Review von Kevin Jensen (mail) | 30.01.2007
Amigafreunde werden sich noch an die guten alten Zeiten erinnern, als Flipperspiele wie Pinball-Dreams noch richtige Kassenschlager waren, doch heutzutage ist es etwas still um spannende Bumper-Action mit Spielhallenflair geworden. System 3 hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Umstand aus der Welt zu schaffen und warf vergangenes Jahr Gottlieb Pinball Classics auf dem Markt. Erst für Playstation 2 und Playstation Portable erschienen, macht nun der Flipperspaß einen Boxenstop auf dem Nintendo Wii. Kann dieses Spiel auch auf Nintendos neuer Heimkonsole auftrumpfen?
Wo sind sie hin die guten alten Pinball-Spiele? Denn seit längerer Zeit darf man nur noch mit ansehen, wie Mario, Pikachu, Sonic, Kirby oder sogar die Zombies von House of Dead ihr Flipperdebüt feiern, jedoch was Simulationen anbelangt, herrschte lange Zeit das Schweigen im Walde. Mit der Rückkehr von System 3 wird hier aufgeräumt und schon im Handbuch wird einem die glorreiche Vergangenheit des Hauses auf die Nase gedrückt. Das Retroentwicklerteam hatte zu Zeiten des C64 einige Spieleperlen im Schmiedeeisen und so kreierten sie beispielsweise mit The Last Ninja einen unvergesslichen Klassiker. Mit Gottlieb Pinball Classics versucht man auch auf Nintendos TV-gebundenen Edelweiß, eine gute Figur abzulegen und den Karriereneuanfang ausführlich zu genießen.
Wer war Gottlieb?
In der heutigen Wissensgesellschaft ist es immer wieder erfreulich, ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern und den jüngeren Semestern die Vergangenheit näher zu bringen. David Gottlieb ist einer der Pinball-Urväter und gründete im Jahre 1930 das Gottlieb Unternehmen, welches damit anfing, die ersten Flipperspiele der Welt zu entwickeln. Daraufhin folgte eine lange Erfolgsgeschichte, denn noch vor den Zeiten von Bits und Bytes konnte man die Jugend an die Pinballtische locken und ihnen fleißig die viertel Dollarstücke oder Münzen anderer Währungen aus dem Portemonnaie entreißen. Der Begriff "Highscore" ward geboren und das schon weit vor den Zeiten von Pac-Man und Mario Bros. Die ersten Holzkisten mit Glasdeckel und viel Mechanik erschienen gegen 1931 und waren noch recht einfacher Struktur. Später wurde alles viel komplexer, mit zahlreichen Röhrensystemen, mehreren Spielfeldebenen und natürlich noch mehr blinkenden Lichtern und kräftigeren Bumpern. Gottliebs letzter Tisch wurde 1996 veröffentlicht und man hat sich den Film "Barb Wire" zum Vorbild genommen. Soviel zu non-digitalen Lizenzumsetzungen...
Während das Phänomen der Arcadehallen in den USA einen noch größeren Siegeszug verzeichnen konnte, findet man Videospielautomaten und gelegentlich Flippertische in Deutschland hinter Vorhängen von Spielehöllen, wenn man 18. Lebensjahr erreicht hat. Wer einmal damit angefangen hat, wird sich diese Erinnerung sobald nicht aus dem Gedächtnis streichen, denn das Prinzip birgt Suchtgefahr. Ist der verchromte Ball einmal abgeschossen, geht es ran an die wilde Highscorejagd. System 3 wollte genau dieses original Spielgefühl festhalten und dafür sorgen, dass Videospieler einmal auf Tuchfühlung mit dem Holzkastenkonzept gehen können. So lizenzierte man insgesamt 11 der beliebtesten Gottlieb-Pinballtische und verbannte sie auf einen rotierenden Silberling. Die klassische Highscorejagd kann nun auch zu Hause genossen werden und das mit Wii-Mote und Nunchuck in der Hand. Da es sich um eine detailgetreue Simulation der Originaltische handelt, muss man erst einmal an Tatsachen wie den hohen Schwierigkeitsgrad und gelegentlichen unfairen Stellen gewöhnen. Hier wird man nicht wie bei manchen Fun-Flippern einfach durchs Spiel getragen und darf friedlich-fröhlich dem lachenden Mario zuschauen, wie er seine Sterne sammelt.
Gerade dieser Aspekt des Realismus macht Gottlieb Pinball Classics aus. Die Ballphysik ist vorbildlich und die detailgetreuere Digitalisierung der echten Tische lässt den Spieler eine kleine Zeitreise miterleben. Mit der Wii-Steuerung fühlt es sich sogar so an, als würde man sich links und rechts am Tisch festkrallen und durch Knopfdruck die Paddle bewegen. Wer an die Seitenwände des Flippers klopfen möchte, um den Ball in eine Richtung zu drängen, wird dies durch Schütteln des jeweiligen Controller gefühlsecht durchführen können. Doch vor dem gefürchteten „Tilt-Sensor“ sollte man gewarnt sein. Wer zu dynamisch ist, wird nur noch zusehen können, wie sein Ball in den Abgrund fällt - ohne Bonuspunkte. Mit der richtigen Geräuschkulisse im Hintergrund kommt zudem echtes Arcadehallenfeeling auf.
