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Sonic Unleashed
Review von Tim Herrmann (mail) | 30.07.2009

War es der größte Patzer dieses Jahres oder vielleicht doch eine bewusste Marketing-Maßnahme? Plötzlich tauchten im Frühling Bilder auf, die ein neues Spiel namens Sonic Unleashed zeigen wollten. Das Internet diskutierte tagelang heftig über das durchaus hübsche Material, bis SEGA die Existenz des neuen Sonic-Abenteuers schlussendlich bestätigte. Nach mehreren missglückten 3D-Ablegern mit dem blauen Igel will sich das Sonic Team mit Sonic Unleashed zurück zu den Wurzeln begeben und lässt das Maskottchen wieder in ungeahnter Geschwindigkeit durch die Gegend flitzen. Aber das allein reichte den Herren und Damen noch nicht und so baute man kurzerhand ein weiteres Gameplay-Element mit einer neuen Rolle für Sonic ein: den Werwolf. Was er für das Spiel bringt und ob sich das angeschlagene Traditionsfranchise mit der Multiplattform-Igelhatz endlich rehabilitieren kann, erfahrt ihr in unserem Test.

In der dritten Dimension angekommen
Sonic Unleashed beginnt beim ersten Einschalten mit seiner spektakulären Intro-Sequenz. Der dickbäuchige und schnauzbärtige Fiesling Dr. Eggman hat erneut gemeine Pläne ausgeheckt und schwebt mit einer Raumschiffarmada über einem Planeten, um ihn zu zersplittern und damit ein böses Wesen namens Dark Gaia in seinem Inneren zu erwecken. Im letzten Moment kommt aber zum Glück jedermanns Lieblingsigel angewetzt, schlägt akrobatische Haken um zig aufgescheuchte Roboter und zerlegt die riesige Raumbasis praktisch im Alleingang in ihre Einzelteile. Mit spektakulären Sequenzen wie dieser beweist SEGA wieder einmal die Kompetenz seiner Animationsstudios, die ja auch schon bei z.B. NiGHTS – Journey of Dreams einen sehr guten Job gemacht haben und auch einen ganzen Film als Promo-Material zu Sonic Unleashed produzierten. Später im Spiel gibt es noch viele weitere solcher animierten Filmchen. Diese sind teilweise kinoreif oder eher ruhiger und auf „lustig“ gepolt.

Die Geschichte beginnt damit, dass Eggman die Macht der obligatorischen, in fast jedem Sonic-Spiel vorkommenden Chaos Emeralds benutzt, um den Planeten zu zerstören. Eine dunkle Bestie steigt aus dem Inneren des Himmelskörpers empor und verteilt ihre böse Energie über die Welt. Die Chaos Emeralds verlieren ihre Macht, Sonic wird mit einem Fluch belegt und fällt noch dazu aus hunderttausend Kilometern Höhe gen Boden. Natürlich kommt er unverletzt unten an und macht auch gleich die Bekanntschaft mit einem Neuling im Sonic-Universum: Der kleine, fliegende Kobold Chip mit Quietschestimme hat sein Gedächtnis verloren und weiß nicht, wer er ist. Später trifft Sonic auch wieder auf alte Kumpanen wie Amy und Tails, die ihm bei der Weltrestauration behilflich sind. Und damit sind die Grundlagen gelegt: Sonic kann wieder Gas geben.

Der Planet besteht nur noch aus verschiedenen Einzelstücken und die einzige Chance zu einer Wiederherstellung liegt in den Chaos Emeralds, deren Energie Sonic in den so genannten Gaia-Tempeln wieder aufladen kann. Von diesen Tempeln aus geht es auch in die einzelnen Levels. Um voranzuschreiten, muss man zunächst mit Einwohnern reden, die mehr oder weniger lustige oder wichtige Stellungnahmen abzugeben haben, wenn man in einer statischen Dorfkarte verschiedene Schauplätze anklickt. Das ist zwar etwas langatmig und hätte auch dynamischer gelöst werden können, sie verraten aber immerhin die Standorte der Tempel und setzen gesammelte Tafelfragmente zu Sonnen-, Mond- oder Planetentafel zusammen, die entweder den Weg zu den Nachtleveln, den Tagesabschnitten oder dem finalen Boss-Gegner weisen.

