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Anno - Erschaffe eine neue Welt
Review von Tim Herrmann (mail) | 05.06.2009

Die Siedler und Anno – zwei große Namen aus zwei deutschen Spieleschmieden. Irgendwie scheinen die Deutschen gut zu sein in der Entwicklung von Spielen, bei denen es auf sorgfältiges Überlegen und vorausschauendes Handeln ankommt, schließlich sind auch Point & Click-Abenteuer à la Geheimakte 1 und 2 hierzulande bei Entwicklern und Konsumenten noch sehr populär. Besonders zwischen Anno und Die Siedler herrschte lange Zeit ein Kampf um den Genre-Thron des besten Simulationsspiels, den Ubisoft mittlerweile unter seinem eigenen Dach stattfinden lässt – schließlich hat sich der Publisher inzwischen die Rechte an beiden Marken gegönnt.
Als Ubisoft im Frühjahr dieses Jahres sang- und klanglos ein Spiel namens Anno – Erschaffe eine neue Welt für Wii und den Nintendo DS ankündigte, war nur wenig Euphorie zu verspüren. Die Neuankündigung erregte wenig Interesse und die Augen der Serienfans blieben eher an Anno 1404 kleben, das mit raffinierten Grafiken punkten will und im nächsten Monat erscheint. Allein der Untertitel des neuen Spiels und Ubisofts allgemeiner Ruf auf Wii machten die Fans schon skeptisch – warum folgt das Spiel nicht dem Schema von „Anno Jahreszahl X“? Fast alle erwarteten ein billig und schnell produziertes Spin-Off mit nicht zu Ende durchdachter Spielmechanik und unkontrollierter Steuerung. Doch was ist Anno – Erschaffe eine neue Welt für Wii wirklich geworden? Das können wir nun für euch in unserem Test klären.

Die Demo zu Anno 1404?
Der neue Hauptteil der Serie namens Anno 1404 erscheint im nächsten Monat und spielt sich seinem Titel entsprechend im Jahre 1404 ab. Hier entdecken wagemutige Pioniere den Orient, treiben Handel mit dem Nahen Osten und lassen sich erstmals dort nieder. Wie sieht es dagegen bei Anno – Erschaffe eine neue Welt aus? Auch dieses Spiel versetzt seine Spieler ins Jahr 1404 und auch in diesem Spiel spielt der Orient eine wichtige Rolle. Ist Anno für Wii also im Prinzip nur eine abgespeckte Demo-Version zum neuen, großen Haupttitel mit High-End-Grafiken?

Nein, das ist es nicht, weder im Prinzip noch in der Praxis: Anno – Erschaffe eine neue Welt ist ein vollkommen eigenständiges Spiel, das exklusiv für Wii entwickelt und entworfen wurde und dementsprechend nur von den Rahmenbedingungen her einige Parallelen zum bald erscheinenden Anno 1404 aufweist. Schon ein Blick auf die äußere Form beweist, dass wir es hier nicht mit einer gewollten, aber nicht gekonnten Portierung zu tun haben. Anno – Erschaffe eine neue Welt präsentiert sich weder im realistischen Glitzer-Look von Anno 1404 noch im Stile von SimCity Creator auf Wii, das einfach noch einmal so aussah wie das zehn Jahre alte SimCity 3000, welches aufgrund der nicht besonders weit fortgeschrittenen Technik als Comic-Realismus-Hybrid daher kam.

Im exklusiven Serienableger hat man sich für einen ebenso exklusiven Grafikstil entschieden. Es handelt sich dabei um einen Cartoon-Look mit vielen hellen, bunten und freundlichen Farben. Wer jetzt gleich wieder erbost aufspringt und seinem Bildschirm laut und energisch „Kinderspiel!“ entgegen brüllt, kann beruhigt werden. Was Anno auf Wii mit seinem Grafikstil macht, ist einfach schön anzusehen und in keinster Weise kindisch oder albern. Die Freundlichkeit der Grafik verbreitet gute Laune, ohne dabei besonders Kinder oder besonders Erwachsene ins Visier zu nehmen, und alle Animationen und Modelle fügen sich perfekt ins Konzept ein. Zum Beispiel baumeln Gebäude, die man in der Landschaft platzieren möchte, wie ein Fisch an einem Angelhaken, wenn man mit der Wii-Remote durchs Land schwenkt und einen geeigneten Platz sucht. Wenn die Bevölkerung neue Zivilisationsstufen erreicht, wackeln ihre Behausungen kurz wie Wackelpudding und machen dabei witzige Geräusche. Dabei benutzt das Spiel seine Comic-Grafik aber nicht als Alibi für schlechte Darstellungsqualität und miese Technik: Alles wird stets scharf dargestellt, läuft immer perfekt flüssig und sieht einfach erfrischend anders aus als der Möchtegernrealismus anderer Simulationen.



