Review von Andreas Held (mail) | 04.01.2009
Partyspiele gibt es doch nun wirklich schon wie Sand am Meer. Warum sollte man sich also, dazu ausgerechnet noch auf einer gegen internationale Versionen abgeschotteten Konsole wie Wii, ein Partyspiel ansehen, dass es nur in Übersee zu kaufen gibt? Nun, wenn ein Entwickler, der in den letzten Jahren vor allem durch sehr gute Handheld-RPGs, namentlich Riviera: The Promised Land und Yggdra Union, aufgefallen ist, sollte man vielleicht einen Blick riskieren. Dokapon Kingdom schickt sich nämlich an, eine Art Multiplayer-Party-RPG zu sein - und diese Mischung alleine ist schon obskur genug, um das Interesse einiger Spieler zu wecken. Geht die Mischung auch auf, oder reiht sich Dokapon Kingdom zusammen mit Spielen wie Sonic Spinball oder King of the Road in die Reihe der Spiele ein, die auf Papier gut klingen, in der Praxis aber nicht funktionieren?
Wer will schon Story? Wir sind ein Party-Spiel!
Zugegeben, ein Epos hätte in Dokapon Kingdom nun wirklich niemand erwartet - dass es fast komplett auf eine Hintergrundstory verzichtet, ist aber schon etwas schade. Stattdessen werden am Anfang bis zu vier Helden erstellt, die Geschlecht, Name, Spielerfarbe und Beruf zugeordnet bekommen und dann entweder von Spielern (mehrere Spieler können einen Controller nutzen, Gamecube- und Classic-Controller werden unterstützt) oder AI-Gegnern kontrolliert werden. Danach werden sie vom König in die weite Welt ausgesandt und haben als einzige Aufgabe, ein Königreich aufzubauen und dessen Wert zu erhöhen. Wer am Ende der vorher festgelegten Anzahl Spielrunden das teuerste Königreich unter sich hat gewinnt. Klingt simpel und ist es auch.

Das Setup erinnert dabei sehr stark an Mario Party. Alle Figuren bewegen sich auf einem Spielbrett, können dort allerdings frei in jede Richtung ziehen. Gewürfelt wird diesmal mit einer Art Mini-Glücksrad, das auf einer Zahl zwischen eins und sechs, selten auch auf der Null, stehen bleibt. Per Knopfdruck können nun alle Felder angezeigt werden, die von der aktuellen Position aus zu erreichen sind. Auf gut der Hälfte der Zielfelder findet dann ein Zufallskampf gegen ein dem Gebiet entsprechenden Monster statt - der Rest sind Ereignisfelder, auf denen man Items bekommt, Gegenstände kaufen oder Städte einnehmen kann. Wer eine Stadt einnehmen will, muss einen relativ starken Feind bezwingen; das Erobern von Städten ist jedoch der Dreh- und Angelpunkt des Spiels. Jede Stadt hat einen bestimmten Wert, der durch kleine Investitionen noch drastisch erhöht werden kann. Am Ende jeder Woche, also nach sieben Spielrunden, wird der Wert der Städte mit dem Bargeld des Charakters addiert und daraus der Wert des Königreichs bestimmt. Das getragene Bargeld spielt dabei eine extrem untergeordnete Rolle.
Doch Dokapon Kingdom wäre kein Partyspiel, wenn nicht auch eine gehörige Portion Glück mitspielen würde. Ähnlich wie in Mario Party treten des Öfteren Ereignisse auf, die über den Spielern liegen und die Rangliste etwas durchwirbeln können. Allen voran wäre da das Bossmonster, welches nach jeder Woche Wege versperrt, Spieler verflucht oder sonstigen Blödsinn anstellt. Mutige Helden können es aus seiner Stadt vertreiben, was darin resultiert, dass in einer anderen Stadt ein stärkerer Boss auftaucht und vom ehemaligen Besitzer der Stadt beschimpft wird. Etwas irdischer sind direkte Auseinandersetzungen zwischen Spielern, die sich wenn sie auf dem gleichen Feld stehen um Städte oder ähnliches prügeln können. Dazu kommen dann noch Zufallsereignisse, die manchmal anstelle eines Kampfes auftreten und die Spieler mit kleinen Quests beauftragen oder einem Händler gegenüberstellen, der seltene Items verkauft. Wer in der Rangliste weit zurückfällt, kann seine Seele an den Teufel verkaufen und dann als Darkling in der Spielwelt wüten, um die anderen Spieler wieder auf den Boden zu holen. Dokapon Kingdom bietet also genug Potential für Schadenfreude, ist jedoch wesentlich besser ausbalanciert als ein Mario Party, in dem ein Sternentausch kurz vor Schluss das komplette Spiel umkrempeln konnte. Zum Schluss wird abgerechnet und der letztplatzierte Spiele erhält den "Equal to Poop Award" sowie die Spielerbewertung "You were awful! You should be ashamed of yourself!". Gesegnet seien die, die genug Humor mitbringen, um in dieser Situation selbst darüber lachen zu können.
