Review von Tim Herrmann (mail) | 06.04.2009
Einige Spiele sind schlecht und andere gut - ein Kerngedanke beim Testen von Videospielen. Ganz so leicht wird es den kritischen Augen von uns Videospieltestern aber nicht immer gemacht, denn es gibt innerhalb dieser zwei groben Gruppen noch zahlreiche diffizile Abstufungen, die den letztendlichen Eindruck maßgeblich prägen, den ein Spiel bei seinem Tester hinterlässt. Ein Aspekt, der ein besonderes Phänomen hervor ruft, ist der Trash-Faktor. Spielerische Abstrusitäten können unabhängig von ihrer Qualität manchmal lustig zu testen und ab und zu sogar lustig zu spielen sein, weil das Konzept, die Charaktere oder die Geschichte so abgedreht, schlecht und / oder ungewöhnlich sind, dass sie schon wieder unterhalten. „Das Zauberkarussell“ war eines dieser Spiele, das aus eben diesem Aspekt heraus recht schnell einen Tester gefunden hat. Denn der Hauptcharakter ist ein Hund mit wallender Fellmähne, die ihm irgendwie den Look eines schwebenden Langhaarhockers gibt und der dementsprechend leicht… nunja, trashig aussieht. Aber ist das Spiel tatsächlich ein Griff in die Tonne oder ein unterhaltsamer Exot?
Erst nach dem lauten „Hier!“-Schrei bei der Vergabe der Testmuster offenbarte eine nähere Recherche, dass „Das Zauberkarussell“ keine Erfindung seines Videospielpublishers (in diesem Falle Deep Silver) war. Viel mehr existiert eine Kinderserie mit gleichem Namen schon seit Jahren. In Frankreich, ihrem Heimatland, sogar schon seit Jahrzehnten. „Le manège enchanté“ heißt das Format im Original, in dem à la Sandmännchen eine kurze, kindgerechte Fünf-Minuten-Story mit anschließendem Ins-Bett-Geh-Befehl erzählt wurde. Protagonisten sind ein merkwürdiger schnauzbärtiger Zauberer namens Zebulon, ein kleines Mädchen namens Margot (Margot?!), ein paar sprechende Bauernhofviecher und eben der lustige Hund namens Pollux. Zunächst denkt man bei dem wallenden Fell bis zum Boden entweder an eine Natur belassene Öko-Hippy-Bitch (also ein Hundeweibchen, natürlich) oder an einen metrosexuellen Rüden, der täglich auf die ausgiebige Haarkur mit Eigelb und verschiedenen Zaubermittelchen setzt. Keins von beidem ist aber der Fall, denn spätestens bei der ersten Filmsequenz hört man Pollux mit tiefer Bello-Stimme knurren, die ungefähr genauso passend zum Äußerlichen des Charakters ist wie friesischer Akzent für Edmund Stoiber.
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Point & Click & Minispiel
Wie dem auch sei: Lustigerweise übernimmt Pollux im Videospiel, das sich optisch an einem animierten 3D-Kinofilm aus den letzten Jahren orientiert, die Hautptrolle und schwebt leichtfüßig und mit fliegender und flatternder Haarpracht durch die idyllische Landschaft. Die schnell abgehandelte Rahmengeschichte befiehlt ihm, allen seinen guten, liebenswerten Freunden aus christlich wertvoller Nächstenliebe zu helfen (und am Ende als Sieger am „Tag der besonderen Freundschaft“ dazustehen). Eine einfallsreiche Geschichte für ein einfallsreiches Spiel. Denn das Konzept präsentiert sich in Form einer Mischung aus einem extrem anspruchslosen Point & Click-„Abenteuer“ mit einer wesentlich konventionelleren Minispielsammlung. Der Pointer der Fernbedienung manövriert euch durch die Gegend, während in Minispielen für jeden der Charaktere mindestens eine kleine Aufgabe erfüllt werden muss. Insgesamt gibt es ca. 20 Minispiele. Ab und zu redet ihr mit bekannten TV-Stars aus der Serie und bekommt kleine Suchaufträge verpasst.
Zunächst einmal hört sich dieses Spielprinzip ja nicht unbedingt nach dem Hardcoretitel an, auf den die Wii-Gemeinde gewartet hat. Aber näher betrachtet ist das Spiel trotzdem ziemlich hardcore – für die Zielgruppe, die es ansprechen will, auf jeden Fall. Die Minispiele können nämlich überraschend anspruchsvoll werden – Anspruch hierbei auf den Schwierigkeitsgrad umgemünzt - und überraschen (in einigen wenigen Fällen, zugegebenermaßen) selbst erfahrene Spieler mit den hohen Anforderungen. Einmal sollen zum Beispiel Luftballons mit Pullox’ Blasrohr (Haha, DER Hund mit einem Blasrohr…) zerschossen werden. Und während in den ersten Stufen noch erwartungsgemäß sekundenlange Pausen zwischen den einzelnen Schüssen bestehen, kommen am Ende acht Luftballons auf einmal in den Bildschirm und der Spieler muss schießen, schießen, einige Ballons zweimal treffen und sich dann auch noch mit einem etwas lahmenden Pointer und Pollux’ geringem Lungenvolumen herumschlagen, das dazu führt, dass man nicht ohne Unterlass feuern darf. Es ist im Test tatsächlich geschehen, dass ich auch noch im zweiten Anlauf an einem Ballonschussminispiel gescheitert bin. Und es gibt doch stark zu denken, dass es sich bei dem darum gestrickten Titel eigentlich um ein Spiel für Fünfjährige handelt.
