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MotoGP
Review von Lars Peterke (mail) | 15.09.2009

Wenn es einen leidigen Fakt für Nintendo-Jünger gibt, den man den Herren in Kyoto fortwährend vorwerfen kann, dann ist es ein fehlendes Realismus-Rennspiel für Nintendos Heimkonsolen. Während Microsoft recht flott erkannte, dass man eine entsprechende Marke benötigt, und daraufhin Project Gotham Racing schuf, ist Sony mit Gran Tourismo sowieso anerkannter Platzhirsch des Genres. Aber auf der Wii gibt es bislang keine ernsten Alternativen. Doch das könnte sich jetzt ändern. Mit MotoGP bringt Capcom ein Motorradrennspiel, das genau in diese unausgefüllte Genre-Sparte auf der Wii einschlägt. Grund genug für einen Kauf? Wir haben uns für euch aufs Zweirad geschwungen und ein paar Testrunden gedreht.

Für jeden etwas dabei
Wer MotoGP zum ersten Mal startet, bekommt im Hauptmenü direkt einen Vorgeschmack auf das Spielkonzept. In einer Menüauswahl wird euch zuallererst ein Lernprogramm angeboten. Hierbei werdet ihr einfach in ein Rennen geworfen und dürft ohne Vorgaben losheizen. Sinn des Ganzen: Ihr könnt euch ganz unbelastet mit der Steuerung vertraut machen und bekommt beim Beenden des Modus eine Empfehlung, wie ihr MotoGP am besten spielen solltet. Das Spiel bietet einem drei verschiedene Modi, die jeweils ein unterschiedliches Spielgefühl vermitteln. Der erste Modus ist „Arcade“ und verspricht lässiges Rumheizen, während „Fortgeschritten“ etwas mehr Wert auf ausgefeiltes Handling legt. Der Modus „MotoGP“ ist schließlich die Spitze des Realismus, welches euch das Spiel bietet. Hier bricht euer Motorrad bei scharfen Kurven schneller aus, als ihr „Wheelie!“ rufen könnt und auch leichte Kollisionen mit euren Mitstreitern haben einen Sturz eures Fahrers zur Folge. Zusätzlich zu diesen drei Spielmodi kann noch eine Schwierigkeitsstufe gewählt werden, die sich auf die KI und das Fahrverhalten der Gegner auswirkt. Damit schafft MotoGP einen ersten Rundumschlag. Alle Spielertypen werden befriedigt, finden ihre passende Einstellung und haben so genug Herausforderung.



MotoGP bietet im Hauptmenü anschließend sechs unterschiedliche Modi. Zwei dieser Modi sind „Einzelrennen“ und „Zeitrennen“, die nun wirklich nicht ausschweifend erläutert werden müssen. Hier tobt man sich entweder bei einer schnellen Runde aus oder übt auf den einzelnen Kursen und verbessert seine Bestzeit. Dabei habt ihr individuelle Einstellungsmöglichkeiten und könnt beispielsweise ein Einzelrennen auf jeder Strecke unter allen verfügbaren Bedingungen und Spielmodi fahren. Erster Anlaufpunkt für Spieler wird aber wohl der Karriere-Modus sein. In diesem spielt ihr fünf Jahre lang als ein Teilnehmer bei der MotoGP-Liga und müsst versuchen, der Champion zu werden. Jedes Jahr entspricht dabei einer Saison, in der ihr möglichst viele Siege einfahren müsst. So werden bessere Teams auf euch aufmerksam, ihr schaltet neue Gegenstände frei und könnt in der nächsten Saison in einer besseren Motorklasse fahren (125cm³, 250cm³ und schließlich GP).

