Review von Marian Wehmeier (mail) | 25.03.2007
Für die Videospielindustrie bieten Animations-Filme immense Reize. Sie liefern einen vorgefertigten Grafikstil, kindergerechten Humor, eine klare Storyline und vor allem einen hohen Bekanntheitsgrad dank eines Produktnamens, der nicht nur Kinogängern, sondern auch Filmuninteressierten (aufgrund des abstrusesten Merchandise-Schickschnacks) präsent ist. Diese Zutaten müssen von den Entwicklern dann nur noch anleitungsgerecht aufbacken werden und fertig ist der kleine Snack für den Hunger zwischendurch.
Mit Jagdfieber (Open Season) schickt sich nun Ubisoft Montreal an, das Abenteuer des Bären Boog und seinem Kumpanen, dem Hirsch Elliot, kindgerecht zu inszenieren.
Der zivilisierte Bär von nebenan
Boog ist ein ausgewachsener Grizzlybär, der schon seit seiner Kindheit bei Beth, einer Wildhüterin, lebt. Sein Zuhause ist eine Garage, er schläft in einem Hundekörbchen, hat einen Teddybär als Rucksack und wird sogar gefüttert. Der ganz normale, zivilisierte Bär von nebenan also.
Eines Tages rettet Boog den Hirsch Elliot vor dem skrupellosen Jäger Shaw. Elliot zeigt sich beeindruckt und möchte mit Boog befreundet sein. Mit lauter Flausen im Kopf, kommt es, wie es kommen musste. Bei ihrem ersten Ausflug verwüsten die beiden einen Laden und Beth beschließt, dass die gesittete Welt wohl doch nicht der richtige Platz für ihren Bären ist. Sie setzt ihn nachts, zusammen mit Elliot, im Wald aus.
Der verwöhnte Boog findet sich allerdings mit seinem Schicksal nicht ab und will zurück in die Stadt kehren. Elliot verspricht, sich als Wegweiser zu profilieren. Unglücklicherweise wird am gleichen Tag die Jagdsaison eröffnet.
Die Wildnis
In der Wildnis gestrandet, versuchen Bär und Hirsch nun, sich einen Weg über Stock und Stein zurück in die Stadt Timberline zu schlagen. Dies Unterfangen erweist sich als nicht ganz einfach. So gibt es territoriale Hindernisse, andere Tiere, die dem Duo nicht wohlgesinnt sind, und Jäger, die auf alles schießen, was sich bewegt.
Die Reise durch die Wildnis, das obligatorische Auskundschaften der Umwelt, wird von drei spieltechnischen Eckpfeilern getragen. Grundlage ist ein simpel konstruiertes Jump & Run-Gameplay, das zum einen von diversen (shooter- und rennspielorientierten), Minispielen, zum anderen vom Zelda-typischen Aufgabenerfüllen ergänzt wird. Der Abenteuermodus setzt sich aus 25 Missionen zusammen, die einen bunten Mix dieser Spielelemente bieten sollen.
Hat sich das Duo Infernale auf den Weg Richtung Stadt gemacht, merken die beiden, dass sie nicht nur auf ihre gegenseitige Hilfe angewiesen sind. Die zunächst feindlich-gesinnten Tiere verbünden sich schnell mit Boog und Elliot, da auch sie gnadenlos von den trophäensüchtigen Jägern gejagt werden. Zusammen versuchen sie nun, ihr geliebtes Territorium vor den Eindringlingen zu schützen: Während Boog Stinktiere in die Hütten der Jäger katapultiert, sie mit Einhörnchen abschießt und sich lautlos anschleicht und die Jäger durch seine enorme Stimmkraft in die Flucht schlägt, provoziert Elliot die Hetzer mit Faxen und lockt sie so in ihre eigenen Fallen.
Doch nicht nur Menschen bereiten den beiden erhebliche Probleme. So bitten die anderen Waldbewohner Boog und Elliot immer wieder um diverse Gefallen. Die einen Biber suchen ihr Essen, die anderen ein neues Gebiss, Enten haben ihre Kameraden verloren, Stinktiere ihren Nachwuchs. Ist der entsprechende Freundschaftsdienst erst einmal geleistet, helfen die Mittiere den beiden allerdings gerne auf ihrer Reise weiter.
