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Oben
Review von Tim Herrmann (mail) | 04.12.2009
Pixar ist längst über den Status des Produktionsstudios für bunte, animierte Kinderfilme hinaus. Seit circa einem Jahrzehnt bekommen die Filme von Pixar selbst von den renommiertesten Filmkritikern Höchstwertungen wegen der intelligenten, manchmal nachdenklich stimmenden Geschichten, der feinfühligen Darstellung der Charaktere und der liebevollen Gestaltung der kleinsten Details. Die neue Oscar-Kategorie des besten animierten Spielfilms teilt sich Pixar praktisch nur mit einigen Einzelnen. Und damit erreicht Pixar genau das Ziel, das auch die Videospielindustrie momentan händeringend anstrebt: Findet Nemo, Wall-E und Co. erreichen mit ihrem einfachen Humor nicht nur Kinder, sondern mit der ernsten, manchmal traurigen und gleichzeitig witzigen Geschichte auch Erwachsene. Das neueste Werk aus den Studios heißt „Oben“ und gilt ebenfalls in der Fachpresse nicht nur als albernes, buntes Witzkabinett, sondern als intelligentes Machwerk, das eine Geschichte auch hinter dem strahlend bunten Vordergrund bietet. THQ entwickelt das Videospiel dazu – ob es dem Film gerecht wird, klärt unser Test.

Oben?
Oben, das ist nicht etwa der Nachfolger von „Unten“, sondern hauptsächlich das Produkt einer kniffligen Übersetzung. Im Original heißt der Film „Up“, was man sowohl mit „nach oben“ als auch mit „oben“ übersetzen könnte. Gemeint ist jedoch wohl eher „nach oben“, aber das hatte anscheinend zu viele Silben (Anm. d. Red.: Warum hat man dann nicht einfach „rauf“ gesagt?). Es geht um den miesepetrigen Ex-Ballonverkäufer (!) und Jetzt-Rentner Carl Fredricksen, der nach dem Tod seiner Frau nichts mehr mit sich anzufangen weiß. Er soll ins Altersheim abgeschoben werden, sein kleines Haus ist dem Abriss geweiht und mit seiner verstorbenen Frau hat er immer von einem Leben an den südamerikanischen Paradiesfällen geträumt. Eines Tages entschließt sich Carl, aus seinem tristen Leben auszubrechen und verbindet sein Haus mit tausenden Helium-Luftballons und entschwebt „up“ in die Freiheit. Allein das ist schon ein poetisches Bild.

Wen interessiert die Geschichte?
Leider ist im Videospiel davon nicht die geringste Spur zu erkennen. Der Titel fängt sogar tatsächlich allen Ernstes damit an, dass das Haus bereits fliegt und Fredricksen seinen jungen Freund Russel bereits kennen gelernt hat, der sich versehentlich auf dessen Veranda befunden hatte, als das Haus abgehoben war. Dem Spieler stehen während der ersten paar Minuten nur Fragezeichen in den Augen, schließlich hat er keine Ahnung, warum er jetzt mit einem Flugzeug ein paar Bomber abschießen soll, die (aus welchem Grund auch immer) Fredricksens Luftballons zerschießen wollen. Erst später wird der Spieler mithilfe eintöniger Fast-Standbilder in die Geschichte eingeführt, erst jetzt erfahren diejenigen, die nicht im Kino waren, worum es eigentlich ungefähr geht.

Es ist nicht nur fragwürdig, dass man sein Produkt offensichtlich nur für alle auf den Markt gebracht hat, die den Film ohnehin schon kennen, sondern diese Art der lieblosen Präsentation zerstört natürlich auch alles, was einen guten Film ausmacht – Atmosphäre, Witz, Charme, Geschichte. Alles das fehlt schon von der ersten Spielsekunde in der Filmversoftung und macht sie so im Umkehrschluss natürlich nur zu einem durchschnittlichen Jump & Run, das mit der Vorlage kaum noch etwas zu tun hat und somit als einziges Argument und Daseinsberechtigung den Namen führt.



Neue Gameplay-Mechanik entdeckt
Traditionell sind Lizenztitel zu Animationsfilmen einfache Hüpfspiele, in denen der Protagonist durch Welten hüpft, die einigermaßen von der Vorlage inspiriert sind. In den letzten Jahren haben dann auch Minispielsammlungen als Lizenzumsetzungskonzept extrem an Beliebtheit bei den Entwicklern gewonnen. Oben versucht noch etwas Neues und bringt damit sogar ein wenig Originalität in den Brei: Das kooperative Spiel für zwei oder mehr Spieler, das momentan in der Branche zum Muss wird und bei jedem Action-Spiel oder Ego-Shooter auf der To-Do-Liste der Entwickler steht, findet auch in „Oben“ Verwendung. Russel und Carl Fredricksen schlendern stets gemeinsam durch die Levels (angebunden an das schwebende Ballon-Haus übrigens) und müssen sich gegenseitig helfen, um Abgründe zu überwinden und Rätsel zu lösen.

