Review von Lars Peterke (mail) | 23.07.2009
Generell gilt das Vorurteil, böse zu sein, wäre schlecht. Das mag zwar für sich gesehen stimmen, doch gilt es dabei auch zu berücksichtigen, dass das Bösesein einen ungemein hohen Spaßfaktor mit sich bringt. Sei es Lord Voldemord in der Welt der Zauberer, Sauron in Mittelerde oder ein stereotyper Vampir auf Beutefang im nächtlichen London. Einfach mal alles kaputtmachen, ohne große Rücksicht auf Verluste zu nehmen. Diesen Gedanken hatte wohl Codemasters, als es das Spiel „Overlord“ ins Leben rief. Hier dürft ihr als Bösewicht eine mittelalterliche Welt erobern und alles kurz und klein hacken. Während für Xbox 360 und Co. kürzlich der zweite Teil erschien, bekommen Wii-Besitzer von den Climax Studios nun ein Spin-Off mit dem Untertitel „Dark Legend“ spendiert. Wie gruselig. Wir haben den Titel getestet, der interessanterweise eine Mischung aus „Hack and Slay“ und „Pikmin“ ist.
Olimar, hol’ die Axt raus!
Die Spielgeschichte ist schnell erzählt: Wir befinden uns auf Schloss Grongard im Lande Grüntal, das seine besten Tage seit einiger Zeit hinter sich hat. Der Herzog ist aufgebrochen, um sein Land zu retten, doch leider war sein Unterfangen nicht gerade von Erfolg gekrönt. Kein Wunder, dass die Frau Gemahlin dann mit einem Schnösel aus dem Nachbarland durchbrennt und minderwertige Halblinge es fertig bringen, in Grüntal zu plündern und die Ländereien zu erobern. Als kleiner Lord habt ihr da erstmal das Nachsehen, bis ihr an eurem 16. Geburtstag durch eine kleine Verkettung von Ereignissen schließlich in einer ziemlich böse anmutenden Rüstung landet und vom mindestens genau so böse anmutenden Diener Gnarl zum „Overlord“ erkoren werdet. Die erste Aufgabe an der Tagesordnung: das Königreich erobern.
Als frischgebackener Bösewicht macht man sich natürlich nicht die Hände schmutzig. Der Fiesling von heute organisiert sich einige Schergen, die die Drecksarbeit für einen erledigen und sich ohne Einwände herumkommandieren lassen. Bei „Overlord: Dark Legend“ sind das koboldähnliche Wesen, die als Haupteigenschaften bedingungslose Loyalität und eine nervige Lache mitbringen. Insgesamt vier Schergentypen gibt es. Als erstes erhaltet ihr die braunen Schergen, deren Lebensinhalt das Draufhauen und Einstecken ist. Mit ihrer Hilfe befördert ihr die plündernden Halblinge aus eurem Schloss, rächt euch an euren Schwestern und infiltriert dann das Lager der Halblinge, die euch ein wertvolles Relikt gestohlen haben.

Die Relikte, die ihr während des gesamten Spiels sammelt, haben verschiedene Auswirkungen. In erster Linie erschließen sich euch dadurch neue Fähigkeiten, Gegenstände oder Schergen, während andere (oft optionale) Relikte eure maximale Lebensenergie erhöhen können. Habt ihr den ersten Auftrag erfolgreich abgeschlossen, dürft ihr fortan auch mit roten Schergen agieren. Diese sind zwar nicht so zäh wie die braunen Nervtöter, können aber blockierende Feuerwände aus dem Weg räumen und Feuerbälle schleudern, was sie zu ausgezeichneten Fernkämpfern macht. Einziger Nachteil beider Schergentypen: Kommen sie dem Wasser zu nah, sterben sie. Woher uns das bloß bekannt vorkommt…
Metzeln mit Methode
Bis hierhin ist „Overlord: Dark Legend“ ein einziges Laufen, Kämpfen und Reliktesammeln. Doch wie das Konzept mit den Schergen vermuten lässt, war es die Idee der Entwickler, ein bisschen Taktik ins Spielgeschehen zu bringen. Das äußert sich zunächst einmal so, dass eurer Overlord zwar ziemlich böse aussieht, in Wirklichkeit aber eher ein verkappter Milchbubi ist. Stürmt ihr auf die Gegner allein los, dürfte eure Energie sehr schnell in die Tiefe rutschen, bis ihr dann wahrscheinlich sterbt und mit Fug und Recht in der Hölle landet. So wird der Einsatz der Schergen quasi essentiell notwendig. Da ihr zu Beginn nur fünf Schergen befehligen könnt, ist das anfangs zwar eher etwas witzlos, doch je mehr Relikte ihr sammelt und je mehr Gebiete ihr erobert, desto größer wird eure Armee. Überall in der Welt finden sich dann Brutstätten, aus denen ihr neue Schergen rufen könnt. Neben den bereits erklärten Schergentypen gibt es noch die grünen flinken Assassinen und die blauen wasserresistenten Heiler.
