Review von Andreas Held (mail) | 12.08.2008
Es ist Sommer, es ist heiß und es ist das Jahr der Olympischen Spiele in Peking. Und selten gab es so viele Versoftungen der wohl größten Sportveranstaltung, wie dieses Jahr: Sega brachte gleich zwei offiziell lizenzierte Spiele heraus, nämlich zum einen eine Minispielesammlung mit den Firmenmaskottchen Sonic und Mario, die exklusiv für Wii erschien, sowie das offizielle Spiel für die Xbox 360 und die PS3, welches mit HD-Grafiken, über 40 Disziplinen und einem umfangreichen Einzelspielermodus punkten wollte. Ebenfalls ein Stück vom Kuchen abhaben wollen 49Games, und das, obwohl sie erst vor einem halben Jahr mit RTL Winter Spots 2008 ihre Taschen gefüllt haben. Summer Athletics heißt der Titel, der seine Verkäufe wohl durch ahnungslose Mütter erzielt, die ihn ihren an Beijing 2008 interessierten Kindern mit den Worten "guck mal hier, das ist doch das selbe und ist billiger" unter die Nase halten. Und angesichts der Qualität des von dtp gepublishten Spiels müsste man selbiger Mutter beim Kauf ihrer neuen Lederhandtasche einen Jutesack zeigen und den gleichen Spruch loslassen.
Erste Schritte
Summer Athletics bietet laut Klappentext ein "einzigartiges Karrierefeature". Wählt man im Hauptmenü den Karrieremodus aus, landet man in der "Amateurs Meisterschaft", in der zwölf der insgesamt 25 Disziplinen nacheinander bestritten werden und der Sportler mit der höchsten Punktzahl am Ende gewinnt - einzigartig eben! 25 Disziplinen sind immerhin noch halb so viele wie in Beijing 2008, dafür sind es jedoch fast ausschließlich die interessanteren Disziplinen wie Tischtennis, Kayak oder Geräteturnen, die in Summer Athletics fehlen. Außerdem kommt man nur dann auf die Zahl 25, wenn man sehr ähnliche Disziplinen (100m-Sprint und 200m-Sprint bzw. verschiedene Schwimmstile) jedes Mal mitzählt - ohne diese Zwillinge kommt man auf etwa 14 Sportarten, die bis auf Schwimmen, Radfahren, Turmspringen und Bogenschießen nur aus Leichtathletik bestehen.
Danach erstellt man sich mit dem "leicht verständlichen Charakter-Designtool" einen Athleten. Und hier handelt es sich wohl um die einzige wahrheitsgemäße Aussage auf der Rückseite der Verpackung - denn wer beim Einstellen von Namen, Heimatland und Geschlecht seines virtuellen Konterfeis Probleme hat, sollte wohl wieder mit dem Videospielen aufhören. Danach könnt ihr 50 Talentpunkte auf verschiedene Fähigkeiten wie Sprungkraft und Schnelligkeit aufteilen, was an sich eine nette Idee ist, aber durch die Bedienung des Menüs unnötig schwer wird. Ihr müsst jeden Talentpunkt einzeln verteilen, soll heißen, dass man die Richtungstaste nach rechts ein Mal pro Talentpunkt drücken muss (man kann sie nicht festhalten). Noch problematischer wird das dadurch, dass nach jeder Disziplin weitere 100 Trainingspunkte dazukommen, die verteilt werden müssen bevor weitergespielt werden darf, weshalb man sich teilweise länger mit diesem Menü als mit den Disziplinen beschäftigt. In den etwa 45 Minuten, die die "Amateurs Meisterschaft" dauert, drückt man insgesamt 1.150 Mal die rechte Richtungstaste allein beim Verteilen der Talentpunkte, was dezent zu viel ist.
Auf dem Sportplatz
Ähnlich verkorkst wie die Menüs sind auch praktisch alle Disziplinen. Wie jedes andere Spiel, musste natürlich auch die Wii-Version von Summer Athletics eine tolle Bewegungssteuerung bekommen, die es angeblich intuitiver macht.
