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Review von Tim Herrmann (mail) | 02.12.2009
In der Videospielindustrie gibt es zwei Gruppen: Die einen, die machen, und die anderen, die nachmachen. Nicht nur Marketingideen und –Konzepte, sondern auch ganze Features und Hardware-Komponenten wandern gern einmal von einem Hersteller zum nächsten. Doch am populärsten und am weitesten verbreitet sind nach wie vor kopierte Spielideen - oder nennen wir sie besser „Ergebnisse künstlerischer Inspiration“. Wii Fit wird momentan von allen möglichen Seiten kopiert, davor waren es die Gehirntrainer, davor Sandbox-Konzepte à la GTA, davor Nintendos Jump & Runs. Doch nicht nur von Nintendo und den Platzhirschen wird abgekupfert – auch zahlreiche andere erfolgreiche Konzepte inspirieren konkurrierende Herrscher zu ähnlichen Ideen und versprechen schnell eingenommene Moneten. Dance Dance Revolution von Konami war in den 90er Jahren einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Tanzspiele und bekommt auch heute noch regelmäßig neue Ableger spendiert. Spiele mit ähnlichem Konzept gibt es heutzutage viele, die Tanzmatte ist keine Revolution mehr, sondern fast schon Standard, wenn es um bewegungsintensive Rhythmusspiele geht. Eines dieser „Ergebnisse künstlerischer Inspiration“ wollen wir uns heute einmal genauer anschauen. Es handelt sich um das Spiel Dance Party – Pop Hits vom schwedischen Publisher Nordic Games.
Maria Wedig sagt…
Als wäre die attraktive Kombination der beiden Wörter „Dance“ und „Party“ zusammen mit dem Bild einer Tanzmatte in einem großen, schweren und vermeintlich reichhaltigen Paket noch nicht genug, lässt sich der Hersteller in Deutschland auch noch unterstützen von einem prominenten Gesicht. Der „berühmte Soap-Star Maria Wedig“, wie es auf der Verpackung heißt, empfiehlt den Titel nämlich und schwärmt auf ihrer eigenen Homepage in ehrlichsten Tönen: „Endlich ein Fitnesstraining, bei dem man alleine oder mit Freunden endlos viel Spaß haben kann“. Wie jetzt – ihr kennt „den berühmten Soap-Star Maria Wedig“ nicht? Das kann nur daran liegen, dass ihr zu viel Zeit vor der Konsole verbringt, denn „der berühmte Soap-Star Maria Wedig“ spielt in RTLs Fernsehseifenoper „Alles, was zählt“ mit (womit wir wieder bei der Einleitung und den „Ergebnissen künstlerische Inspiration“ wären, wenn man sich im Vergleich zu „Alles, was zählt“ mal „GZSZ“ oder „Unter Uns“ anschaut). Auch in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ hat man sie schon gesehen und jetzt hat sie sich im Handumdrehen auch noch ein Standbein in der Videospielbranche erarbeitet.

Maria Wedigs Wort in Gottes Gehörgang, aber ganz so leichtgläubig wollen wir dem berühmten Soap-Star dann doch nicht unser Vertrauen schenken und legen das Spiel in die Konsole. Im Wii-Menü begrüßt uns ein exklusiver Track mit dem bahnbrechenden Titel „Dance Party“, der mit dem tiefgründigen Satz „Keep on moving, I wanna party tonight“ auskommt und das Ganze mit ein, vielleicht zwei Techno-Beats unterlegt. Im Hintergrund: Die Silhouette einer tanzenden Frau vor einem magentafarbenen Hintergrund. Bevor das Spiel startet, wird noch der Karton ausgepackt und die ca. ein Quadratmeter große Tanzmatte ausgebreitet, deren beißender Geruch geradezu brüllt: „Ich bin neu und komm’ aus China!“. Acht Zonen sind mit den Füßen ansteuerbar, deren Funktion gleich im Spiel getestet werden will. Die praktische Funktion „schnelles Spiel“ ermöglicht es, direkt in die Action zu springen, ohne vorher lästige Einstellungen vorzunehmen. Das Hauptmenü, übrigens, wird geziert von einer Silhouette einer tanzenden Frau vor einem magentafarbenen Hintergrund – die wird uns noch öfter begegnen.
