Review von Tim Herrmann (mail) | 27.11.2008
Phänomen Carnival Games: eine nicht nur anscheinend, sondern auch tatsächlich völlig unspektakuläre Minispielproduktion von einem Dritthersteller wird praktisch über Nacht zu einem Millionenseller für Wii. Selbst Publisher 2K Games wollte seinen Augen nicht trauen, als Carnival Games wenige Wochen nach dem Launch von Metroid Prime 3 – Corruption in den Wii-Bestsellerlisten immer noch vor dem superben Ego-Adventure aus den Retro-Studios stand. Den Wenigspielern war es zu verdanken – sie kauften sich das Spiel vermutlich wegen der ansprechenden Verpackung und der sehr bunten Aufmachung. Carnival Games inspirierte zahlreiche weitere Hersteller zu ähnlichen Projekten und mittlerweile gibt es zwei Mal Game Party von Midway, Klone von Ubisoft, zig Sportspielsammlungen von Hudson, THQ, Destineer und Activision und unzählige Freizeitpark-Umsetzungen für Nintendos Konsole.
Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, warum 2K Play nun ein Jahr nach dem Erstling mit Carnival Games – Minigolf ein zweites Spiel mit dem anscheinend sehr zugkräftigen Namen auf den Markt bringt. Wie sich dieser Titel schlägt und ob er das Potential zu einem ähnlichen Verkaufs-Hit wie der Erstling hat, verraten wir in unserem Test.
Wozu Minigolf?
Die logische Konsequenz aus einer erfolgreichen, kostengünstig produzierten Minispielsammlung wäre ja eigentlich kein Spiel, das sich „Minigolf“ nennt, sondern vielleicht doch eher eine weitere kostengünstig produzierte Minispielsammlung mit wenigen Neuerungen, aber demselben Preis. Insofern ist es 2KPlay schon fast hoch anzurechnen, dass man nicht diesen einfachen Weg geht wie so viele andere Hersteller und lieber ein wenig Innovation in das sehr graue Einheitsmuß in Sachen Wii-Casual-Games bringen will.
Eine komplette Abkehr von den Wurzeln von Carnival Games ist das neue Minigolf-Spiel aber trotzdem nicht geworden: Innerhalb des Spielablaufs verstecken sich immer wieder kleine Zwischenaufgaben, die höchstens am Rande mit dem Hobbysport zu tun haben. So ist der kleine Golfball zum Beispiel manchmal als Geschoss zu verwenden, mit dem Eier durchschlagen oder Geister vermöbelt werden müssen. Und mitten in den Kursen mischen sich auch von Zeit zu Zeit Flipper-Passagen ins Spielgeschehen.

Der Großteil von Carnival Games Minigolf wird seinem Namen allerdings gerecht und ist auch wirklich Minigolf. Dabei wäre es einem Carnival Games natürlich viel zu langweilig, einfach auf graue Hindernisparcours zu setzen, in denen es auf Fingerspitzengefühl und die richtige Technik ankommt. Stattdessen bietet es einen Park, der aus neun Themengebieten besteht – Das Märchenland ist genauso vertreten wie zum Beispiel ein Bauernhof, eine Pirateninsel, eine Urzeitlandschaft oder die Spukwelt voller gruselig-schauriger Geister. In jedem dieser Themengebiete befinden sich dann einige Minigolfkurse. Viel Wert wird darauf gelegt, dass die Parcours nicht so aussehen wie künstlich angelegte Minigolfbahnen, sondern wie ein Stück idyllischer Landschaft, das – völlig zufällig, aus einer Laune der Natur heraus - in einer gewissen Weise gebogen ist und an seinem Ende ein Loch beherbergt, in dem der Ball platziert werden könnte.
Die Langzeitmotivation für sein Publikum zieht Carnival Games Minigolf voll aus dem Prinzip des immer neuen Freischaltens. Mit Münzen, die auf den Kursen verstreut liegen, kann man sich neue Kleidung, Accessoires oder sonstige Goodies kaufen und einen ganz eigenen Spielcharakter gestalten, wie auch schon beim Vorjahrsableger. Nach und nach melden sich abhängig vom Fortschritt im Spiel neue Gegenden zu Wort, es werden neue Kurse frei geschaltet und frische Kostüme verfügbar.