Und diese Reise führt sie in die obskursten Situationen. Sei es eine Art Achterbahnfahrt mit einer Lore in einem Bergwerkstollen oder eine Slalomabfahrt, die die beiden als riesiger Schneeball zusammengestaucht durchrollen – es gibt fast kein Missgeschick, was den beiden erspart bleibt.

Und so stolpern sie von einem Fettnäpfchen ins nächste Fettnäpfchen. Über Berge, durch Täler, auf Flüssen oder Schienen. Bis sie letztendlich ihrem Erzfeind Shaw gegenüberstehen.
Kinderfreundliche Ausstattung
Der Spieler merkt schnell, dass es sich bei Jagdfieber um ein mehr als kinderfreundliches Produkt handelt. Zahlreiche Hilfestellungen vereinfachen das Weiterkommen immens. Nicht nur zahlreiche Wegweiser, die an allen Ecken und Enden prangern, sorgen dafür, dass man in den Tiefen des Waldes die Übersicht behält. Eine Frauenstimme gibt bei neu zu erlernenden und schwierigen Manövern Rat und grell schimmernde Schmetterlinge helfen dabei, Orte und Objekte zu kennzeichnen, die für das Gelingen einer Mission relevant sind.
Auch die Steuerung geht einfach von der Hand und ist durchaus einsteigerfreundlich ausgefallen. Während der entsprechende Charakter mit dem Analog-Stick des Nunchucks gesteuert wird, dient der A-Knopf als Art Aktionsknopf zum Brüllen (Boog) und Springen (Elliot). Ein Schwenker mit der Wii-Remote sorgt für das Greifen und Werfen von Objekten und für einige Spezialattacken. Und auch wenn die Steuerung in den Minispielen (gerade bei den "Rennspielen") etwas hektisch ausgefallen ist, bietet Jagdfieber von der steuerungstechnischen Seite eine insgesamt sehr akzeptable Leistung.
Hinzu kommt der Schwierigkeitsgrad, der seinen Teil dazu bei trägt, dass der Spieler nicht überfordert wird. Bärenfallen sind sehr spärlich ausgelegt und falls hier und dort mal eine liegt, ist sie so offensichtlich platziert, dass man höchstens aus Neugier hineintappt. Und auch wenn die Neugier über den Verstand siegt, stellt das kein Problem dar: Ist die gesamte Lebensenergie einmal vergeudet, genügt es, schnell hintereinander eine Taste zu drücken und der Bär erwacht wieder mit voller Kraft. Zudem kann man Boog im Laufe des Spiels einem Bären-Tuning (schnellerer Schritt, bessere Stimmbänder etc.) unterziehen, was dafür sorgt, dass das Spiel selbst mit fortschreitender Dauer noch immer mühelos zu absolvieren ist.
Die Tatsache, dass man sich auch eigentlich gar nicht an die Jäger heranschleichen muss, sondern sie entweder gnadenlos überrumpeln oder gleich komplett ignorieren kann, ist fast schon logische Konsequenz.
Netzer und Delling
In gleicher Konsequenz bombardiert Jagdfieber den Spieler mit unglaublich humorvollen Konversationen. Urkomische Dialogpassagen treffen auf total abgedrehte Charaktere. Und Running-Gags: Boog fliegt im Sturzflug durch die Luft (aus welchem Grund auch immer) und landet mit seinem Hinterteil auf einem Stachelschwein, das kundgibt, es suche nur etwas Zärtlichkeit. Einmal, zweimal, dreimal. Und wenn man denkt, der Witz sei ausgelutscht: das vierte Mal. Wer diese Art Humor zu schätzen weiß, wird mit Jagdfieber sein Vergnügen haben.
Seien es die Stinktiere Uschi und Gabi, die in frecher Berliner Schnauze ihre stinkigen Überraschungen anpreisen, das Eichhörnchen McSquizzy, das als Rebell der schottischen Highlands die Puschelgrenadiere anführt, oder die Ente Walter, die Sergeant des Entengeschwaders ist – jede dieser verrückten Tierarten versprüht unglaublich viel Charme.
Und natürlich nicht zu vergessen die beiden Hauptakteure Boog und Elliot. Das Duo sorgt des Öfteren für angenehmes Schmunzeln beim Betrachter, wobei der Humor qualitativ oft einen Drahtseilakt zwischen Klamauk und Schlagfertigkeit vollführen muss. Und auch wenn sich Boog und Elliot zuweilen gegenseitig schmähen und in die Haare kriegen, weiß man, dass sie letztendlich doch ein Herz und eine Seele sind.

