Review von Andreas Held (mail) | 11.09.2008
Eine der ungeliebtesten Aufgaben eines Spieletesters ist das Schreiben von Einleitungen. Oft kann man hier interessantes Hintergrundwissen über diverse Spieleserien unterbringen, in anderen Fällen jedoch gestaltet sich die Sache deutlich schwieriger. Im Fall von Tiger Woods PGA-Tour '09 könnte man die Leser mit Fakten langweilen, warum Tiger Woods der erfolgreichste Golfer aller Zeiten ist, abgedroschene Floskeln über EAs nun schon seit über zehn Jahren andauernde Sportspielupdates bringen oder sich darüber pekieren, dass EA die Wii-Versionen seiner Sportspiele immer mehr "vercasualt", worauf auch schon der Untertitel der Wii-Version, "All-Play", hinweist. Alle können es spielen und werden sogar im Titel darauf hingewiesen - wie nett von euch, EA. Vielleicht nimmt sich Metallica ja ein Beispiel daran und nennt das neue Album "Death Magnetic: All-Listen". Wie auch immer: Tiger Woods PGA Tour '08 auf Wii zeigte keine Spur von Einsteigerfreundlichkeit und schockte stattdessen mit einem knallharten Schwierigkeitsgrad, der genaues Spielen selbst nach stundenlanger Übung kaum möglich machen wollte. Die '09er-Version wirbt damit, dass dank der "neuen" Steuerung das Golfen so einfach zu erlernen sei wie noch nie, und erschaffen damit die Frage, welche Steuerung denn einfacher sein könnte als das bewährte Drei-Klick-System, welches genau die Tiger Woods-Franchise vor Jahren mit "innovativeren" Ideen kaputt gemacht hat.
Mein Golf-Coach
Besitzer der '08er-Verison werden schon beim Spielstart überrascht: Tiger Woods '09 erkennt den alten Spielstand auf der Konsole (sofern man ihn nicht aus Platzgründen löschen musste...) und gibt dem Spieler als Gegenleistung einen Bonus von 100$ pro gespielter Runde, wenn er Kleidung oder Schläger von Bridgestone ausrüstet. Danach kann man trotzdem das Tutorial auswählen, bevor es überhaupt zum Titelbild weitergeht, was man natürlich auch als Zurückkehrender wegen der neuen Steuerung tun sollte. Im Tutorial geht es auf ein sehr leichtes Par-4-Loch, wo Hank Haney, der Trainer von Tiger Woods, das Gameplay auf Englisch und ohne Untertitel erklärt. Eine Einblendung zeigt den professionellen Golf-Trainer dabei, wie er allen ernstes mit der Wii-Remote in der Hand einen technisch einwandfreien Abschlag vorführt. Danach ist der Spieler an der Reihe, und die auf der Rückseite der Verpackung beworbene, ach so neue Steuerung entpuppt sich als identisch mit der aus der Vorjahresausgabe. Das heißt: Wie in eigentlich allen anderen Golfspielen muss man mit der Wii-Fernbedienung einen echten Golfschlag nachahmen, und je weiter man dabei ausholt und je schneller man den Schlag ausführt, desto mehr Kraft steckt man in den Ball. Vor dem Schlag kann man mit einem Cursor zielen, der jedoch nur die Flugrichtung vorgibt und außerdem auf den Bildschirm schreibt, wie viel Prozent der maximalen Schlagkraft ihr bei Windstille in den Schläger legen müsstet, um genau diese Stelle zu erreichen. Leider gibt es immer noch keine Skala, die verrät, wie weit man gerade ausgeholt hat bzw. mit welcher Schlagstärke man rechnen kann, und da minimale Änderungen in der Schlaggeschwindigkeit einen Unterschied von 50 Metern ausmachen können, wird es umso schwerer, den Zusammenhang zwischen Ausholwinkel und Schlagweite ausfindig zu machen. Es gibt zwar die Möglichkeit beliebig viele Probeschläge auszuführen, doch selbst dann kann es passieren, dass für den Spieler identisch wirkende Schläge völlig verschiedene Auswirkungen haben. Für Abhilfe bei größeren Distanzen sorgen verschiedene Schläger, die recht feinkörnig gestaffelt sind. Das größte Problem vor einem Jahr waren jedoch gerade die Annäherungsschläge, was EA zum Glück voll behoben hat: Der Spieler kann viele verschiedene Wedges (Golfschläger mit geringer Reichweite) mit einer Reihe von Schlagtechniken kombinieren. Da teilweise selbst Schläger mit einer Reichweite von nur zwölf Metern zur Auswahl stehen, gibt es eigentlich immer eine Kombination, bei der eine Stärke von 100% brauchbare Ergebnisse liefert. Diese subtile Änderung ist eine echte Erlösung, da Spielsituationen, in denen man ständig von einer Seite des Grüns auf die Andere spielt, nun Geschichte sind.
