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Harry Potter und der Halbblutprinz
Review von Tim Herrmann (mail) | 27.07.2009

Fast ein Jahr haben die Fans nun gewartet - waren sie nach dem Erscheinen des siebten und letzten Buches im Jahr 2007 sowieso schon in ein Potter-Loch gefallen, mussten sie sich 2008 auch noch anhören, dass der nächste Film bis Mitte 2009 auf sich warten lassen würde. Doch auch zum gerade stattgefundenen Filmstart von Harry Potter und der Halbblutprinz ist die Euphorie für den Zauberschüler noch ungebremst und die Fans so treu wie immer. Auch Videospielpublisher Electronic Arts hatte zu kämpfen mit der Verschiebung des Films, wenn auch aus einem etwas anderen Grund. Denn das lizenzierte Videospiel ist bereits seit circa einem Jahr fertig und sollte eigentlich schon im Herbst letzten Jahres in den Regalen stehen. Nun musste EA sein Spiel aber ein Dreivierteljahr in der Kiste auf dem Speicher lagern und kann es jetzt endlich hervorkramen und auf den Markt bringen. Wir haben das Videospiel zum sechsten Film gespielt und verraten euch, wie gut es die Reifung vertragen hat:

Hogwarts bleibt
Wenn man im Rahmen eines solchen Tests einen Blick auf Harry Potter und der Halbblutprinz wirft, muss man vorher auch einen auf den Vorgänger, Harry Potter und der Orden des Phönix, geworfen haben. Denn in vielen Aspekten ist der sechste Teil lediglich ein Update der Videospielumsetzung des fünften Potters. Die Besonderheit damals: Die Entwickler haben Hogwarts komplett digital nachgestaltet und frei begehbar zur Verfügung gestellt. Das war damals das Hauptargument des Titels: Der Spieler sollte die weltberühmte Zaubererschule erleben und sie selbst erkunden können. Die Geschichte wurde dann wild ab und zu eingeworfen und die Spielzeit mit Suchaufgaben gestreckt.

Harry Potter 6 verhält sich zu Harry Potter 5 also in etwa wie FIFA 09 zu FIFA 08 - es gibt wenig Neues, viel wurde einfach wiederverwertet und noch mal eingebaut und das ganze Grundgerüst mit ein paar neuen Ideen aufgestockt. So wurde die Nachbildung von Hogwarts in Harry Potter und der Halbblutprinz noch einmal fast 1:1 mit nur sehr wenigen Modifikationen übernommen. Die Portraits, die an den Wänden hängen und Abkürzungen freigeben, sind immer noch dieselben wie vor zwei Jahren, die Laufwege unverändert und die Wandteppiche immer noch genauso staubig wie damals. Auch an der Grafik-Engine hat sich nicht viel getan, lediglich in den Zwischensequenzen erkennt man leichte Veränderungen. Außerdem sind einige Flure und Korridore jetzt nicht mehr begehbar und die Türen dazu einfach verschlossen.



Aber all das muss nicht unbedingt als Kritik aufgefasst werden. Schließlich kann man von den Entwicklern kaum erwarten, dass sie das riesige Schloss zu jedem Film komplett neu gestalten - und Kontinuität in der Präsentation ist ja eigentlich auch ein Plus, schließlich gibt es keinen Grund für Umgestaltungen, Hogwarts bleibt in den Filmen ja auch größtenteils gleich. Und auch technisch gab es schon damals nichts zu meckern: Harry Potter und der Halbblutprinz und sein Vorgänger sahen und sehen überdurchschnittlich gut aus. Es gibt keine Ladezeiten zwischen den einzelnen Räumen, alles wird simultan zum eigentlichen Spielgeschehen geladen. Das merkt man zwar an ein paar einzelnen Rucklern, ansonsten wird man sich an die detailreiche Welt aber schnell gewöhnen und sie tatsächlich als Hogwarts akzeptieren.

Quidditch, Brauen, Kämpfen
Auch wenn man den Entwicklern 2007 Lob zusprechen musste für die gelungene Umsetzung des Zaubererschlosses, blieben Potter die Tore zu besseren Wertungen verschlossen, weil das Gameplay nicht stimmte. Der Spieler musste immer von einem Ort zum nächsten hetzen, Schulkameraden mit einem nützlichen Zauberspruch helfen, nur um dann zum nächsten Ort gerufen zu werden. Immerhin: Die Umgebung war komplett interaktiv gehalten, sodass man Punkte bekam für kurze Reparaturarbeiten mit dem Reparo-Spruch, Fackelentzündung mit Incendio oder Schwebeaktionen mit Wingardium Leviosa. In Harry Potter und der Halbblutprinz hat sich das etwas verändert, die Levels sind etwas weniger interaktiv und das Gameplay etwas linearer als im Vorgänger. Das Konzept bleibt aber trotzdem gleich.

