Review von Tim Herrmann (mail) | 13.01.2009
Es ist nicht neu, dass Animationsfilme mittlerweile Lieblinge der Filmbranche sind, schließlich kann man mit ihnen Geschichten erzählen und Aktionen darstellen, die im Realfilm unmöglich umsetzbar wären. Und es ist ebenfalls nicht neu, dass die Branche ihre Filme meistens mit dem Gedanken im Hinterkopf produziert, dass man eventuell eine ganze Serie daraus entwickeln könnte, mit der viele Millionen Dollar in die Kassen fließen. Und noch weniger neu ist die Tatsache, dass eine der wichtigsten Merchandise-Maschinerien für alle möglichen Filme nirgendwo anders als in der Videospielindustrie aufgebaut werden kann, dort kann man mit Lizenzen Spiele entwickeln, die sich alleine wegen ihres Namens verkaufen. „Madagascar“ ist ein Beispiel für alle eben genannten Faktoren: Teil 1 war ein nettes, liebevolles Familienabenteuer um vier Zootiere in der Wildnis und lief finanziell „ganz gut“ (wenn auch bei Weitem nicht so überragend wie „Shrek“ oder „Findet Nemo“). Einen zweiten Teil konnte man sich dementsprechend auch nicht verkneifen, Anfang Dezember ist er in den Kinos gestartet und kommt selbstverständlich auch nicht ohne ein dazugehöriges Lizenzspiel aus. In unserem Test soll geklärt werden, wie sich dieser Titel spielt und ob er trotz des Lizenzspielcharakters aus dem Einheitsbrei heraustreten kann.
Von hypochondrischen Giraffen und Lemuren mit Sprachfehlern
Früher war in den ungeschriebenen Industriegeboten noch ganz klar festgelegt, wie ein durchschnittliches Lizenzspiel zu einem aktuellen (bevorzugt Kinder-)Film auszusehen hatte: Es musste sich um ein Jump & Run handeln. In Zeiten des GameBoys war es am einfachsten, ein paar simple, zweidimensionale Hüpflevel aufzubauen und einen lizenzierten Charakter in ihm herumhüpfen zu lassen. Überreste dieser alten Zivilisation sind immer noch vorhanden – zum Beispiel in den Lizenzspielen von Spongebob Schwammkopf – aber insgesamt hat sich die Branche ein wenig gebessert und setzt nun immer mehr auch auf Qualität und spielerische Abwechslung. Das Spiel zu Bee Movie beispielsweise sah optisch recht annehmbar aus und bot abwechslungsreiches Gameplay mit Flugleveln, Fahrabschnitten und Aufgabenvariationen. Auch Madagascar 2 ist kein reines Hüpfspiel geworden, sondern orientiert sich am momentan stärksten Trend in der Videospielindustrie: den Minispielen.
Eine reine Minispielsammlung ist der Titel aber auch nicht. Viel mehr eine gesunde Mischung aus beiden Genre-Schwergewichten, die für ein Lizenzspiel recht gut funktioniert und jeden der vier Protagonisten in Szene setzt. Aber wer sind diese vier Hauptdarsteller eigentlich, die sich jetzt schon in zwei Filmen wie Menschen benehmen durften und überraschend selbstständig sind? Nun, zunächst ist da Alex, ein Zoolöwe, der äußerlich zwar Furcht einflößend aussieht, innerlich aber völlig kindgerecht und schmusekatzig ist. Das Zebra Marty ist nicht etwa sein Mittagessen, sondern sein bester Freund – ein abgedrehter und manchmal etwas größenwahnsinniger Gut“mensch“. Das Nilpferd Gloria ist der Ruhepol der Truppe und hat immer ein weises Wort auf den Lippen, die „Big Mama“ der Zootierherde. Zu guter Letzt gibt es da noch Melman, der für viele im Film das Highlight ist. Die hypochondrische Giraffe hat mit Angstattacken, Verrenkungen in ihrem meterlangen Hals und verschiedenen orthopädischen Problemen zu kämpfen. Besonders die deutsche Stimme von Bastian Pastewka passte immer perfekt auf das zittrige Steppentier.