Das Gameplay in den Tageslevels ist so simpel geblieben wie eh und je. Der blaue Igel sprintet ohne Unterlass durch die Levels, hüpft über Hindernisse und Abgründe, greift Gegner an und sammelt goldene Ringe ein, um dadurch Geschwindigkeitsboosts und Punkte zu bekommen. Bei der Levelarchitektur hat man sich wieder mehr an den Ursprüngen der Serie orientiert – es gibt Loopings, wilde Beschleunigungsstreifen, Seilbahnen und andere Halsbrecher. Sonic Unleashed ist vielleicht der erste Serienableger, der das unvergleichliche Jump’n’Run-Geschwindigkeitsgefühl ohne Abstriche auch in die dritte Dimension bringen kann. Schnelle Richtungswechsel, lange Flüge durch die Luft und rasante Kamerafahrten tragen dazu bei, dass man wie im Rausch zusieht, wie Sonic durch die Gassen gleitet und seine Hacken in den Teer haut. Das Spiel wechselt innerhalb der Levels gerne auch zwischen 2D- und 3D-Passagen, was immer fließend vonstatten geht. Wer perfekt durch die Levels kommen möchte, braucht flinke Daumen, katzenartige Reflexe, den gewissen Vorausblick und natürlich kartografisches Erinnerungsvermögen, um in wilder Highscore-Wut die Stages und ihre Abkürzungen und Fallen auswendig zu lernen.

Die High-Speed-Passagen in Sonic Unleashed sind eine durch und durch runde Sache und machen ordentlich Spaß. Sie transportieren das Sonic-Gefühl endlich anstandslos in die dritte Dimension und motivieren Spieler zu immer besseren Zeiten und Punktwerten – vor allem auch, weil die Levels zig verschiedene Routen bieten, die man bei Schallgeschwindigkeit überhaupt erst einmal alle finden muss. Nach den großen Hauptlevels finden auf den jeweiligen Kontinenten auch ein paar Missionen statt, bei denen es um Schnelligkeit, Präzision oder möglichst hohe Punktwerte geht.

Haarige Wolfsausflüge
Aber Sonic Unleashed besteht nicht nur aus Zuckerguss. Sobald die Sonne hinter den Bergen verschwindet und der Mond zum Vorschein kommt, entblößt Sonic sein zweites Ich – und mit ihm das Spiel: Dem sympathischen Speed-Igel wachsen lange Krallen und Reißzähne, er wird wuschelig und behaart, sieht insgesamt einfach fieser aus und der glatte freundlich-blaue Plastik-Look ist wie weggepustet. In dieser Gestalt benimmt sich SEGAs Maskottchen kindgerechterweise aber nicht etwa wie eine wilde Bestie, wie man Werwölfe ja normalerweise einschätzt. Er ist nur etwas bulliger und kräftiger und kann ganz schön aggressiv gegenüber seinen Widersachern werden. Die Folge für das Gameplay: Nicht nur Sonic verändert sein Äußeres komplett, sondern auch sein Spiel dreht sich um 180 Grad. Was vorher Action geladenes Jump’n’Run-Rennen war, wird jetzt zum Action-Adventure mit Beat’em Up- und Hüpfeinlagen. Sonics Geschwindigkeit ist mit der Sonne verschwunden und so stapft er nun undynamisch durch die nächtlichen Gegenden und vermöbelt Gegner. Das war übrigens kein zusammenfassender Abriss des Igelwolf-Gameplays, sondern eine exakte Beschreibung der Abläufe: Denn viel mehr gibt es wirklich nicht zu tun in den Wolfspassagen. Sonic läuft, sammelt Ringe und so genannte Dark-Gaia-Kraft, indem er Töpfe und andere Umgebungsgegenstände zerschellen lässt und wird dann in einen Arenakampf mit zwielichtigen Kreaturen verwickelt.

Dann beginnt das Kampfsystem, das kaum simpler sein könnte. Ein Schlag mit der Wiimote teilt einen rechten Haken aus, das Nunchuk lässt Sonics linke Tatze tanzen. Die beiden Controllerschläge wechselt man dann so lange ab, bis die Gegner genug haben. Ein paar Spezialmanöver, die man nach und nach freischaltet, können dem Ganzen leider auch nicht mehr Substanz verleihen. Wer dieses Gehampel umgehen möchte, kann übrigens löblicherweise auch auf Classic- und GameCube-Controller setzen.