Problem eins: Von Grund auf seltsame Steuerungskommandos. Das fängt beim Hammerwerfen an (schwinge die Wii-Remote wie ein Lasso), was noch halbwegs vertretbar ist - etwas abstruser sind "echte" Armbewegungen, die beim Rückenschwimmen ausgeführt werden sollen. Klarer Spitzenreiter ist jedoch die Steuerung beim Radfahren, wo ihr Wii-Remote und Nunchuk wie zwei Pedale vor euch bewegen sollt. Das sieht nicht nur absolut lächerlich aus, sondern wird bei hohen Geschwindigkeiten durch das Kabel zwischen Wii-Remote und Nunchuk quasi unmöglich. Als i-Tüpfelchen sollt ihr dann durch Neigen von Remote und Nunchuk lenken, was natürlich bei den energischen Pedalbewegungen ganz von alleine passiert und dafür sorgt, dass euer Radfahrer wie sturzbetrunken über die Strecke eiert, ohne jede Chance auf den Sieg.
Problem zwei: Die Steuerung wird nicht richtig erklärt. Sehr oft hat man nicht wirklich eine Ahnung, was die seltsamen Anweisung in den Tutorials und in der Spielanleitung bedeuten sollen. Bestes Beispiel ist hier die in vielen Sprungdisziplinen auftauchende Anweisung "bewege die Wii-Remote wie abgebildet", mit dem in der Luft Haltung bewahrt werden muss. Abgebildet ist dabei eine Remote, die auf die Mitte eines roten Cs zeigt. Jegliche versuche, ein C in die Luft zu malen, schlagen natürlich fehl, bis man irgendwann feststellt, dass sich bestmögliche Haltung dann erreichen lässt, wenn man einfach senkrecht auf den Boden zeigt. Unsere Theorie ist, dass das "C" für "Chill down" steht, und das "down" dabei als Anweisung für die Steuerung verstanden werden soll.
Problem drei: Als hätte man es irgendwie ahnen können, werden die Bewegungen des Spielers natürlich auch nicht immer richtig erkannt. Bugs gibt es jedoch schon in der Spielengine selbst, zum Beispiel beim Turmspringen, wo - ähnlich zu Musikspielen - bestimmte Icons angeschlagen werden müssen, sobald sie eine Zielzone erreichen. Viele Icons werden jedoch schon rot markiert und gelten als verfehlt, lange bevor sie diese Zone überhaupt erreichen. Und wenn sie doch mal bis zum Ende überleben, wird in vielen Fällen der Schlag mit Wii-Remote oder Nunchuk nicht erkannt und das Icon fällt nach unten durch. Selbst einfachste Dinge, wie der Start beim 100m-Lauf oder die Pointersteuerung beim Bogenschießen, funktionieren überhaupt nicht.
Tatsächlich weist jede der Disziplinen mindestens eines der oben genannten Probleme auf, meistens jedoch eine Kombination aus zweien oder allen drei der oben genannten. Somit kann Summer Athletics getrost als schlecht abgetan werden - zumindest in der Wii-Version, die anderen Versionen, die ohne eine aufgesetzte Bewegungssteuerung auskommen, sollen nämlich Gerüchten zufolge etwas besser sein. Wahrscheinlich hätten sich die Jungs von 49Games wohl mehr als ein halbes Jahr Zeit nehmen müssen, um ein komplett neues Spiel für PC und die HD-Konsolen samt Wii-Anpssung mit Bewegungssteuerung zu programmieren. Die einzige Möglichkeit, die KI zu schlagen, ist, Möglichkeiten zu finden, wie sie eben doch funktioniert - ein Beispiel (Wiimote senkrecht nach unten halten für perfekte Haltung beim Hochspung oder Weitsprung) wurde bereits genannt. Man kann also in den meisten Fällen Workarounds finden, um die Disziplinen zumindest spielbar zu machen - eigentlich darf es aber nicht die Aufgabe des Spielers sein, sich mit den Fehlern der Programmierer auseinandersetzen zu müssen.
