Unser Netzwerk: NintendoWiiX.net   | NintendoWiiX Forum   | Planet3DS.de
Family Party
Review von Andreas Held (mail) | 15.01.2009

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Was aber, wenn man das Gaul-Geschenk nur angenommen hat, weil vorher gewisse Dinge über das vermeintliche Reittier behauptet wurden, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen? So etwas ähnliches ist in der letzten Woche passiert, als in der Redaktion über ein Spiel geschmunzelt wurde, das auf den Namen "30 Great Games" hören sollte. Da das Testen von Spielen, die die 2-Punkte-Wertung von oben durchbrechen, durchaus erheiternd sein kann, gab es sogar eine kleine Konkurrenz um den Titel, den ich als selbsternannter Experte für Gurkensalat (dank meiner Erfahrung durch Titel wie Anubis II, PopStar Guitar oder Showtime Championship Boxing) für mich entscheiden konnte. Zwei Tage später offenbarte der Gang zum Briefkasten jedoch ein Spiel namens "Family Party", das den Schriftzug "30 Great Games" zwar auf dem Cover trägt, aber nicht in den Titel des Spiels integriert hat. Mit vorsichtiger Neugier ging es also an das Partyspiel, das im Weihnachtsgeschäft sogar ein ziemlicher Renner gewesen sein soll.

Ja, ja, wir feiern eine Paaaaarty....
Der Name in Family Party ist Programm. Das Hauptmenü hält sich nicht lange auf: Entweder man spielt den Herausforderungsmodus, in dem die Minispiele zu fünf Bereichen à sechs "Great Games" zusammengefasst wurden, oder man erstellt sich seine eigene Liste aus ein bis sechs Spielchen. Die Hälfte muss übrigens erst freigespielt werden - das letzte Spiel in jedem Set und auch die letzten beiden Kategorien sind anfangs blockiert. Unabhängig vom Spielmodus können sich ein bis vier menschliche Spieler registrieren, die restlichen Slots werden grundsätzlich von erbarmungslosen KI-Gegnern aufgefüllt. Danach entscheiden sich die menschlichen Mitspieler für eine Figur, wobei für jedes Familienmitglied ein Avatar zur Verfügung steht: Zwei Hosenmätzchen in männlich und weiblich, die von ihnen genervten älteren Geschwister, Mami und Papi sowie die Großeltern stehen zur Auswahl. Abgesehen davon sind drei weitere Charaktere freizuschalten - wenn also B-Verwandte wie die Tante oder der Cousin mitspielen wollen, müssen die erst warten, bis die Oberhäupter ihre Alter Egos freigespielt haben. Ebenfalls denkwürdig: Frei nach dem American Dream wird die Mutter als blonde Mittzwanzigerin mit Modelfigur dargestellt, die nur mit Cowboystiefeln, einem Jeansrock, der kaum breiter ist als ein Gürtel, und einem Stück Stoff in Größe Doppel-D bekleidet ist. Ein Trick, auch den faul auf dem Sofa liegenden Vater vor die Konsole zu locken? Ich weiß es nicht. Natürlich rein zu Testzwecken wähle ich die Mutter als meinen OnScreen-Charakter.

Die fünf Bereiche, in die die Spiele unterteilt sind, unterscheiden sich vor allem optisch. Im Athletik-Bereich stehen Klettergerüste in einem Stadion im Vordergrund, im Schlossbereich bekämpfen sich die Familienmitglieder in einem japanischen Schloss (samt einem Minigame, das fast 1:1 aus Takeshi's Castle übernommen wurde) und für den Kraftbereich geht es auf eine Tropeninsel. Viele der Games teilen sich derweil das Ziel, innerhalb eines Zeitlimits einen kleinen Hindernisparcours zu absolvieren. Problem dabei: Einige der Hindernisläufe lassen sich theoretisch in fünf bis zehn Sekunden beenden, was nur deshalb nicht klappt, weil eine Reihe von Kommandos mit fast perfektem Timing abgespult werden muss und man immer, immer und immer wieder herunterfällt. Die grob nervige Zirkusmusik, die erbarmungslos im Hintergrund vor sich herträllert, sowie eine unnatürlich glattpolierte Sprachausgabe, die in manchen Spielen bei jedem Fehler laut "Schläääächt!" ruft, tragen zur Aggression bei. Daher werden bei der Family Party wohl viele Worte durch den Raum fliegen, die man im lauschigen Familienkreis so gar nicht hören will - hier kommt es dann ans Licht, wenn die achtjährige Julia im Kindergarten neue Wörter von anderen Kindern lernt, deren Eltern sich häufig streiten. Etwas Abwechlsung von den knallharten Hindernisläufen gibt es, wenn es zum Beispiel darum geht, auf schnelle Kommandos hin Flaggen zu heben oder zu senken oder am Schießstand mit dem Pointer auf gegebene Ziele zu schießen. Das Spiel vertraut übrigens generell überraschend oft auf eine Knopfsteuerung - Bewegungskommandos sind nur in kleinen Mengen vorhanden und niemals aufdringlich.