Steuerkreuz; A-Knopf; Schütteln
Die Steuerung von Carnival Games geht genauso von der Hand, wie man es erwartet, und beinhaltet keinerlei Überraschungen. Wie bei Wii Sports Golf bestimmt zunächst das Steuerkreuz die Schlagrichtung. Dann muss nur noch der A-Knopf gedrückt und die Wii-Remote „geschwungen“ werden, woraufhin der Golfball sich auf den Weg macht. Das „Schwingen“ ist dabei durchaus ironisch zu verstehen, denn es interessiert den Titel herzlich wenig, ob das Manöver mit dem Schläger (= mit der Wii-Remote) nach oben, unten, links, rechts oder auch Nordnordost geht. Alles was zählt, ist eine Kraftanzeige, die die Beschleunigung des Schlages misst. Wo es bei Wii Sports Golf noch regelmäßig passierte, dass man einen etwas schiefen Schlag erwischte, kann man Carnival Games Minigolf dadurch täuschen, dass man die Wii-Remote einfach kurz irgendwohin ruckelt, um ein wenig Kraft aufzubauen und dann loszuschlagen. Da hilft auch ein weiterer Plastikaufsatz für die Wii-Remote nichts, den 2K für das Spielen empfiehlt, der aber natürlich überhaupt keinen Effekt hat.
Logischerweise ist dieses Prinzip der Einfachheit zuliebe dem der etwas realistischeren Steuerung vorgezogen worden und auch der Levelaufbau macht mit. Über den Kurs sind Münzen verteilt, die aufgesammelt werden, sobald der Ball sie berührt. In den sehr leichten Bahnen muss dann meistens nur auf die erste Münze gezielt werden, woraufhin der Ball in deren Richtung rollt und danach plötzlich auf eine glücklicherweise gerade vorhandene Steigung trifft, die seine Richtung ändert und ihn zufällig genau in die Richtung der nächsten Münze bugsiert, woraufhin eine Steilkurve erscheint, die den ursprünglich einmal geradeaus gedachten Schlag galant um die Ecke schleudert. Während die Kamera den Ball verfolgt und er rollt und rollt und rollt, kann sich der Spieler lässig zurücklehnen und das große Kino genießen wie er, der neue Tiger Wutz, den Kurs mit einem einzigen Schlag und natürlich mit einen Hole-in-One am Ende bezwungen hat.
Zugegebenermaßen ist das nicht unbedingt die Regel, aber grundsätzlich überfordert Carnival Games Minigolf niemanden durch sein zu hohes Niveau und selbstverständlich ist das Absicht, denn der Titel ist und bleibt ein Casual-Spiel für die ganze Familie. Unverständlich ist dabei nur die Tatsache, dass 2K seine Spieler durchweg siezt. Abgesehen von der Tatsache, dass wegen der USK-Einstufung ab 0 jedes Baby den Titel spielen darf, werden Spiele suchende Erwachsene bei der glücklich-bunten Gestaltung des Covers wohl eins und eins zusammenzählen können und wissen, für welche Zielgruppe dieser Titel gedacht ist. Alle über 10, die sich dieses Spiel kaufen, werden das wohl nur für andere Kinder tun – die dann in etwa so angeredet werden: „Klein Anna, bitte drücken Sie den A-Knopf und schwingen Sie die Fernbedienung“.
Casual = Müll?