Beim Beginn eurer Karriere wählt ihr aus den eingangs erläuterten Modi „Arcade“, „Fortgeschritten“ oder „MotoGP“ und legt zudem Schwierigkeitsgrad und Details wie Rundenzahl pro Rennen fest. Anschließend geht es Stück für Stück von Kurs zu Kurs. Jeder wird dabei durch ein nettes Intro eingeleitet und gliedert sich dann in ein freies Training, das Qualifizierungsrennen sowie das Hauptrennen. Hier muss man sich übrigens nicht ewig aufhalten, sondern kann bei Bedarf direkt das Rennen starten und danach zum nächsten Kurs voranschreiten. Durch einige Konfigurationsmenüs vor dem Rennen wird zudem etwas Raffinesse ins Spiel gebracht und ihr könnt euer Gefährt unter anderem mit unterschiedlicher Bereifung für das Rennen wappnen. Wer diesen Spaß nicht so immens lange mitmachen will, der wählt im Hauptmenü lieber den WM-Modus, bei dem es nur eine WM-Saison zu spielen gilt. Hier heißt es Gewinnen oder in den Asphalt beißen. Bei beiden Modi profitiert der Racer von der offiziellen MotoGP-Lizenz. Einblendungen im Spiel sorgen für Authentizität und alle offiziellen Fahrer- und Teamnamen sind im Spiel vorhanden. Ferner wird eine gute Brücke zwischen Realismus und Arcade geschlagen. Wo Spiele wie Gran Tourismo durch ihre Komplexität einige potentielle Spieler abschrecken, ist MotoGP nicht zu komplex, aber auch nicht zu simpel, um als halbgare Lizenzversoftung anzumuten.

MotoGP bietet zwar keine Online-Modi, kann aber immerhin mit einem Multiplayer-Modus für zwei Spieler aufwarten. Hier könnt ihr Einzelrennen, Zeitrennen oder eine WM gegen einen Kumpel spielen. Dabei habt ihr dieselben Freiheiten beim Konfigurieren der Modi und eurer Fahrzeuge. Dennoch hat man hier eindeutig Potential verschenkt. Online-Duelle wären eine feine Sache gewesen und Ranglisten und Bestzeitlisten hätten einige Spieler sicherlich motiviert, mehr Zeit in MotoGP zu investieren. So bleibt es hier lediglich beim netten Duell für zwischendurch.

Rennsimulation oder gute Rennsimulation?
Spielerisch liefert MotoGP einen guten Ersteindruck ab. Dies liegt besonders an den gut durchdachten Steuerungsschemata, die bis auf eine Variante durchweg gut funktionieren. Generell wählt ihr hier zwischen einer Steuerung nur mit der Wii-Fernbedienung und einer Konfiguration, die das Nunchuk mit einbezieht. Erstere entspricht der Standardkonfiguration, wie man sie von Mario Kart, Cars oder den Need for Speed-Titeln kennt. Spielt ihr mit dem Nunchuk, wird via Controlstick gelenkt und ihr müsst die Wii-Fernbedienung nicht nach links und rechts neigen. Hier ist anzumerken: Die Entwickler haben sich bei der Kalibrierung der Steuerung durchaus Mühe gegeben, sodass man selbst ohne Nunchuk akkurat lenken kann. Einziger Kritikpunkt: Leider hat man die dominierende Knopfsteuerung nicht in den Menüs angewendet. Pausiert ihr zum Beispiel ein laufendes Rennen, erfolgt die Menünavigation mit dem Pointer. Das bedeutet nerviges Umdrehen der Wii-Fernbedienung und böses Abdriften des Fahrzeugs, wenn ihr das Menü wieder verlasst und eure Wii-Fernbedienung gerade in falscher Position liegt.

So gut das bisher alles klingt: Einen dicken und offensichtlichen Fauxpas, der sofort auffällt, hat sich Capcom respektive der Entwickler Milestone dann doch geleistet. Wir sind bei der Spielgrafik angelangt und es ist schwer, passende Worte dafür zu finden, bedenkt man, was Gran Tourismo 4 auf der PS2 vollbracht hat. Dagegen lässt sich MotoGP nur bei frühen Dreamcast-Titeln einsortieren. Hier kann es dann mit anderen Genrevertretern um die kargste Umgebungsgrafik, die lebloseste Tribünengestaltung und die nicht vorhandenen Licht- und Schatteneffekte streiten. Das ist kein Nichts…das ist fortgeschrittenes Nichts! Applaus an die Entwickler Milestone, die hier für einen astreinen Kahlschlag im Vergleich zu den HD-Versionen gesorgt haben.



Leider beläuft sich diese Feststellung nicht nur auf die Grafik, sondern wirkt sich auch auf den Sound des Spiels aus. Das einzige, was aus der lobenswerten Tracklist der HD-Versionen übrig geblieben ist, ist der Track „Black Euro“ von Disco Ensemble. Und der läuft nur im Intro. Während des gesamten Spiels (mal vom Hauptmenü abgesehen) müsst ihr ohne Musik auskommen. Das sorgt auch dafür, dass ihr volle Konzentration auf die Motorengeräusche habt, die sich dann als auf Dauer recht nervig entpuppen.