Ebenfalls leicht überarbeitet, dadurch jedoch empfindlich verbessert, wurde das Putten. Ähnlich wie bei Annäherungsschlägen hat man zunächst einmal die Auswahl aus zehn verschiedenen Puttern mit einer sinnvoll gestaffelten Reichweite von ein bis 60 Metern. Wie bei normalen Schlägen bekommt ihr angezeigt, wie viel Prozent der Schlagkraft ihr einsetzen müsst, um auf einem flachen Grün die entsprechende Stelle zu erreichen. Beim Schlagen hilft euch außerdem ein unbeschrifteter farbiger Balken am Bildschirmrand, der die Schlagstärke anzeigt und so zumindest grobe Abschätzungen erlaubt, bei wie vielen Prozentpunkten man sich gerade befindet. Das größte Problem beim Putten ist die Engine, die ein Grün oft als flach bezeichnet, obwohl es tatsächlich einen recht deutlichen Anstieg gibt. Der Grund ist, dass der Höhenunterschied vom Ball zum Loch in Metern berechnet wird und alles unter einem Meter auf null abgerundet wird. Wie problematisch das ist, kann man sich sehr schnell klar machen, wenn man bedenkt dass die Engine bei dieser Herangehensweise auch Scarlett Johansson als flach bezeichnen würde. Eine Hilfe im Kampf gegen unebene Grünflächen liefern in geringem Maße ein paar auf der Oberfläche verlaufende Hilfslinien, die bei einem Anstieg rot und bei einem Gefälle blau gefärbt werden, und in größerem Maße das Putt Preview, das ein mal pro Versuch auf Knopfdruck anzeigt, wohin der Ball gerollt wäre. Danach kann man gegebenenfalls Richtung und angepeilte Schlagstärke noch korrigieren, den Schlag ausführen und auf's Beste hoffen.
Das Tutorial erklärt etwa die Hälfte von dem, was hier geschrieben steht, und kann im Menü unter dem sehr unglücklich benannten Menüpunkt "My Coach" jederzeit wieder aufgenommen werden. Gerade, wenn man viele der erwähnten Kniffe wie das Umschalten der Schlagtechnik nicht kennt, gestaltet sich der Anfang jedoch extrem schwierig und die erste Platzrunde kann schon mal mit zwanzig Schlägen über Par und dem letzten von 36 Plätzen im Turnier enden - etwas unbefriedigend für ein Golfspiel, das von sich behauptet, so einfach erlernbar wie noch nie zu sein. Dafür kann man sich diesmal sehr schnell verbessern und nach etwa einer Stunde Übung auch mal die ersten Birdies schlagen. Im Vergleich zu anderen Golfspielen wie etwa Camelots We Love Golf ist jedoch grundsätzlich sehr viel mehr Planung notwendig, weshalb eine Platzrunde in etwa doppelt so lange dauert wie in weniger anspruchsvollen Titeln.