Ohne jede Vorwarnung trefft ihr nach den einzelnen Events auf Freunde oder Bekannte, die euch einen Auftrag geben - geht zum Astronomieturm beispielsweise oder zu den Zaubertrankkerkern, zum Qudditch-Feld, in die Bibliothek oder in die Große Halle. Damit sich niemand in dem riesigen Schloss verlaufen muss, haben die Entwickler den Fast Kopflosen Nick, Gryffindors Hausgeist, als hilfreiches Navigationssystem engagiert, das nach Druck auf den Minus-Knopf leitend voranschwebt und den Zauberern den Weg weist. Kaum einer wird auf dieses Feature verzichten können, denn ewiges Gesuche würde das Spiel noch zäher machen, als es ohnehin schon ist.

Seid ihr an euren jeweiligen Zielpunkten angekommen, erwartet euch eine relativ überschaubare Palette an darauffolgenden möglichen Events. Entweder folgt ein weiterer Dialog, der euch an einen neuen Ort schickt, eine Zwischensequenz, die kurz die Handlung vorantreibt, ein Duell, ein Quidditch-Match oder Zaubertrankminispielen. Die letztgenannten kurzen Herausforderungen, in denen man verschiedene Zutaten zu Zaubertränken zusammenmischen muss, sind tatsächlich eins der Kernelemente von Harry Potter und der Halbblutprinz: Ihr bekommt in einer Leiste dargestellt, welche Zutaten in den köchelnden Kessel zu füllen sind, bis das darin enthaltene Gebräu eine bestimmte Farbe annimmt. Zwischendurch muss man umrühren, kochen oder feste Zutaten in den Trank werfen und auch auf die Zeit achten, die manchmal sehr knapp bemessen ist.



Neben den Zaubertrankminispielen bekommen auch die Duelle einen recht hohen Stellenwert. Nach und nach lernt Harry neue Sprüche, die er in den Zaubererduellen mit Freunden oder Feinden anwenden kann. Standardmäßig ist das Stupor, das mit einem leichten Wink der Wiimote nach oben ausgelöst wird und dann in Richtung Gegner saust. Verschränkt der Spieler Nunchuk und Wiimote vor der Brust, ist er für kurze Zeit durch den Protego-Spruch geschützt. Auch Levicorpus, das die Gegner rückwärts an einer imaginären Garderobe aufhängt und wehrlos macht, oder der Entwaffnungszauber Expelliarmus sind wieder vertreten. Leider trifft man trotz automatischen Zielsystems nur aus nächster Entfernung mit angemessener Wahrscheinlichkeit. Auch ansonsten sind die Duelle ziemlich schlecht umgesetzt, schließlich muss man eigentlich nur einmal mit Levicorpus treffen und Stupor dann so lange auf den wehrlosen Gegner anwenden, bis dieser am Ende ist. Außerdem werden die Bewegungskommandos schlecht erkannt.

Auch das Quidditch ist dieses Mal wieder da - anders als im fünften Teil -, allerdings hätten sich die Entwickler dieses Minispiel auch sparen können, es ist fürchterlich langweilig gestaltet und überhaupt nicht motivierend. Das Match besteht darin, dass Harry der Reihe nach durch grüne Sterne fliegen muss, um dem Schatz näher zu kommen, den er jagt. Fertig. Den Besen steuert der Spieler dabei allein mit dem Pointer. Lässt er ihn die gesamte fünfminütige Spielzeit in der Mitte des Bildschirms zentriert, ist das Minispiel praktisch schon gewonnen, denn Harry bewegt sich auf seinem Feuerblitz auf Schienen und kann demnach nur minimal in seiner Flugrichtung beeinflusst werden. Eine völlig sinn- und zwecklose Implementierung des Sports, der besonders in den Anfangszeiten der Pottermania noch für viele das Highlight schlechthin war.

Die drei letztgenannten Minispiele sind zwar kleine Auflockerungen des Spielverlaufs, werden aber unheimlich schnell langweilig, weil zwischen dem Brauen des allerersten Zaubertranks und der Zubereitung des allerletzten kaum ein Unterschied festzustellen ist - lediglich die Anzahl der Zutaten wächst, während die zur Verfügung stehende Zeit knapper wird. Das Gleiche bei den Duellen: Die Gegner werden nicht schneller, raffinierter oder mächtiger, sondern haben einfach mehr Lebensenergie und ab und zu einen zusätzlichen Zauberspruch auf Lager. Die Entwickler haben es gut gemeint, allerdings bei der Vielfalt der Minispiele und Extraaufgaben versagt.



„Wer macht mal eben schnell die Geschichte rein?“
Die Verfilmung eines Buches stellt Regisseure meist vor die größten Aufgaben: Was ist unwichtig genug, um weggelassen zu werden, wo lege ich meine Schwerpunkte, welche Aspekte hebe ich besonders stark hervor? Letztendlich ist die Verfilmung eines Buches immer eine Interpretation des Regisseurs, was beim sechsten Kinostreifen ganz deutlich zu beobachten ist: Viel Liebesgeplänkel mit Harry, Ron und Hermine, dafür wenig Action und weniger Reisen in Tom Riddles Vergangenheit. Da sich das Videospiel eher am Film als am Buch orientiert, sind diese Akzente auch hier zu beobachten - wenn überhaupt.