Was ist eigentlich Anno?
„Was macht man eigentlich in Anno?“, fragen sich jetzt vielleicht einige, die bisher noch keine Kontakte mit der auf dem PC heran gewachsenen Serie hatten. Bei Anno handelt es sich um eine Wirtschafts- und Aufbausimulation, die sich in längst vergangenen Jahrhunderten abspielt und euch als eine Art absolutistischer Kommunistenherrscher regieren lässt. Es ist eure Aufgabe, fremde Länder und Inseln zu erkunden und zu besiedeln. Dabei müsst ihr natürlich zunächst Pioniere anlocken, die sich auf dem unzivilisierten Eiland niederlassen wollen. Um ihnen erste Hütten zu bauen, braucht man Holz, das von einem Holzfäller geliefert werden kann. Nach und nach stellen die Pioniere immer höhere Anforderungen an eure Herrschaft und verlangen Zugang zu religiösen Einrichtungen, wollen Luxusgüter konsumieren und unterhalten werden. Ihr als spielender Herrscher sorgt dafür, dass alle diese Anforderungen erfüllt werden, und eure Untertanen bezahlen brav Steuern. Wenn alle Bedürfnisse erfüllt sind, steigen die Untertanen in der Zivilisationsstufe auf, was neue Gebäude freischaltet, die eure Produktion optimieren und Güter produzieren können, die für weitere Aufstiege oder Verbesserung der Lebensbedingungen nötig sind.

Das Konzept hat sich auch bei Anno – Erschaffe eine neue Welt nicht verändert, allerdings haben sich die Entwickler von keen games und blue byte auch nicht auf den uralten Ideen ausgeruht und hierum einfach eine neue Grafik und Steuerung gestrickt: Anno – Erschaffe eine neue Welt weist im Vergleich zum letzten Hauptteil der Serie, Anno 1701, einige bereichernde Veränderungen auf, die das Gameplay abwechslungsreicher gestalten, es umfangreicher machen und ihm neue Komponenten hinzufügen.

Dorthin für den, um dieses und jenes für einen anderen zu erledigen
Im neuesten Teil der Serie wird man oft auf Aufgabenketten stoßen. Hierbei steht ein großes, übergeordnetes Ziel am Ende, das man erreichen muss. Um dort allerdings hinzukommen, muss der Spieler erst einmal eine Reihe anderer vorbereitender Schritte unternehmen. Ein Beispiel aus der Spielpraxis: Ihr braucht eine revolutionäre Bewässerungstechnologie aus dem Orient, die ihr mit der Hilfe einer orientalischen Prinzessin bekommen wollt. Nachdem ihr sie aufgesucht habt, möchte diese allerdings zunächst eine seltene weiße Lilie geschenkt bekommen, die nur auf einer bestimmten Insel irgendwo im Ozean wächst. Um herauszufinden, um welche Insel es sich handelt, müsst ihr mit eurem Schiff auf den erkundbaren Teil des Meeres hinaussegeln und einen so genannten Spezialisten suchen. Er besitzt die Seekarte für den entsprechenden Teil des Ozeans, in dem man die Insel finden kann, verlangt dafür aber einen Tribut – zum Beispiel 80 Tonnen Holz. Nachdem ihr seine Forderungen erfüllt habt, wisst ihr zwar, wo die Insel liegt, könnt aber noch nicht dorthin gelangen, weil dazwischen drei Sektoren unerkundeten Meeres liegen. Um die Seekarten für die entsprechenden Sektoren freizuschalten, müsst ihr so genannte Verdienste erreichen, die euch das Spiel vorgibt. So wollen beispielsweise 10.000 Goldmünzen gesammelt oder drei Inseln bis zu einer bestimmten Bevölkerungsstufe besiedelt werden. Ihr seid hier frei, euch ein beliebiges Ziel auszuwählen, das ihr erfüllen möchtet. Automatisch meldet sich das Spiel, wenn ihr erfolgreich wart.