Auch ansonsten sind die aufgetragenen Aufgaben der Spielcharaktere nicht immer ein einfaches „Ja, mach’ ich gleich mal“, sondern ein akribisches Suchen ohne Orientierung oder Hinweise und Tipps auf der Karte. Ob die Entwickler ihre jungen Spieler hier nicht vielleicht doch etwas überschätzen oder ob sie die Massenkompatibilität des Franchises bei der Entwicklung von „Das Zauberkarussell“ maßlos falsch eingeschätzt haben, sollte man einmal genauer hinterfragen.
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Haha, der Hund!
Neben der Meckerei über einen teils zu hohen Schwierigkeitsgrad muss man auch die geringe spielerische Abwechslung anprangern, die in Anbetracht der Zielgruppe aber eigentlich nicht allzu schwer ins Gewicht fällt: Pollux läuft munter nach Point & Click-Manier durch die Gegend (was in den ersten zwanzig Sekunden immerhin unterhaltsam aussieht), redet mit liebenswürdigen und gutherzigen Freunden und durchsucht Mülltonnen, Baumstämme oder Blumenkübel mithilfe vorgegebener Wiimote-Bewegungen, wo er dann merkwürdige Extrapunkte und freispielbare Extras findet. Ab und zu mischt sich dann auch eine Zwischensequenz ins Spielgeschehen, die komplett Deutsch synchronisiert ist und auf den kindlichen Charme der Fernsehserie anspielt.
Grafisch bewegt sich das Spiel natürlich so ziemlich auf dem untersten Niveau. Die Texturen sind matschig, die Kanten von Gegenständen und Charaktermodellen flimmern wie Hitze in der Sahara und die ganze Gegend ist extrem detailarm gestaltet. Während die jungen Spieler sich über Texturfehler wenig aufregen werden, könnte schon eine leichte Enttäuschung einkehren, wenn sie bemerken, dass die einzigen Interaktionsobjekte Charaktere und Blumenkübel sind. Immerhin ist das kultige Design des bellenden Hauptcharakters und Haarmodels immer wieder einen Lacher wert.
Der Sound dagegen ist wirklich ganz schrecklich und nur für alle im einstelligen Altersbereich überhaupt erträglich. Während es an der Sprachausgabe (besonders bei der herrlich unpassenden und dadurch ungewollt komischen Pollux-Stimme) nichts zu bemängeln gibt, hört man im Hintergrund in Endlosschleife Glockenspielklingeln in Verbindung mit unaufhörlich hämmernden Beats im Hintergrund und einem unglaublichen „Die Welt ist schön und es gibt nichts Böses“-Flair.
Fazit: Für die Zielgruppe, die es anspricht, ist „Das Zauberkarussell“ ein annehmbarer Titel. Alle über Acht sollten aber schon nach den ersten Zeilen bemerkt haben, dass sie mit anderen Titeln sehr viel besser bedient sein werden. Uneingeschränkt empfehlenswert ist „Das Zauberkarussell“ für Hilfe suchende Eltern aber nicht, denn das im Grunde kinderfreundliche Heile-Welt-Konzept wird getrübt von langweiligen und teils deutlich zu schwierigen oder undurchsichtigen Spielaufgaben und monotonem Hin- und Herrennen. So bleibt „Das Zauberkarussell“ ein Spiel mit wenig Geschichte, das den Seriencharme für kleine Kinder nur in den Protagonisten bietet und ansonsten lediglich mit einem herrlich lustigen zotteligen Hauptcharakter für ein paar Momente punkten kann.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Das Zauberkarussell | |
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| 5.5 | Grafik Miese Texturen, langweilig gestaltete Umgebung, dafür lustige Charaktermodelle. | |
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| 4.8 | Sound Nervtötendes Glockenspielgedudel ohne Unterlass. Dafür aber gute Sprachausgabe. | |
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| 7.0 | Steuerung Recht problemlose Point & Click Kontrolle, die nur auf den A-Knopf, den Pointer und die Bewegungssensoren setzt. | |
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| 5.2 | Gameplay Langweiliges, anspruchsloses und dadurch vielleicht schon wieder zielgruppengerechtes Hin- und Herlaufen. Allerdings manchmal überdrehter Schwierigkeitsgrad, der nicht auf kleine Kinder angelegt sein kann. | |
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| 5.7 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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