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Samba de Amigo
Review von Andreas Held (mail) | 22.10.2008

Musikspiele pflegten bis vor etwa drei Jahren außerhalb Asiens ein absolutes Nischendasein. Titel wie Frequency oder Gitaroo Man dürften fast niemandem ein Begriff sein - damals waren sie im Westen jedoch absolute Genregrößen. Das änderte sich schlagartig, als Harmonix das Konzept der "Rhytmus-Action" mit Guitar Hero auch für den Westen massentauglich machte und ohne Vorwarnung einen Millionenseller aus dem Boden stampfte. Plötzlich will jeder auch außerhalb japanischer Spielhallen am Genre mitverdienen - Konami legt mit Rock Revolution eine billige Imitation hin und Sega kramt eine Franchise hervor, die acht Jahre lang keinen Nachfolger gesehen hat und damals als absolutes Sammlerstück konzipiert war. Genau wie bei Sega Bass Fishing handelt es sich auch hier mehr um einen Port als um eine Fortsetzung, weshalb der Titel auch auf Wii schlicht "Samba de Amigo" lautet. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht ähnlich versaut wurde, wie Sega Bass Fishing.

Früher war alles besser
Samba de Amigo ist der heilige Gral für jeden Sammler von Dreamcast-Software. Das PAL-Bundle existiert nur 8.000 mal - abzüglich derer, die von betrunkenen Partygästen zerstört oder beim Ausmisten weggeworfen wurden, weil der alte Kram ja sowieso nichts mehr wert ist. Wer tatsächlich mal Hand an eines der 180 bis 240 Euro teuren Kits legen konnte, wird sich wohl beim Aufbauen mehrmals gedacht haben: "Das kann doch gar nicht funktionieren!"

Das ursprüngliche Konzept von Samba de Amigo war, mit zwei "Rasseln" (die korrekte Bezeichnung ist "Maracas") Noten zu treffen, die sich am Bildschirm auf unterschiedlich hohe Ziele zubewegten. Wenn sich eine der Kugeln auf dem linken oberen Feld befand, musste die linke Maraca auf Kopfhöhe geschüttelt werden - beim mittleren Ziel etwa auf Schulter- bis Brusthöhe und beim unteren Ziel auf Bauch- bis Hüfthöhe. Im Original kummunizierten die Maracas dabei augenscheinlich nur über Kabel mit einer am Boden liegenden Sensorbar - auf eine nicht ganz erklärliche Weise konnte die Dreamcast aber jederzeit feststellen, wie hoch der Spieler die Maracas gerade hielt, weshalb die Steuerung perfekt funktionierte. Acht Jahre später soll das ganze mit Wii-Remote und Nunchuk, die bei Bedarf noch mit Plastik-Maraca-Hüllen erweitert werden können, gespielt werden und man fragt sich zurecht, wie dieser Höhensensor auf Wii funktionieren soll. Die simple Antwort ist: gar nicht.

Um das Konzept überhaupt auf Wii bringen zu können, musste der Entwickler Gearbox die Steuerung grundlegend verändern. Statt nun die Controller verschieden hoch zu halten, neigt man sie einfach in die entsprechende Richtung. Das nimmt natürlich schon mal sehr viel vom Spielgefühl weg, denn anstatt mit vollem Oberkörpereinsatz vor der Konsole zu tanzen, kann man jetzt theoretisch bequem im Sessel spielen und alles aus dem Handgelenk machen. Schlimmer ist, dass selbst diese abgespeckte Steuerung nicht richtig funktioniert, eigentlich sogar regelrecht verkorkst wurde. Der Cursor springt nervös zwischen den einzelnen Noten hin und her und nicht selten passiert es, dass man eine Note verfehlt, weil die Konsole den Neigungswinkel nicht richtig erkannt hat, die nächste Note aber trifft, ohne den Winkel verändert zu haben. Dafür ist nicht zuletzt eine spürbare Verzögerung bei der Erkennung des Neigungswinkels verantwortlich. Manchmal erkennt das Spiel eine Änderung des Winkels auch als Schütteln, was bei hektischen Passagen schon mal dazu führen kann, dass man Noten unabsichtlich mit dem völlig falschen Timing trifft. Wer also zu der mikroskopisch kleinen Teilmenge der Spieler gehört, die Musikspiele ausschließlich auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad spielen und sich freuen, wenn sie nach 53 Versuchen ihre Punktzahl bei einem Song um zehn Zähler verbessern konnten, wird bei Samba de Amigo schon nach wenigen Liedern wissen, dass er mit diesem Spiel niemals glücklich werden kann.