Spiele ich gerade Family Party oder Ghouls'n'Ghosts?
Diese Überschrift bezieht sich nicht auf die grafische Gestaltung von Family Party, die ist nämlich überraschend liebevoll gemacht, sondern tatsächlich auf den Schwierigkeitsgrad. Um es kurz zu machen: Family Party ist das schwerste Partyspiel, das ich jemals gespielt habe. Und zwar mit Abstand. In jedem Minigame kämpfen alle vier Kontrahenten gleichzeitig gegeneinander, wobei sie jedoch meistens voneinander abgeschottet sind und sich jeweils in einem eigenen Paralleluniversum befinden. Selbst bei den längeren Spielen, die in mehrere Etappen eingeteilt sind, kommen die KI-Gegner fast fehlerlos ins Ziel, während man als Spieler Mühe und Not hat, dieses überhaupt zu erreichen. Ein anderes Beispiel ist ein Stoppuhr-Minigame, in dem in drei Spielrunden möglichst nach zehn, 20 bzw. 30 Sekunden ein Schalter gedrückt werden muss. Die Zeitdifferenzen zu den vorgegebenen Marken werden über alle drei Versuche addiert und am Ende gewinnt derjenige mit der geringsten Summe. Während sich selbst erwachsene, intelligente Spieler im Bereich von fünf bis sieben Sekunden Abweichung aufhalten werden, bleibt die KI manchmal unter zwei Sekunden. Wie die ADS-kranke kleine Schwester oder der an Demenz leidende Großonkel dann eine Chance haben soll, bleibt fraglich.

Noch schlimmer sind die Schießstände, wo sich mit dem erscheinen der Ziele alle computergesteuerten Fadenkreuze wie ausgehungerte Geier auf diese stürzen und schneller eine leblose Wüste vor ihren Gewehrläufen erschaffen, als ich überhaupt reagieren kann. Hier wurden meine Punktzahlen von der KI oft um das Fünffache in den Boden gestampft, und selbst als meine leicht bekleidete Blondine nach einiger Übung auf dem obersten Platz des Podiums hüpfte, stand "Gescheitert!" auf dem Bildschirm und ein nur allzu vertrautes "Schläääächt!" tönte aus den Lautsprechern. Der Grund: Es muss nicht nur die KI geschlagen, sondern auch eine recht happige Anzahl an Ranglistenpunkten akkumuliert werden, damit die Herausforderung als bestanden gilt. Nach vielen weiteren Versuchen im Schießbereich musste ich dann schließlich aufgeben, habe Rock Band 2 gebootet, meine Plastikgitarre in die Hand genommen und zur Entspannung das Yngwie Malmsteen-Pack auf dem Expertenmodus durchgekloppt.

Fazit:
Zugegeben: seine zehn Minuten Ruhm im Weihnachtsgeschäft hatte sich Family Party tatsächlich verdient. Denn es ist nicht nur die schwerste, sondern auch eine der besseren Minispielesammlungen, die mir bisher untergekommen ist. Die Steuerung ist simpel, verzichtet auf zu viel Bewegungssteuerung, wird vor jedem Spiel gut verständlich erklärt und - man höre und staune - funktioniert auch in fast allen Fällen wie angegeben. Dass Wertungstechnisch natürlich keine Höhenflüge drin sind, ist auch klar, denn wie ein Freund von mir es so treffend formulierte: "Toll, da hat man jetzt 30 Minispiele, von denen es in Mario Party 80 gibt und noch ein Brettspiel dazu." Im Vergleich zu Guiness World Records oder Summer Athletics ist Family Party jedoch ganz klar eine Wagenlänge voraus. Jüngere Spieler müssen ausdrücklich vor den KI-Gegnern gewarnt werden, die zwar ab und an den Sieg geradezu verschenken, meistens jedoch schier übermenschlich sind und selbst erfahrene Core-Gamer auf eine harte Probe stellen. Wenn es jedoch so genutzt wird, wie von den Entwicklern vorgesehen war, nämlich für Vier-Spieler-Duelle im Freundes- oder Familienkreis, ist Family Party angesichts des Budgetpreises definitiv kein totaler Fehlkauf. Fakt ist nämlich, dass ich selbst im Singleplayermodus definitiv Spaß mit der Family Party hatte und sogar ziemlich lange motiviert war, den Schießstand doch noch zu schaffen.

Von Andreas Held
Wertung für das Spiel Family Party
Wertungen Beschreibung
5.9Grafik
Für eine Minispielesammlung recht gute Optik, je nach Minigame aber auch einige Abstürze. Die Gestaltung ist jedoch definitiv liebevoller als bei vielen Konkurrenztiteln.
3.3Sound
Eine Menümusik mit Ohrwurmcharakter kann die totnervige Zirkusmusik und die unnatürlich glattpolierte Sprachausgabe nicht aus dem Tief ziehen.
7.5Steuerung
Bis auf wenige Einzelfälle sind alle Minigames gut spielbar, funktionieren wie in den Tutorials erklärt und verzichten auf zu viel Bewegungssteuerung. Mario Party 8 konnte das auch nicht viel besser.
5.1Gameplay
Es ist besser als der sonstige Müll, der einem gerne als Minispielesammlung verkauft wird. Wer aber meint, hier wirklich 30 "Great" Games zu sehen, sollte dringend heiß duschen. Es macht Spaß und wird auch nicht direkt langweilig, ist und bleibt jedoch eine simple Minispielesammlung.
5.9Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



© Copyright GameCube X / Nintendo Wii X 2001 - 2023 | All rights reserved