Prall gefüllte Disk
Trotz des Zusatzes "All-Play" (mehr dazu später) hat EA diesmal wenigstens nichts wegrationalisiert. Das heißt, es gibt wie in den anderen Versionen ein ausladendes Optionsmenü, in dem von der Stärke der KI-Gegner bis hin zur Reibung auf verschiedenen Oberflächen alles eingestellt werden kann. Auch zum Erstellen eures Golfers gibt es einen fast schon übertrieben komplexen Editor, der allein zur Manipulation der Nase sechs analoge Parameter bietet - viele der Einstellungsmöglichkeiten haben kaum sichtbare Auswirkungen. Danach könnt ihr auf verschiedene Fertigkeiten eures Golfers, wie Schlagkraft oder die Fähigkeit, den Ball anzudrehen, einige von Beginn an zur Verfügung stehende Erfahrungspunkte verteilen und natürlich weiter an den Fertigkeiten arbeiten, sobald ein paar Platzrunden gespielt sind. Im Hauptmenü der Karriere angekommen, könnt ihr entweder an der aus 50 Turnieren bestehenden PGA-Tour teilnehmen, direkt zum FedEx-Cup springen oder die Tiger Challenge durchspielen, die sich aus insgesamt 90 Duellen gegen zehn echte, freischaltbare Profi-Golfer und achtzig Fantasiegolfer zusammensetzt, die jedoch teilweise sehr kurz sind und oft fragwürdige Regeln haben (z.B.: Beide Spieler schlagen abwechselnd den Ball und wer einlocht, gewinnt). Wenn man dann noch den hohen Schwierigkeitsgrad einrechnet, durch den man die meisten Turniere wohl mehrmals spielen muss, kann man ohne Probleme von vielen Dutzend Stunden Spielzeit ausgehen, falls man wirklich alles gewinnen will.
Zusätzlich zum Einzelspielermodus gibt es noch den All-Play-Modus, der das Golfen durch viele Hilfslinien stark vereinfacht, und den Golf Party-Modus, der insgesamt 15 Minispiele bietet und für Multiplayerpartien ausgelegt ist (tatsächlich sind mehrere Wiimotes Pflicht und die Möglichkeit, gegen KI-Gegner zu spielen, gibt es nicht). Die Minigames reichen dabei von simplen Spielchen, in denen hüpfende Golfbälle mit einem per Pointerfunktion gesteuerten Golfschläger in der Luft gehalten werden müssen, bis hin zu Golfen auf Zielscheiben, bei denen weit mehr spielerische Fähigkeiten gefragt sind. Etwas Biss ins Spielgeschehen bringen Bonusitems, durch die man einen "Ball Battle" (wir können auch nichts dafür, dass der so heißt...) initiieren und dann mit der Wii-Remote die Flugrichtung recht stark beeinflussen kann. Dadurch kann man entweder sich selbst helfen, anderen schaden oder einfach Chaos ausbrechen lassen, wenn sich alle vier Spieler gleichzeitig auf den selben Ball stürzen. Für wie viele Spieler dieser Party-Modus wirklich interessant sein wird, ist jedoch sehr fraglich, vor allem wenn man bedenkt dass Tiger Woods '09 außerhalb dieses klar abgetrennten Bereichs eine staubtrockene, hoch anspruchsvolle Simulation ist. Ebenfalls eher als Beiwerk zu verstehen ist der Onlinemodus, der damit wirbt, dass bis zu vier Spieler gleichzeitig spielen und man nicht auf sie warten müsse. Warten muss man jedoch spätestens dann, wenn man selbst fertig ist und die Gegner noch am zwölften Loch hängen. Immerhin kann dadurch, dass jeder für sich spielt, kein Lag entstehen, besonders reizvoll ist der Modus ohne Kommunikationsmöglichkeiten jedoch nicht. Alles, was man von den anderen Spielern sieht, sind farbige Linien, die anzeigen, wie sie den Ball geschlagen haben, und das auch nur, wenn man nicht als erster an ein Loch kommt.