Ein waschechtes Partyspiel
Samba de Amigo zielt jedoch ganz klar ausschließlich auf die Musikspieler ab, die von der TV-Werbung angesprochen werden und den Spruch mit den "Samba-Chicas" tatsächlich lustig finden. Spieler, denen es völlig egal ist, ob sie nun 98 oder 100 Noten treffen, sondern die einfach nur kurzweilig Spaß haben wollen. Noch viel weiter in diese Kerbe haut Samba de Amigo mittels Posen und Tanzeinlagen, die zwischen den normalen Noten eingeschoben, von einer eingeblendeten Figur vorgeführt und dann nachgeahmt werden müssen. Das Spiel versucht, zu erkennen, ob der Spieler sich dabei korrekt bewegt hat - und manchmal schafft es das, manchmal auch nicht. Ist aber auch völlig egal, denn ein betrunkener Partygast wird beim reinen Versuch, die Bewegungen nachzuahmen, genauso viel Spaß haben wie die nicht weniger betrunkenen anderen Partygäste, die sich das Gehampel aus sicherer Entfernung ansehen. Abgerundet wird das ganze von Minigames, die von Whack-a-Mole-Varianten mit Maulwürfen oder Steinen statt Noten über Spielmodi, in denen nur das Einnehmen von Posen oder Ausführen von Tanzbewegungen gefragt ist bis hin zu völlig andersartigen Games reichen, in denen z.B. mit beiden Controllern auf ein armes Pinata eingeprügelt werden muss und der Spieler mit den meisten Treffern gewinnt. Einziges Manko für die Multiplayertauglichkeit: Die meisten Songs müssen zunächst im Einzelspielermodus freigeschaltet werden, der zwar "Karrieremodus" heißt, letztendlich jedoch nur verlangt, jeden Song ein mal zu beenden.
Auch in seiner Präsentation ist Samba de Amigo mit Leib und Seele ein Partyspiel. Während sich ähnliche Spiele mittlerweile einen eher zweckmäßigen Stil angeeignet haben, dessen oberstes Gebot es ist, dass der Spieler alle Noten problemlos erkennen kann, ist Samba de Amigo optisch knallbunt bis abgedreht und man hat den Eindruck, dass im Hintergrund der Karneval in Rio stattfindet. Die Grafik sieht sogar richtig gut aus - viele Details unterstreichen die knallbunten Farben und die Noten sind trotzdem immer klar erkennbar. Wer sich auf ein Wiedersehen mit den "Samba-Chicas" freut, muss jedoch enttäuscht werden, denn der Stil ist durchgehend sehr comichaft.


Auf akustischer Seite bietet der Sega-Titel über 40 Songs, bei denen es sich grundsätzlich um Coverversionen handelt, die aus den ohnehin schon partytauglichen Hits zweiminütige Kurzversionen machen, die perfekt zum restlichen Stil des Spiels passen. Freunde von Popmusik können sich sogar auf einige sehr bekannte Titel freuen, und der Sountrack umfasst neben Latino-Titeln wie Volare oder Livin' La Vida Loca auch Lieder, mit denen man weniger gerechnet hätte - Take On Me, im Original von einer norwegischen Boygroup, findet sich ebenfalls in der Songauswahl wieder. Der Rest der Trackliste umfasst Coverversionen von Liedern wie Samba De Janeiro, Pon De Replay, Oye Como Va, Tubthumping oder Macarena. Außerdem sollen zukünftig Song-Packs zum Download bereitstehen, die mit 500 Wii-Points für drei Songs preislich eher am oberen Ende des Spektrums angesiedelt sind. Wie viele Songs es tatsächlich geben wird, hängt wohl sehr stark vom Erfolg des Spiels und der generellen Kaufbereitschaft ab.

Fazit:
Als Tester befindet man sich oft in der schwierigen Situation, ein Spiel subjektiv zu mögen, jedoch zu viele Schwächen festzustellen, als dass man wirklich die Wertung vergeben könnte, die man dem Spiel persönlich gönnen würde. Bei Samba de Amigo ist es in meinem Fall genau umgekehrt: Begriffe wie "unspielbar" oder "maximal vier Punkte" schossen mir schon nach zwei Liedern durch den Kopf, während sich am anderen Körperende gerade die Zehennägel aufrollten. Statt von schnellen Notenfolgen gefordert zu werden, befindet man sich als Einzelspieler auf Highscorejagd in einem ewigen Kampf mit der Steuerung, der wohl niemals gewonnen werden kann. Was im Singleplayer-Modus, wenn man sich denn sehr hart ausdrücken möchte, als Totalausfall bezeichnet werden könnte, entwickelt sich auf Partys potentiell zu einem absoluten Knaller, wenn es (wie bei SingStar) nicht darum geht, alle Noten möglichst genau zu treffen, sondern einfach darum, vor der Konsole herumzutanzen und die Partystimmung auf's Spiel zu übertragen. Grafisch wurde der Titel gut umgesetzt und der Soundtrack passt zum Spiel wie der Käse zum Pizzateig. Und in Anbetracht der Tatsache, dass das Spiel seine Zielgruppe voll anspricht, ist eine subjektive Minderheitsmeinung eher fehl am Platz.

Von Andreas Held
Wertung für das Spiel Samba de Amigo
Wertungen Beschreibung
8.2Grafik
Knallbunter südamerikanischer Karneval. Viele optische Details, die die Spielbarkeit aber kaum einschränken.
9.5Sound
Ein Soundtrack, der für das Spiel nicht passender sein könnte. Zwar gibt es nur Coverversionen, die wurden jedoch im Hinblick auf das Gameplay und die Partytauglichkeit optimiert und klingen immer professionell. Im Vergleich zu anderen aktuellen Titeln ist es mit unter 50 Songs aber quantitativ etwas knapp gehalten.
2.0Steuerung
Nein, nein und nochmals nein. Abgespeckt im Vergleich zur Dreamcast-Fassung, und selbst die vereinfachte Steuerung ist so fehlerhaft, dass das Spiel für Highscorejäger unbrauchbar wird.
7.5Gameplay
Im Einzelspielermodus ein Totalausfall, auf Partys eine Bombe. Je nach Verwendungszweck also entweder ein totaler Fehlkauf, oder eine Offenbarung. Für den allergrößten Teil der Käufer wird letzteres der Fall sein.
7.2Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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