Review von Andreas Held (mail) | 17.12.2008
Es gab einmal eine Zeit, da war Animal Crossing so ziemlich das nischenhafteste Core-Game, was eine Nintendo-Konsole zu bieten hatte - und auf dem GameCube fast so obskur wie Cubivore oder Star Soldier R. Für europäische GameCube-Jünger gab es dann noch das Problem, dass der Titel eine selbst für Nintendo unverhältnismäßig lange Zeit nur in den USA erhältlich war und Datels Freeloader damals noch nicht einmal wirklich zu existieren schien. Das führte dann dazu, dass ein kleiner Kern von Nintendo-Spielern weder Kosten noch Mühen scheute, um sich eine amerikanische Konsole samt einer Importversion des Spiels zu besorgen, und dann nicht zuletzt ein maßangefertigtes RGB-Kabel brauchte, welches das NTSC-Signal des amerikanischen GameCubes in ein für hierzulande übliche Fernseher darstellbares Signal umwandeln konnte. Das alles ist auch noch gar nicht so lange her - vor fünf Jahren steckten alle selbsternannten Core-Gamer wegen eben dieses Titels im Importwahn. Und nun? Nintendo hat das Konzept, nicht zuletzt durch eine viel intensivere Vermarktung der DS-Version, mittlerweile massentauglich gemacht und Animal Crossing ist ironischerweise als Casual-Game verschrieen, das ja leider auch nur zu sehr in das "Feindbild" all derer passt, die auf Wii nur blutige Ego-Shooter mit Endzeitszenarien sehen wollen. Eine zweckmäßige, sehr kindgerechte Aufmachung, ein technisch nicht ansprechender Grafikstil, das völlige Fehlen jeglicher spielerischer Herausforderung, das Fehlen eines finalen Ziels und auch die Herangehensweise, dass das Spiel täglich ein bisschen und nicht stundenlang am Stück gespielt werden soll, passen voll in das für Titel wie Wii Music oder auch Mein Wortschatz-Coach gemalte Bild des anspruchslosen, günstig produzierten Casual-Games. Ist eine solche Verurteilung denn wirklich angemessen, oder waren es nicht gerade diese Elemente, die Animal Crossing damals so furchtbar interessant machten?
Manche Dinge ändern sich nie
Nintendo schafft es nicht selten, den gleichen Spielablauf für mehrere Spiele zu verwenden. So wird Mario wahrscheinlich noch sehr oft die von Bowser entführte Prinzessin retten müssen und der Pokémon-Trainer wird noch sehr, sehr oft gegen einen Rivalen, acht Arenaleiter und ein böses Team antreten müssen. In Animal Crossing ist das nicht anders und so dürfte der Ablauf, der in der DS-Version für viele noch neuartig war, langsam aber sicher auch zur Routine werden. Nach der Erstellung eines Spielstandes, bei der nur die Stadt und der eigene Charakter benannt werden können, werden diese zufällig generiert und der Spieler nun auf das neue Dorf losgelassen, um sich für eines von vier Häusern zu entschieden. Wieder einmal fehlt zum Kauf das Geld und wieder einmal können die Schulden bei Tom Nook abbezahlt werden, was zunächst durch einen Teilzeitjob passiert, der als Tutorial fungiert. Alle elemantaren Aktionen (Reden mit Dorfbewohnern, Schreiben von Briefen, Benutzen von Werkzeugen) werden hier zumindest kurz angeschnitten, sodass man danach bereit für das Leben in seiner neuen Stadt ist. Dann entlässt Tom Nook den Spieler auch schon wieder und sagt ihm, dass er das Haus in beliebigen Raten abbezahlen und dazu beliebig lange brauchen kann. Auch danach wird man kaum Unterschiede im Spielablauf feststellen können, wenn man die beiden Vorgänger ausgiebig gespielt hat; die DS-Version ist dem Spiel sogar so ähnlich, dass man seine alte Stadt und seinen kompletten Spielstand in die Wii-Version übernehmen kann. Let's Go To The City ist also eher eine Erweiterung von Wild World und natürlich ein Grafik-Update im Vergleich zur DS-Version.
