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Der Unglaubliche Hulk
Review von Burkhart von Klitzing (mail) | 12.08.2008

Das ominöse Sommerloch schlägt wieder einmal mit aller Macht zu, obwohl mir da sicherlich einige rabiate Fanboys widersprechen möchten. Super Smash Bros. Brawl, Baroque, Ôkami und We Love Golf genügen einfach nicht, um eine ganze Jahreszeit auszufüllen. In solchen Zeiten greift der geneigte Zocker gerne mal zu jedem noch so kleinen Strohhalm und da kommt die Versoftung vom Kinohit Der Unglaubliche Hulk gerade recht; immerhin überzeugte nicht zuletzt der vorige Auftritt des grünen Hünen in Ultimate Destruction auf dem GameCube. Jedoch liegt die Überlegung nicht fern, dass das Testosteron-Monster mit etwas derart zartem wie einem Strohhalm oder eben den strapazierten Hoffnungen der Wii-Besitzer vielleicht nicht angemessen umgehen kann. Segas Iron Man war jedenfalls vor kurzem kein allzu hoffnungsfroher Vorbote.

Geschichte wiederholt sich
Nach einem ebenso linearen, wie trist-monotonen Einstiegslevel in einer brasilianischen Lagerhallenanlage – von dem besser niemand erwarten sollte, dass es ordentlich in die komplexe Steuerung einführt – landet Bruce Banner im digitalisierten Manhattan, das fortan den Schauplatz für seine Zerstörungstour bildet. Von Anfang an ist jeder Punkt der Spielwelt frei erreichbar, ob man das möchte, ist eine andere Frage. Einige Orte bieten hohen Wiedererkennungswert, insbesondere an großen Leuchtreklamen oder den 25 Wahrzeichen, wie dem Empire State Building, was zumindest zu Beginn den Entdeckergeist weckt. Wer sich nach einiger Zeit (und unter Zuhilfenahme der Gebrauchsanweisung) in die akzeptable Steuerung eingefunden hat, springt mit Riesensätzen geschickt von Dach zu Dach, kraxelt Wände herauf und genießt die Aussicht von der Spitze von einem der Wolkenkratzer. Oder zumindest hofft er es. Tatsächlich offenbart sich vielmehr ein Blick in die nicht vorhandenen Weiten der berühmten Nebelwerfer 64-Welten. Rundherum sind lediglich eine Handvoll Gebäude zu sehen, bevor eine dichte Nebelwand den Rest New Yorks verschluckt. Schlimmer noch: Wasserspeicher auf Gebäuden, Passanten, Haltestellen, usw. auf den Gehwegen und Autos in den Straßen tauchen oft erst in kurzer Entfernung auf, der Nebel markiert also nicht einmal die tatsächliche Grenze des Sichtbereichs. All das wäre leichter zu verschmerzen, wenn die Areale wenigstens schön anzusehen wären und den Eindruck einer belebten Großstadt gut rüberbrächten. An dem Konjunktiv ist zu erahnen, dass beides kaum der Fall ist. Der Central Park ist dermaßen leer, dass man nicht glauben kann, eine fertige Version vor sich zu haben, so manches Mal sucht man auf den Straßen verzweifelt ein Auto und große Teile der Stadt ähneln sich architektonisch und in ihren hässlichen Texturen dermaßen stark, dass gelegentliche Déjà-Vus nicht ausbleiben. Die praktische Karte erspart immerhin weitere Wutausbrüche des Hulk.

Dieses praktische Hilfsmittel verzeichnet sämtlich aktuell verfügbaren Storymissionen, Nebenmissionen und Minispiele, ebenso wie die bereits entdeckten U-Bahn-Stationen. Ja, selbst gejagte, grüne Scheusale dürfen die New Yorker Subway benutzen um lange Wege zu ersparen, allerdings eben erst, wenn eine Station oberirdisch entdeckt wird. Die Storyaufgaben sind in verschiedene Kapitel und Stränge gesplittet, wie „Kämpfe General Ross zurück“ und „Hilf Dr. Sterns bei der Suche nach einem Gegenmittel“. Einiges davon hält sich an die filmische Vorlage, anderes dagegen ist exklusiv im Spiel. Gemein ist allem aber, dass es verwirrend und oft langweilig erzählt wird. Nichtkenner des Films und der Comics wundern sich des Öfteren, sei es, bei dem Ausflug nach Brasilien, dem Auftritt Plot-relevanter Personen wie Blonsky oder dem überraschenden „Besuch“ von vier Superschurken, die sich U-Foes nennen. Ganz abgesehen davon, dass ich alleine für diesen Namen schon eine finanzielle Entschädigung wegen Wortwitzschädigung verlangen könnte, ist der Einbau dieser an die Fantastic Four erinnernden Bösewichte nicht mehr als ein kleiner Fanbonus. Sie tauchen plötzlich auf, verschwinden ebenso schnell wieder fast komplett und tragen praktisch nichts zum Plot bei. Gelungener ist da die Idee mit der Enklave. Diese hochtechnisierte Verbrecherorganisation teilt sich unter ihren vier Anführern in ebenso viele Splittergruppen auf, die in unterschiedlichen Gebieten Manhattans für Unheil sorgen. Dazu fahren sie allerlei lästige Waffen wie Gedankenkontrollstrahlen, Roboterzyklopen oder gar ein Zwei-Gesichtiges Monster auf.

