Review von Lars Peterke (mail) | 29.09.2009
Seit die Musikspiele ihren Siegeszug feiern, ist eigentlich klar, dass es jetzt in erster Linie um Prestige geht. Beispielsweise beim Release von Rock Band 2. Da wurde im Vorfeld angekündigt, man habe Exklusiv-Rechte für AC/DC-Songs und Activision konterte mit „Full Metallica Death Magnetic Album ready for download at launch!“. Inzwischen hat Activision mit Metallica und Aerosmith den ersten Bands ihren eigenen Ableger spendiert. Insbesondere der Metallica-Ableger hat uns qualitativ überzeugt und konnte spielerisch sogar mehr begeistern als das eigentlich reichhaltigere Guitar Hero World Tour. Jetzt ist wieder Harmonix am Zug. Auch wenn sich der Release von Rock Band 2 irgendwie immer weiter verzögert, gibt es nun doch einen neuen Rock Band-Titel für die Wii. Dank des wohl dicksten Vertrages, den es in der Gamesbranche je gab, hat EA nun das erste Beatles-Videospiel in den Regalen. „The Beatles: Rock Band“ heißt es und ist zu jeweils gleichen Teilen Musikspiel-Pionierarbeit sowie Huldigung der größten Band dieses Planeten.
Vier Pilze aus Liverpool
Die Beatles, das sind vier Mal „Schwiegermuttis Darling“ aus Liverpool. 1960 gründete sich die Band und bestand aus Sänger John Lennon, Gitarrist Paul McCartney, Bassist George Harrison sowie Schlagzeuger Pete Best. Letzterer verließ die Band nach ihrer Anfangszeit in Hamburg und Ringo Starr ersetzte ihn. Bereits die ersten veröffentlichten Songs stürmten die US- und UK-Charts, beispielsweise „Love Me Do“, das direkt auf Platz 17 der UK-Charts im Jahre 1962 einstieg und zwei Jahre später direkt auf Platz 1 bei seiner US-Veröffentlichung. Insbesondere das junge Alter der vier Kerle aus Liverpool von 19 bis 21 Jahren sowie der Hang zu Songthemen wie Liebe, Mädchen, Liebe, Mädchen und natürlich Liebe sorgte schon früh für eine hohe Fangemeinde, die von den Medien fortan als „Beatlemania“ bezeichnet wurde. 1963 erschien dann das erste Album „Please Please Me“, nur vier Monate später die Nachfolge-LP „With The Beatles“, die brisanterweise am Todestag von John F. Kennedy erschein.
Die zweite Singleauskopplung „Please Please Me“ wurde bereits euphorisch gefeiert und startete auf Platz 2 der UK-Charts. Später erschien der neue Song „From Me To You“. Er stieg direkt auf Platz 1 der Charts ein, genau wie die 17 nächsten Singles die dann in den kommenden sechs Jahren folgten. 1964 ging es dann über den großen Teich nach Amerika. Mehrere Tausende kreischende Girls warteten bereits am Flughafen, den nachfolgenden ersten TV-Auftritt in der „Ed Sullivan Show“ sahen sich läppische 74 Millionen Leute an. Die Beatlemania breitete sich in den USA aus, später auch in Australien und Ostasien. Ebenfalls erschienen 194 die nächsten beiden Alben „A Hard Day’s Night“ und „Beatles For Sale“.
1965 erschienen die Alben „Help!“ und „Rubber Soul“. Die Beatlemania kannte keine Grenzen und die Band selbst war ein wenig deprimiert, weil sie auf Grund der damals nicht sehr fortschrittlichen Tontechnik bei Konzerten dank des enormen Geschreis oft ihre eigene Musik nicht hörten. 1966 markierte einen Umbruch. Mit „Revolver“ und „St. Peppers Lonely Hearts Club Band“ Anfang 1967 erschienen zwei Alben, die einen etwas neuer ausgerichteten Stil prägten, und nach Tausenden Live-Konzerten zog man sich ins Studio zurück. Eine Etappe der Beatles, die man heute unter den Studiojahren zusammenfasst. 1967 begann mit dem plötzlichen Tod ihres Managers Brian Epstein das schleichende Ende der Band.
1969 erschien, nach einigen weiteren Veröffentlichungen, das letzte und wohl bekannteste Album der Beatles: Abbey Road. Wenig später verließ John Lennon die Band und fortan gingen die Mitglieder der Band getrennte Wege. Am 8. Dezember 1980 wird John Lennon vor seiner Wohnung erschossen. George Harrison starb 2001 an Lungenkrebs. Paul McCartney und Ringo Starr sind auch heute noch aktiv und veröffentlichen Soloalben.