Für diejenigen, die noch überhaupt keinen Kontakt mit der Serie hatten, wollen wir das Spielprinzip natürlich trotzdem kurz umreißen. Animal Crossing baut wie kein anderes Spiel auf die interne Uhr der Konsole auf. Die Spielwelt läuft dabei voll in Echtzeit ab und sowohl das Datum als auch die Uhrzeit richten sich nach den realen Werten. Wer also nachts um zwei seine Konsole einschaltet, wird durch ein ausgestorbenes Dorf laufen, weil alle Bewohner schlafen. Auch Jahreszeiten sind in das Spiel integriert - ähnlich wie in Harvest Moon verändert sich das komplette Aussehen der Stadt also in Intervallen von drei Monaten. Sogar Festtage wurden in das Spiel integriert, sodass man momentan über weihnachtlich dekorierte Tannen stolpert und am 24. Dezember schon morgens die ersten, virtuellen Geschenke abholen kann.
Ein festgesetztes Ziel gibt es dabei wirklich nicht, aber zumindest genug Anreize, das Spiel täglich zu spielen. Der interessanteste Anlaufpunkt ist sicherlich Tom Nooks Laden, der sein Inventar täglich ändert und daher immer etwas interessantes auf Lager haben könnte, was in der eigenen Sammlung noch fehlt. Nook verkauft hauptsächlich Einrichtungsgegenstände, mit denen das am Anfang erworbene Haus ausgestattet und möbiliert werden kann. Außerdem kann man mit den Dorfbewohnern interagieren und kleine Aufgaben für sie erfüllen, um an weitere Belohnungen zu kommen. Das nötige Kleingeld kann dabei auf alle möglichen Arten und Weisen besorgt werden: Es können Obstbäume geschüttelt, Muscheln gesammelt, Fische geangelt, Insekten gefangen, Blumen gepflanzt und sogar Fossilien ausgegraben werden, die dann alle bei Tom Nook für ein gewisses Entgelt verkauft werden können. Das wird dann aber nicht nur in neue Möbel investiert, sondern auch dafür verwendet, das Haus abzubezahlen oder der Stadtkasse eine Spende zu stiften. Viele dieser Dinge können täglich nur begrenzt gemacht werden; ab einem gewissen Punkt muss man schlichtweg bis zum nächsten Tag warten, an dem neue Muscheln angespült wurden und neues Obst gewachsen ist. Übrigens können bis zu vier Spieler in der selben Stadt einziehen und gemeinsam an der Bepflanzung arbeiten oder das Museum ausstatten, aber nicht gleichzeitig spielen.
Absolute Sammelwut
Dass es in Animal Crossing kein festes Ziel gibt, ist definitiv richtig. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht eigene Ziele setzen kann - es gibt sogar eine ganze Menge davon. Am offensichtlichsten ist natürlich das Abbezahlen der Schulden, was sofort dazu führt, dass Tom Nook ungefragt Erweiterungen der Wohnfläche vornimmt und den Spieler vor einen noch viel höheren Schuldenberg stellt. Die Einrichtung soll jedoch auch nicht wahllos vorgenommen werden, weshalb man sich für eine der dutzenden Möbelserien entscheiden kann, die dann fleißig komplettiert werden will. Das Menü sammelt derweil Einträge über alle gefangenen Fisch- und Insektenarten, von denen es im Spiel insgesamt jeweils 64 gibt. Diese können außerdem noch an das Museum gespendet werden, das darüber hinaus Fossilien und Gemälde annimmt und aus ersteren ganze Dinosaurierskelette zusammenbaut, wenn man sie denn fleißig sammelt und spendet. Die ganz harten Spieler können sich im Internet eine komplette Liste der hunderten, wenn nicht sogar über tausend im Spiel erhältlichen Items ausdrucken und versuchen, jeden dieser Gegenstände ein mal besessen zu haben, was bedeutet, dass sie in Tom Nooks Katalog aufgenommen werden. Langzeitmotivation ist also absolut gegeben, nicht zuletzt dadurch, dass sich die Spielwelt ständig verändert und viele Gegenstände nur zu bestimmten Jahreszeiten oder an Festtagen erworben werden können.

