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Guitar Hero 5
Review von Andreas Held (mail) | 02.10.2009
Wer treu die Videos von Internetcomedian James Rolfe verfolgt, wird wissen, dass er neben schlechten Retro-Spielen auch gerne mal unlogisch benannte Nachfolger zu Filmen bzw. Videospielen in's Visier nimmt. Guitar Hero 5 wäre ein prima Kandidat dafür, denn eigentlich ist es bereits der achte Guitar-Hero-Titel, den Activision seit dem Release von Guitar Hero III vor knapp zwei Jahren in die Läden wirft (obskure Spielzeuge wie Guitar Hero Carabiner nicht mitgezählt) - ein offizielles Guitar Hero IV gab es nicht mal. Trotzdem wird es von Fans und Gegnern der Franchise gleichermaßen als der bisher beste Teil der Serie bezeichnet - ob dem wirklich so ist, musste sich jedoch erst im Praxistest zeigen.

Altbewährtes Fundament, neuer Anstrich
Was hat sich also geändert in den zweieinhalb Monaten, die zwischen Guitar Hero: Greatest Hits und Guitar Hero 5 lagen? Nun, eigentlich überraschend viel, denn während Metallica und Greatest Hits eher Standalone-Addons zu Guitar Hero World Tour waren, läuft GH 5 wieder auf einer neuen Engine. Die größte Änderung hat man an den Vocals vorgenommen und diese an Rock Band angenähert, weshalb man nun nicht mehr wie in den Vorgängern für jedes Wort bewertet wird, sondern für ganze Phrasen, in denen man dann etwas Freiraum für kleine Fehler hat. Gitarristen, Bassisten und Drummer finden das gewohnte Gameplay in fast unveränderter Form wieder - es gibt hier und da ein paar kleine Änderungen, die am Spielgefühl aber nichts ändern. 


 
Tiefgreifender sind eher die Änderungen am Rahmenprogramm. Groß angepriesen wurde z.B. der Party-Modus . Hier wählt das Spiel nach dem Intro zufällig einen Song aus und Spieler können sich beliebig mit angeschlossenen Instrumenten an- und abmelden und mitten im Song losspielen oder aussteigen. Was ein nettes Feature ist, wird in 95 von 100 Fällen (wenn man das Spiel normal weiterspielen will) zum Ärgernis, denn man muss auch dann jedes mal warten, bis der Song geladen ist, das Intro wegdrücken, erneut Start drücken und ist dann erst im Titelbildschirm. Natürlich ist das keine große Sache, wird aber schnell so lästig wie ein Bremshügel auf dem täglichen Weg zur Arbeit. Außerdem wurde der Charaktereditor verbessert, weshalb sich nun tatsächlich ansehnliche Ergebnisse damit produzieren lassen. Dass man aber auch Dinge wie die Größe und Position der Nasenlöcher sowie Form und Winkel der Augenbrauen einstellen kann, wirkt etwas wie ein Feature-Overkill, zumal man sich während des Spielens ohnehin auf die Noten konzentrieren sollte.

Zum Glück gibt es auch sinnvolle Features. Wer als Band auftreten will, muss nun nicht mehr darauf vertrauen, alle Instrumente zu besitzen - stattdessen können vier Spieler in allen erdenklichen Kombinationen zusammen spielen. Vorbei also die Zeiten, in denen man online 30 Minuten auf einen Sänger wartet oder Partys in Prügeleien enden, weil ein Spieler den Eindruck hatte, zu häufig Bass spielen zu müssen. Ebenfalls überarbeitet wurde der Karrieremodus - zwar spielt ihr euch weiterhin linear von einer Bühne zur nächsten und habt dabei die Option, vieles davon zu überspringen, allerdings wurde das ganze um freie Challenges erweitert, in denen ihr selbst einen Song wählen könnt. Ferner gibt es zu jedem Auftritt eine Zusatzherausforderung, die während des Spielens erfüllt werden kann. Einige davon schafft man nebenbei, ohne es zu versuchen - andere erfordern, dass man auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad (fast) alle Noten eines gewissen Typs trifft oder eine lange Serie hält. Noch schwieriger sind Challenges, in denen ihr möglichst kontinuierlich an der Whammy Bar rütteln müsst (Gitarre) oder jede Note nach oben anschlagen müsst (Bass) - das macht nicht nur keinen Spaß, sondern entpuppt sich auch als quasi unmöglich. Ein erfolgreiches Abschließen der Challenges verschafft euch Bonussterne und schaltet neue Charaktere, Instrumente oder Klamotten für den Editor frei. Wer nicht alle Instrumente zur Verfügung hat, kann übrigens auch online mit anderen zusammenspielen - die Challenge gilt für alle Bandmitglieder als gewonnen, solange einer das richtige Instrument spielt und die Anforderungen erfüllt. 
 