Hulk Smash! Hulk Bore!
Damit stellen sie eine nette Abwechslung gegenüber den Armeetruppen dar. Während beide Fraktionen auch zu Einsätzen in den Missionen kommen, tauchen Enklavetruppen und einzelne U-Foes zur Auflockerung immer mal wieder zwischendurch in New York auf und Soldaten erscheinen falls Hulk für zuviel Aufsehen sorgt. Das Umherschmeißen eines unschuldigen Passanten oder die Zerstörung eines Polizeiwagens fallen dabei merkwürdigerweise nicht allzu negativ auf. Eher zum „Erfolg“ führt das Einreißen eines Gebäudes oder der schnelle Sprint durch einige Reihen von Ampeln. Fährt General Ross auf der niedrigsten Gefahrenstufe noch lediglich Humvees und leichte Soldaten auf, folgen bei einem höheren Grad der Zerstörung bald Panzer, Helikopter und Mechs. Mit der Zeit kommt auch etwas mehr Variabilität in die Kämpfe, insgesamt bleiben die Kloppereien dennoch eine etwas trockene und oft zu einfache Angelegenheit. Menschen fallen einem Sprint zum Opfer, Mechs werden gepackt und als Waffe möglichst gegen andere Mechs oder die gepanzerten Fahrzeuge eingesetzt und Hubschrauber haben keine Chance gegen den automatisch zielenden Sprunghieb. Hulks unterschiedliche Combos und Finessen wie der Bodenschlag oder der Block werden nicht nur unzureichend erklärt, nein, sie sind meist schlichtweg unnötig, bis plötzlich doch mal ein Boss auftaucht, der nur durch bestimmte Angriffe verwundbar ist. Allgemein sind die wenigen Bosskämpfe unspektakulär, da einfach und monoton. Selbst die finale Konfrontation stellt keine ernsthafte Gefahr dar, wenn man endlich durch minutenlanges Herumprobieren darauf kommt, was zu tun ist. Ist doch einmal Not am Mann, rettet eine kurze Flucht in Kombination mit einem Heilmanöver das Leben. Eingesteckter und ausgeteilter Schaden füllt das Rage-Meter auf, das schließlich eins von vier Specials (wie die Heilung) entfesselt, sofern man mit dem Schüttelinput zurecht kommt.
 



Wie so oft leidet die Wiimote-Nunchuk-Combo nämlich erneut unter ihrem Tastenmangel, weswegen die Entwickler auf die Bewegungs-Eingabe zurückgriffen. Um eines der Specials zu aktivieren (von denen meist nur die Regeneration nötig ist), greift der Spieler zunächst zum Steuerkreuz, wählt ein Manöver aus, rüttelt dann schnell das Nunchuk und drück daraufhin prompt auf B. Mit einiger Übung klappt das auch meist wie gewünscht (Betonung auf „meist“), zu Beginn möchte man aber Banner-mäßig die Fassung verlieren. Überhaupt stören einige Dinge den Kontrollkomfort. Anvisieren von Feinden klappt praktisch nie wie es sollte außerhalb von Bosskämpfen, der Wendekreis in der Luft mag realistisch sein, nervt aber oft ungemein und selbstverständlich dürfen Quicktime Events nicht fehlen. Nachdem Shenmue diese kleine Einlagen, die einen plötzlichen gewissen Input erfordern, erfand und Resident Evil 4 sie populär machte, kommt wohl vor allem kein mittelmäßiger Titel mehr ohne sie aus. An einigen Stellen im Spiel werdet ihr aufgefordert, beispielsweise die Wii-Remote zu schwenken oder Wii-Remote und Nunchuk abwechselnd rauf und runter zu bewegen. Wie nett dabei, dass ein schneller Input eigentlich immer zum Versagen führt und man daraufhin denkt, man müsste wohl noch schneller werden. In Wahrheit sind diese Einlagen lächerlich einfach, sobald man ohne jede Hilfe des Spiels auf den Trichter kommt, dass fast schon meditativ langsame Bewegungen zum Sieg führen.

