Review von Tim Herrmann (mail) | 16.03.2009
Das Symbol für den neuen Lifestyle-Charakter von Nintendo und besonders von Wii ist sicherlich das Spiel, das so gut wie jeder Besitzer der kleinen, weißen Maschine gespielt hat und besitzt: Wii Sports. Das Aushängeschild dieser kleinen Sportspielsammlung wiederum ist Wii Sports Tennis, das zum Wii-Launch und auch heute noch exzessiv mit spaßigen Mehrgenerationsspielern in Fernsehspots zu sehen ist.
Doch irgendwann hat auch der unerfahrenste, casualigste Gelegenheitsspieler die Nase voll von der steten Wiederkehr des Immergleichen in dem simplen Hin und Her und sehnt sich nach neuen Herausforderungen. Nach eher misslungenen Tennisumsetzungen wie TopSpin nimmt sich Nintendo seiner neuen Zielgruppen jetzt selbst an – entwickelt aber kein neues Spiel, sondern legt bereits Bestehendes einfach neu auf: Mario Power Tennis vom Nintendo GameCube ist der zweite Titel, der im Rahmen der NEW PLAY CONTROL in Europa zum zweiten Mal erscheint und mit Wiimote-Steuerung aufwartet. Hat er das Potential zum neuen Wii Sports?
Unendliche Weiten
Erfahrene Spieler haben Wii Sports eine, vielleicht zwei Wochen gespielt und dann ab und zu bei Partys aus dem Schrank geholt, um unerfahrene Freunde in die Wii-Steuerung einzuführen. Doch ansonsten verfliegt der Reiz der Spielchensammlung sehr schnell. Was allerdings auch keine große Überraschung ist: Denn eigentlich bietet der Titel keinerlei Modi und ermöglicht lediglich ein Einzel- oder Doppelmatch mit Computer oder echten Gegnern.

Der krasse Gegensatz dazu ist Mario Power Tennis: Camelot war auf dem Nintendo GameCube als Entwickler für den Titel zuständig. Nach guten Umsetzungen von Mario Golf auf dem GBA und dem GCN enttäuschte Camelot auch bei Mario Tennis nicht. Eines der Hauptargumente des Spiels war sein großer Umfang: Es gibt zig verschiedene Plätze zum Spielen mit unterschiedlichen Sprung- und Balltempoeigenschaften sowie einigen kleinen Gemeinheiten; die typischen Nintendo-Charaktere sind als spielbare Tennis-Freaks natürlich auch wieder vorhanden und es gibt Minispiele, einen Turnier-Modus (das Pendant zum Grand Prix in Mario Kart), Extra-Aufgaben wie Ringeschießen in den ganz normalen Tennismatches, Einzel- und Doppeltenniskriege, umfangreiche Multiplayer-Modi als gewohntes Kernstück des Mario-Sporttitels und Einstellungsmöglichkeiten für fast alle Bereiche des spielerischen Lebens. Auch das Wiimake bietet diesen riesigen Umfang noch und treibt Wii Sports damit die Schamesröte ins Gesicht, sodass es sich anfühlt, als wäre das Launch-Spielchen nur eine seichte Demo-Version gewesen.
Realismus vs. Simplizität vs. Funsport
Marios Sportspiele, sei es nun der Motorsport, das Golfspielen, Fußball oder Baseball, haben sich noch nie dadurch ausgezeichnet, einigermaßen ernstzunehmende Simulationen zu sein. Aber das war auch gar nicht der Anspruch der bunten Titel – sie wollten auf Partys und im Mehrspielermodus unterhalten und das bieten, was man in der Realität nicht nachmachen kann. Funsport eben. Wii Sports war eher nüchtern ausgelegt und hat es sich zum Ziel gesetzt, möglichst viel spielerischen Realismus durch die Steuerung mit der Wii-Remote zu vermitteln. Gleichzeitig konnte man den Titel aber kaum als Simulation bezeichnen, weil er so simpel gehalten war, dass er kaum Anspruch bot. Die Figuren beispielsweise bewegten sich vollautomatisch, sodass der Spieler nur noch mit der Wii-Remote wedeln musste. Aber das Konzept kam bekanntlich gut an und Wii Sports Tennis ist heute noch verantwortlich für viele Konsolenverkäufe an neugierige Kunden, die die neue Art zu spielen unbedingt ausprobieren wollen.
Wie findet man nun aber die richtige Mischung aus simpler Wii-Einsteigerfreundlichkeit und spielerischem Anspruch für die fortgeschrittenen Fans? Mario Power Tennis macht das recht geschickt, indem es einfach verschiedene Steuerungsmöglichkeiten für alle Spielertypen anbietet. Ist das Nunchuk nicht an die Wii-Fernbedienung angestöpselt, bewegen sich Mario, Luigi und Co. zunächst automatisch immer in Richtung des Balls und überlassen dem Spieler lediglich die Entscheidung über das Timing des Schlags. Sollte man sich auf trickreichen Plätzen befinden, auf denen es gilt, Fallen auszuweichen, kann das Steuerkreuz auch im fliegenden Übergang kurzerhand den Spielcharakter manövrieren. Sobald aber nicht mehr auf dem Kreuz herum gedrückt wird, geht es sofort wieder in die Automatik und die feinen Justierungen sind eventuell wieder zunichte gemacht. Dadurch wird es in diesem Modus auch überdurchschnittlich oft passieren, dass der Charakter in die Fallen auf den Spezialplätzen tritt – das Original war auf automatische Bewegung auf den Tennis-Courts einfach nicht ausgelegt und auch das Wiimake ist es eigentlich noch nicht.
