Review von Tim Herrmann (mail) | 03.11.2008
Spider-Man und Videospiele: das ist eine lange Vergangenheit mit einigen glorreichen und leider auch weniger heldenhaften Momenten. Schon zu Zeiten der klassischen Comics gab es etliche Titel von etlichen Herstellern für etliche Konsolen, in denen Netze geschwungen, Bösewichter vertrieben und holde Jungfrauen gerettet wurden. Dabei handelte es sich mal um ein Action-, dann um ein buntes Kinderspiel und dann auch wieder um etwas völlig anderes.
Mit dem Erscheinen der Realverfilmung von Spider-Man im Jahre 2002 kam auf dem Nintendo GameCube und den anderen Konsolen der damaligen Generation, auch ein dazu gehöriges Lizenzspiel auf den Markt und überraschte mit seinem spannenden, freien Gameplay und der guten Umsetzung des Franchise. Ähnlich sah es mit dem zweiten Teil aus. Doch seit Spider-Man 3 klettert die menschliche Spinne an ihrem Faden immer weiter nach unten. Schlechte Grafiken, langweiliges Gameplay – der Abwärtstrend setzte sich auch mit Spider-Man: Freund oder Feind aus dem letzten Jahr fort. Nun bringen Activision Blizzard und Treyarch den nächsten Teil der Serie: Web of Shadows verfolgt mehr ein Konzept wie Spider-Man 3. Geht es diesmal auf? Ihr erfahrt es in unserem Test.
Willkommen zurück, New York
In Spider-Man: Freund oder Feind nahm Peter Parker Abschied von seiner Heimatstadt New York und machte sich auf eine Reise um die Welt, wo er in einzelnen Missionen seine traditionellen Feinde bekämpfte, die sich ihm dann anschlossen. Leider bot das Spiel so gut wie nichts Neues und reizte weder mit dem Gebrauch von Spideys Superkräften noch mit einer erkundbaren Welt. Das Missionssystem verhinderte jegliche Freiheit im Gameplay, durch die Spider-Man 1 und 2 als Videospiele so erfolgreich wurden.
Treyarch führt den Spinnenmann im neuesten Ableger nun zurück nach New York und setzt erneut auf eine frei begeh- bzw. beschwingbare Stadt. Außerdem orientiert man sich mit der Geschichte wieder etwas stärker an der Vergangenheit und versetzt Spider-Man in einen Kampf mit seinem größten Gegner: Sich selbst. Der alt bekannte und langsam irgendwie ausgelutschte innere Konflikt der menschlichen Spinne zwischen schwarzer Stärke und roter Gutmütigkeit wird auch in Web of Shadows wieder serviert und um Geschehnisse gesponnen, die auch die schwarze Symbiontengestalt Venom wieder involvieren.
So wird der Spieler gleich zu Beginn in ein New York City geworfen, in dem merkwürdige, zwielichtige Wesen angreifen, und bekommt es auch kurz danach mit der schwarzen Schreckensgestalt um Eddie Brock zu tun, der sich im dritten Film dem bösen Venom hingegeben hat. Warum das alles so ist und was dem Ganzen eigentlich vorausging, lässt Treyarch erst einmal völlig im Dunkeln stehen und scheint es danach auch völlig zu vernachlässigen. Stattdessen widmet sich Spider-Man erst einmal dem Alltagsgeschäft in der Metropole und unterbindet hier ein wenig Bandenkriminalität, rettet dort ein, zwei verletzte Zivilisten und bringt sie dann ins Krankenhaus und hilft woanders einem anderen Superhelden aus.
.jpg)
Dabei obliegt es aber nicht der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft, die Geschichte voranzutreiben. Stattdessen wird er eher zum Laufburschen für verschiedene andere Persönlichkeiten, die er im Laufe des Spiels kennenlernt und die ihm dann Aufträge erteilen. Bei den Aufträgen gibt es zum einen solche, die die Geschichte auch wirklich fördern, zum anderen gewöhnliche Optionalmissionen, in denen es zum Beispiel um das Ausschalten einer bestimmten Anzahl von Gegnern geht.