Spaßige und authentische Karriere
Der Kernaspekt von „The Beatles: Rockband“ ist natürlich der Story-Modus. Hier spielt ihr euch schrittweise durch die einzelnen Etappen des Beatles-Jahrzehnts und erlebt zum Beispiel den eingangs erwähnten ersten US-Liveauftritt in der „Ed Sullivan Show“ mit. Jede Etappe besteht aus einer Handvoll Songs, die ihr alle auf einem beliebigen Schwierigkeitsgrad meistern müsst, um die nächste Etappe freizuschalten. Je nach eurem Sterne-Ranking gibt es pro Song verschiedene Belohnungen - wie beispielsweise teils unveröffentlichte Fotos oder Tonaufnahmen. Vor jeder neuen Etappe bekommt ihr einen feschen Video-Einspieler geboten, der euch kurz die folgende Station der Beatles-Ära in knackigen Bildern zeigt. Die Songs sind ebenfalls chronologisch sortiert, ihr spielt die erste Etappe demnach in einem kleinen Club in Liverpool und habt ausschließlich Songs eures Debüts „Please Please Me“ im Petto.
Viele der Songs sind mit kleinen Intros belegt. So seht ihr vor dem Anstimmen des ersten Songs im Giants Stadium in Amerika, wie die Beatles die Bühne betreten, die weiblichen Fans sich die Seele aus dem Leib schreien und John Lennon am Mikrofon mit „One, two, three, four!“ den Song einzählt. In der Etappe zur „Ed Sullivan Show“ ist der Einspieler mit kurzen Soundaufnahmen aus der Show unterlegt und zwischen dem Spielen eurer Songs hört ihr Dialoge aus der Sendung. Einen höheren Authentizitätsfaktor hätte man hier nicht erreichen können. Der komplette Story-Modus lebt von diesen Momenten.
Das motiviert dann auch zum Weiterspielen, ganz abgesehen davon, dass alle Beatles-Songs auch sehr „catchy“ und kurzweilig sind. Jedenfalls braucht man keine achtminütigen Metal-Opern im Stile von „Dream Theater“ erwarten, sondern bekommt kurze, knackige Songs, die circa drei Minuten lang sind. Veteranen brauchen nun aber keine Angst haben: Auf dem Expert-Modus sind sämtliche Songs durchaus anspruchsvoll und können mit teils kniffligen Griffen und Notenfolgen aufwarten. Hierbei hat Harmonix genug Anstand besessen, um gutes Gameplay vor die Ansprüche der Plattenfirma Apple Corps. zu stellen, denen es natürlich in erster Linie um Wiedererkennungswerte und Authentizität ging. So sind nun in manchen Songs einige Gitarrenparts oder Zusatzaspekte (wie Streicher-Arrangements im Hintergrund) in das zu spielende Instrument eingeflochten, sodass diese sich interessanter spielen lassen.
In jedem Song werden die Beatles natürlich entsprechend in Szene gesetzt. In den späteren Etappen, die vorwiegend in den Abbey Road Studios anstelle von großen Stadien stattfinden, kommen dafür sogenannte Dreamscapes zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um Visualisierungssequenzen der Songs, die irgendwo zwischen 1001 Nacht und Charlies Schokoladenfabrik angesiedelt sind, viel Flair ins Spiel bringen und ein kleines Highlight für sich sind. An Songs wurden insgesamt 45 Titel in das Spiel integriert, die sich dann nach und nach im Story-Modus offenbaren. Als Download-Content gibt noch viele weitere Songs, in erster Linie aber einige komplette Beatles-Alben wie beispielsweise „Abbey Road“, allerdings nur im Tausch gegen eure Nintendo-Points.
Wenig Neues, trotzdem alles besser
Eigentlich sind nur wenige der Features in „The Beatles: Rock Band“ wirklich neu. Nur ist es leider so, dass aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen EA mit der Veröffentlichung von „Rock Band 2“ nicht voran kommt. Demnach ist der Beatles-Ableger nun das erste Wii-Musikspiel, bei dem die Spieler in den Genuß der markanten neuen Funktionen von „Rock Band 2„ kommen. Die neuen Instrument-Controller fallen hier jedoch weitgehend weg, da auch hier eine etwas schlampige Veröffentlichungspolitik seitens EA vorherrscht. Erwähnenswert ist aber zumindest die Sync-Funktion der neuen Wireless-Gitarre. Mit ihr lässt sich die Latenz im Audio- und Videobereich bei neueren Flachbild-Fernsehern automatisch kalibrieren.