Und rechts… und links… und oben…
Das bereits bekannte musikalische Meisterwerk aus dem Hauptmenü begrüßt uns auch im Gameplay. Schmerz durchzieht nach den ersten zwanzig Sekunden die obere Körperhälfte und breitet sich langsam von den Ohren über die Gehirnwindungen in den Magen aus angesichts der fürchterlich billig produzierten musikalischen Ausgeburt, die sich vier Minuten lang zu wiederholen scheint. Parallel zu der Musik findet der Spieler einen Kreis vor, auf dessen Linie sich die acht Richtungen der Tanzmatte befinden. Und wer mitdenkt, wird sicherlich schon wissen, dass aus dem Mittelpunkt nun farbige Pfeile auftauchen werden, die das Signal zur Fußbewegung geben. Fährt der Pfeil über das dazugehörige Symbol, muss die entsprechende Schaltfläche rhythmisch abgepasst getreten werden. Danach kommt der nächste Fuß. Und dann ist wieder der andere dran – oder wieder derselbe, das ist dem Spiel egal, da macht es keine Abstriche und gibt auch keine Anweisungen.
Die erscheinenden Pfeile haben unterschiedliche Farben – blau, grün, gelb, pink. Wozu? Das wissen die Entwickler wohl auch nicht und deswegen liegt der Antwortversuch nahe, dass „das einfach schöner aussieht“. Ebenso unkoordiniert und ungeplant wie die dargestellten Farben wirken die Kommandos selbst. Sie haben kaum etwas mit der gespielten Musik zu tun und richten sich höchstens nach dem Takt, nicht aber nach speziellen Besonderheiten oder Merkmalen des Songs – was allerdings in diesem speziellen Fall sicherlich auch zum Teil die Schuld des gespielten Titelsongs ist, schließlich hat das gute Stück einfach keine Besonderheiten.

Ich will den grausigen Song also abbrechen und drücke erst einmal, wie man es aus anderen Spielen gewohnt ist, auf den Plus-Knopf. „Spiel beenden: 3“ steht dort auf dem Bildschirm und gleichzeitig denkt sich der Spieler „Danke für die Information, aber…?“. Wie man den derzeit behandelten Song beenden kann, blieb weiterhin verschlossen und auch wildes Durcheinanderdrücken aller anderen Buttons auf Wiimote und Nunchuk blieb ergebnislos. So hieß es also: Ton ausstellen und warten. Mit einer Punktzahl, die hier besser unerwähnt bleibt, geht es zu einer Rekordtafel. Im Hintergrund befindet sich die Silhouette einer tanzenden Frau vor einem magentafarbenen Hintergrund – und um das Gehimnis einmal zu lüften: Dieses Artwork sieht man in jedem Bildschirm, wenn man sich nicht gerade im Gameplay befindet – charakteristisch, leider, für den Aufwand, den der Entwickler mit diesem Stück Software auf sich genommen hat.
Wow…? Die Sugababes
Vielleicht lag dieser wenig befriedigende erste Versuch ja an der nicht besonders begeisternden Musik, die das Spiel zum Tanzen servierte. Die zweite Chance bekommen die Sugababes, die Pop-Mädels vom Anfang dieses Milleniums, die sich mittlerweile in Wohlgefallen aufgelöst haben und nichts mehr in der Öffentlichkeit machen. Ihr Top-Hit aus dem Jahre 2005, Push the Button, ist auf den ersten Blick der erste Titel, der ein paar Erinnerungen wachruft und sich deswegen dazu eignet, einmal das Tanzbein zu schwingen. Die Musik ist jetzt besser – das Gameplay bleibt aber trotzdem so interessant wie ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor. Anstatt noch einmal auf das öde Tapsen der Füße einzugehen, soll nun der Hintergrundgrafik ein Blick gewidmet werden: In einem dreidimensionalen Raum sieht man eine kärglich beleuchtete Bühne, ein paar wild umherflitzende Laserlichtblitze und eine kontur- und proportionslose, schwarze Figur, die wild zur Musik zappelt, letztendlich aber nichts mit dem zu tun hat, was da im Hintergrund läuft. Es ist wohl unnütz zu erwähnen, dass das alles absolut scheußlich aussieht und nicht einmal zu N64-Zeiten seine Daseinsberechtigung gehabt hätte. Das liegt nicht unbedingt an der minderwertigen Nutzung der Wii-Technik, sondern an der bodenlos lieblosen Präsentation, die man sich lieber ganz hätte sparen sollen.