Die Geschichte im Videospiel von Madagascar 2 wird erzählt von Julien, dem König der Lemuren, den man ebenfalls bereits aus dem ersten Film kennt. Im Deutschen hat er beim Sprechen einige gravierende Probleme mit Diphthongen wie „ä“ und hauptsächlich „ü“, mit seiner Gedankenführung und den deutschen Konsonantenverbindungen und redet in etwa so: „Meine Fureunde, ihr musset auf die große-große Kulettergerust steigen, um die Seil zu verkunoten“. Das liest sich genauso anstrengend, wie es sich im Spiel während der Zwischensequenzen anhört. Vielleicht wäre es in der Hinsicht doch besser gewesen, sich einen anderen Hintergrunderzähler aus dem Filmrepertoire auszusuchen, der der hochdeutschen Sprache etwas besser gewachsen ist und somit keine Hochkonzentration beim Zuhören erfordert.
Jump ‚n’ Minispiel ‚n’ Run
Julien leitet die Madagascar-Fans nicht nur durch die Geschichte, sondern auch durchs Spiel selbst, indem er kleine Instruktionen für folgende Minispielpassagen oder Hüpfabschnitte gibt. Die Jump & Run Passagen sind selbstverständlich durchgehend komplett anspruchslos und beinhalten keinerlei Schwierigkeiten. Kleine einzusammelnde Münzen geben den Weg vor, der A-Knopf lässt den Spielcharakter springen und manchmal haben die Viecher auch noch eine Attacke drauf, mit der Gegner in Windeseile aus dem Weg geschafft werden. Ab und zu trifft man auch auf Spezialmünzen, die über kleine Umwege zu erreichen sind und Punkte geben, die man später in einem Extra-Menü in Artworks aus dem Film eintauschen kann. In jedem Falle kann man mit einem solchen Gameplay trotzdem höchstens nur sehr junge Fans hinter dem Ofen hervorlocken, alle anderen werden erwartungsgemäß hoffnungslos unterfordert. Während Alex fürs Hüpfen zuständig ist, kommen die anderen Charaktere hauptsächlich in den Minispielen zum Vorschein, die den anderen großen Teil des Spiels bestimmen.

Auffällig häufig kommen Schießspiele vor: Mit dem Control-Stick des Nunchuks dreht ihr ein Geschütz bzw. ein ausschlagendes Huftier um seine eigene Achse, bestimmt damit die Schussrichtung und sammelt dann mit einem Knopf Kraft. Damit wird bestimmt, wie weit das wegzuschießende Utensil fliegen soll - mit Loslassen des Knopfes geht es los. Die Features der Wii-Remote, wie etwa der Pointe,r kommen dabei übrigens niemals zum Tragen, was ein wenig unverständlich ist. Gerade bei Abschnitten wie dem, in dem die Giraffe Melman auf einem Stein durch hügelige Levels rollt, wäre es kein Problem gewesen, so zu steuern wie in Super Mario Galaxy in den Ball-Levels. Und in den Schießspielen wäre eine Pointer-Steuerung ebenfalls die einfachste Lösung gewesen. Die Entwickler haben insgesamt fast völlig auf die Features der Wii-Remote verzichtet und sie nur optional bei einigen Manövern der verschiedenen Charaktere eingebaut. Melman kann zum Beispiel mit seinem Kopf auf die Erde hauen und ihn als Hammer verwenden – entweder drückt ihr dazu „Z“ oder schlagt die Wii-Remote nach unten. Da die Bewegungserkennung allerdings manchmal zu wünschen übrig lässt, wird die Entscheidung eine leichte sein und zugunsten des Knopfes ausfallen.