Indiskutable Technik
Die Wii-Version von Tiger Woods '09 ist erwartungskonform eher an die PS2-Version angelehnt, was aber immer noch nicht den grafischen Supergau rechtfertigt, der hier vorliegt. Abgesehen von den Golfern, die akzeptabel bis gut aussehen, ist die Wii-Version abartig häßlich und nicht mehr tragbar. Oft hat man das Gefühl, dass der Mond mit riesigen Mengen grünen Farbstoff umgefärbt wurde und nun Golfturniere darauf stattfinden. Selbst die Screens in diesem Review lassen das Spiel deutlich besser aussehen, als es ist, denn meistens gibt es absolut keine Details oder sonstige Objekte neben den Parcours. Außerdem sind die Farben auf dem heimischen Fernseher blasser und die Texturen deutlich verwaschener als auf den aufbearbeiteten Presse-Screenshots. Wir wissen mittlerweile, dass auf Wii kein Gears of War zu erwarten ist und, dass Grafik nicht alleinig über den Spielspaß entscheidet, aber dieses Spiel ist so häßlich, dass alleine die absolut nicht ansprechende grafische Gestaltung jegliche Motivation nehmen kann. Das hat nichts mit der schwächeren Wii-Hardware zu tun, sondern einfach mit EA, die der Wii-Version eine scheinbar extrem niedrige Priorität eingeräumt haben - trotz Party-Modus.
Auch akustisch sieht es kaum besser aus. In den Menüs läuft die typische EA Trax-Untermalung, wobei die Lieder aus unerfindlichen Gründen um ihre Gesangsspuren erleichert wurden und daher nur als Instrumentals vorliegen. Auf dem Golfplatz herrscht Totenstille, wenn nicht gerade ein Jubelsturm der unsichtbaren Fans ausbricht oder der Kommentator ein paar gelangweilte englische Sätze ins Mikro nuschelt. Daneben gibt es nur noch Schlaggeräusche, die direkt aus der Wii-Remote kommen, und manchmal eine eingespielte Explosion, wenn ihr den Ball mit mehr als 100% der Schlagkraft trefft. Ansonsten herrscht Totenstille, die fast schon einschläfernd wirken kann.
Fazit: Tiger Woods PGA-Tour '09 ist selbst in der Wii-exklusiven All-Play-Version eine anspruchsvolle Simulation - daran kann auch Beiwerk wie die Golf Party nichts ändern. Wer das gut findet und damit argumentieren will, dass Golfer in der Realität auch durch langwieriges Training ein Gefühl für die richtige Schlagstärke entwickeln müssen, ist hier goldrichtig und kann sich auf einen der umfangreichsten Karrieremodi aller Zeiten freuen. Alle anderen machen einen großen Bogen um den Titel und greifen zu We Love Golf oder im Idealfall zu Everybody's Golf: World Tour. Trotz einiger kleiner Schwächen im Spieldesign ist das Kernstück von Tiger Woods '09 unterm Strich absolut top, da diese kaum ins Gewicht fallen und das Spiel seine Zielgruppe letztendlich voll bedient. Was dem Titel letztendlich eine höhere Wertung verwährt, sind die absurd häßliche Grafik und die einschläfernde Atmosphäre. Die grauenvolle Optik und die langweilige Stille lassen das Spiel sehr unattraktiv wirken und werden einige Spieler vergraulen. Lässt man die technische Seite außer Acht, bleibt ein Spiel, das anspruchsvoll, aber definitiv erlernbar und außerdem extrem umfangreich ist und darüber hinaus mit seiner recht authentischen Steuerung definitiv punkten kann. Spielerisch kann eine Golfsimulation nicht viel besser werden.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Tiger Woods PGA Tour '09: All-Play | |
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| 3.5 | Grafik Die Wii ist technisch etwas schwächer, aber nicht dermaßen schlecht. Wir haben 2008. Spiele haben nicht mehr so auszusehen. Bis auf die Modelle der Golfer absolut indiskutabel. | |
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| 3.7 | Sound Stille. Ein Schlaggeräusch, dann wieder Stille. Der Kommentator nuschelt beim nächsten Schlag einen Satz und es folgt Stille. Beim Einlochen klatscht ein unsichtbarer Zuschauer. | |
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| 8.5 | Steuerung Den Ball gezeilt mit 53% der maximalen Stärke zu schlagen, ist immer noch fast unmöglich. Dafür schaffen viele Kniffe Abhilfe und unterm Strich fühlt sich die Steuerung sehr intuitiv an und funktioniert. | |
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| 9.0 | Gameplay Wer die nötige Geduld und Frustresistenz mitbringt und Gefallen an einer Simulation hat, wird hier für Monate beschäftigt sein. Unglaublich umfangreich, extrem viele Spielmodi. | |
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| 7.3 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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