Ganz unbefleckt ist Animal Crossing natürlich trotzdem nicht. Das prominenteste und schon oft angesprochene Problem ist, dass man all diese Dinge auch schon in den Vorgängern tun konnte und die Wii-Version daher zwar mehr Umfang und neue Items, aber auch viel Bekanntes und nichts grundlegend Neues liefert. Das ist insofern aber gar nicht so gravierend, da die Animal Crossing-Serie zumindest in dieser Form komplett einzigartig ist und die Vorgänger nun auch schon wieder fünf bzw. zwei Jahre zurückliegen, wodurch das Spielprinzip etwas aufgefrischt wurde. Wen also damals schon einmal die Sammelwut gepackt hat, der wird wahrscheinlich auch dieses Mal wieder sehr motiviert sein, die Sammlungen zu vervollständigen. Punkt zwei ist die Steuerung, die irgendwo zwischen klassischer Steuerung und Bewegungssteuerung hin und her schwebt und dabei oft doppelt belegt ist. Zeigt man mit der Wii-Remote auf den Bildschirm, wird die Knopfsteuerung komplett deaktiviert, weshalb man ständig aufpassen muss, die Wii-Remote auf den Boden oder zur Seite zu richten, wenn man diese nutzen will. Eine Möglichkeit, die Wiimote-Features komplett abzustellen oder klassische Controller zu verwenden, fehlt komplett, wäre jedoch sehr willkommen gewesen. Das Ganze ist aber Meckern auf hohem Niveau und es gibt auch sehr viele clevere Shortcuts, zum Beispiel die Möglichkeit mit dem Steuerkreuz Werkzeuge direkt anzuwählen, die die Menüstruktur wieder etwas aufwerten. Die Steuerung ist in Let's Go To The City also durchaus gut gelöst, aber ganz klar nicht optimal.
Die Stadt und andere Dörfer
Die virtuelle Stadt wurde im Vorfeld als größte Neuerung verkauft und ist deshalb sogar namensgebend für die Wii-Version. Um dorthin zu gelangen, muss erst an der Bushaltestelle in das öffentliche Verkehrsmittel eingestiegen werden und ein kurzer Dialog mit dem Busfahrer abgewartet werden, der die nötige Ladezeit maskieren soll. Dort angekommen gibt es leider auch nicht viel Neues, sondern fast ausschließlich Läden, die es auch schon früher gab, damals jedoch nur an gewissen Tagen im Dorf erschienen sind. Neu sind lediglich der Friseursalon, in dem die Frisur oder gleich der ganze Kopf ausgetauscht werden kann, das Theater (bedingt neu) und das Auktionshaus. Im Theater geht es hauptsächlich darum, Emotionen zu "erlernen", die dann später als Ausdrucksmittel eingesetzt werden können - ähnlich dem, was in anderen Spielen über Kommandos wie "/hug" oder "/dance" passiert. Im Auktionshaus können Items zur Versteigerung angeboten oder auf andere Artikel geboten werden, was sich zunächst nett anhört, tatsächlich jedoch so schlecht umgesetzt wurde, dass es fast nutzlos ist. Eine einzelne Auktionsperiode dauert ein Wochenende und in dieser Zeit kann jeder Spieler genau einen Artikel anbieten und genau ein Gebot abgeben. Wird er überboten, hat er Pech gehabt und muss eine Woche warten. Welche Probleme damit in einer großen Online-Community entstehen, kann sich jeder sehr leicht ausmalen.
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Auch die anderen Online-Features fallen in die Kategorie: Das Gegenteil von "gut" ist "gut gemeint". Bevor überhaupt irgendetwas passieren kann, müssen Freundescodes getauscht werden - Spielen mit Fremden ist komplett unmöglich. Freunden kann man dann Briefe schreiben und Items schicken oder ihre Stadt besuchen, was sogar dann geht, wenn der Gegenüber die DS-Version besitzt. Es wird aber schon in der Spielanleitung darauf hingewiesen, dass man in einer fremden Stadt nur das tun kann, was man sowieso auch im eigenen Dorf machen könnte und viele Dinge sogar wegfallen. Zwar gibt es Kommunikationsmöglichkeiten und für Käufer von WiiSpeak sogar Voice-Chat, und es ist auch nett, dass sowas endlich auch auf Wii funktioniert, nachdem es auf anderen Konsolen schon jahrelang Standard war - einen wirklichen Nutzen hat das Ganze aber nicht, denn im Gegenzug fehlen sämtliche kooperativen Elemente, die einen Voice-Chat überhaupt erst nötig machen würden. Es gibt in Animal Crossing eben nichts, was gemeinschaftlich getan werden kann, und das Tauschen von Items funktioniert über Briefe fast noch besser, da man das bequem von "zu Hause" aus machen kann und nicht erst auf eine Einladung warten und in eine fremde Stadt reisen muss. Somit wird WiiSpeak wohl eher als kostenloses Kommunikationsmittel für Unterhaltungen missbraucht werden, die überhaupt nichts mit Animal Crossing zu tun haben, was wohl nicht die Intention des Ganzen war - oder vielleicht ja doch. Bei Nintendo weiß man das nie so genau.
