Review von Marian Wehmeier (mail) | 12.08.2009
Es gibt nicht viele berühmte Ninjas. Zu denen, die man kennen könnte, gehören: Ishikawa Goemon, ein japanischer Volksheld und gleichzeitig Protagonist in Konamis Mystical Ninja-Serie, Ryu Hayabusa, Hauptcharakter in Tecmos Ninja Gaiden, und die vier sprechenden Schildkröten, die Pizza fressen. So weit, so gut. Hinzu kommen nun noch 44 Millionen weitere, potenzielle Shinobis. Denn Electronic Arts' Trainingsprogramm namens Ninja Reflex verspricht, aus jedem Wii-Besitzer einen Katana schwingenden Kämpfer zu machen, der nachts über Dächer springt und mit Shuriken um sich wirft.
Der weite Weg
Der Weg zu diesem Kämpfertyp erstreckt sich über sechs Minispiele, die sich in verschiedene Herausforderungen unterteilen. Ein weiser Sensei, der jedem angehenden Ninja mit Lebensweisheiten und praktischen Tipps zur Seite steht, überwacht das Trainingsprogramm. Zudem erklärt er, wie viele Herausforderungen man absolvieren muss, ehe man an einem Gürteltest teilnehmen darf. Ziel ist es, am Ende die Prüfung für den elften Gürtelrang, dem schwarzen Gürtel, zu meistern. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg.
Zu Spielbeginn sind in jedem der sechs Minispielkategorien jeweils zwei Herausforderungen freigeschaltet. Damit man für die erste Prüfung, den Test zum roten Gürtel, zugelassen wird, müssen insgesamt fünf Juwelen erspielt werden. Einen Juwel erhält man, wenn man zwei Herausforderungen in einem Minispiel gelöst hat - es gilt also, zehn Herausforderungen erfolgreich abzuschließen. In der Prüfung selbst muss sich der Spieler dann in drei Spielen beweisen. Bei guten Resultaten erhält man den Gürtel. Scheitert man, gehen die Juwelen verloren und die Herausforderungen müssen noch einmal wiederholt werden.
Sobald eine neue Gürtelstufe erreicht wurde, werden automatisch neue Aufgaben in jedem Minispiel freigeschaltet. Mit dem roten Gürtel stehen dem Spieler jeweils drei Herausforderungen (zwei alte, eine neue) pro Minispiel zur Auswahl, beim darauf folgendem gelben Gürtel vier. Insgesamt können bis zu sechs Herausforderungen pro Minispiel freigeschaltet werden. Um den jeweils nächsten Gürteltest zu machen, müssen vorher alle Herausforderungen bewältigt werden - das schließt die, die man bereits schon einmal bewältigt hat, ein.
Als Extra, um sich vom hektischen Reflexe-Schulen zu entspannen, wird ein Schnellkurs in Meditation angeboten. An dem idyllischen Teich des Dojos, der unter dem Licht des Vollmond funkelt, erklärt Sensei die Grundregeln der Mediation sowie Atemübungen, um zur Ruhe zu kommen. Zusätzlich gibt es ein Tagebuch, das automatisch alle relevanten Ereignisse - wann welcher Gürtel gemacht wurde - verzeichnet.
Katanas, Shuriken, Nunchakus
Die sechs Minispiele, die das Grundgerüst des Spiels bilden, sollen die Reflexe und die Geschicklichkeit des Spielers trainieren: Man muss präzise (Kois mit den bloßen Händen fischen), konzentriert (Fliegenfangen mit Stäbchen, Objekte mit Nunchakus abwehren), vor allem aber reaktionsschnell (Geisterdämonen mit Katana abwehren, Shuriken auf spezielle Objekte werfen, Glühwürmchen schnappen) agieren. Die Steuerung und das Ziel des Spiels werden im Ladebildschirm kurz erläutert. In den einzelnen Herausforderungen werden diese Aufgaben zwar gering modifiziert - beim Fischen darf man dann z.B. nur mittelgroße Kois fangen, beim Shurikenwurf nicht auf harmlose Geishas zielen. Die Steuerung bleibt jedoch wie gehabt.

Die Wii-Remote dient als Übungsmittel, während der Nunchuck - obwohl er bei einigen Minispielen (z.B. beim Greifen der Kois) von Vorteil gewesen wäre - gar nicht gebraucht wird. Manche Minispiele benötigen nicht einmal die beiden Hauptknöpfe A und B. Beim Katana- oder Nunchakus-Schwingen genügen die Bewegungen mit dem Controller völlig. Geht man auf Glühwürmchen-Jagd, dem simpelsten Minispiel, reicht es aus, reaktionsschnell auf den A-Knopf zu drücken, ohne den Wii-Pointer auch nur irgendwie benutzen zu müssen. Zu den komplexeren Spielen gehören das Koi-Fischen und das Fliegenfangen. Hier müssen erst die zu fangenden Tierchen anvisiert werden und dann durch das gleichzeitige Drücken von A und B geschnappt werden. Ähnlich ist es beim Shurikenwerfen: Zunächst müssen Ziele anvisiert, dann mit A bestätigt und schließlich mit einem Wurfbewegung der Wii-Remote abgefeuert werden.