Der Overlord fungiert meist als Kommandeur, der zwar die stärkste Figur ist, allein gegen viele Gegner aber schneller den Kürzeren zieht, als eine kleine Armee nerviger Kobolde. Kluge Spieler halten sich also im Hintergrund und machen sich die Zaubersprüche zu Nutze, die man im Spielverlauf erhält. Mit einem Blitzzauber als Fernangriff oder einem Schildzauber zur Abwehr ist man dann auf der sicheren Seite, während das hässliche Fußvolk für euch den Rest erledigt. Um die Handhabung dabei besonders einfach und übersichtlich zu halten, wurde die Kontrolle von Overlord und Schergen geteilt. Die Kontrolle des Overlords entfällt auf den Nunchuk. Ihr lenkt mit dem Stick, greift mit dem Z-Knopf an und könnt mit dem C-Knopf die Kamera zentrieren.

Die Schergen steuert ihr parallel mit der Wii-Fernbedienung. Hierzu nutzt ihr den Pointer und zeigt auf die gewünschte Stelle am Bildschirm. Je nach Element färbt sich dann der Pointer, rot beispielsweise für einen Gegner und ein blaues Zahnrad ist bei benutzbare Objekten zu sehen. Drückt ihr dann den B-Knopf, könnt ihr nacheinander eure Schergen auf den Gegner scheuchen oder ihnen befehlen, ein Objekt aus dem Weg zu räumen. Aufmerksame Leser wissen nun bereits, was es hierzu noch zu sagen gibt: über jedem Objekt wird mit einer Zahl angezeigt, wie viele Schergen man braucht, um es zu bewegen. Wollt ihr alle Schergen zurückrufen, müsst ihr den A-Knopf drücken. Mit dem Steuerkreuz könnt ihr auswählen, welche Schergenart ihr befehligen wollt. Alternativ könnt ihr das Steuerkreuz auch einfach nach unten drücken, um alle Schergen auszuwählen.
Ebenfalls besonders ist die Funktion des Plus- und Minus-Knopfes. Mit dem Plus-Knopf öffnet ihr das Zaubermenü und könnt ganz intuitiv mit dem Pointer den Zauber wechseln. Mit dem Minus-Knopf könnt ihr einen Sammelpunkt für eure Schergen setzten, um sie anschließend dorthin zu schicken. Hier wird das Spiel taktisch. Stellt euch beispielsweise vor, ihr müsst einen Schalter umlegen, doch er wird von Bogenschützen bewacht, die auf einer Anhöhe stehen. Nun setzt ihr zunächst einen Sammelpunkt für eure roten Schergen, die dorthin laufen und die Bogenschützen angreifen. Durch dieses Ablenkungsmanöver könnt ihr dann mit braunen Schergen gefahrlos den Schalter aktivieren und das hinderliche Tor öffnen. „Overlord: Dark Legend“ ist voll von solchen Aufgaben und zehrt daraus seine Abwechslung vom schnöden „Hack and Slay“-Alltag. Dabei sollte man übrigens immer gut auf die Umgebung achten, da es kleine Wege gibt, die eurer Overlord nicht passieren kann, für eure Schergen jedoch keine Hindernisse sind. So könnt ihr euch in manchen Spielsituationen einen entscheidenden Vorteil im Kampf verschaffen.
Abseits der Grundidee hat man zudem versucht, dem Spiel mehr Tiefe zu geben. Zunächst einmal gibt es die Möglichkeit, eure Schergen zu opfern. Greift sie mit A- und B-Knopf gleichzeitig und schüttelt dann die Wii-Fernbedienung, um sie quasi aufzuladen, damit sie dann als tickende Zeitbombe losmarschieren. Wenn ihr eure Schergen aber hingegen lieb habt, könnt ihr sie im späteren Spielverlauf mit Waffen ausrüsten. Das gilt natürlich auch für den Overlord selbst. Und erwartungsgemäß gibt es am Ende einer Aufgabe meist einen Bosskampf zu bestehen, bevor die nächste Etappe ansteht. Insgesamt besteht die Welt aus 15 Arealen. Durch viele Wegportale bleiben euch aber lästige Laufwege erspart. Ein Cursor auf eurer Minikarte zeigt euch zudem immer an, wo es als nächstes hingeht.