Ein weiteres, völlig typisches und allgemein bekanntes Werwolf-Feature sind die Gummiarme. Ja, richtig gelesen: Sonic hat in seiner behaarten Form flexible Arme, die ihm das Greifen von Vorsprüngen, Gegnern oder Kletterstangen ermöglichen. Leider ist das extrem ungenau und wird oft in irgendwelchen Abgründe enden. Das Spiel scheint nämlich keine klare Regel dafür zu haben, wie lang Sonics Arme nun wirklich werden können. Man muss in die Nähe eines greifbaren Punktes springen, um dann mit Aufblinken eines kleinen Symbols zupacken zu können. Wenn man noch zu weit weg ist, funktioniert nichts. Ab und zu reagiert das Feature auch nicht, wenn Sonic zu nah dran ist. Ähnliche ärgerliche Ungenauigkeiten lassen sich beim Springen, wo Sonic gerne mal übers Ziel hinausfliegt oder viel zu wenig Strecke zurücklegt, und im Werigel-Sprint-Feature (Werigel ist sprachgeschichtlich übrigens streng genommen falsch, weil „Wer“ Althochdeutsch für „Mann“ ist und Sonic schließlich nicht vom Mann zum Igel wird, sondern vom Igel zum Wolf) beobachten. Dazu muss der Control-Stick zweimal in dieselbe Richtung gedrückt werden (was schon extrem doof ist), Sonic läuft dann auf allen Vieren etwas schneller. Leider ist er in dieser Geschwindigkeit aber auch so gut wie unfähig, Kurven zu laufen und glitscht irgendwo rum, als würde sich Eis unter seinen Pfoten befinden.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Passagen mit Sonic als Wolf sind im wahrsten Sinne des Wortes sehr haarig. Gameplaytechnisch sind sie nicht nur anspruchslos, sondern werden von der langweiligen und teils ungenauen Steuerung auch noch unnötig mit Ärgerlichkeiten versehen, die das Blut besonders in Hüpfpassagen von Zeit zu Zeit zum Kochen bringen können. Und dann fragt man sich, ob man hier tatsächlich noch das gleiche Spiel spielt wie eben.

Trockene Schale, saftiger Kern
Sonic Unleashed ist ein Spiel wie ein Berliner. Im Inneren befindet sich die süße Marmelade - doch um da heran zu kommen, muss man sich erst einmal durch das trockene äußere Fettgebäck fressen (ohne Zuckerguss!). Das muss halt sein, schmeckt nicht so besonders überragend und macht noch dazu dick, aber am Ende wird man schließlich belohnt. In Sonic Unleashed besteht das süße und spielenswerte Innere natürlich aus den High-Speed-Tagespassagen, in denen es Schlag auf Schlag durch riesige Areale geht. Das nervige Äußere sind die Nachtpassagen, die man schnell, unmotiviert und diszipliniert nacheinander abfrühstückt, um dadurch schnell zur nächsten, echten Sonic-Stage zu kommen.

Nun fragt man sich vielleicht, warum SEGA bloß immer und immer wieder solche Verschlimmbesserungen in die Sonic-Spiele einbaut und sie davon abhält, endlich an die Gesamtqualität der Klassiker heranzureichen. Der Grund dafür ist ein ziemlicher simpler: Einen High-Speed-Abschnitt in 3D zu entwerfen, der circa fünf Minuten dauert, ist ein riesiger Entwicklungsaufwand. Denn das ganze riesige Areal muss so gestaltet werden wie in einem klassischen, durchschnittlich schnellen Hüpfer. Sonic läuft nämlich nicht automatisch immer schnell, womit grafische Unschönheiten gar nicht auffallen würden, sondern könnte theoretisch zwischendurch auch einfach stehen bleiben und sich die schöne Landschaft anschauen.

Bei den Igelwolf-Passagen hingegen braucht es nur ein sehr kleines Level, das ungefähr ein Hundertstel so groß ist wie ein Rennabschnitt, dafür aber fünf Minuten länger zum Durchspielen dauert und somit die Spielzeit ungemein streckt. Nun ist natürlich die Frage, ob sich die Fans mit einem Spiel zufrieden geben würden, das insgesamt nur drei Stunden dauert, dafür aber Spielspaßdichte ohne Ende bietet.