Viele werden diesen Test wahrscheinlich gar nicht erst lesen, allerhöchstens einen Blick auf das Fazit werfen, um sich an der vermeintlich erschreckend niedrigen Wertung zu ergötzen. Allen die sich nach tiefer greifenden Analysen sehnen, sei aber eines gesagt: Bloß weil Carnival Games sowohl äußerlich als auch innerlich alles das beherzigt, was ein reinrassiges Casual-Game ausmacht, ist es doch einer der besseren Vertreter dieses Genres, das genau wie jedes andere seine Hoch- und seine Tiefpunkte hat. Wo einige Publisher auf grob hingematschte N64-Grafiken setzen, die ihren Zweck gerade eben noch so erfüllen, und wo einige Publisher den Umfang so weit kürzen, dass sie gerade so viel zusammen bekommen, dass es für eine toll anhörende Beschreibung auf der Verpackungsrückseite reicht, ist 2KPlay anders und hat sich selbst gewisse Anforderungen gesetzt. Die optische Seite des Spiels beispielsweise ist sehr liebevoll gestaltet. Es spart an keiner Stelle mit satten und blendend grellen Farben und ist dadurch natürlich überbunt – was Erwachsene wohl wieder eher abschreckt, Kindern dafür umso mehr gefallen dürfte. Unschönes und grobe Designfehler sind selten bis gar nicht zu finden und die aufwändige und übertrieben comichafte Gestaltung der verschiedenen Welten verdient Lob.

Dass Carnival Games – Minigolf dann auch noch komplett mit deutscher Sprachausgabe und Bildschirmtexten und einem ausführlichen Handbuch daher kommt, spricht für die Macher, die sich nicht einfach auf dem Namen ausgeruht, sondern sich auch darum bemüht haben, ihr Konzept durchweg gut zu präsentieren – von außen UND von innen.
Trotzdem haben die zweiten Jahrmarktspielereien nicht das Zeug zu einem Top-Casual-Titel wie Boom Blox, was schlicht und einfach daran liegt, dass trotz des angepriesenen Familienspielcharakters eigentlich nur eine Zielgruppe angesprochen wird: Präsentation, Gameplay und alles darum sind voll auf ein Publikum von 3 – 9 Jahren ausgelegt und wird allen darüber nicht viel geben. Carnival Games – Minigolf ist zu leicht, zu anspruchslos, zu bunt und zu speziell für den Geschmack eines älteren Kindes oder gar Teenagers oder Erwachsenen, weswegen diese es höchstens als Geschenk für Kleinere in Betracht ziehen sollten.
Fazit: Es gibt gute Casual-Spiele und es gibt schlechte. Nur weil die als zweites genannte Gruppe derzeit den Großteil der Gelegenheitsspiele für Wii ausmacht, darf man nicht alle Titel für die neuen Zielgruppen über einen Kamm scheren. Mit Carnival Games hat 2K Play einen hochwertig produzierten Titel auf den Markt gebracht, der sich rundum besser präsentiert als andere Billigproduktionen, die auf dasselbe Publikum abzielen. Für kleinere Kinder von 3 – 9 ist Carnival Games ein klasse Spiel, das sie für einige Zeit beschäftigen kann, aber alle anderen werden an dem Produkt wohl keinen Gefallen finden: Es ist sowohl von der Grafik als auch vom Gameplay und vom Schwierigkeitsgrad her fast ausschließlich auf ein junges Publikum zugeschnitten, was ihm den Weg zu einer eventuell höheren Wertung versperrt.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Carnival Games: Minigolf | |
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| 7.0 | Grafik Komplett bunte, farbenfrohe und comichafte Levelgestaltung ohne optische Fauxpas. Alle über dem Grundschulalter werden die optische Präsentation allerdings sehr befremdlich finden, weil sie sich ganz klar an Kinder richtet. | |
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| 6.8 | Sound Die ordentliche deutsche Sprachausgabe, das Schöne-Welt-Gedudel im Hintergrund und ein paar witzige Soundeffekte sorgen hier für eine durchschnittliche Wertung. | |
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| 5.5 | Steuerung Die Steuerung besitzt null Simulationscharakter und setzt lediglich auf die Beschleunigungssensoren der Wii-Remote, missachtet dabei jegliche Richtung des Schlages und verleiht sich somit selbst den puren Minispielcharakter ohne jegliche Substanz. Auch in den Minispieleinstreuungen kommt nichts Besonderes. | |
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| 6.5 | Gameplay Für ein junges Publikum ist alles in Ordnung, allen Älteren wird das Spiel aber viel zu anspruchslos sein. Die Verkleidungsfeatures nehmen einen vielleicht zu großen Teil des Spiels ein, weil hier schnell die Luft raus ist. | |
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| 6.5 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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