Stadionatmosphäre - was ist das?
Ein optischer Totalausfall ist Summer Athletics sicherlich nicht. Zwar gibt es durch die fehlende Lizenz nicht das originale Olympiastadion, der Schauplatz kann aber zumindest mit einigen Details aufwarten und auch die bunten Pappkameraden im Publikum sehen von weitem einigermaßen ok aus. Die Athleten wirken teilweise wie außerirdische, sind aber auch tolerabel animiert. Weniger toleriert werden kann das absolut extreme Kantenflimmern, das in dieser Form absolut nicht mehr vorkommen sollte. Von eienr echten Stadionatmosphäre kann natürlich trotzdem keine Rede sein, wofür vor allem der unmotivierte Kommentator sorgt, der menschliche Teilnehmer als "Spieler eins" ankündigt, selten mal einen losen Satz sagt und nichts zum Geschehen beiträgt. Glaubwürdiger Jubel aus dem Publikum fehlt genauso wie Beiwerk in Form von Eröffnungsfeiern oder Siegerehrungen mit Nationalhymnen komplett.
Zum Abschluss soll hier noch einmal der Klappentext zitiert werden. Der Publisher schreibt: "Die intuitive Steuerung macht Profis wie Einsteigern Spaß. Authentische Stadion-Athmosphäre und fantastische Grafik verleihen dem Spiel ein ganz besonderes Flair" und schrammt damit ganz knapp an der Wirklichkeit vorbei. Auch die Screenshots auf der Rückseite der Box stammen definitiv nicht aus der Wii-Version. Das alles ist jedoch genug, um Mütter und andere ahnungslose Käufer zu täuschen. Vernünftig produzierte Software und Massenware lassen sich eben für das ungeschulte Auge etwas schlechter auseinanderhalten als Lederhandtaschen und Jutesäcke. Fazit: Eigentlich haben wir im ganzen Review gelogen. Denn eigentlich muss man die Entwickler von 49Games beglückwünschen. Sich innerhalb eines halben Jahres so viele abstruse Bewegungssteuerungen an den Haaren herbeizuziehen, erfordert ein Höchstmaß an Kreativität, und dass die auszuführenden Kommandos völlig andere sind als die beschriebenen, zeigt doch nur, dass die Spieler vor einen gewissen Anspruch gestellt werden und nicht alles vorgekaut bekommen sollen. Ein so starkes Kantenflimmern, dass die Linien im Stadion nicht einmal mehr durchgehend dargestellt werden, kann sicherlich auch nicht jeder programmieren. Wer auf gut Glück mit den Controllern vor dem Fernseher herumfuchtelt, wird irgendwann vielleicht Mittel und Wege finden, die KI zumindest im Großteil der Disziplinen zu schlagen - jeder, der sich ernsthaft mit der Materie auseinandersetzt, sollte jedoch zu dem Schluss kommen, dass Summer Athletics in seiner wohl viel zu kurzen Entwicklungszeit einfach nur schlecht programmiert wurde und etwas besseres zu tun haben, als sich um die Patzer der Programmierer herumzuarbeiten.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Summer Athletics | |
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| 4.5 | Grafik Durchschnittsgrafik wird durch übertriebenes Kantenflimmern noch stark heruntergezogen. | |
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| 3.7 | Sound Extrem unmotivierter Sprecher und keine Stadionatmosphäre. | |
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| 4.3 | Steuerung Funktioniert in keiner Disziplin wie angegeben, manchmal jedoch zumindest teilweise in Ansätzen. Durch etwas Herumprobieren findet man "neue" Steuerungsmöglichkeiten, die den gewünschten Effekt haben. | |
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| 5.4 | Gameplay Der Karrieremodus wäre zumindest ausreichend, wenn die Steuerung so funktionieren würde wie in den Tutorials beschrieben. Durch die zahllosen Programmierfehler ist es aber nicht wirklich motivierend. | |
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| 4.7 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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