Potemkinsches Dorf
Im Grunde stimmten die Zutaten, die der Kinofilm bereitstellte. Eine einfache und doch witzige Story, zwei durchaus sympathische Protagonisten und ein nett-ulkiger Grafikstil. Letzten Endes ist allerdings nicht mehr herausgekommen als ein fast schon erschreckend uninspiriertes, viel zu einfaches Jump & Run, das durch liebenswürdigen Humor und mannigfaltige Minispiele (sieben an der Zahl) versucht, die eigene Einfallslosigkeit zu überschminken. Entfernt man diese Fassade, zeigt das Spiel seinen wahren Kern: Ein absolut lineares Spielgefüge, das über den Großteil seiner Zeitspanne (abzüglich der banal-einfachen Aufgaben, die zu erledigen sind) nicht mehr zu bieten hat als die primitive Order, alle Jäger aus dem Verkehr zu ziehen.
Diese gravierenden Mankos in der Spieltechnik überschatten einige sehr gute und witzige Ideen. Ob nun die rennspielorientierten Passagen (die waghalsige Lorenfahrt, das Wildwasser-Rafting auf dem Plumpsklo) oder die Moorhuhn-artigen Minispiele (diverses Jägerabschießen mit Hasen, Brückensprengen mit Hilfe von Bibern) - gerade in den Minispielen nimmt das Spiel Fahrt auf, wenn auch der Schwierigkeitsgrad gerade hier deutlich ansteigt.
Aber auch im eigentlichen Spiel gibt es einige, wenige Highlights. Um genau zu seien: zwei. Das wäre zum einen das verrückte Luftbombardement des Entengeschwaders, um die Pickups der Jäger zu zerstören. Zum anderen die Szene, in der der Biber Reilly total geisteskrank mit der Kettensäge durch die Landschaft saust.
Von der technischen Seite gibt es glanzlose Durchschnittskost, wie sie oft auf dem Wii vorzufinden und irgendwo zwischen PS2 und GameCube anzusiedeln ist. Die Langzeitmotivation ist aufgrund des enorm niedrigen Schwierigkeitsgrades sehr gering. Ist der Abenteuermodus erst einmal geschafft, gibt es noch den Menüpunkt „Beths Sammelalbum“ mit reichlich Informationen über, ja, die Natur. Die freischaltbaren Mehrspieler-Minispiele („Wilde Weltkämpfe“) animieren dann noch einmal kurz dazu, den Wii-Remote und den Nunchuck in die Hand zu nehmen, bevor der Drops gelutscht ist. Fazit: Jagdfieber ist ein durch und durch mittelmäßiges Spiel. Fast schon drastisch wird der Spieler mit der Erkenntnis konfrontiert, dass dieses Werk wohl ausschließlich für jüngere Spielsemester konzipiert wurde. Das ideenlose Fortjagen der Jäger, mit dem der Spieler ad absurdum über die gesamte Laufzeit gequält wird, das zutiefst lineare Gameplay und die simplen Aufgaben stehen im starken Widerspruch zu den zwar abwechslungsreicheren, oft aber frustrierend schweren Minispielen. Technisch auf konstant mittelprächtigem Niveau, ist der hervorragende Humor der einzige Aspekt, der das Spiel über Wasser hält. Für jüngere Inhaber des Wii sicherlich ein Blick wert. Der kleine Snack für zwischendurch. Wenn, äh, falls dich der Hunger packt.
Von Marian Wehmeier
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| Wertung für das Spiel Jagdfieber | |
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| 5.9 | Grafik Witzige Animationen und Charaktermimiken treffen auf ein simples Leveldesign, uninspirierte Landschaften und diverse Clipping-Fehler. | |
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| 8.5 | Sound Grandioser Humor, hervorragende Synchronisation. Spielmusik rockig-cool bis nervig-debil. | |
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| 7.2 | Steuerung Ingesamt solide. In wenigen Schlüsselmomenten allerdings unpräzise, was gerade bei den Minispielen oft sehr frustrierend sein kann. | |
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| 5.9 | Gameplay Linearer Spielverlauf, dem es an Höhepunkten mangelt, der oft erschreckend simple und ohne große Herausforderungen daherkommt. Kurze Spielzeit. Witzige Minispiele. | |
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| 6.6 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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