Review von Kamil Witecy (mail) | 18.08.2008
Sind wir einmal ganz ehrlich. Ein eigener Billardtisch wäre schon eine feine Sache und könnte für zahlreiche spaßige Billard-Abende mit Freunden sorgen. Wieder in der Realität angekommen ist dies wohl einer der Wünsche, die aufgrund von mangelndem Platz in den eigenen vier Wänden oder dem Fehlen des nötigen Kleingeldes nie in Erfüllung gehen wird. Kein Wunder also, dass schon dutzende Entwickler auf die pfiffige Idee gekommen sind, das muntere Kugelversenken in digitale Medien zu verpacken; egal ob als Handygame, Flash-Spiel im Internet oder als vollwertige Simulation für den PC oder Videospielkonsolen. Alle Billard-Fans die mit dem eingangs erwähnten Problem zu kämpfen haben, möchte Publisher flashpoint in Zusammenarbeit mit SouthPeak Games eine authentische Alternative bieten, und verspricht für Pool Party für Wii dank des bewegungsempfindlichen Wii-Controllers sowie einem kostenlos beiliegenden Queue, ein absolut realistisches Spielgefühl für zu Hause.
Der innovative Wonderstick-Controller im Detail
Das Erste was beim Öffnen der Pappverpackung von Pool Party ins Auge springt, ist ohne Zweifel der beiliegende Controller-Aufsatz. Dieser muss zuvor aus vier Elementen zusammengebaut werden und verwandelt eure Wii-Remote kurzerhand in einen Queue. Dies mag sich zwar im ersten Moment nach einer eher wackeligen Konstruktion anhören, ist es in Wirklichkeit aber nicht. Im Vergleich zu anderem Third-Party Zubehör, präsentiert sich der so genannte Wii-Wonderstick nach dem Zusammenbau durchaus robust und kann mit einer solide gepolsterten Grifffläche punkten, in welche die Wii-Remote problemlos eingeschoben werden kann. Sind alle Vorbereitungen getroffen, sitzt man mit einer etwa 70cm langen und merkwürdig anmutenden Kombination aus Wii-Remote und Plastik-Queue vor dem Fernseher und zieht reflexartig die Jalousie herunter, sodass euch ja kein Nachbar sehen kann. Doch der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel und sofern durch diesen Zusatz das Spielgefühl dem richtigen Billardspielen wirklich näher kommt, können wir uns mit der ungewollt komischen Situation auf der Couch bestimmt irgendwann anfreunden. Der erste Nackenschlag kommt jedoch schon früher als erwartet. Durch den Queue-Aufsatz, wird der Pointer der Wii-Remote unglücklicherweise teilweise verdeckt. Dies hat zur Folge, dass der Wii-Pointer nicht mehr richtig funktioniert und das Navigieren im Spielmenü zur reinsten Tortur wird. Es bleibt also nichts anderes übrig, als auf das Steuerkreuz zurückzugreifen und sich so unnötig schwerfällig durch die einzelnen Auswahlpunkte zu klicken.
Neben der Auswahl ob man gegen den Computer, gegen einen Freund oder zunächst im Übungsmodus spielen möchte stehen insgesamt 13 verschiedene Arten von Pool, inklusive der Klassiker 8 Ball, 9 Ball, Snooker und Time Attack, aber auch Exoten wie Black Jack und Rotation zur Verfügung. Eine insgesamt wirklich respektable Auswahl, bei der für jeden Kugelschieber etwas dabei sein sollte.