Tapezierte Wolkenkratzer
Wie bereits oben erwähnt, darf Spidey in Web of Shadows wieder frei durch seine Heimatstadt schwingen und liefert somit genau das, was auch schon Spider-Man 3 auf Wii geboten hat: Fädenschießen über die Wii-Remote. Dass das Spiel nur einen Schwung der Wii-Remote nach unten erkennt und den Faden daraufhin automatisch an einer passenden Stelle außerhalb des Sichtbereiches anbringt, interessiert dabei relativ wenig. Viel wichtiger ist das Gefühl der Freiheit und der absolut übertriebenen Heldenhaftigkeit, das Freund oder Feind bitterlich hat vermissen lassen. Ihr fühlt euch unabhängig und allmächtig, wenn ihr von einem Zielpunkt zum nächsten schwingt und dabei in wenigen Sekunden zig hundert Meter in die Lüfte rast und plötzlich auf dem Dach eines Hochhauses landet. Eigentlich bezieht Spider-Man: Web of Shadows genau hieraus seine vielleicht einzige Motivation. Denn die Aufträge, die es am Zielort zu erledigen gibt, sind wenig aufregend: Besiege die und die Gegner in der und der Zeit. Rette so und so viele Zivilisten und bringe sie ins Krankenhaus. Begib dich zu dem und dem Ort, um das und das zu tun.
Im Mittelpunkt stehen immer die Spinnenkräfte, mit denen man durch Häuserschluchten rast oder an Fassaden hochkraxelt. Doch dazwischen kommt immer wieder ein fader Beigeschmack auf, denn manches Mal denkt sich der Spieler, in welchem Jahr der Titel eigentlich erschienen ist. Denn die Wii-Grafik ist natürlich wieder einmal unter aller Sau und trübt das Gesamtbild unheimlich. Leider wird das wohl auch erst aufhören, wenn die Publisher sich dazu entschließen, die PlayStation 2 endlich nicht mehr zu unterstützen. Denn auf dieses betagte System wurde bei der Portierung auf Wii offensichtlich wieder einmal viel zu viel Augenmerk gelegt. Man will eine Optik ja schließlich nicht zweimal anpassen; wenn man die PS3- und XBOX360-Grafiken einmal auf das niedrige PS2- und PSP- Niveau bringt, kann man das ja auch für Wii verwenden, das muss schließlich reichen…
Während die Weitsicht sich im Vergleich zu Spider-Man 3 etwas verbessert hat und man auch in der Ferne nun wenigstens etwas sieht, was man als Hochhäuser durchgehen lassen kann, können die Häuserfassaden einen immer noch nur zu einem sehr müden, sarkastischen Lächeln bewegen. Besonders wenn Spidey an den Wolkenkratzern hochklettert, sieht man den frappierenden Mangel an jeglicher Struktur oder Textur. Alles, was man sich hierfür hat einfallen lassen, sind kleine, aufgemalte Fenster mit schwarzem Rahmen und grauem Inneren. Schwingt man nur schnell an ihnen vorbei, ist das noch nicht so dramatisch, aber wenn sich die Kamera dreht und sich das Geschehen dann an der Hauswand abspielt, kann man wirklich nur noch die Münder offen stehen lassen. Nur die prominenten Häuser im Stadtkern wie das Gerichtsgebäude sind einigermaßen ansprechend gestaltet. Allerdings ist auch im prominenten Stadtkern noch ein weiterer Faktor zu beobachten bzw. nicht zu beobachten: die leeren Straßen. Von Leben kann man in NY nicht sprechen, wobei es den Einwohnern der Millionenmetropole wahrscheinlich gefallen würde, wenn die Straßen einmal nur von zehn Autos bevölkert wären...
