, die Struktur und das gesamte Gerüst von Brawl einfach übernommen, die Nintendo-Charaktere entfernt und dafür das Turtles-Universum injiziert wurde. TMNT – Smash-Up ist auch wegen der schlechten Umsetzung der Lizenz unoriginell und eine reine Kopie, verhilft sich damit aber gleichzeitig zu einer guten Wertung. Denn das Konzept funktioniert wunderbar, die Grafik sieht schick aus und glänzt mit einigen tollen Effekten und Animationen und das Brawling-Gameplay kann sich besonders in der Gruppe voll entfalten. Nichtsdestrotrotz kann man nur eine Kaufempfehlung an folgende Spielertypen aussprechen: Gruppe A findet Brawling-Spiele toll, kann aber mit Mario & Co. gar nichts anfangen. Gruppe B fand Super Smash Bros. Brawl genial, hat jetzt aber alles gesehen und braucht Nachschub. Und Gruppe C kauft sich den Titel aus Liebe zu den Turtles – wobei diese aber vorgewarnt werden müssen, weil viel Turtles nicht drin steckt in diesem Lizenzspiel. Keine dieser Gruppen wird aber darüber hinwegsehen können, dass TMNT – Smash-Up die Fußstapfen, in die es sich wohlgemerkt selbst gesetzt hat, nicht ausfüllen kann. Züge eines Feature-Pakets wie bei Nintendo sind nicht zu erkennen und auch ansonsten ist TMNT – Smash-Up überall eine Nummer kleiner als der selbst geschaffene Konkurrent.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel TMNT - Smash-Up | |
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| 8.2 | Grafik Schicke Grafiken mit schönen Effekten und dynamischer Veränderung, die Abwechslung in die Kämpfe und die Arenen bringt. | |
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| 6.2 | Sound Belangloses Rock-Metal-Gemisch im Hintergrund mischt sich mit zahlreichen Knalleffekten. | |
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| 9.0 | Steuerung Hier gibt es nichts zu meckern. Wie bei Super Smash Bros. Brawl wird jede erdenkliche Controller-Variante unterstützt, bei denen auch noch die Knopfbelegung frei konfigurierbar ist. | |
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| 7.3 | Gameplay Eine offen zugegebene Kopie des Nintendo-Hits, die hier zwar nach wie vor objektiv gut funktioniert, aber wenig Originalität an den Tag legt und sich deswegen stets mit dem in allen Punkten stärker oder leichter überlegenen Konkurrenten messen muss – und nie einen klaren Punkt für sich gewinnt. | |
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| 7.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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