Wenn Billard Schmerzen bereitet
Haben wir uns für einen Tisch samt passender Location (zwielichtigen Bars, verrauchte Musikkneipen, die Kanalisation (?) oder eine luxuriöse Yacht) und einen der wirklich durchweg schlecht designten Spielfiguren entschieden, die sich zudem nur äußerlich unterscheiden, starten wir noch voller Erwartung das erste Match. Was den Spieler nach dem lästigen Ladeschirm erwartet ist ein sprichwörtlicher Schlag in die Magengrube, der den erschrockenen Wii-Spieler gleich ein ganzes Jahrzehnt zurückversetzt. Ein karger, braun-grüner Billardtisch, ein kantiger schwebender Queue samt Hilfslinien, unscharfe Billardbälle und ein trister, unspektakulärer Hintergrund mit einigen flimmernden Einrichtungsgegenständen, die je nach ausgewählter Location variieren – das war’s auch schon von der optischen Ebene in Pool Party. Das ein Billardspiel an sich nicht unbedingt mit hochauflösenden Texturen, tollen Effekten und abwechslungsreichem Design punkten muss und kann ist eine Sache. Was die Entwickler in Pool Party für Wii jedoch abliefern ist wirklich schwach und liegt unter der vertretbaren Schmerzgrenze. Als wäre dies nicht genug dürfte euch spätestens nach diesem Schock die hektisch pochende Musik auf den Magen schlagen und euch panikartig zur Stummschalttaste eurer Fernbedienung greifen lassen. Glücklicherweise lässt das Spiel euch zumindest die Wahl, vor den Partien die Musik aus etwa 30 Tracks auszuwählen, wobei die meisten davon erst freigespielt werden müssen. Schade nur, dass sich viele der Musikstücke noch unter dem Niveau der Standard-Musik befinden und sich insgesamt nur einige wenige, noch akzeptable Alternativen finden lassen. Einige schrecklich krächzende Effekte, ständige Handytöne, aufgesetztes Klatschen und furchtbare Hustenanfälle eurer Charaktere runden den Gesamteinruck ab. Von der versprochenen, atmosphärischen Soundkulisse ist keine Spur.

Tapfer wie wir sind setzen wir zum ersten Stoß an. Also richten wir unseren Wonderstick in bester Billard-Manier in Richtung des Fernsehschirmes (aber bitte mit einem gehörigen Abstand) und stoßen um die Kugel über den grünen Digi-Filz zu jagen. Nichts passiert. Achja, da war ja etwas. Genau. Die Pointer-Funktion der Wii-Remote ist dank des Queue-Aufsatzes ja außer Gefecht gesetzt. Spätestens jetzt sollte sich jedem die Frage stellen, wozu der Wonderstick überhaupt sinnvoll sein soll, wenn mit diesem weder die Richtung des Schlages, noch sonst etwas, eingestellt werden kann. Richtig. Für nichts. Der von den Entwicklern als innovativ und authentisch angepriesene Wonderstick erfüllt keinerlei Sinn und Zweck und dient höchstens zur Belustigung zuschauender Kameraden. Kreative Menschen können den Wonderstick darüber hinaus wohl auch noch für andere sinnvolle Dinge zweckentfremden. Vielleicht zum Kratzen des Rückens? Oder zum Bedienen des Fernsehers, falls die Batterien eurer Fernbedienung einmal leer sind, während weitere Leidensgenossen vielleicht auf gänzlich andere Ideen kommen könnten. Eurer Kreativität sind somit keine Grenzen gesetzt. Vielleicht haben wir dem Wonderstick das Adjektiv innovativ ja doch voreilig und zu unrecht aberkannt…
Wie dem auch sei, irgendwie muss die Kugel ja zum Rollen gebracht werden. Die Anleitung verrät uns schließlich, dass wir den Queue via Controlstick des zusätzlich angeschlossenen Nunchuks (oder Steuerkreuz der Wii-Remote) in die gewollte Schlagrichtung bewegen können und beim Stoß der B-Trigger gehalten werden muss. Also wird der B-Trigger gehalten und unser kreatives Eingabekonstrukt nach vorne geschwungen. Die Folge: Der Queue bewegt sich langsam, trifft die Kugel aber nicht. Wütend wird der Queue also ein weiteres Mal geschwungen ehe die Kugel nun endlich rollt. Langsam rollt. Denn natürlich haben wir vergessen die Schlagstärke bzw. den Drall des Schlages einzustellen. Diese wird nämlich nicht durch die Schwungstärke bestimmt, sondern muss vorher durch wiederholtes Drücken auf das Steuerkreuz eingestellt werden. Ein wahrlich realistisches Spielvergnügen! Selbst das Billard-Minispiel aus Wii Play, welches zusammen mit 8 weiteren Spielen für unter 10€ zu haben ein sollte, spielt sich dynamischer – und das sogar ohne den kongenialen Wonderstick.