Spider-Mans Animationen kommen hingegen ziemlich cool daher und in den Zwischensequenzen sieht das Spiel glücklicherweise von Spielgrafik ab und präsentiert ein Video, in dem alle Charaktere wie mehrfach vor dem Bodybuilder-Contest eingeölt glänzen.
.jpg)
Die Kamera steuert den Rest zur minderwertigen optischen Präsentation bei und bereitet oft Probleme. Besonders beim Übergang von der Horizontalen in die Vertikale, wenn man an eine Hauswand klettert, nervt die 90°-Drehung. Wenn man dann wieder auf festen Boden gelangen oder um die Ecke klettern möchte, verhindert die wild schwenkende Kamera das erfolgreich und bewirkt so immer wieder, dass die Stellung des Control-Sticks in der jeweiligen Situation eine völlig andere Bewegung in die andere Richtung bewirkt.
Ein bisschen zu viel Kraft
Während sich das freie Schwingen durch New York City (trotz teilweise kleiner Ruckler) sehr stimmig anfühlt, muss man über die Steuerung von Web of Shadows das eine oder andere kritische Wort verlieren. Denn Spider-Man ist so stark geworden, dass es manchmal zu viel des Guten wird. Schwingt ihr beispielsweise durch eine Gasse und seht dabei zufällig ein Spinnen-Item hinter einem Kamin liegen (mit dem ihr euch aufleveln und die Fähigkeiten verbessern könnt), drückt ihr den A-Knopf, um euch von dem Faden zu lösen. Dann sollte Parker zwar laut den Gesetzen der Mechanik wegen seiner Trägheit noch ein wenig weiter fliegen, aber das, was dann passiert, ist schon etwas übertrieben. Er fliegt nämlich noch einmal geschätzte dreißig Meter in die Höhe, um dann langsam wieder herunter zu gleiten und zum Sturzflug auf den geplanten Punkt anzusetzen, wo er dann nach einem zweihundert-Meter-Fall künstlerisch abrollt. Manchmal hat der Kontrolleur der Spinne Glück und trifft, was er treffen wollte, manchmal fliegt er aber auch meilenweit übers Ziel hinaus und landet fast in einem ganz anderen Stadtteil. Dasselbe passiert an Häuserwänden nach A-Sprüngen, denn Parker fliegt dann (wie Mario in einer schwerelosen Galaxie) einmal ums halbe Haus herum und landet mitnichten auf dem Dach, sondern auf der anderen Seite der Fassade und muss dann auf ein Neues wieder hochkraxeln. Dass Spider-Man selbst dann unverwundbar ist, wenn er mit geschätztem Tempo 100 gegen eine Hauswand kracht oder nach einem Sprung vom Empire State Building aus mehr als 400 Metern lässig abrollt, ist natürlich herrlich unrealistisch, aber auch kein wirklicher Kritikpunkt.
Das neu überarbeitete Kampfsystem in Spider-Man: Web of Shadows ist unterdessen relativ unspektakulär ausgefallen und stellt sich gegen alles, was man im Physikunterricht gelernt hat. Mit dem B-Knopf greift ihr an und vollführt verschiedene Kombos, eine Bewegung der Wii-FB löst Spezialangriffe mit dem Netz aus. Dann zieht sich Spidey zum Beispiel an den Gegner heran und verpasst ihm bei erneutem Wiimote-Ruck einen Satz heißer Ohren. Wenn die Gegner dabei auf Gleitern fliegen, macht das nichts. Selbst dann kann sich Spidey noch, auch ohne jeglichen festen Boden in Sicht, an seine Gegner heranziehen und kämpft sich somit in Kombination von Gegner zu Gegner durch die Luft. Auch Schwungkicks sind möglich, allerdings recht schwierig zu timen und manchmal sehr ungenau. Als Schwarzer Spider-Man, in den ihr euch jederzeit verwandeln könnt, habt ihr noch ein paar Extra-Moves auf Lager und bekommt auch ein paar veränderte Animationen zu sehen. Der Schwarze-Spider-Man-Konflikt kommt übrigens meistens nur dann zum Tragen, wenn eine schwere Entscheidung ansteht. Dabei wird dann entschieden, ob ihr euch einem bestimmten Charakter anschließt oder doch eine andere Gesinnung verfolgt. Dadurch werden unterschiedliche Spielabläufe möglich, was theoretisch gut für den Wiederspielwert ist.