MotoGP, es geht bergab. Während man die obige Kritik sicher als „grobe Schnitzer in der Präsentation“ abhandeln kann, verhält es sich mit dem folgenden Aspekt nicht so leicht: Der Langzeitmotivation. Leider offeriert das Spiel einem hier nicht sonderlich viel Abwechslung. 15 unterschiedliche Strecken, die grafisch dann leider doch nicht so unterschiedlich sind motivieren genau so wenig zum weiterspielen wie endlos heulende Motoren, die mangels Musik die einzige zu erwähnende Akustik des Spiels sind. Da fällt einem zum Beispiel das hervorragende Racer Driver: GRID ein, bei dem einen eine sexy Frauenstimme mit klugen Sprüchen durch die Menüs führt, man seine eigenen Vehikel farblich personalisiert, einen eigenen Teamnamen wählt und sich schon während des audiovisuell hochwertigen Rennens schon auf die fetzig zusammengeschnittenen Replay-Sequenzen freut.

Bei MotoGP ist es dann leider gänzlich anders. Wenn man sich hier vorstellt, passiv zuzusehen, dann käme man spätestens beim dritten Rennen nicht darum herum zu sagen: „Du, ist ja nett, aber kannst du jetzt bitte wieder Mario Kart anmachen?“. Auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt überzogen klingt, muss hier ganz klar gesagt werden: MotoGP fehlt es an Feuerwerk. An kleinen Explosionen, die den Spieler motivieren. Denn einfach ein Introvideo eines Kurses aus der HD-Version abzuspielen, um den Spieler dann vor die reduzierte Dreamcast-Fassung des Ganzen zu setzen ist einfach nur demotivierend.

Fazit:
Theoretisch hätte das hier ein echter Heimvorteil für Capcom werden können, die zusammen mit Milestone nicht das erste MotoGP herausbringen und auf den anderen Plattformen mit der Marke auch solide Titel abgeliefert haben. Hauptproblem der hier deutlich schwächeren Wii-Variante ist in erster Linie die von Faulheit geprägte Minimierung der Features, weil es wohl keine Möglichkeit gab, die Wii etwas auszureizen. Wo spielerisch mehr als nur solide gearbeitet wurde, die Steuerung funktioniert und das Spiel nie ruckelt, da nimmt die verkorkste Präsentation dem Spiel jegliches Feuer, das es nun einmal braucht, um den geneigten Spieler richtig für sich zu begeistern und ihn länger zu motivieren. So verliert man aber leider viel zu schnell die Lust am Spiel und man ertappt sich irgendwann beim Vorbeischlendern an seinem Wii-Regal bei dem Gedanken „Oh, Mensch! MotoGP! Das habe ich echt lang nicht mehr gespielt. Aber irgendwie habe ich jetzt auch keine Lust…“. Wer sich nicht daran stört, dass es bei MotoGP nur leise zischt und nicht laut knallt, der kann einen Blick riskieren und ein paar Runden drehen. Denn spielerisch funktioniert das Spiel. Allein das hebt den Titel traurigerweise etwas von der großen Wii-Masse ab. Für einen Stempel zum ersten wirklich kaufenswerten Realismusracer für die Wii reicht es so aber bei Weitem nicht. Und die kleine Anekdote am Schluss: Eigentlich heißt dieses Spiel „MotoGP 08“. Schon blöd wenn das Spiel dann des Öfteren verschoben wird. Da muss dann halt der Name geändert werden. Aber danke für den Booklet-Hinweis „Da der MotoGP eine laufende Veranstaltung ist, entsprechen möglicherweise nicht alle Spielstatistiken für das Jahr 2008 dem aktuellen Stand“.

Von Lars Peterke
Wertung für das Spiel MotoGP
Wertungen Beschreibung
4.7Grafik
Nein, nein, nein! Detailarmer als Need for Speed. Aber zumindest läuft’s flüssig.
5.0Sound
Weggekürzter Soundtrack und auf Dauer nervendes Motorengeheule.
7.9Steuerung
Recht gut abgestimmte und funktionale Steuerung mit der Wii-Fernbedienung und optional mit dem Nunchuk.
6.6Gameplay
Eine wirklich akzeptable Spielbarkeit, der es aber an Akzenten fehlt, um längere Zeit zu begeistern.
6.3Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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