Schnell erkennbar: Der Story-Modus von Anno lässt seine Spieler von einer Ecke des Ozeans zur nächsten hetzen und nimmt ihm kein vorausschauendes Denken ab. Denn wer einfach eine Insel nach der anderen besiedelt und immer mehr Bewohner in sein Herrschaftsgebiet aufnimmt, wird irgendwann Probleme mit der Nahrungs- und Güterversorgung bekommen. Dann muss man sich entsprechend fruchtbare Gebiete suchen, mit einem Erkundungsschiff anlegen und eine neue Rohstoffsiedlung entwickeln, wo Güter nachproduziert werden. Doch Vorsicht, denn die Inseln sind unterschiedlich fruchtbar und so nicht alle immer zu gebrauchen.
Das ist die Besonderheit an Anno und auch an Anno – Erschaffe eine neue Welt. Das Prinzip kann unheimlich komplex sein, ist aber immer zu durchschauen und von Grund auf logisch, sodass sowohl die coole Oma als auch der alteingesessene Vielspieler seine Herausforderungen finden wird.

Geschmeidiges Gleiten durchs Inselparadies

Nicht nur den Comic-Grafikstil hat man perfekt auf Wii und das Publikum der Konsole zugeschnitten, sondern auch die Steuerung ist allein mit Nintendos Konsole im Hinterkopf geboren worden. Dreh- und Angelpunkt ist sinnigerweise der Pointer, mit dem man auf den Bildschirm zeigen und durch die Areale navigieren kann. Optional kann man die Nunchuk-Erweiterung anschließen und dann mit dem Control-Stick scrollen, was sehr angenehm und flüssig von der Hand geht.



Die Knopfbelegung konzentriert sich auf das Wesentliche und trifft damit voll ins Schwarze. Das Baumenü, das alle zwei Sekunden für neue Gebäude nötig wird, kann man durch einfachen Druck auf den B-Trigger öffnen, was ohne Fingerverrenkungen und lästige Zwischennavigation in Menüs vonstatten geht. Der Pointer wählt dann einfach Gebäudekategorie und Gebäude selbst aus und kann dann ein geeignetes Plätzchen auswählen, wo man die Farm, das Haus oder die Eisenmine mit dem A-Knopf errichten möchte. Ein bisschen schade: Ist ein Gebäude einmal gebaut, ist der Befehl abgeschlossen, man kann also nicht nacheinander durch fünf A-Klicks fünf Häuser bauen, sondern muss theoretisch jedes Mal wieder ins Baumenü. Doch auch dafür haben die Entwickler eine adäquate Lösung angeboten. Zeigt der Pointer nämlich auf ein Gebäude und drückt der Spieler dann den B-Knopf, wird das Bauwerk kopiert und man bekommt die Möglichkeit, dasselbe Modell an eine andere Stelle zu setzen.

Bei der Schiffsteuerung gibt Anno entweder dem Spieler das Steuerrad in die Hand und lässt das Schiff dem Pointer folgen oder lässt alternativ den Autopiloten zu einem vorbestimmten Ziel navigieren. Die Schifffahrt nimmt in Anno – Erschaffe eine neue Welt allgemein noch einmal einen größeren Stellenwert ein, als sie es früher getan hat. In vergangenen Anno-Teilen brauchte man seine Boote hauptsächlich, um von Insel zu Insel zu düsen, um Kontore zu gründen oder Krieg zu führen. Mittlerweile passiert auch auf dem Ozean selbst eine ganze Menge – Spezialisten kurven beispielsweise ab und zu durch die Gegend und können von euch angeheuert werden, sodass sie euren Inseln Spezialfähigkeiten verleihen. Oder ihr kauft euch auf dem Basar Schatzkarten und steuert dorthin, um euch Kisten voller Wertsachen anzueignen. Doch Vorsicht auf dem Rückweg: Korsaren haben bekanntermaßen einen sechsten Sinn für Schätze und werden versuchen, euch zu kapern, sobald sie euch zu fassen bekommen. All das wird auch immer übersichtlich auf der Karte dokumentiert, die ihr mit der höchsten der insgesamt fünf Zoomstufen oder durch Druck auf 1 erreicht.