Technisch top
Beim Gedanken daran, dass Sonic Unleashed gleich für mehrere Konsolen erscheinen wird, unter denen sich auch die PlayStation 2 befand, lief einigen schon ein kalter Schauer über den Rücken. Eine weitere miese Umsetzung drohte. Mit der fertigen Version kann aber Entwarnung gegeben werden: Sonic Unleashed ist technisch einwandfrei auf Wii umgesetzt worden. Die Grafik läuft auch auf Nintendos Konsole bei Höchstgeschwindigkeit absolut ruckelfrei und ist mit vielen satten Farben und scharfen Texturen sehr ansehnlich. Auch Sonic selbst präsentiert sich elegant wie selten zuvor, die Animationen sind astrein und auch in seiner ungeliebten Werwolf-Form sticht er hervor, weil man an ihm so etwas wie Fell erkennt. Die langsamen Nachtpassagen sind 1:1-Umsetzungen der PS2-Version und können insgesamt betrachtet keinen Blumentopf gewinnen. Und auch die nächtlichen Gegnermodelle sind lieblos: Man nehme eine unförmige Kreatur, male sie in Lila und Dunkelblau an und gebe ihr rote Augen – fertig.

Auch am Sound merkt man, dass bei der Entwicklung von Sonic Unleashed eine Menge Budget zur Verfügung gestanden hat – auch auf Wii. Die Melodien erinnern an die klassischen Sonic-Spiele und werden mit moderneren und rockigeren Instrumenten bzw. computerstämmigen Klängen an die heutige Zeit angepasst. Einige Musikpassagen haben echten Ohrwurmcharakter und die Musik im Hauptmenü und in den Zwischensequenzen unterstreicht die epische Atmosphäre, die die Geschichte vermitteln möchte. Von den perfekten Zwischensequenzen war ja bereits die Rede.

Fazit:
Mit Sonic Unleashed hat SEGA sein Maskottchen endlich wieder nach oben katapultiert: Das Gameplay in den Hochgeschwindigkeitsabschnitten ist sehr spaßig und motiviert unheimlich zur Highscorejagd. Auch technisch spielt diese Produktion in einer sehr hohen Liga auf Wii. Ein paar üble Flecken mischen sich trotzdem in das Konzept: Obwohl die Idee des Igelwolfs nicht schlecht ist, machen diese Spielpassagen keinen Spaß, füllen aber leider weit mehr als die Hälfte von Sonic Unleashed aus. Durch sie muss man sich hindurchkämpfen, wodurch der Spielfluss unterbrochen und der Gesamteindruck geschmälert wird. Insgesamt reißen die guten Spielteile die Wertung in den grünen Bereich und den Spieler erwartet trotz allem eine kleine Perle, die mehr Spaß macht als Sonic und die Geheimen Ringe, die aber auch umschlossen ist von einer harten Muschel, die zu knacken zuweilen anstrengend und lästig ist.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Sonic Unleashed
Wertungen Beschreibung
8.0Grafik
Während die High-Speed-Passagen mit beeindruckender Flüssigkeit, satten Farben und scharfen Texturen überzeugen, dümpeln die nächtlichen Spielabschnitte auf PS2-Niveau mit Kantenflimmern und unsauber gestalteten Umgebungen.
8.8Sound
Pluspunkt: Die rockigen Stücke erinnern von der Melodie her manchmal an ältere Sonic-Spiele, hören sich aber dank mehr Instrumenten noch rockiger an.
7.0Steuerung
Tagespassagen: keine Beanstandungen. Nächtliche Abschnitte: ungenaue Sprünge, lästiges Greifsystem mit den Gummiearmen und glitschige Sprintsteuerung lassen Sonic oft unnötigerweise im Graben landen. Pluspunkt für optionale Steuerungsmöglichkeit mit Classic- oder GameCube-Controller.
7.8Gameplay
Es besteht tatsächlich ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen den Tages- und Nachtpassagen. Während Sonic tagsüber zu Hochform aufläuft und sehr gut unterhalten kann, macht sein nächtliches Ebenbild viel wieder kaputt.
8.0Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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