Potential verschenkt
Aufmerksame Leser werden schon jetzt bemerkt haben, dass Madagascar 2 durch und durch ein relativ langweiliges und ereignisloses Lizenzspiel ist – aber das hätte nicht sein müssen. Die Kombo aus vier völlig verschiedenen Zootieren hätte sich perfekt für ein kooperatives Gameplay geeignet, in dem man zwischen den Charakteren wählt, um mit ihren einzigartigen Fähigkeiten bestimmte Hindernisse zu überwinden. Stattdessen hat man sich für einzelne Minispiele entschieden, bei denen es völlig irrelevant ist, welches Tier dafür als Spielfigur herhält. Schade.
Auch die Wii-Steuerung hätte, wie oben bereits beschrieben, manchmal ausnahmsweise gut gepasst, doch auch hier merkt man dem Spiel eine Eigenschaft an, die man eigentlich in fast jedem Lizenz- oder Multiplattformspiel bisher beobachten musste. Der Titel ist eine reinrassige Portierung von der PlayStation 2 und das merkt man nicht nur an der konventionellen Steuerung, sondern auch an der technischen Seite.
Wenig überraschend ist es nämlich, dass die Grafik hauptsächlich mit allgegenwärtigem Kantenflimmern, üblen Texturen und groben Animationen auf sich aufmerksam macht. Die Charaktermodelle sehen noch einigermaßen in Ordnung aus, aber insgesamt bewegen wir uns auf der technischen Ebene immer noch am Anfang der letzten Generation. Und teilweise ist das Spiel sogar so dermaßen hässlich (grünmatschige Abgründe zum Beispiel oder absolut farblose Unterwasserabschnitte, in denen Gloria taucht), dass man die Augen zusammenkneifen und nie wieder öffnen möchte. Ein wenig Lob verdienen immerhin vereinzelte Sequenzen zwischen den Spielkapiteln, hier gibt es nämlich Originalszenen aus dem Film zu sehen, wenn auch ohne Ton und nur von Lemurenkönig Julien kommentiert.
Was ebenfalls positiv auffällt, ist die Sprachausgabe. Leider ist es nicht immer gelungen, die Originalsprecher (wie Bastian Pastewka) zu verpflichten, aber deren Ersatz macht seinen Job sehr ordentlich und überzeugt mit ähnlichen Sprachcharakteristika und guten Imitationen. Auch Julien bewegt sich nah an der Filmvorlage – auch wenn man ihn nur schwer versteht. Fazit: Madagascar 2 ist eigentlich nicht der Rede wert und ein weiteres Lizenzspiel, das schnelle und gewöhnliche Hüpf- und Minispielkost ohne Innovationen und spielerischen Anspruch beim Käufer abliefert. In diesem Fall hätte das aber nicht sein müssen – ein ansprechendes kooperatives Jump ‚n’ Run Gameplay hätte sich durchaus angeboten und auch die Wii-Steuerung hätte einige Male sinnvoll zum Tragen kommen können. So bleibt ein unspektaukärer Lizenzbrei, der nur sehr junge Spieler ansatzweise unterhalten wird, die noch dazu große Fans des Films sind.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Madagascar 2 | |
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| 5.2 | Grafik Schwache, flimmerige Erstgenerationsgrafik der PlayStation 2 mit optischen Tiefpunkten. Zwischensequenzen gefallen. | |
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| 7.0 | Sound Dschungel-Rhythmen und Klänge aus der Wildnis passen ganz gut und werden ergänzt von kompetenten Synchronsprechern, die teils original aus dem Film kommen und teils die Originale wenigstens gut ersetzen. | |
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| 6.0 | Steuerung Langweilige, anspruchslose Knöpfchensteuerung, die zwar funktioniert, aber hier ausnahmsweise Wii-Steuerung in einigen Abschnitten gut vertragen hätte. | |
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| 6.3 | Gameplay Wenigstens hat man es nicht ganz mit einem anspruchslosen Jump ‚n’ Run zu tun. Die Minispiele gliedern sich recht gut in das Konzept ein, sind aber, wie alles andere in dem Spiel auch, anspruchslos und auf sehr junge Spieler ausgelegt. | |
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| 6.2 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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