So ist „Overlord: Dark Legend“ unter dem Strich ein Titel, der im Gameplay wenig falsch macht und viele Ideen liefert. Das einzige große Manko ist da das generelle Spieldesign. So gut das Konzept mit den Schergen auch sein mag, umso mehr hätte man sich gewünscht, dass diese Gameplay-Elemente besser in das Spieldesign eingearbeitet worden wären. Schon recht früh fehlt es den Herausforderungen im Spiel an Variation und Tiefe, sodass man schnell das Spiel für sich erschlossen hat. Hier ist quasi zur Strafe für die Entwickler Pikmin als Paradebeispiel anzuführen. Während man mit Captain Olimar und seinem Pflanzenvolk immer verschiedene Lösungsansätze für einige Gegner verwenden konnte, denkt Overlord hier einfach zu geradlinig: richtige Schergensorte raufschicken, fertig. So sind beispielsweise die Bosskämpfe mitunter witzlos. Man sendet die Schergen für die Vorarbeit, um dann im richtigen Moment selber mit draufzuhauen und besiegt den Gegner nach kürzester Zeit. Kein Vergleich zum „Schneckenfürst“-Endboss aus Pikmin, der viel Fingerspitzengefühl und Taktik erforderte.

Ungewohntes Technikniveau
Es klang fast wie ein schlechter Scherz, als man im Vorfeld zum Release von „Overlord: Dark Legend“ behauptete, man würde eine beeindruckende Grafik auf die Beine stellen, die zum Optimum auf Wii gehören würde. Nun, Optimum ist sicher das falsche Wort, doch gelogen haben die Entwickler bei Climax hingegen auch nicht. Man kommt nicht umher, das Spiel als recht hübsch zu bezeichnen. Es gibt schöne Lichteffekte zu bestaunen, die Animationen sind ebenfalls nett und auch wenn die Texturen nicht immer perfekt sind, so harmoniert doch das Gesamtbild und besonders die Innenräume des Schlosses sind üppig ausgestattet und lassen sich kurz und klein hauen. Das Spiel bleibt dabei stets flüssig und die Ladezeiten sind für das Maß an Qualität sehr kurz geraten. Auch bei der Steuerung gibt es wenig zu bemängeln. Einzig die individuelle Kontrolle der Spielkamera hätte etwas besser ins Spiel integriert werden können.
Als wäre dieses Maß an ungewohnter Dritthersteller-Qualität nicht schon erfreulich genug, so verfügt das Spiel auch über eine gelungene englische Synchronisation und nette Soundeffekte. Einzig allein bei der Hintergrundmusik hat man etwas gespart. Diese ist oft zu dezent gehalten oder wird komplett herunter gedreht und der Spieler muss mit ein wenig Vogelzwitschern auskommen. Hier hätte man sich eine etwas üppigere Klanguntermalung gewünscht, die im Idealfall noch den stellenweise humoresken Charakter des Spiels unterstreicht.
Fazit: „Overlord: Dark Legend“ ist ein schönes Paradebeispiel für das Szenario „Ein Dritthersteller gibt sich Mühe“. Und zugegebenermaßen haben wir das nach einem Titel wie „Alarm! Brennpunkt City“ nicht gerade von Codemasters erwartet. Umso erfreuter ist man dann, wenn sich wirklich ein solides Spiel präsentiert, das in Sachen Technik überzeugt. Leider waren die Entwickler von Climax beim Spieldesign nicht ganz so filigran und es fehlt dem Titel an spielerischer Tiefe und Variation, um wirklich einen schönen Hitstempel von uns zu bekommen. Nichtsdestotrotz dürfen „Hack and Slay“-Fans, die einer taktischen Note im Spiel nicht abgeneigt sind, bedenkenlos zugreifen. Alle anderen schauen sich am besten an, ob ihnen das Spielsetting zusagt, und entscheiden dann, ob „Overlord: Dark Legend“ das richtige Spiel für sie ist. Ansonsten gibt es ja seit kurzem das natürlich um einige Ecken bessere Pikmin 2 für die Wii. Stichwort „Spieltiefe“.
Von Lars Peterke
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| Wertung für das Spiel Overlord - Dark Legend | |
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| 8.5 | Grafik Hübsche Grafik mit tollen Lichteffekten, schönen Animationen und einem mehr als stimmigem Gesamtkonzept. Genau so wollen wir das haben. | |
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| 7.0 | Sound Gute Effekte und eine gelungene englische Synchronisation sind vorhanden, trösten aber nicht über die teils viel zu sehr reduzierte Hintergrundmusik hinweg. | |
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| 8.3 | Steuerung Die Aufteilung zur Steurerung von Overlord und Schergen funktioniert super und wäre sicher nicht ohne Weiteres auf Konkurrenzkonsolen umzusetzen. Einzig an der Kamerasteuerung hätte man noch etwas feilen können. | |
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| 7.5 | Gameplay Viele gute Ansätze und Ideen heben das Spiel aus dem Genre-Allerlei hervor, aber leider wurden die Ideen nicht mit genug Tiefe ins Spiel eingearbeitet, sodass man stellenweise nur an der Oberfläche kratzt und durch ungenutztes Potential einiges an Spielspaß verschenkt. | |
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| 8.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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