Um einen letzten positiven Punkt zu nennen, müssen noch die Gastauftritte von verschiedenen anderen Marvel-Stars erwähnt werden. So gibt es beispielsweise ein Treffen mit Wolverine aus der X-Men-Serie, der euch Aufgaben zuteilt, oder mit der Black Cat. Eine nette Idee, die auf das Gameplay allerdings kaum Auswirkungen hat und fast so wirkt, als würde man Spider-Man allein nicht mehr als Zugpferd genug ansehen. Fazit: Spider-Man: Web of Shadows ist eine durchwachsene Geschichte. Zwar macht es Spaß, frei wie ein Vogel durch New York zu gleiten und sich tatsächlich wie der Amazing Spider-Man zu fühlen. Auf der anderen Seite ist das eigentliche Spiel, das um diese immer wieder funktionierende Mixtur gesponnen ist, langsam etwas angestaubt. Es gibt immer nur weitere Gegner zu erledigen, wobei es wenig interessiert, wer diese eigentlich gerade sind und was sie wollen, und das Kampfsystem wird recht schnell eintönig. Darüber hinaus nimmt die wieder einmal inakzeptable Wii-Optik dem Spiel eine große Dosis seines Charmes und auch der zickigen Kamera gehört der Hintern einmal gehörig versohlt.
Nach Abwägung seiner Vor- und Nachteile bleibt ein Spiel übrig, das eigentlich nur für Spider-Man-Fans wegen des freien Schwingens durch New York interessant ist. An spielerischem Gehalt neben dem Schwingen und Erkunden von New York bietet Web of Shadows kaum etwas Nennenswertes und lediglich die gelungene Präsentation und die Geschichte, die erst relativ spät im Spiel in Trab kommen, reißen den Titel noch aus dem unteren Mittelmaß heraus.
Von Tim Herrmann
|
|
| Wertung für das Spiel Spider-Man: Web of Shadows | |
| |
 |  | |  |
|  | |
| 5.0 | Grafik Bis auf einige wenige optische Highlights und die sehenswerten Animationen von Spider-Man präsentiert sich dieser Wii-Titel in inakzeptabler PS2-Grafik mit teils lächerlichen Gebäudetexturen, einer miesen Kamera, leichten Rucklern und vielen weiteren Ärgerlichkeiten. | |
|  | |
| 7.8 | Sound Makellose und professionell eingespielte deutsche Sprachausgabe mit gut gewählten Sprechern. Dafür herrscht allerdings zu häufig absolute Stille und man hört gar nichts und auch Klonk-Geräusche beim Verprügeln von Gegnern kommen nicht immer gut. | |
|  | |
| 6.3 | Steuerung Spaßiges Umherschwingen an Spinnenfäden mit der Wii-Remote paart sich mit übertriebener Heldenhafigkeit, die meist dazu führt, dass man sein Ziel weit überfliegt und ganz woanders landet. Außerdem gibt es Probleme nach Perspektivenwechseln und die Bewegungssteuerung in den Kämpfen wirkt meist aufgesetzt. | |
|  | |
| 7.0 | Gameplay Das Missionsprinzip macht nur deswegen Spaß, weil man zu bestimmten Schauplätzen gelangen und so spektakulär durch Häuserschluchten schwingen muss. Einmal angekommen, gibt es meistens nur ein paar Gegner zu suchen und dann zu vertrimmen. | |
|  | |
| 7.0 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
|

|