Review von Marian Wehmeier (mail) | 24.11.2009
Füße fliegen, Köpfe rollen, und das Blut spritzt wie Farbe beim Actionpainting. Sega serviert neue Shooter-Kost, die, möglicherweise als kalkulierter Marketingzug, schon vorab für Schlagzeilen sorgt. Denn mit 189 "Fucks" ist The House of the Dead Overkill der Platz im Guiness-Buch der Rekorde sicher - in keinem anderen Videospiel fallen mehr Schimpfwörter. Rekordverdächtig wären sicher auch die Hektoliter Blut, die im Spiel zu sehen sind. Denn die Halbtoten, die sich Agent G und Isaac Washington auf ihrer Jagd nach dem tückischen Caesar in den Weg stellen, verlieren davon ziemlich viel.
Das sind nur zwei Aspekte, die erahnen lassen, warum Sega seinen neusten Lightgun-Shooter gar nicht erst in Deutschland vertreibt - beim derzeitigen politischen Klima überhaupt eine weise Entscheidung. Dabei sind die vulgären Wortexzesse und der übertriebende Akt der Gewalt nur Mittel zum Zweck. Sie machen aus einer storyarmen Zombieballerei ein kolossal-trashiges B-Horror-Movie, das man spielen kann.
Playboy-Cop trifft stoischen AMS-Agenten
Als in Bayou City auf mysteriöse Weise Menschen verschwinden, wird der AMS-Agent G beauftragt, den vermeintlichen Fädenzieher Caesar zu fassen. Doch es soll kein Routine-Einsatz werden: Denn vor und in dem Landhaus, in dem sich Caesar verschanzt hat, streunen Horden von schlechtgelaunter Mutanten umher. G verbündet sich mit dem draufgängerischen Ermittler Isaac Washington, dessen Vater Caesar auf dem Gewissen haben soll. Doch Caesar entkommt, eine waghalsige Verfolgungsjagd beginnt.
Wie alle anderen Teile der House of the Dead-Serie gibt auch Overkill eine Route vor, sodass sich der Spieler voll aufs Schießen konzentrieren kann. Dazu wird der Remote-Pointer zum Fadenkreuz. Die Jagd auf Caesar erstreckt sich über sieben Level, die wie kleine Filmchen aufbearbeitet sind. Ein Off-Kommentator, der gelegentlich die Fluchteppiche von Isaac Washington eindämmt, erzählt die Story.
Diese Story hetzt die Verfolger durch mooriges Sumpfland und ramponierte Zugabteile, in einem Klinikum lauern großbusige Krankenschwesterzombies, mutierte Knackis mucken im Gefängnis auf. Aber nicht nur das Töten und Überleben zählt. Durch das Retten von Zivilisten und Sammeln von verstreuten Symbolen kriegt man Punkte gutgeschrieben, die später in neue Waffen investiert werden können. So weicht die Standard-Magnum bald Uzis und Automatic-Shotguns.

Weniger als ein Lightgun-Shooter
Im Gegensatz zu Genrekollegen wie Confidential Mission oder The House of the Dead II wurde Overkill nicht für die Spielhalle programmiert. Das macht sich vorallem dadurch bemerkbar, dass die einzelnen Level seperat voneinander getrennt sind: Die einzelnen Zwischensequenzen sind zwar an sich ganz cool, rauben dem Spiel aber leider sehr viel Dynamik. Trifftiger wiegt dagegen, dass die genretypischen Routengabelungen komplett fehlen. Zwar wird nach dem einmaligen Durchspielen des Storymodus der Directors Cut-Modus freigeschaltet, in dem das ganze Spiel noch einmal mit abgewandelter Route gespielt werden kann. Die Interaktion und die Suche nach versteckten Wegen, die den Vorgängern so viel replay-value gegeben haben, fallen so jedoch gänzlich weg. Overkill ist, so gesehen, weniger als ein gewöhnlicher Lightgun-Shooter - alles reduziert sich aufs Schießen.
Darüber hinaus ist der Schwierigkeitsgrad kaum der Rede wert. Da die Level, nachdem man sie einmal geschafft hat, einzeln ausgewählt werden können, ist es sowieso schon keine Kunst, das Spiel durchzuspielen. Hinzu kommt, dass man sich schon nach den ersten drei, vier Level mit Waffen ausrüsten kann, die den Mutanten keine Chance lassen. Selbst der schwierigere Directors Cut, bei dem man für jedes Level komfortable drei Credits bekommt (also 21 Credits für das gesamte Spiel), wirkt kinderleicht. Da hilft es auch nichts, dass Overkill mit gut drei Stunden Spielzeit einer der umfangsreichsten Shooter von Sega ist. Auch die Endgegner sind ohne große Mühe schlagbar. Es stellt sich wirklich die Frage, warum Sega die arcadetypischen Mechanismen über den Haufen geworfen hat. Müsste man das Spiel in einem Stück mit maximal neun Credits plus versteckten Routen bewältigen - spieltechnisch also an The House of the Dead II anknüpfend -, wäre Overkill ein wahrer Genrehit geworden.
Popkultur und Minispiele
Doch nicht alles, was neu ist, ist schlecht. So gibt es zahlreiche popkulturelle Querverweise. Der erste Endgegner z.B. entpuppt sich gleich als ein Bastard aus Stephen Hawking und Harry Potter, ehe er mutiert und fliegend mit Tonnen oder losen Körperteilen um sich wirft - eine nette Hommage an den Magician aus den ersten beiden Teilen der Serie. Dann durchstreifen Agent G und Isaac Washington eine Spielhölle, in der ein Ghost Squad-Automat steht, und fühlen sich in einer Szene mit vielen Vögeln an einen gewissen Film von Alfred Hitchcock erinnert.