Sehnt man sich also nach größeren Anforderungen, schließt man das Nunchuk an und bewegt die Bewohner des Pilzkönigreichs manuell über den Platz. Sobald der Zusatzcontroller angestöpselt ist, denkt die Software gar nicht mehr an automatische Steuerungen und bleibt auch dann inaktiv, wenn ihr euch gerade nicht an der Bewegung beteiligt. Diese Variante kommt der Steuerung auf dem GameCube recht nahe und ist schon deutlich komplexer als die einfachen Anforderungen der Casual-Variante. Komplette Neueinsteiger werden damit eventuell erst einmal überfordert sein, aber insgesamt ist es zu bewerkstelligen, die linke Hand zum Steuern ruhig zu halten, währen die rechte mit der Wii-Remote schlägt. Das geht im Stehen, wie Nintendos es in Werbespots gern suggeriert, genau so gut wie im Sitzen.
Übrigens gibt es im Pausenmenü in beiden Steuerungsvarianten auch noch die Möglichkeit zu entscheiden, welche speziellen Kommandos man selbst ausführen möchte und welche lieber das Spiel übernehmen soll: So ist es standardmäßig so, dass charaktertypische Powerschläge automatisch dann ausgelöst werden, wenn die entsprechende Energieleiste voll ist. Stellt man eine Stufe höher, muss man sie durch Knopfdruck selbst auslösen. Die nächste Stufe lässt euch auch über die Art des Powerschlags entscheiden und in der komplett manuellen Variante muss auch selbst zum Ball gehechtet werden. Die Vielfalt der Steuerungsmöglichkeiten in NewPlayControl: Mario Power Tennis gefällt und stellt sowohl Vielspieler und Fans des Originals als auch komplette Neueinsteiger zufrieden.
WiiMotion Plus, wo bist du nur?
Bei der Ankündigung von NewPlayControl: Mario Power Tennis kam vielen gleich ein Gedanke in den Sinn: Warum denn nur eine Umsetzung und keine Neuentwicklung? Und tatsächlich: Mit der Unterstützung der Wii-Steuerung hat Nintendo seinen größten Trumpf in Tennisspielen jetzt bereits ausgespielt. Ein neues Mario Tennis Wii mit neuen Plätzen und neuen Spielcharakteren würde in ein paar Monaten kaum einen mehr vom sprichwörtlichen Hocker hauen, denn die Bewegungssteuerung ist ja jetzt bereits bekannt. Doch Hoffnung besteht eventuell trotzdem noch, denn WiiMotion Plus steckt in den Startlöchern und wird im Mai / Juni bei Virtua Tennis 2009 und EA Sports Grand Slam Tennis 10 erstmals zu einem intensiveren Spielgefühl beim Tennis beitragen. Aber ist die 1:1-Steuerung wirklich so begehrenswert oder macht Mario Power Tennis auf Wii mit der herkömmlichen Bewegungssteuerung schon alles richtig?
Insgesamt ist die Steuerung in Mario Power Tennis ein wenig komplexer als bei Wii Sports, denn es kommt nicht nur auf das Timing beim Schlag an. Das Spiel unterscheidet zwischen sechs verschiedenen Bewegungen, die unterschiedliche Schläge auslösen, dem Spieler somit wenigstens ein wenig Individualität überlassen und nicht alles in die Hand des Zufalls legen. Es sind hohe Schläge möglich (Lobs), schnelle, flache Schläge, Top-Spins, Schmetter- und Stoppbälle sowie Slices. Ein farbiger Schein um den Ball, der blau, lila oder grün ist, verrät nach dem Schlag, wie der Ball über den Court gepfeffert wurde. Die Bewegungserkennung funktioniert meist ganz gut, auch wenn sich Schläge wie der Lob, bei dem man die Steuerungseinheit senkrecht nach oben reißt, ziemlich realitätsfremd anfühlen. Am Ende kommen aber meistens die Schlagarten bei der Bewegung heraus, die der Spieler auch haben wollte. Trotzdem ist noch deutliches Steigerungspotential zu erkennen, das jetzt nur noch durch WiiMotion Plus ausgefüllt werden kann.