Die Korsaren sind nur einer der Action-Aspekte von Anno – Erschaffe eine neue Welt. Auch die militärischen Auseinandersetzungen und Scharmützel sind wieder mit von der Partie und zwingen euch manchmal dazu, eure Kriegsschiffe mit Soldaten zu beladen, um ein Inselparadies zu verteidigen oder ein anderes vom Bösen zu befreien.

So geht das mit den Casual-Games!
Selbstredend bleibt das Spiel aber auch bei militärischen Auseinandersetzungen immer absolut jugendfrei und verzichtet auf Gewaltdarstellung, die bei diesem USK-0-Titel völlig fehl am Platze wäre. Nicht nur dieser Aspekt deutet darauf hin, dass Anno ein Spiel für jeden werden sollte – das typische Casual-Game. Doch bekanntermaßen kann man auch auf dem Sektor der Gelegenheitsspiele Spreu vom Weizen trennen. Und Anno – Erschaffe eine neue Welt gehört auf jeden Fall zum Weizen. Das Spiel ist von Schwierigkeitsgrad und Komplexität des Konzepts perfekt zwischen den Ansprüchen und Anforderungen an Gelegenheits- und Vielspieler ausbalanciert, sodass es tatsächlich jedem die Möglichkeit zum Spielen gibt.
Ab und zu kann es etwas lästig werden, wenn Cornelius Devenport, euer ständiger Berater, jede Minute das Missionsziel vorträgt, damit es auch ja jeder versteht. Aber vom Spiel her ist Anno – Erschaffe eine neue Welt das beste Beispiel für ein so genanntes Brückenspiel, das sich nicht auf eine Zielgruppe versteift und trotzdem ein sehr guter Titel ist.

Leider wird man nach Beendigung der ca. acht Stunden langen Kampagne nur noch im Endlosmodus toben können, wo man dann siedeln kann, bis man schwarz wird. Ein breiter gefächertes Angebot an Spielmodi wäre das Sahnehäubchen gewesen, auch wenn es natürlich schwierig ist, bei einer Aufbau- und Wirtschaftssimulation zusätzliche Modi einzubringen.

Fazit:
Anno – Erschaffe eine neue Welt ist exakt das, was wir auf Wii sehen wollen – eine echte Exklusiventwicklung mit komplett zu Ende gedachter Steuerung, einem einzigartigen, sauberen und sehr hübsch anzusehenden Grafikstil und frischen neuen Spielelementen in einer renommierten Spieleserie. Anno für Wii fühlt sich dank vieler kleiner Neuerungen frisch und neu an, obwohl das Prinzip grundlegend beibehalten worden ist und immer noch so gut funktioniert wie immer. Obwohl das Spiel deutlich auch Wenigspieler und Serienneulinge anspricht, verliert es sich nicht in Anspruchslosigkeit und Kompromissen, sondern bietet allen Gruppen eine interessante Spielerfahrung mit meistens perfekt funktionierender Steuerung, makelloser Optik und komplett deutscher Sprachausgabe.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Anno - Erschaffe eine neue Welt
Wertungen Beschreibung
8.5Grafik
Comic-Look in satten und bunten Farben, der nicht ins Kindische verfällt und perfekt mit dem Spiel funktioniert. Keine grafischen Fehler, perfekte Flüssigkeit.
8.3Sound
Teilweise wirkt die Sprachausgabe etwas steif, aber ansonsten gibt es nichts zu bemängeln. Das gesamte Spiel ist in deutscher Sprache gehalten und wartet immer wieder mit lustigen Sprachsamples und Dialogen auf.
9.2Steuerung
Die Kombination mit Wii-Remote und Pointer funktioniert perfekt. Der Zeiger flitzt blitzschnell über den Bildschirm und lässt genauso wie die Knopfbelegung keine Wünsche offen.
8.9Gameplay
Das Anno-Gameplay funktioniert auch auf Wii hervorragend und wird unterstützt von zahlreichen neuen Spielideen. Schade, dass die Geschichte bereits nach ca. acht Stunden zu Ende ist und darüber hinaus nicht mehr allzu viel geboten wird.
8.9Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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