Zweckmäßig, aber ansprechend
Ein Grafikblender war Animal Crossing noch nie. Bereits auf dem Gamecube galt der Grafikstil als nicht zeitgemäß und gewöhnungsbedürftig, und die Wii-Version wirkt auf den ersten Blick identisch. Tatsächlich jedoch gibt es viele kleine Details, die Animal Crossing zum grafisch bislang mit Abstand besten Teil der Serie machen. Animal Crossing ist vielleicht das erste Wii-Spiel, das die 480p-Auflösung nicht nur für eine höhere Bildschärfe nutzt, sondern wirklich Details darstellt, die auf Standard Definition nicht möglich wären. Spielt man Let's Go To The City über Scart an einem Röhrenfernseher und danach über ein Komponentenkabel an einem HD-Gerät, wirkt das Spiel wie ein grafisch grundlegend überarbeiteter Nachfolger, was vor allem im Museum deutlich wird. Auch bei den Möbeln wurden unzählige Details und Nuancen liebevoll ausgearbeitet und spätestens, wenn man im Museum eine Flunder dabei beobachtet, wie sie sich im Sand eingräbt und anschließend nur noch die Glubschaugen zu sehen sind, wird einem der Charme der Optik bewusst. Ähnlich verhält es sich mit dem Soundtrack, der oberflächlich nach Gedudel klingt, tatsächlich aber einige schöne Melodien in Petto hält. Viele Remixer haben bewiesen, was sich aus den scheinbar minimalistischen Stücken herausholen lässt. Animal Crossing beweist einmal mehr, wie man auch mit technisch einfachen Mitteln ein sehr ansprechendes Gesamtbild erzeugen kann, wenn seitens der Entwickler die künstlerische Begabung vorhanden ist und vor allem auch die Motivation, diese zu nutzen.Fazit: Ich gehöre zu denjenigen, die sich Animal Crossing für den Gamecube damals teuer importiert haben, stand der Wii-Version jedoch trotzdem recht skeptisch gegenüber, da ich mit Wild World auf dem DS irgendwie überhaupt nicht warm geworden bin. Alle Bedenken waren jedoch fast von Beginn an verflogen und nach sehr kurzer Zeit war die Motivation, das Museum auszustatten und ein ansehliches Haus zu bekommen, wieder voll da. Let's Go To The City mag nichts neues bieten und lässt einige Features der Gamecube-Variante, allen voran die freispielbaren NES-Konsolen, sogar schmerzlich vermissen - dafür macht es das Bekannte wirklich verdammt gut und vermittelt wieder seinen einzigartigen Charme, von dem es kein Stück verloren hat. Im Prinzip kann jeder, der die Vorgänger kennt, selbst entscheiden, ob sich ein Kauf lohnt: Wer die bisherigen Ableger der Serie mochte und wieder Lust auf das Spielprinzip hat, kann bedenkenlos zugreifen. Allen anderen, die Animal Crossing bis jetzt noch nicht gespielt haben, können wir versichern: Ein Kauf lohnt sich. Dass ein Spiel für Casual-Gamer und Kinder zugänglich ist, heißt ja nicht, dass allen anderen verboten ist, daran Spaß zu haben. Das Gegenteil ist der Fall und aufgrund seines wahnsinnigen Umfangs an Dingen, die gesammelt werden können, kann es potentiell hunderte Spielstunden verschlingen.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Animal Crossing: Let's Go To The City | |
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| 7.8 | Grafik Zweckmäßig, aber unglaublich stilvoll. Nutzt die 480p-Auflösung für einen Detailgrad, der sonst nicht möglich gewesen wäre. Langsam merkt auch Nintendo, dass HD-Geräte sehr weit verbreitet sind. | |
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| 7.2 | Sound Wie die Grafik: Zweckmäßig, aber ansprechend. Schöne Melodien werden sehr simpel präsentiert. | |
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| 7.4 | Steuerung Die Menüs sind fast immer intuitiv zu bedienen und alle Kommandos sind schnell ausgeführt. Nur manchmal stehen sich Knopfsteuerung und Bewegungssteuerung gegenseitig im Weg. | |
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| 8.9 | Gameplay Viel neues gibt es nicht und die Online-Features sind nett, können das Spielprinzip jedoch auch nicht weiterentwickeln. Dafür kann das Bekannte immer noch extrem fesseln und die potentielle Langzeitmotivation für Sammler ist immens. | |
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| 8.4 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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