Ihr habt mit eurem Racket nämlich kaum eine Möglichkeit, die Richtung des Balls zu kontrollieren oder die Stärke eines Schlags einzuschätzen. Hierbei greift wieder das Wii-Sports-Prinzip und die Richtung des Ballflugs wird allein durch das Timing bestimmt. Je nach dem, wann der Ball euren Schläger erreicht, fliegt er eher geradeaus, eher nach links oder eher nach rechts. Dieser Mangel wird besonders in solchen Spielmodi deutlich, wo Präzision gefragt wäre: In den (insgesamt übrigens nicht wirklich nennenswerten) Minispielen wie dem Farbenspiel beispielsweise, wo Farbbälle zum Anmalen in bestimmte Bereiche gepfeffert werden müssen, ist es Glückssache, wo der Filz letztendlich landet. So etwas dämpft das Spielgefühl und demotiviert – es gibt einem das Gefühl, letztendlich doch nicht der komplette Herr der Lage zu sein und nur an der Oberfläche der Möglichkeiten zu kratzen. Ein neues Mario Tennis mit Online-Modus und WiiMotion-Plus-Support wäre also durchaus noch sinnvoll – auch wenn das Spiel gar keine Simulation sein will und sich zum Großteil in aberwitzigen Arenen abspielt, in denen man kaum Zeit hat, sich um präzise Schläge zu kümmern.
Trauriger Blick auf die Grafik
Technisch hat Nintendo an der NewPlayControl-Fassung von Mario Power Tennis nichts geändert – lediglich einen 480p-Modus sowie eine Darstellung in 16:9 kann das Spiel nun bieten. Aber dass es keine großartigen grafischen Veränderungen gab, fällt gar nicht negativ auf, denn Mario Power Tennis sah und sieht einfach klasse aus. Das Spiel gehört traurigerweise auch vier Jahre nach seinem Launch auf einer Konsole der letzten Generation mit zum Besten, was es auf Nintendos Konsole zu sehen gibt.
Natürlich sorgt die optische Seite des Funsport-Tennis nicht für Jubelstürme und reicht auch nicht an die Spitzenreiter auf der Konsole heran, aber insgesamt gibt es wenig Verbesserungswürdiges, die bunten Grafiken und die guten Charaktermodelle überzeugen, es gibt keine einbrechenden Framerates und nirgends matschige Texturen.
Der Sound präsentiert sich in gewohnter Mario-Sportspiel-Gedudelform. Manchmal sind bekannte Melodien zu erkennen (zum Beispiel das Thema vom Piazzale Delfino), ansonsten erklingt übliches Heile-Welt-Gedudel. Ein Sprecher im Hintergrund verkündet die derzeitigen Spielstände und die Charaktere lassen ihre Slogans in passenden Situationen aus sich raus.
Fazit: Mario Power Tennis hat Potential, Wii Sports Veteranen ein wenig Nachschub zu geben. An die Wiimote-Steuerung hat man sich zwei Jahre nach dem Launch zwar schon gewöhnt und sie fühlt sich nicht mehr revolutionär an, aber das Spiel bietet nicht nur unendlich mehr Inhalte als Wii Sports, sondern hat auch die populäre Clique um Mario als Rückenwind. Im Kern ist das Spiel aber natürlich wieder der Natur der NewPlayControl-Reihe entsprechend nichts Neues. Die Wiimote-Steuerung funktioniert meistens ordentlich und bereichert das Spiel (anders als im Wiimake von Pikmin, wo sie nur leichte Vereinfachungen mit sich brachte), krankt aber immer noch an geringer Präzision. Denn wohin und wie stark ein Ball geschlagen wird, darauf hat der Spieler immer noch keinen Einfluss, was das Spiel auf vielen Plätzen und in einigen Modi erschwert und zur Glückssache werden lässt. Das war mit Knöpfchen besser gelöst, dafür hat die Steuerung damals aber „nur funktioniert“ und nichts zum Spielgefühl beigetragen. Wer Mario Power Tennis auf dem Nintendo GameCube verpasst hat und jetzt nach einem guten Multiplayer-Tennisspiel sucht, darf gerne zugreifen und macht keine Fehler. Alle Kenner des Originals müssen sich aber überlegen, wie viel ihnen ein leichtes Update der ohnehin nicht perfekten Wii-Sports-Steuerung wirklich wert ist.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel NewPlayControl: Mario Power Tennis | |
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| 8.1 | Grafik Auch nach vier Jahren noch gehobenes Niveau ohne grob hässliche Augenblicke. | |
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| 7.5 | Sound Bekannte Ohrwürmer auf der einen und bedeutungsloses Gedudel auf der anderen Seite. | |
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| 7.7 | Steuerung Die Steuerung mit der Wii-Remote funktioniert ganz gut. Allerdings kann der Controller auch hier wieder nicht verbergen, dass er nicht so präzise ist, wie er gern wäre: Obwohl Schlagvariationen erkannt werden, hat man Richtung und Schlagstärke noch nicht gut genug unter Kontrolle, was eine Verschlimmbesserung im Vergleich zum Original ist. Gut: Verschiedene Steuerungen für unterschiedlich erfahrene Spieler. | |
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| 8.1 | Gameplay Spaßige Matches in zahlreichen Modi. Während der Multiplayer-Modus traditionsgemäß am längsten gespielt werden kann, muss sich auch das Singleplayer-Spiel nicht verstecken: Es gibt unzählige Einstellungsmöglichkeiten, die alle Spielergruppen zufrieden stellen. | |
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| 8.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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