Da sich Guitar Hero auf Wii gemeinhin am besten verkauft, dürfen natürlich auch Wii-exklusive Features wieder nicht fehlen. Der Mii-Freestyle-Modus, bekannt aus dem nachträglich Guitar Hero 4 getauften Vorgänger, wurde erweitert und erlaubt Spielern nun, eigene Musikvideos zu modifizieren, denn ein "Regisseur" kann seinen DS mit der Konsole verbinden und Kontrolle über Kamerafahrten oder Lichteffekte übernehmen. Ebenfalls auf den DS setzt der Roadie Battle, der an sich wie der bisherige Battle-Modus funktioniert - Attacken werden jedoch diesmal von "Roadies" gesteuert, die auf dem DS Minispiele absolvieren müssen, um den Gegner zu behindern. Bei so vielen exklusiven Inhalten ist es gut zu verschmerzen, dass grafisch eine Lücke zu den HD-Versionen besteht - zumal GH 5 auf Wii immer noch toll aussieht. Vicarious Visions, Entwickler der Wii-Version, hat den digitalen Rockern endlich lebensechte Animationen spendiert, und das fantasievolle Bühnendesign war schon immer einen Hingucker wert.

Mau, aber massentauglich - die neue Setliste
Wer sich von oben nach unten durch die Setliste arbeitet, wird vor allem zu Beginn fast ausschließlich Radio-Musik vorfinden. Egal ob Blink-182, No Doubt, Jimmy Eat World, The Killers oder Garbage - Neversoft scheint keine Pop-Rock-Band ausgelassen zu haben. Ebenfalls auffällig ist, dass über 40 der 85 Lieder nach 2000 aufgenommen wurden. Wer hauptsächlich auf aktuelle, radiotaugliche Chartmusik steht, wird sich darüber natürlich freuen, doch Fans von klassischem Rock oder Leute, die einfach nur einen guten Mix wollen, entsprechend nicht. Wer Gitarre spielt, wird sich dagegen einfach nur langweilen und sich fragen, ob Activision dem Titel "Guitar Hero" überhaupt noch irgendeine Bedeutung beimisst, oder einfach nur auf den zugkräftigen Markennamen setzt. Wenn sich beim fünften Song in Folge das selbe, primitive Gitarrenriff immer wieder wiederholt und man vergeblich auf wenigstens ein einziges Gitarrensolo wartet, wird die Antwort auf diese Frage immer klarer. Selbst wenn vielversprechende Künstler wie Motley Crüe, KISS oder Megadeth auf der Liste stehen, folgt oft eine Enttäuschung. Denn Activision hat tief in den Archiven gewühlt, um auch von diesen Bands massentaugliche Musik nach dem Schema "Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Bridge, Refrain, Refrain" zu finden. Auch eine ganze Reihe an Filler-Tracks ist wieder dabei - Bands wie Darker My Love, Gov't Mule oder Love and Rockets sollten den meisten gänzlich unbekannt sein und - was noch viel wichtiger ist – kam es in den vier Jahren, in denen diverse Foren um Guitar Hero und Rock Band bestehen, praktisch nie vor, dass sich jemand eine dieser Bands gewünscht hätte.
 


