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Spyborgs
Review von Tim Herrmann (mail) | 29.12.2009

Capcom ist eine der Firmen, die wirklich engen Kontakt zu ihren langjährigen Fans sucht: Bei der Lokalisierung von Titeln wie Monster Hunter 3 lässt man Forennutzer Waffen und Extras kreieren, für längere Wartezeiten auf die westliche Anpassung von Tatsunoko vs. Capcom baut man als Entschädigung zusätzliche Inhalte ein, die es im Original noch nicht gab. Und im Falle von Spyborgs verfuhr man kurz nach der ersten Ankündigung sogar nach dem Motto „Euch gefällt’s nicht? Okay. Wunderbar. Wir entwickeln es einfach nochmal neu“.

Nachdem man mit Spyborgs im Frühjahr 2008 ein buntes Cartoon-Action-Spiel ankündigte, wurden in Fankreisen Stimmen laut, die sich gegen den eher kindlichen Sonntagmorgen-Comic-Stil aussprachen. Capcom reagierte prompt auf die Kritiken und ließ das kalifornische Entwicklerstudio Bionic Games noch einmal ganz von vorn anfangen. Das Spiel wurde komplett neu gestaltet, die bunten Farben in den Papierkorb verschoben. Ungefähr ein Jahr hörte man dann nichts mehr, bis im Mai dieses Jahres unter dem Spyborgs-Vorhang ein Spiel mit muskelbepackten, futuristischen Cyborg-Helden, vielen blinkenden LED-Leuchten und noch mehr Feuer zum Vorschein kam – das neue Spyborgs. Ob viel Engagement gleichbedeutend ist mit viel Qualität, klären wir nun in unserem Test.

Ein ungleiches Dreiergespann
Wer oder was sind eigentlich Spyborgs? Die Spyborgs sind im Prinzip normale Menschen, die nach Unfällen oder Verwundungen von einer geheimen Regierungsorganisation mit modernster kibernetischer Technik aufgerüstet wurden und damit praktischerweise als Kampfmaschine antreten können. In Spyborgs sind drei dieser Wesen als spielbare Charaktere vertreten, zwei davon können immer gleichzeitig in den Levels antreten. Bei der Charakterauswahl stellen sich drei völlig unterschiedliche Typen zur Wahl: Bouncer ist ein bulliger Roboter, der sich langsam und eher träge bewegt, dafür aber mit unglaublicher Wucht austeilt. Clandestine ist das pure Gegenteil davon. Als der weibliche Pol der Spyborgs ist sie agil und flink und führt ein scharfes Schwert. Allerdings ist ihre Durchschlagskraft im Vergleich mit der von Bouncer fast schon ein Witz. Zwar hinterlassen ihre Hiebe und Stiche nicht besonders viel Schaden, dafür kann sie schnell und oft angreifen. Ein Mittelding zwischen den beiden ist Stinger, ein Mann mit offensichtlichem Abo fürs Fitnessstudio in einem Cyborg-Anzug. Er bewegt sich durchschnittlich schnell, richtet mit einem Angriff mehr Schaden als Clandestine, aber weniger als Bouncer an und verfügt außerdem über eine metroidesque Armkanone, mit der er auch entfernt kämpfenden Gegnern Saures geben kann.



Zu Beginn einer jeden Stage (die etwa jeweils fünf Minuten dauern) kann der Spieler neu wählen, welche zwei Charaktere ihn in der nächsten Zeit begleiten sollen. Einen davon steuert er selbst, mit dem Plus-Knopf kann während des Spiels auch jederzeit gewechselt werden. Der Kumpane wird standardmäßig vom Computer gesteuert, allerdings haben die Entwickler es so vorgesehen, dass ein menschlicher Mitspieler seine Rolle einnimmt. Und diese Chance sollte man auch tunlichst nutzen, sollte man die Gelegenheit dazu haben, Spyborgs zu zweit zu spielen. Obwohl es an der künstlichen Intelligenz eigentlich wenig zu meckern gibt, ist es doch etwas anderes, gut zusammen zu arbeiten, als allein auf etliche Blechbüchsen einzudreschen. Voraussetzung: Der Freund sollte genauso ein Videospielnarr sein wie ihr. Denn für Gelegenheitsspieler und Oma und Opa ist Spyborgs wegen der Aufmachung und auch wegen der komplexeren Knopfsteuerung nichts.

Lauf’ und Kämpf’
Das Spielsystem von Capcoms Exklusivling ist schnell erklärt: Nachdem ihr die zwei Spielcharaktere ausgewählt habt, geht es auch schon los. Ihr lauft durch die sehr linear gehaltenen 3D-Stages und zertrümmert alle Kisten und Gegenstände, die ihr auf eurem Weg findet. Sie stehen zuhauf in der Landschaft herum und enthalten blaue Gesundheitspillen, orangefarbene Energiekapseln oder wertvolle rote Kristalle, die als eine Art Währung im Spiel fungieren und gegen Upgrades eingetauscht werden können. Der Pointer schweift optimalerweise immer mit übers Bild, denn mit ihm kann man versteckte Kisten aufspüren und durch Druck auf den A-Knopf mit verbundenem Wiimote-Schwenker sichtbar machen. Dasselbe Prinzip greift manchmal auch bei anderen versteckten Objekten, die zum Weiterkommen aufgespürt werden müssen.