Denn auch ein Director eines Videospiels hat sich zu fragen, was er eigentlich am Ende auf der Disc haben will. Einen interaktiven Film, ein Action-Adventure auf Basis des Films oder ein freies Erkundungsspiel, das nicht unbedingt auf dem neuesten Hollywood-Produkt basieren muss (wie Teil 5). Im Falle von Harry Potter und der Halbblutprinz haben sich die Entwickler bei EA Bright Light für ein Action-Adventure mit dem Film als Grundlage entschieden und sich somit dazu verpflichtet, auch die Geschichte in angemessener Art und Weise nachzuerzählen.

Schade, dass die erklärenden Sequenzen nie länger sind als dreißig Sekunden. Die komplette erste halbe Stunde des Films ist in einer Minute abgehandelt, die Erzählung springt ohne jede Ankündigung von Hogwarts, in den Hogwarts-Express und dann wieder zurück in den Fuchsbau, ohne in irgendeiner Form überzuleiten. Die Zwischensequenzen sind immer vollanimiert, man sieht also nie Szenen aus dem eigentlichen Film. Immerhin hört man ab und zu Originalsprecher (zumindest in der englischsprachigen Variante) und das Spiel ist auch komplett in deutscher Sprache synchronisiert, die Schauspieler machen ihre Aufgabe gut. Die Charaktermodelle im sechsten Teil sehen auch auf Wii schön aus und sind weich gezeichnet, aber Haare und Bewegungsanimationen sind immer noch nicht auf dem aktuellen technischen Stand, da hinkt das Spiel einfach eine Generation hinterher. Deswegen kann in den Zwischensequenzen auch nie die dunkle Atmosphäre des Spiels entstehen, Bellatrix Lestrange wird einfach erst durch ihre unverwechselbare Gestik richtig gruselig, dabei helfen ein paar wirbelnde Armbewegungen nicht viel.



Insgesamt wirkt es mit der Geschichte so, als hätte ein Entwickler irgendwann mitten in der Entwicklung in den Raum gefragt, wer denn mal eben die Geschichte einpflegen würde - denn die Elemente wirken irgendwie zusammengewürfelt und zusammenhangslos. Wer weder Buch noch Film kennt, wird wenig verstehen und deswegen mit dem Spiel keine Freude haben, weil es viel zu viel Vorwissen voraussetzt und es nur ab und zu kleine Erläuterungen zu Fachbegriffen aus der magischen Welt gibt.

Fazit:
Harry Potter und der Halbblutprinz versucht, die Monotonie seines Vorgängers mit Minispielen abzuschaffen, zumindest die Zaubererduelle und das Quidditch sind aber spielerisch so minderwertig umgesetzt, dass sie keinen Spaß machen und das Spielgeschehen eher aufhalten, als dass sie es auflockern. Ansonsten verliert der sechste Teil etwas Charme dadurch, dass dem Spieler weniger Raum zur freien Erkundung gegeben wird - zwar kann man Hogwarts-Abzeichen suchen, aber die Levels sind insgesamt wesentlich weniger interaktiv und es gibt zu wenig Möglichkeiten und Zaubersprüche, um abseits der vorgegebenen Laufwege Spaß zu haben. Die Geschichte ist filmisch schlecht umgesetzt, es gibt kaum Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sequenzen. Das Ganze wirkt somit zusammengewürfelt. So bleibt letztendlich ein Lizenzspiel, das wieder mit nett anzusehender Grafik, tollem Film-Soundtrack, aber minderwertigem Gameplay aufwartet und demnach nur Fans mit fundierter Ahnung des Potter-Franchises Freude machen wird.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Harry Potter und der Halbblutprinz
Wertungen Beschreibung
7.5Grafik
Hogwarts ist weiterhin schön, riesig und detailliert, allerdings hat sich seit 2007 nichts mehr getan und die Bewegungsanimationen der Charaktere in den Zwischensequenzen sind nicht auf dem heutigem Stand.
9.0Sound
Perfekter Film-Soundtrack und ebenso gute Sprachausgabe, die besonders im Englischen mit Originalsprechern überzeugt und auch komplett auf Deutsch synchronisiert ist (teilweise auch mit Originalsprechern).
6.9Steuerung
Harry bewegt sich etwas abgehackt, dafür geht das Zaubertrankbrauen recht gut von der Hand. Die Zauberstabsteuerung funktioniert einfach nicht, Bewegungskommandos werden falsch erkannt, was Duelle manchmal unnötig verkompliziert.
4.9Gameplay
Der Spieler wird in Hogwarts von einem Minispiel zum nächsten gescheucht, diese sind aber größtenteils schlecht umgesetzt und verschlechtern das Spiel. Das ehemals riesige Hogwarts ist jetzt weniger interaktiv und der Spielverlauf strikter vorgegeben.
6.9Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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