Das Spielprinzip an sich ist einfach zu verstehen. Bevor man sich an den jeweiligen Tisch setzt, kann man sich von einem Sprecher die Regeln erklären lassen und zusätzlich etwas über dessen Historie erfahren. Zu Beginn stehen nur wenige Flipper frei zur Verfügung und für alle anderen braucht man Credits, die zuvor verdient werden müssen. So kann man beispielsweise an einem Turnier teilnehmen, oder versuchen, das Spielziel eines Tisches zu erreichen, damit man in Credits baden oder kostenlos flippern kann. Doch ein 5-Credit-Tisch ist für einen Anfänger sehr kostspielig und so kommt man erst nach und nach in den Genuss der insgesamt 11 Tische. Jeder Flipper verfügt natürlich über ein eigenes Design mit verrückten Ideen. Beispielsweise wird man beim Tisch "Goin' Nuts" mit 3 Bällen auf einmal flippern oder auf dem "Black Hole" auf mehreren Ebenen spielen. Als kleines Zusatzgimmick wird man noch am Liebesbarometer oder beim Wahrsager Credits verdienen können. Für Gottlieb-Kenner werden wir nun noch mal die Tische aufzählen, die im Spiel integriert sind. Da wären also: Victory, Eldorado, Goin’ Nuts, Big Shot, Teed Off, Black Hole, Strikes 'n Spares, Ace High, Central Park und Genie.
Das Gameplay oder wie man heute flippert
System 3 hatte die pfiffige Idee, dass man als Original-Flipperspieler die Paddels natürlich mit zwei Händen bewegen muss. So hat man es also auf dem Wii geregelt, dass der Nunchuck die linken Paddels steuert und die Wii-Mote für die andere Seite zuständig ist. Durch Rütteln der jeweiligen Seite kann man auf den Tisch einprügeln, um so zu versuchen, den Ball zu manipulieren. Später ist es auch möglich, den Flippertisch zu kippen, doch diese Funktion muss erst freigespielt werden. Damit man nicht nur um den heißen Brei bzw. den Highscore flippert, gibt es auf jedem Tisch ein vorgegebenes Spielziel, dass, wenn es erfüllt wird, ein neues Feature freispielt. So kann man sich mühlelos auch längere Zeit an einem Holzkasten beschäftigen. Lobenswert ist die Ballphysik, denn man glaubt fast, dass die Kugel in Echt über die digitalen Tische rollt. So muss es sein!
Grafik á la Next-Gen oder doch nur billiger Playstation 2-Port?
Es ist bekannt, dass Nintendos Wii nicht die grafischen Qualitäten einer Xbox 360 oder einer Playstation 3 vorweisen kann, doch was System 3 hier liefert, kann sich sehen lassen. Das Menü mag hier und da ein wenig altbacken wirken, die Tische hingegen machen eine gute Figur. Man hat versucht, möglichst nah am Original zu bleiben und kann nach Belieben sogar die Spiegelung des Glasdeckels ein- oder ausstellen. Ein netter Effekt, an dem die Spielbarkeit aber ein wenig leidet, darum die Option den Spiegeleffekt auszustellen. Jeder Flippertisch verfügt zudem über verschiedene Kameraperspektiven, die per Tastendruck durchgeschaltet werden können.
Der Sound oder die Akustik in der Spielhölle.
Gepiepse, Geklicke und Siegesgeräusche. Selbst am Pinballtisch tönt es so an, als wäre man in der Spielhalle. Man hört die Nebengeräusche der benachbarten Flipper, was einen einzigartigen Charme hat. Da sowohl die Sounds und die Musik von den Originaltischen übernommen wurden, hat man es mit puren Flipperklängen zu tun. An manchen Tischen ist es daher auch verhältnismäßig ruhig.
Fazit: Man merkt es Gottlieb Pinball Classics zwar an, dass es sich um ein Spiel der ersten Wii-Generation handelt, dennoch bedeutet dies nicht, dass es sich hierbei um ein schlechtes Spiel handelt. Zugegeben gehört dieses Flipperspiel in jede Sammlung eines Genrefans. Wer nur einen Hauch Interesse am Spielkonzept rund um Bumper und Co. hat, bekommt eine ordentliche Portion Spielspaß geboten. Überragende Ballphysik, einzigartige Flippertische und jede Menge zu tun. Möge die Zeitreise beginnen und die Highscorejagd weiter gehen!
Von Kevin Jensen
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| Wertung für das Spiel Gottlieb Pinball Classics | |
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| 7.6 | Grafik Das Menü ist ein wenig trist und altbacken, dafür die Tische sehr nah am Original. Selbst die Spiegelung der Glasplatte ist berücksichtigt. | |
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| 7.0 | Sound Atmosphärische Hintergrundgeräusche, ansonsten flippertypisches Gedudel und Sprachausgabe bei Erklärung der Spielregeln und Historie. | |
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| 8.2 | Steuerung Wii-Mote das rechte Paddle, Nunchuk die andere Seite. Ein wenig wackeln und es herrscht Tiltgefahr. Einfach aber gefühlsecht. | |
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| 8.5 | Gameplay Sehr realistische Ballphysik, elf spannende Tische die den Spieler lange Zeit vor den Wii fesseln können. Genrefans geraten in Schwärmen. | |
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| 8.3 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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