Doch das Kistenzertrümmern ist natürlich nicht alles, was es in Spyborgs zu tun gibt: Hauptspielinhalt ist das Kämpfen gegen Roboter aller Art. Kaum ist man zwanzig Schritte gelaufen, stellen sich einem die ersten fies programmierten Kontrahenten in den Weg. Begegnet ihr einem bestimmten Gegnertyp zum ersten Mal, wird er kurz vorgestellt. Doch auch wenn ihr ihn dann besser kennen gelernt habt, wird das sein Schicksal nicht verändern. Die hochgerüsteten Spyborgs zerlegen ihn in seine Einzelteile und machen ihn fertig zum Recycling. Der Standardangriff wird durch Druck auf den B-Knopf ausgelöst und lässt sich zu Dreier-Kombos verknüpfen. Der C-Knopf löst einen schweren Angriff aus der Luft (Springen mit dem A-Knopf) oder vom Boden aus, dauert aber in der Ausführung ein paar wichtige Zehntelsekunden länger. Und so bestreitet ihr dann jeden eurer Kämpfe. Der Nunchuk-Stick lenkt euren Charakter, der B- und C-Knopf lassen Angriffe niederprasseln, während ihr euren Kampfstil mit dem Sprung ein wenig variieren könnt. Mit der Zeit lernt ihr auch neue Angriffe und Moves kennen, die ihr mit den roten Funken nach jeder Stage für jeden Spyborg erkaufen und ihn so hochrüsten könnt. Das bringt ein wenig Abwechslung ins Kampfgeschehen, die auch bitter nötig ist.
Denn schon nach wenigen Stages ist es nichts Besonderes mehr, wenn Clandestine einen mächtigen Schwertschwung landet oder Bouncer mächtig auf den Boden hämmert. Die Kämpfe avancieren schnell zu ziemlich langweiligem Knopfdrücken, das verhältnismäßig wenig Variation ermöglicht. Und weil das Kampfsystem schnell außer Atem kommt, zieht es das ganze restliche Spiel mit sich, schließlich dreht es sich eigentlich nur um den Wechsel von Laufen und Kämpfen und bietet ansonsten keine oder höchstens wenige andere Herausforderungen.

Einen Lichtblick bringt das kooperative System mit sich, das allerdings nur im echten Zweispielermodus mit einem Mitspieler aus Fleisch und Blut lustig wird. Man kann sich absprechen, welchen Gegner man gerade gemeinsam vertrimmen möchte oder wer wem den Rücken vor kleinem Fußvolk freihält. Mit entsprechender Energieanzeige (die durch orangefarbene Kügelchen aufgefüllt wird) können die Spyborgs sogar einen mächtigen Finishing-Move auslösen, bei dem Quick-Time-Moves mit der Wii-Fernbedienung ausgeführt werden. Danach ist fast jeder Roboter reif für die Schrottpresse.



Flott, rockig, amerikanisch
Das Lauf-und-Kampf-Prinzip wird von der Grafik und der Musik im Hintergrund sehr passend untermalt. Öffnen wir zunächst die Augen und blicken auf die Grafik, die Bionic Games, wo z.B. auch Entwickler von Ratchet & Clank mitarbeiteten, auf den Bildschirm gezaubert hat. Optisch lässt das Spiel kaum Wünsche offen, diese Wii-Grafik kann sich sehen lassen und gehört zum Besten auf der Konsole. Spyborgs punktet mit detaillierten Charaktermodellen, satten Farben und vor allen Dingen sehr guten Licht- und Explosionseffekten. Diese beiden fallen aber auch extrem oft ins Auge, weil praktisch kaum eine Sekunde vergeht, ohne dass irgendetwas in die Luft fliegt, irgendwo ein bedrohliches Feuer lodert oder ein Gegner sich in einem rauchenden Feuerball in seine Einzelteile auflöst. Es passiert ständig etwas auf dem Bildschirm und diese Unruhe, diese ständige Action wird unterstützt durch die Musik, die rockig und ebenso rastlos daher kommt. Die zahlreichen Wumms-, Krach, und Kabumm-Effekte sind meistens sogar lauter als die eigentliche Musik und sorgen deswegen dafür, dass man sich kaum auf Melodien oder Töne konzentriert und lediglich ein stetiges Rummsen, Krachen, Blinken und Signalklingeln wahrnimmt, was von Explosionen, mächtigen Faustschlägen auf Roboterblech oder den Boden oder der Mitteilung herrührt, dass die Komboanzeige wieder einmal voll ist.