Zugegeben ist aber nicht alles schlecht. Neversoft stellt der Wand aus Pop-Rock einen facettenreichen Ausflug durch verschiedenste Genres gegenüber - Funk von Wild Cherry, Reggae-Rock von Sublime, Jazz von Stevie Wonder und Metal von den Children of Bodom sorgen für überraschend viel Abwechslung zwischen den Radio-Hits, während mit All Along the Watchtower und Sympathy of the Devil zumindest ein paar Klassiker geboten werden. Selbst ein Hip-Hop-Track von Public Enemy hat es auf die Scheibe geschafft, der sich seine Existenzberechnung wohl dadurch erkauft hat, dass Zakk Wylde für Hintergrundmusik sorgt. Im letzten Drittel der Setliste findet man dann auch mal anspruchsvollere Titel und Gitarristen werden mit Liveauftritten von Carlos Santana oder Peter Frampton sowie dem epischen Sultans of Swing gefordert, welches der mit Abstand beste Song auf der Disc ist. Für einen Gegenpol zur massentauglichen Musik sorgen dann noch Artisten wie Jeff Beck oder King Crimson, deren Kompositionen wohl nur von Musik-Connaisseuren geschätzt werden und auf durchschnittliche Musikkonsumenten oft wie eine unverständliche Aneinanderreihung von Lauten wirken. Das alles ist aber etwas zu wenig und geht zu großen Teilen im Sumpf des massentauglichen Musikeinheitsbreis unter. Aber was soll's, denn für jeden älteren Spieler, der sich über diese Musik pikiert, rennen fünf Teenager in den nächsten Laden und kaufen dieses Spiel, weil sie Bush oder die Kings of Leon total geil finden.

Fazit:
Bei so viel Kritik auf hohem Niveau darf man eins nicht vergessen: Guitar Hero 5 macht immer noch Spaß. Bei einer Bewertung tut man sich trotzdem schwer, denn der Großteil dieses Verdienstes liegt bei Harmonix, die Guitar Hero erfunden und damit ein Kalb aufgezogen haben, das später von Activision gekauft und zur Geldkuh gemästet wurde, die nun im Akkord von Neversoft gemolken werden muss. Das Potential und die Grundidee der Franchise wurden leider durch die neue Setliste verworfen, die jetzt viel mehr auf Massentauglichkeit setzt. Der Erfolg gibt Activision recht: Guitar Hero ist für den Großkonzern mittlerweile genauso wichtig wie Call of Duty oder World of Warcraft und verkauft sich sogar so gut, dass Activision-Präsident Kotick Einzelhändlern rät, Rock Band aus dem Sortiment zu nehmen. Die Instrumente der Konkurrenz verkaufen sich eben nicht so gut, bringen weniger Profit und nehmen deshalb nur wertvollen Platz weg, der im Weihnachtsgeschäft dringend für Band Hero und DJ Hero gebraucht wird. An sich ist die Situation auf dem Musikspielesektor nun ähnlich wie in der echten Industrie: Auf der einen Seite ist das Kommerzialisierte, aber nicht wirklich Schlechte und auf der anderen das Unbekanntere, was von Fans als objektiv besser bezeichnet wird. Dumm ist nur, dass europäische Wii-Besitzer, die die Beatles verschmähen, kaum eine Alternative abseits von Guitar Hero 5 haben. Und wer sich an den Disc-Tracks von Rock Band mittlerweile leidgespielt hat, bekommt mit Guitar Hero 5 zumindest eine sinnvolle Abwechslung. Wer eine Rock Band-Version mit DLC-Unterstützung hat und sich hauptsächlich damit befasst, wird an Guitar Hero 5 aber nur kurzzeitig Freude haben und den Titel danach als Staubfänger ins Regal stellen.

Von Andreas Held
Wertung für das Spiel Guitar Hero 5
Wertungen Beschreibung
9.2Grafik
Endlich gute Animationen, die sich zum ohnehin guten Bühnendesign gesellen. Die Grafik ist der beste Faktor von Guitar Hero 5, was bei einem Musikspiel als durchaus denkwürdig bezeichnet werden kann.
7.3Sound
Fast die Hälfte der Setliste besteht aus Radio-Rock und Titeln aus diesem Jahrtausend. Natürlich ist alles Geschmackssache, aber zumindest ein Mangel an Abwechslung und dadurch stellenweise zu ödem Song-Gameplay kann Guitar Hero 5 objektiv gesehen unterstellt werden.
9.5Steuerung
Das Spielen mit den Plastikinstrumenten macht weiterhin jede Menge Spaß - daran hat sich in den letzten vier Jahren nichts geändert und Activision reitet weiter auf der von Harmonix losgetretenen Welle.
7.9Gameplay
Gitarristen langweilen sich die halbe Zeit über abwechslungsarme, schematische Musikstücke und auch auf den anderen Instrumenten sieht es nicht viel besser aus. Ein paar der späteren Songs und viele gute, teils Wii-exklusive Features, die es in Rock Band (noch?) nicht gibt, werten das Ganze aber wieder etwas auf.
7.8Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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