Hat man sich erst einmal auf die einzigartige Steuerung eingelassen, kann man unter gewissen Umständen durchaus für einige Spielrunden unterhalten werden, sofern man die vorherigen Schockmomente halbwegs gut überstanden hat. Da es aber weder einen Turnier- geschweige den Karrieremodus gibt und keinerlei Möglichkeiten der Verbesserung der Spielfiguren implementiert worden sind, dürfte selbst der größte Billard-Fan relativ zügig jegliche Annäherungsversuche anstandslos zurückziehen. Die ständig und ohne jeglichen Grund zwischen fulminant schlecht und beachtlich gut schwankende Gegner-KI, die zudem häufig störend lange für einen Stoß mit dem Queue braucht („Gegner denkt nach“), schlägt die Akte Pool Party endgültig zu. Da kann auch die gerade noch akzeptabel umgesetzte Ballphysik nichts mehr retten.
Fazit: Pool Party hat für sich genommen vor allem eines: Humor. Denn die Situation samt Wonderstick vor dem Fernseher zu sitzen, einen richtigen Billard-Schwung auszuführen und dann zu merken, dass das gesamte Steuerungskonzept mit dem Plastik-Queue absolut keinen Sinn ergibt, macht wohl der besten Sitcom gehörige Konkurrenz. Ansonsten gibt es für potentielle Käufer jedoch wenig zu lachen: Ein unnötig umständliches Steuerungsschema, gähnend lange brauchende Computer-Gegner, nervtötende Effekte und Musikstücke sowie eine absolut indiskutable Aufmachung. Einzig die vielen verschiedenen Pool-Varianten sind ein kleiner Lichtblick in einer sonst dunklen Angelegenheit. Die Entscheidung sich entweder Pool Party für knapp 40€ zu kaufen oder sich entsprechende Lokale in der Umgebung zu suchen und wirklich Billard spielen zu gehen, sollte in diese Fall sehr einfach sein. Alle anderen träumen weiter vom eigenen Billardtisch und spielen währenddessen ernst zu nehmende Wi-Software.
Von Kamil Witecy
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| Wertung für das Spiel Pool Party | |
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| 2.7 | Grafik Ein karger Billardtisch, unscharfe Kugeln, triste Hintergründe und nahezu ständig flimmernde Objekte, die den Räumlichkeiten eigentlich mehr Lebendigkeit einverleiben sollten – definitiv unter der Grenze des Vertretbaren. | |
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| 2.3 | Sound Hektisch pochende Musikuntermalung die an den Nerven zerrt, sowie grausige Soundeffekte und obszöne Ausstöße der Charaktere. Einige wenige, noch akzeptable Musikstücke retten die Wertung vor dem absoluten Supergau. | |
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| 4.3 | Steuerung Aufgesetzt wirkende und unnötig komplizierte Steuerung, die zwar irgendwann zu funktionieren beginnt, die Vorteile der Wii-Remote jedoch nur oberflächlich nutzt und nicht annähernd an das versprochene, authentische Spielgefühl heranreicht. Die kostenlose Dreingabe des Wondersticks ist hingegen ein Witz | |
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| 2.9 | Gameplay Eine solide Auswahl an verschiedenen Pool-Varianten wird durch technische Unzulänglichkeiten, der zweifelhaften Steuerung sowie mangelnder Abwechslung fast gänzlich vernichtet. | |
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| 2.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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