Auch der "Slow Mo-Fo"-Modus ist eine willkommende Neuerung. Der durch das Abschießen eines grünen Molekülstruktur-Symbols ausgelöste Modus versetzt das Spielgeschehen für Sekunden in Zeitlupe, sodass die Mutanten gezielt abgeschossen werden können. Dadurch lassen sich - auch das ist neu - Combos erzielen, die nicht nur Highscorepunkte einbringen, sondern auch im Menüpunkt Memorabilia Extras Grafiken und 3D-Modelle freischalten.
Neben dem Spiel an sich gibt es noch drei Minispiele, die mit bis zu drei weiteren Freunden gespielt werden können: Bei Stayin' Alive gilt es so lange wie möglich zu überleben, in Victim Support müssen Zivilisten gerettet werden und Money Shot II erinnert an einen Kirmesstand, bei dem man mit Luftgewehren auf bewegliche Ziele schießen muss.

Momente wie diese
Was Overkill jedoch zu einem gefälligen Spiel macht, sind nicht diese kleinen Neuerungen und Extras, sondern die audiovisuelle Präsentation, der kantige Humor und die abgedrehte Story. Sie machen das Spiel zu einem interaktiven Film, der nicht selten in tarantino'esken Dialogkaugummis abdriftet. Man stelle sich vor: Zwei ungleiche Partner feuern sich durch Stampeden von Halbtoten, geraten eher zufällig auf einen Zombie-Jahrmarkt mit bunten Horrorclowns, treffen eine toughe Stripperin und verfolgen Caesar - eine der herzlichsten Szenen überhaupt - in einem Eiswagen. Momente wie diese sind es, die Overkill ausmachen.
Auch die Grafik überzeugt. Die Hauptprotagonisten und die Zombies bewegen sich realistisch und sind vortrefflich designt (Agent G wurde Keanu Reeves nachempfunden, Issac Washington dem Rapper Common). Die Detailverliebtheit geht hingegen soweit, dass man seinen Gegnern sogar einzelne Körperteile abschießen kann - ein gezielter Schuss auf die Beine z.B. bringt jeden Zombie zu Fall.
Die Level sind abwechselungsreich arrangiert und warten immer wieder mit Überraschungen auf. Das Sumpfland und das Gefängnis fallen leider etwas zu eintönig aus, während die meist farbenfrohen Kulissen, gerade im Coop-Modus mit einem Mitspieler, von lästigen Framerate-Einbrüchen begleitet werden. Filmeffekte wie der Störungsfilter, der dem Spiel einen Siebzigerjahre-Touch gibt, und der massige Gore-Faktor verwandeln Overkill schließlich in eine Art B-Horror-Movie. Die Dialoge, die von witzig über übertrieben bis geschmackslos tangieren, tun ihren Rest. Neben den Dialogen gibt es noch Schussgeräusche und Mutantenstöhnen sowie einen Soundtrack, der so gar nicht zu passen scheint, gerade deswegen genau passt und die ganze Szenerie oft gekonnt karikiert.
Fazit: The House of the Dead Overkill ist ein umfangreicher Shooter mit viel Potenzial - dessen Schwierigkeitsgrad leider so gering ausfällt, dass man sehr schnell alles gesehen hat. Die freischaltbaren Extras sind zwar eine nette Beilage, doch regen nicht dazu an, alles noch einmal durchzuspielen. Hätte sich Sega etwas mehr an den Vorgängern orientiert und weder Routengabelungen abgeschafft noch die freie Levelauswahl nach einmaligem Schaffen eingebaut, wäre der Spielspaß konserviert worden. So bleibt Overkill unterm Strich ein wirklich spaßiger, übertrieben brutaler Lightgun-Shooter mit wenig Langzeitmovitation und viel Schabernack. Bis auf wenige Ausnahmen ein technisch einwandfreier Titel, der im Regal von Genreliebhabern nicht fehlen sollte.
Von Marian Wehmeier
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| Wertung für das Spiel The House of the Dead Overkill | |
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| 8.5 | Grafik Gelungende Präsentation mit meist hübschen Arealen, feinen Details und vortrefflichen Charaktermodellen. Eine große Leistung für Wii-Verhältnisse, die allerdings in den Framerate-Einbrüchen, die gerade im Coop-Modus eklatant sind, ihren Tribut zollt. | |
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| 8.0 | Sound Die Dialoge sind teils etwas zu übertrieben, doch sorgen oft für heitere Momente. Die Musikuntermalung dürfte hingegen nicht jedem gefallen. Die Soundeffekte sind angemessen. | |
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| 9.0 | Steuerung Die Wii-Remote lässt sich problemlos zur Pistole umfunktionieren - sehr selten nur hat man das Gefühl, die Zielvorrichtung sei etwas unpräzise. Ein Pistolenaufsatz sei, will man das Spiel in vollen Zügen genießen, empfohlen. | |
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| 8.1 | Gameplay Es macht Spaß, sich durch die umfangreichen Level zu schießen. Aufgrund des leichten Schwierigkeitsgrads sieht man den letzten Gegner jedoch viel zu schnell. Nach dem dritten, vierten Durchspielen hat man alles gesehen. | |
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| 8.3 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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