Wie Stein, Schere, Papier - nur tödlich
Ein tiefsinniges Kampfsystem kann man von einem Party-RPG ebenfalls nicht erwarten. Stattdessen basiert auch das Kampfsystem in erster Linie auf Glück. Jede Runde beginnt mit dem Ziehen einer Karte, die bestimmt, wer als erster eine Offensivaktion wählen darf. Der Glückliche wählt danach aus einem normalen physischen Angriff, einer starken aber risikoreichen Attacke sowie einem Zauber; der Verteidiger kann derweil entweder Angriffe oder Magie blocken, was den Schaden verringert, falls der Angreifer das entsprechende Kommando gewählt hat, oder aber einen Gegenschlag versuchen, was bedeutet, dass starke Attacken sofort gekontert werden können, normale Attacken und Zauber aber ohne Schutz hingenommen werden müssen. Eine Strategie kann kaum entwickelt werden, aber immerhin lässt sich erkennen, ob der Kontrahent in Magie oder Waffenkunst begabt ist und die eigene Vorgehensweise kann entsprechend angepasst werden. Nichtsdestotrotz spielen die eigenen Statuswerte auch eine Rolle und Aufleveln ist daher absolute Pflicht, bevor man in andere Gebiete als das Startgebiet reisen kann. Wer einen Kampf verliert, wird um einen großen Teil seines Bargeldes erleichtert, muss ein paar Runden aussetzen und danach entweder im Schloss oder bei bestimmten Tempeln neu starten.

Ähnlich minimalistisch wie das Kampfsystem gibt sich auch die Grafik des Spiels, das seine Wurzeln auf der PS2 absolut nicht verleugnen kann. Ausgiebige Details oder polygonreiche Modelle gibt es hier nicht zu sehen - dafür eine absolut liebevoll gestaltete Knuddeloptik. Der Comic-Look erinnert ebenfalls recht stark an Mario Party und kann den selben Charme ausstrahlen wie die bekannte Nintendo-Franchise und Dokapon Kingdom zeigt einmal mehr, dass eine Spielwelt mit Herz und Seele wesentlich ansprechender wirkt als eine triste, zusammengewürfelte Spielwelt, in die so viele Polygone hereingequetscht wurden, wie die Grafikengine darstellen kann. Die Musik reißt aber nun wirklich keine Bäume mehr aus und ein bisschen mehr Ohrwurmcharakter hätte es bei dem ansonsten kunterbunten Spiel schon sein können - vor allem in Anbetracht des Entwicklers, der auf dem GBA in Riviera einen der besten Soundtracks auf dem Nintendo-Handheld abgeliefert hat. Dafür unterhalten nette Soundsamples und sogar ein paar kleine Fetzen aus Sprachausgabe. Fazit: Dass weniger manchmal sehr viel mehr sein kann, beweist Dokapon Kingdom recht eindrucksvoll. Es wird zwar immer ein absolutes Nischendasein fristen, da es mit RPGs und Partyspielen zwei Genres verbindet, die ungleicher nicht sein könnten, und deshalb auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals in Europa erscheinen wird - dafür wird es in ein paar wenigen, kleinen Gruppen aus Freunden, die auch im 16bit-Zeitalter schon gerne japanische RPGs gespielt haben, für eine Menge Spaß und Gelächter sorgen. Wer den Kampf gegen Nintendos Importspiele-Politik mittlerweile aufgegeben hat, kann übrigens auch zur identischen PS2-Fassung greifen, falls ein Interesse bestehen sollte. Es ist jedenfalls sehr schön zu sehen, dass es auch heute noch Entwickler gibt, die nicht auf Profit aus sind, sondern ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und ihre eigenen Ideen verwirklichen. Und das ist in Dokapon Kingdom definitiv der Fall. Die eher profitgierigen Publisher stehen solchen Ideen jedoch leider immer häufiger im Weg. Wer Interesse hat und außerdem die Möglichkeit, es zu spielen, wird sich bei eBay für etwas mehr als 20€ zzgl. Versandkosten ein Exemplar sichern können - und in diesem Fall wird dringend empfohlen, dies auch zu tun.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Dokapon Kingdom | |
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| 6.9 | Grafik Technisch anspruchslose PS2-Knuddeloptik, die jedoch schön aussieht und deshalb trotzdem in gewisser Weise überzeugen kann. | |
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| 6.1 | Sound Nette Soundeffekte und Sprachsamples können nicht über einen Soundtrack hinwegtäuschen, der die einzige enttäuschende Komponente des Spiels ist. | |
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| 8.7 | Steuerung Auch ein Partyspiel braucht eine durchdachte, intuitive und schnelle Menüführung. Dokapon Kingdom erfüllt alle dieser Kriterien mit Beispielcharakter. | |
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| 8.1 | Gameplay Spaßiges Partyspielchen mit einem durchdachten, nahezu perfekt ausbalancierten Regelwerk und einer sehr guten Mischung aus Taktik und Glück. Die Komplexität ist gering, der Spassfaktor dafür umso höher. | |
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| 8.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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