Auch „Push the Button“ kann man erst einmal nicht beenden („Spiel beenden: 3“), wodurch es nach dieser Odyssee noch einen letzten Versuch mit Sophie Ellis-Baxtors’ Murder on the Dancefloor gibt, dem zweiten und letzten der insgesamt ohnehin spärlichen 15 lizenzierten Tracks, zu dem ich irgendeine Erinnerung hatte. Diesmal wird der schwere Modus ausprobiert, in dem plötzlich alle acht Tanzmattensektoren verwendet werden. Es kommen nun pro Sekunde ungefähr drei Symbole aus dem Nichts geschossen, die Füße bewegen sich irgendwie, treffen die Flächen, nichts passiert. Ich warte einen Moment, um den richtigen Wiedereinstieg abzupassen, treffe ihn. Nichts passiert. Die Tanzmatte ist an ihre Grenzen gestoßen, funktioniert schlicht nicht, wodurch jetzt die traditionelle Wiimote-Steuerung herhalten muss. Hier wird in rasanter Spielaction der Control-Stick des Nunchuks oder das Steuerkreuz in die entsprechenden Richtungen gedrückt. Das geht besser - Diagonale Bewegungen werden trotzdem nicht erkannt. Die Steuerung versagt. Das Spiel ist in diesem Modus absolut unspielbar.Fazit: Dance Party – Pop Hits ist eine spielerische Unverschämtheit und ein minderwertiges Stück Software, das mit (bis auf sehr wenige Ausnahmen) schrecklicher Liederauswahl, nicht funktionierender Steuerung, stinkend langweiligem und wahllos zusammen gewürfelten Gameplay und einer grausigen optischen Präsentation aufwartet und damit in den untersten möglichen Wertungsbereich rutscht. Dass es nicht zur Totalkatastrophe kommt, ist einzig einem kleinen Extra-Modus zu verdanken, in dem man seine eigenen Choreografien aufzeichnen kann, und der fast schon erahnen lässt, dass irgendein Entwickler die leise Hoffnung hatte, vielleicht doch noch ein gutes Spiel entwickeln zu können. Dasselbe bei einem Kalorienzähler, der beliebig Kalorien schätzt, die man nach dem Spielen verbrannt haben soll. Nichtsdestotrotz bleibt insgesamt ein Titel, den man wirklich niemandem empfehlen kann – da hilft auch das beigelegte „exklusive Original-Autogramm“ von der Patin Maria Wedig nichts mehr, das es nur „in limitierter Auflage“ gibt, bei dem es sich aber offensichtlich um eine aufgedruckte Unterschrift auf einem Foto handelt. Der jungen Schauspielerin möchte ich an dieser Stelle den Rat geben, sich in Zukunft vorher darüber zu informieren, welchen Produkten sie ihr Gesicht leiht. Denn nach dem Spielen dieses Titels ist der Ruf des Soap-Stars sicherlich nicht besser geworden.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Dance Party - Pop Hits | |
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| 1.0 | Grafik Schlechter ist nur ein schwarzer Bildschirm, wobei ich bei dieser Aussage ernsthaft ins Zweifeln gerate, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, sich das lilafarbene, omnipräsente Artwork und die lieblose Zappelfigur zu sparen und Dunkel zu zeigen. | |
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| 3.5 | Sound Zwei, vielleicht drei Titel kennt man, der Rest ist entweder neu zusammengemixt oder längst vergessener Trash von vor acht Jahren. Immerhin: Originalversionen. | |
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| 1.3 | Steuerung Tanzmattensteuerung versagt in schwereren Modi komplett, Steuerung über Nunchuk funktioniert ebenfalls nur bedingt, weil diagonale Bewegungen (mit dem Control-Stick, wohlgemerkt) nicht erkannt werden. Unnötig zu erwähnen, dass Stick-Steuerung bei einem Tanzspiel völlig sinnentleert ist. | |
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| 1.6 | Gameplay Langweiliges, unkoordiniertes und unkontrolliertes Bewegen der Füße wird gefordert, das keine Verbindung mehr zur laufenden Musik hat und zu keinem Zeitpunkt das Gefühl aufkommen lässt, dass man tanzen würde. | |
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| 1.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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Review: Dance Party - Pop Hits
HerstellerNordic Games
GenreTanzen
VersionPAL
Controller-VoraussetzungWii-Remot / Nunchuk oder Tanzmattencontroller (lieg bei)
Spieler1-4
SchwierigkeitsgradMittel
Altersempfehlung
Ohne Altersbeschränkung
60-Hz Modus
Ja
480p Modus
Ja
Widescreen Modus
Ja
DS Connectivity
Nein
Dolby Pro Logic II
Nein
Wifi-Connection
Nein
WiiConnect24 Support
Nein
Releaseerschienen
Preis (€)39,99
Innovationsfaktor
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