Die grafische Aufmachung des Titels trägt zunächst zur spannenden Japano-Atmosphäre bei. Die Areale sind hübsch designt und sparen nicht an Details, die Charaktere sind flüssig animiert. Das elegante Menü rundet den guten Eindruck ab. Auch soundtechnisch gibt es wenig auszusetzen: Meist beruhigende, traditionelle Instrumentalmusik aus dem fernen Osten trifft auf eine gelungene Synchronisationarbeit (auch wenn der Sensei oft nicht animationskonform spricht).
Ninja Relax
Der Knackpunkt, an dem das Spiel letztendlich jedoch zu Grunde geht, ist der geringe Umfang. Die sechs Minispiele, die es zu bewältigen gilt, bieten wenig Tiefe und fordern höchstens Kinder, die noch nicht wissen, wie mit der Wii-Remote umzugehen ist. Erfahrene Spieler kriegen lediglich sechs, zu simple Minispiele, die in jeweils sechs verschiedenen Varianten absolviert werden. Zum Vergleich sei erwähnt, dass Genrekonkurrenten es auf 36 (Guinness World Records) oder 80 (Mario Party 8, Rayman Raving Rabbids) Minispiele bringen. Eine erzählte Story, die die Spiele inhaltlich verknüpft, hätte Ninja Reflex gut getan. Ebenso ein umfangreicherer Mehrspieler-Modus, bei dem man mehr als nur gleichzeitig oder nacheinander gegeneinander antreten kann, wäre wünschenswert gewesen.
Denn die Idee, ein Programm zum Schulen von mentalen Fähigkeiten, ist gar nicht verkehrt. Wer allerdings glaubt, man könne dem Käufer sechs Minispiele vorhalten, die er in zig Varianten bis zur absoluten Eintönigkeit noch einmal spielen muss, hat sich geschnitten. Das Fatale ist nicht die geringe Anzahl der Spiele, sondern die Belanglosigkeit des gesamten Trainings: Selten gerät man in Zeitdruck, oft ist ein Spiel schon nach wenigen Sekunden beendet und Herausforderungen, an denen man gescheitert ist, lassen sich beliebig oft wiederholen. Das harte Ninja-Training wird zum relaxten Remote-Fuchteln. Auch Anreize, sich bis zum schwarzen Gürtel zu kämpfen, sucht man vergebens. Die freigeschalteten Herausforderungen werden eher als Last empfunden und der Bonus in Form von neuen Namen, mit denen der Spieler seinen Charakter (den er nie zu Gesicht bekommt) schmücken darf, kann man höchstens als Witz verstehen. Welcher halbwegs seriöse Ninja will bitteschön "Erstaunlicher Eichbaum-San" oder "Launischer Bonsai-San" gerufen werden?
Fazit: Die Verpackung von Ninja Reflex verschweigt dezent, dass das Spiel nur aus sechs, lose zusammenhängenden Minispielen besteht. Mit Recht - denn kaum ein potenzieller Käufer würde für so wenig Inhalt soviel Geld bezahlen. Das Spiel an sich macht wenig verkehrt: Die gelungene audiovisuelle Präsentation verpasst dem Spiel einen gemütlichen Asia-Touch, während die simple Steuerung größtenteils gut funktioniert (als Ausnahme seien die Katana-Kämpfe genannt). Der große Fauxpas, den sich das Spiel erlaubt, ist der geringe Umfang. Wenn man eine Minispiel-Sammlung anbietet, so sollte man darauf achten, dass eine ausreichende Fülle an Abwechselung angeboten wird. Statt dessen werden sechs simple, nicht mal sehr komplexe Minispiele in immer anderen Variationen ad adsurdum wiederholt. Letztlich, und dazu braucht man keine Geschicklichkeit, wandert Ninja Reflex nach vier Stunden Spieldauer reflexartig in den Schrank.
Von Marian Wehmeier
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| Wertung für das Spiel Ninja Reflex | |
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| 7.5 | Grafik Das Spiel zeigt nicht viel, doch was es zeigt (die Areale und die Charaktere), sieht durchweg gut aus. | |
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| 8.0 | Sound Traditionelle Musik aus Japan und eine gute Synchronisation überzeugen. | |
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| 6.7 | Steuerung Bis auf die Katana-Kämpfe lassen sich alle Minispiele präzise steuern, wobei einige Minispiele steuerungstechnisch viel zu simple ausfallen. | |
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| 3.5 | Gameplay Sechs wenig komplexe Minispiele, die man in kleiner Abwandlung immer und immer wieder spielen muss. Fehlende Story, karger Mehrspielermodus. | |
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| 5.1 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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