Das Spielprinzip von Spyborgs ist insgesamt schon sehr amerikanisch – oder orientiert sich zumindest an dem Klischeebild, das man von amerikanischen Action-Spielen im Allgemeinen hat: Ständig passiert irgendetwas, Explosionen füllen den ganzen Bildschirm aus und dem Spieler soll durch wilde Musik und laute Soundeffekte keine ruhige Sekunde gelassen werden. Das ist gut so und auch technisch sehr ordentlich umgesetzt, aber leider kann auch die gelungene technische Gestaltung nicht darüber hinwegtäuschen, dass das, was da die ganze Zeit an Spiel passiert, eigentlich nichts Besonderes ist.

Kreative Ideen gesucht
Was es macht, macht Spyborgs richtig. Aber leider macht es eben nicht genug. Dem Spiel fehlt es massiv an Abwechslung im Spielverlauf. Wechselnde und abwechslungsreiche (wieder grafisch sehr hübsch dargestellte) Umgebungen machen nicht unvergessen, dass trotzdem immer dasselbe passiert. Zwei Spyborgs verdreschen andere Roboter. Das Design dieser Roboter lässt übrigens auch zu wünschen übrig: Sie alle sehen allzu vertraut aus, als hätte man sie schon einmal irgendwo gesehen. Sie sind einfach das Klischeebild eines futuristischen Kampfroboters. (Natürlich rot) blinkende LED-Leuchten an ihren Körpern, rote Augen und messerscharfe Arme spielen nur allzu vorhersehbar beim Design zusammen und lassen so beim Gegnerdesign keine Abwechslung aufkommen. Dazu kommt auch noch der Fakt, dass der Spieler im Getummel der Gegner ab und zu den Überblick verliert und gar nicht mehr sieht, welches der blinkenden Lämpchen an den Anzügen jetzt zu seinem Spielcharakter gehört.

Gut gelungen sind dagegen die gigantischen Bosskämpfe in Spyborgs, die – wie auch der ganze Rest – klasse inszeniert sind und ein wenig spielerische Erfrischung ins Gesamtkonzept gießen. Leider sind große Endgegner nicht an der Tagesordnung und zwischen den Stages betätigt man sich als Jäger und Sammler aller möglichen roten, grünen, gelben oder blauen Punkte und kämpft sich ein wenig lustlos durch die zahllosen Gegnerhorden und den Strom an Feinden, der einfach nicht enden will.

Fazit:
Spyborgs ist ein ambitioniertes exklusives Wii-Projekt, das kann man ihm nicht absprechen. Grafisch ist der Titel sehr anspruchsvoll gestaltet und auch der Fakt, dass man sich beim Design ganz nach den Fans gerichtet hat, spricht für Capcom und sein Entwicklerstudio. Nach Abwägung des gesamten Bündels wird man als Spieler aber nie so richtig satt. Es fehlt etwas. Es fehlt spielerische Abwechslung neben dem Zertrümmern von Kisten und dem Verkloppen immergleicher Gegner. Es fehlt an mehr Variation im Kampfsystem, das nur mit stets wiederkehrenden Angriffsschemas funktioniert. Und es fehlt den Spyborgs auch an Seele. Das Design ist jetzt zwar nicht mehr comichaft und bunt, hat dafür aber auch nichts, was es irgendwie besonders und anders als andere Action-Fighter machen würde. Es sieht klischeehaft nach einem 08/15 futuristischen Kampfspiel mit muskelbepackten Cyborgs und gefährlich leuchtenden Robo-Gegnern aus und sorgt nur ab und zu durch eine gelungene Präsentation von Zwischensequenzen und Bossgegnern für Wow-Effekte. Den Rest der Zeit ist es jedoch leider unspektakulär und obwohl Capcom viel Energie, Mühe und belohnenswerten guten Willen in das Projekt gesteckt hat, kann es letztendlich spielerisch wegen fehlender frischer Spielideen und –Elemente nicht vollauf überzeugen. Für Fans unkomplizierter, linearer Action-Titel ist Spyborgs trotzdem definitiv einen Blick wert, denn das, was vorhanden ist, ist fehlerfrei und ansehnlich umgesetzt.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Spyborgs
Wertungen Beschreibung
8.2Grafik
Schön in Szene gesetzte Sequenzen, detaillierte und technisch gut dargestellte Umgebungen und Protagonisten treffen schöne Licht- und Feuereffekte, aber leider auch ein ziemlich unkreatives, fast vorhersehbares Futuristik-Design.
7.6Sound
8.0Steuerung
Wenig Fokus auf Bewegungen, dafür gut ausbalancierte Knopfsteuerung, die nicht schwer zu meistern ist, sofern man den Controller kennt.
5.8Gameplay
Laufen und Kämpfen: Spyborgs bietet zu wenig Abwechslung und das Kampfsystem ist nicht so gut, dass es stundenlang faszinieren und zum Weitermachen animieren könnte. Es fehlt dem Spiel an kreativen Ideen.
7.3Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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