Von Sammelleidenschaft und Programmierlustlosigkeit
Für zusätzliche Motivation neben dem anstrengenden Heldentum sorgen zahlreiche Minispiele, die zwischen nervig und unterhaltsam schwanken. Zufällig auftauchende Zielscheiben per Keulenschlag zu zerbröseln und Dartwerfen mit Laternen etwa fallen den Steuerungsmacken zum Opfer. Ein Crazy Taxi-Verschnitt wiederum ist dröge und zieht sich zu lange hin. Besser sieht es da beispielsweise bei gezielten Zerstörungsorgien oder dem Bilden möglichst langer Sprungketten auf einstürzenden Häuserdächern aus. Der vielleicht beste Aspekt der Wii-Version vom Unglaublichen Hulk ist indes ironischerweise eine von der XBox 360 geklaute Idee: Bruce kann während des gesamten Abenteuers unzählige kleine Aufgaben erfüllen, muss dies aber nicht. Ähnlich den Achievements der Microsoft-Konsole blinkt immer wieder ein kleiner Vermerk auf, dass ein Gebäude jedes Stadtteils zum Einsturz gebracht wurde, 50 Feinde per Rage-Attacke besiegt wurden oder eine bestimmte Anzahl der überall versteckten 100 Rage-Kanister, 100 Lebensampullen, 15 Comic-Cover, etc. aufgeklaubt wurden, was nach und nach Upgrades freischaltet. So springt Hulk irgendwann weitere Distanzen, lernt neue Specials oder erhält neue Kostüme.

Der ohnehin nicht übermäßig gute Spieleindruck krankt an allerlei Schlampereien, die das Herzblut der Entwickler vermissen lassen. So präsentiert sich die Geschichte meist nur in öden Standbildern komplett mit miserablen Sprechern und Untertiteln, die viel schneller als der gesprochene Text ablaufen. In den schlecht inszenierten Cutscenes bessert sich dieses Bild kaum. Auch die Schreiber verdienen ihren Lohn nur schwerlich. „Die schauen aber nicht wie Armeetruppen aus. Sie greifen die Stadt an. Sie schauen stark aus…..aber Hulk ist stärker! Zeige ihnen genau wie stark du bist!“ könnte der Geschichte eines 10-jährigen Hulk-Fans entsprungen sein…stammt aber bedauerlicherweise aus dem Spiel zum Film. Eifrige Aufgabenerfüller tappen teils komplett im Dunkeln. Was etwa ist gefordert, wenn davon die Rede ist, 25 Autos in Gebäude zu klatschen? Hulk soll die Fahrzeuge greifen, hochspringen und in der Luft(!) sein Gepäck gegen Häuser werfen, damit sie hoffentlich (!!) hängenbleiben. Ähnlich sinnfrei: Ampel und ähnliches zählen als Lanzen, daneben will Entwickler Edge of Reality jedoch auch den Einsatz von Keulen gegen Feinde sehen. Tja, nur was sind Keulen? Ich habe in einem Minispiel eine Keule erhalten, während der regulären Streifzüge durch New York fand ich hingegen nur eine Lanze nach der anderen, die im Übrigen praktisch genau gleich fungieren. Ganze Gebäude stürzen ein, wenn Hulk mehrmals auf einen kleinen Vorsprung des Konstrukts einschlägt, Bosse sind benebelt, wenn sie mit ihrer Waffe zu oft auf den Bode geschlagen haben, Minispiele enden gelegentlich einfach, wenn eine Bronzemedaille erreicht wurde, obwohl man gerne weiterspielen würde bis zu Gold. Kurzum: Von einem liebevoll entwickelten Spiel ist Hulk ähnlich weit entfernt wie von einem guten Frisör.

Fazit:
Segas Beitrag gegen das Sommerloch hätte dank offener Spielwelt und geschickter Aktivierung des Jäger- und Sammlerinstinkts durchaus ein guter Brückentitel zum nächsten Hoffnungsträger sein können. Miserable Technik, Schludrigkeiten allenthalben und monotone Kämpfe zerbrechen dieses Hoffnungskonstrukt jedoch ebenso wie Hulk einen Strohhalm, womit ein gerade noch mittelmäßiger Titel bleibt, der das Konsolen-Equivalent zu Popcorn-Kino bildet.

Von Burkhart von Klitzing
Wertung für das Spiel Der Unglaubliche Hulk
Wertungen Beschreibung
4.4Grafik
Kaum Weitsicht, miese Texturen. Der GameCube würde sich schämen.
5.2Sound
Grausige Sprecher, sonst schlichtweg schlicht…
5.9Steuerung
Einige Nicklichkeiten strapazieren die Nerven.
5.5Gameplay
Sandbox gefüllt mit Sammelfreuden und monotonen Kämpfen.
5.5Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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