Der Spieler steuert immer nur einen der Charaktere und muss den anderen zu bestimmten Aktionen veranlassen. Alternativ kann sich ein zweiter menschlicher Spieler aber jederzeit einklinken und die Rolle des zweiten Protagonisten übernehmen, was erstaunlich viel Frische in das ansonsten sehr angestaubte und ideenlose Prinzip bringt. Natürlich nur im Verhältnis zum restlichen Spiel gesehen. Das kooperative Feature macht „Oben“ nicht zum Konkurrenten von Super Mario Galaxy.

Der alte Carl muss dem jungen Russel mit seinem Gehstock an Abgründen hinauf helfen, nachdem er mit selbigem zuvor an Ranken auf den Vorsprung gekraxelt ist. Er muss von oben auf eine Wippe springen, um Russel zu katapultieren, während Russel durch seine Fähigkeiten, an engen Vorsprüngen entlang zu schleichen, Bedingungen dafür schaffen kann, dass sein Gegenpart eine Möglichkeit zur Überquerung eines Abgrundes findet. Es gibt auch ein Kampfsystem, das allerdings extrem rudimentär ausgeprägt ist und fast keine Erwähnung wert ist. Ab und zu trefft ihr auf Gegner, die sich mit Extras wie Carls Hörgerät betäuben und dann zerquetschen lassen.

Das Kooperativkonzept kann jungen Spielern durchaus Spaß machen und die ersten Erfahrungen auf diesem Gebiet liefern. Ansonsten ist das Gameplay aber geradezu typisch für diese Spielgattung gestaltet und plätschert linear und ohne Herausforderungen in einer grafisch und gestalterisch monotonen Welt vor sich hin. Nur ab und zu mischen sich einige minispielartige Zwischenaufgaben in den Hüpfverlauf. Optisch bewegt sich der Titel (natürlich) in der letzten Generation, während die deutsche Sprachausgabe aber durchaus zu überzeugen weiß, auch wenn es nur ein paar Slogans und wenige Dialogzeilen gibt.

Fazit:
Oben ist leider die typische, beispielhafte Lizenzversoftung und macht genau die gleichen Fehler wie die zahllosen Genrevorgänger: Das Spiel ist nur für Filmkenner einigermaßen nachvollziehbar gestrickt und behandelt die liebevolle Pixar-Geschichte für alle anderen nur beiläufig und desinteressiert ohne Filmsequenzen oder wenigstens daran angelehnte Clips am Rande. Atmosphäre, Witz oder Charme der Kinovorlage flimmern zu keinem Zeitpunkt über den Bildschirm. Dadurch bleibt letztendlich nur ein spielerisch und technisch simples Hüpfspiel übrig, wie sie zuhauf in den Regalen liegen, das immerhin mit seinem kooperativen Angebot einige Pluspunkte sammeln kann. Bei älteren Spielern natürlich nicht, das sollte an dieser Stelle ohnehin klar sein. Aber Eltern von großen Oben-Fans bekommen mit dem Spiel zum Film einen annehmbaren, sehr einfachen Titel, mit dem junge Spieler besonders im Multiplayer ihre paar Stunden Spaß haben können.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Oben
Wertungen Beschreibung
5.5Grafik
Mediokre Buntgrafik ohne jegliches gestalterisches oder technisches Highlight.
6.0Sound
Ebenso unspektakulär wie der Rest der Technik. Immerhin: gute, deutsche Sprachausgabe und erträgliche Hintergrundgeräusche.
7.6Steuerung
Problemlose Steuerung mit Knöpfen, die nicht auf Bewegungen setzt, damit auch keine großen Fehler macht und einmal mehr verdeutlicht, dass es sich hierbei um eine reine PS2-Portierung handelt.
6.9Gameplay
Langweilige Levels mit sich wiederholenden Aufgaben(typen), nur ab und zu Abwechslung durch Minispiele. Die Idee, die beiden Charaktere kooperativ agieren zu lassen, ist aber gut und fügt sich besonders für junge Spieler schön ins Konzept ein.
6.2Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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