Viele der weiteren Neuerungen kennt man teilweise schon aus Guitar Hero 4: Ihr werdet beim Start automatisch mit der WiFi-Connection verbunden, es gibt einen Online-Musikstore für weitere Inhalte - und ihr spielt mehrere Instrumente. Zumindest beim letzten Aspekt setzt Harmonix noch einmal etwas drauf und bietet einen Multiplayer für sechs Spieler an. Dies liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Beatles in fast jedem ihrer Songs dreistimmig singen. Also dachte man sich bei Harmonix, man könne ja drei USB-Mikrofone gleichzeitig unterstützen. So habt ihr also nun Gelegenheit, zu dritt zu singen. Dabei kommt es in erster Linie auf Tonharmonien an. Ihr müsst mit euren Mitsängern in gewisser Weise zusammenarbeiten. Im Spiel selbst gibt es neben einem aus „Rock Band 2“ bekannten Drum-Trainer, mit dem ihr auch typische Beatles-Beats üben könnt, auch einen Übungsmodus für die Gesangsharmonien.
Ebenfalls enthalten ist eine Abwandlung des Schwierigkeitsgrades, um das Spiel auch für Musiklegastheniker spannend zu machen. Wer auf leicht spielt, hat nun keine Möglichkeit mehr, einen Song zu vergeigen, sondern kann ihn komplett spielen - egal, wie grausam die erbrachte Spielleistung auch sein mag. Allerdings hat der ganze Beatles-Faktor auch Nachteile. Beispielsweise könnt ihr keine eigenen Spielfiguren erstellen, mit denen ihr dann die Songs spielt. Das ging den Jungs beim Plattenlabel dann wohl doch etwas zu weit.
Zu guter Letzt bleibt die generelle Präsentation. Hier kann das Spiel erneut punkten. Wie in „Rock Band“ werden weitgehend voreingestellte Sequenzen oder Cinematics zur Anwendung gebracht, was den Entwicklern natürlich die Möglichkeit gab, den Titel grafisch etwas aufzuwerten. Dementsprechend rangiert „The Beatles: Rockband“ auf einem höheren Grafikniveau als die Guitar Hero-Konkurrenz und die Beatles-Ebenbilder sehen weitaus besser aus als beispielsweise ein Lars Ulrich in „Guitar Hero Metallica“.
Auch die Audioqualität ist mehr als erhaben, wenngleich auf die Originalaufnahmen zurückgegriffen werden musste. Diese wurden jedoch in monatelanger Feinarbeit seziert, um die einzelnen Instrumentenspuren aufzutrennen und die Lieder im Spiel umsetzbar zu machen. Die einzige etwas merkwürdig anmutende Kuriosität des Spiels bleibt da dem Booklet vorenthalten. Hier erwähnen Harmonix in den Credits „alle Babys, die während der Entwicklung des Spiels geboren wurden“. Aber dies sei ihnen in Anbetracht der unglaublich dichten Konsistenz der Spielatmosphäre ausnahmsweise erlaubt. Fazit: Ich muss ja ganz ehrlich sagen: Mit den Beatles hatte ich eigentlich nie was am Hut. Eine ohne Zweifel beispiellose Band, die jedoch weit vor meiner Zeit Musik gemacht hat und wohl ähnlich wie Led Zeppelin oder Genesis zu den Bands gehört, mit denen man aufgewachsen sein muss, um die Magie zu verstehen, die sich hinter den heute vielleicht langweilig wirkenden Songs verbirgt. Hier war ich wirklich überrascht, wie sehr „The Beatles: Rockband“ fesseln konnte. Die vielen Details des Story-Modus gehen noch viel, viel tiefer, als Activision es bei seinen Ablegern zu Aerosmith und Metallica getan hat. Damit sind es wie schon bei „Rock Band“ wieder die Jungs und Mädels von Harmonix, die das Musikspiel-Genre auf die nächste Ebene hieven. Diese hört auf den Namen Authentizität und ist wohl das nächste dicke Ding, in denen die Musikspiele die Spieler überzeugen müssen, um eine wirklich gute Figur abzugeben. Im Falle von den Beatles hat Harmonix dies vortrefflich geschafft. Dafür gibt es ausnahmsweise nicht nur den WiiX-Award, sondern auch persönliches Lob vom Redakteur, bei dem jetzt plötzlich eine Beatles-Platte auf Dauerschleife im CD-Player rotiert.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel The Beatles - Rock Band | |
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| 8.6 | Grafik Harmonix hat sich viel Mühe gegeben, das Spiel grafisch optimal an die Wii anzupassen, und versprüht mit den Dreamscapes und Video-Einspielern viel Beatles-Flair. | |
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| 9.5 | Sound Eine tolle Auswahl an Beatles-Songs die aufwändig restauriert wurden und allesamt schön umgesetzt wurden und sich nicht langweilig spielen. | |
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| 9.2 | Steuerung Eine tolle Auswahl an Beatles-Songs die aufwändig restauriert wurden und allesamt schön umgesetzt wurden und sich nicht langweilig spielen. | |
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| 8.8 | Gameplay "The Beatles: Rockband" steckt voller Spielspaß, wenn man denn die Beatles mag, beziehungsweise sich darauf einlassen will. | |
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| 9.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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