Review von Andreas Held (mail) | 20.06.2008
Dass Third-Party-Publisher die Wii größtenteils nicht mit so viel Zeitaufwand behandeln, wie sie das bei den anderen beiden aktuellen Konsolen tun, ist mittlerweile längst bekannt. Nur sehr wenige Publisher haben es bisher geschafft, auf Wii einen Titel ins Rennen zu schicken, der vergleichbaren Auftritten auf der Xbox 360 ebenbürtig war - lediglich Capcom und Sega zeigen regelmäßig, dass es auch anders geht. Nun ist Square-Enix an der Reihe, die zu SNES-Zeiten, vor ihrer Fusion, Nintendo mit erstklassigen Titeln versorgten - Secret of Mana auf der einen und Terranigma auf der anderen Seite. Danach kam lange Zeit nichts, bis man Nintendo-Konsolen dann halbherzige Spinoff-Kost wie Final Fantasy Crystal Chronicles oder das unterdurchschnittliche Final Fantasy Tactics Advance bescherte. Auch auf Wii ist zunächst keine Besserung in Sicht: Statt eines epischen RPGs bekommen wir ein kurzweiliges Action-Spiel, das unter dem Namen eines epischen RPGs veröffentlicht wird - und einen der längsten Titel hat, der hierzulande durch die Eindeutschung noch einmal um mehrere Buchstaben gewachsen ist. Ist es möglich, hier dank eines innovativen Spielkonzepts trotzdem von einem guten Titel zu sprechen?
Die maskierte Königin und der Spiegelturm
Normalerweise sind wir in Reviews, gerade bei RPGs, darum bemüht, die Story geheimzuhalten - bei Dragon Quest Swords ist das gar nicht möglich, da der über fünfzig Buchstaben lange Titel quasi die komplette Handlung zusammenfasst. Eine Königin trägt aus unbekannten Gründen eine Maske mit geschichtlicher Bedeutung und zieht sich damit in den Spiegelturm zurück. Überrascht? Was sagt ihr dann erst zu der noch nie dagewesenen Storywendung, dass ihr im Turm erfahrt, dass ein böser Dämon die Welt beherrschen will? Präsentiert wird diese Handlung, die den Tiefgang einer kleineren Pfütze hat, durch eine entsetzliche deutsche Übersetzung, die wirklich niemandem mehr zugemutet werden kann; spätestens beim Anblick der "Minimauz-Höhle" auf der Stadtkarte sollte jeder Spieler über zehn Jahren, der um sein geistiges Wohl besorgt ist, die Konsole auf Englisch stellen. Das macht die Dialoge zwar auch nicht besser, aber zumindest erträglicher. Das englische Script kann jedoch weder über den vollstupiden Humor, der niemanden auch nur zum Grinsen bewegen wird, noch über die klischeehaften Charaktere hinwegtäuschen, die vom notgeilen Kneipengänger über einen geschwollen redenden Prinz bis hin zur attraktiven Blondine, die euch erst um den Finger wickelt um euch dann in der ersten brenzligen Situation in den Rücken zu fallen, alles abdecken was man als RPG-Spieler nicht sehen will. Was unter dem Strich herauskommt ist eine Story, die selbst zu SNES-Zeiten unter keinen Umständen des Namens "Dragon Quest" würdig gewesen wäre.
Da die Entwickler das gewusst haben, beschränken sich eure Tätigkeiten in der Stadt auf das Kaufen neuer Ausrüstung und das Abklappern von Orten, um irgendwann in den nächsten Dungeon zu dürfen. Die Stadt ist dabei sehr steril und sehr wenige Passanten haben noch weniger zu sagen. Wirklich schlimm ist die Menüstruktur, die dafür sorgt, dass man lieber nur das Nötigste kauft und seine Lotterielose erst gar nicht einlöst, weil alles so unerträglich lange dauert. Nach dem Verlassen der Stadttore gibt es also die letzte Chance, doch noch ein qualitativ gutes Spiel zu präsentieren.
Fröhliches Hacken
Wer Dragon Quest Swords im Vorfeld begutachtet hat wird wissen, dass es sich hierbei um eine Art On-Rails-Shooter handelt, bei dem ihr nicht mit diversen Feuerwaffen, sondern ganz Fantasy-Konform mit eurem Schwert kämpft. Die Steuerung ist trotzdem nicht unähnlich. Zunächst wählt ihr mit dem Fadenkreuz einen Fixpunkt aus und schwingt dann die Wii-Remote, um im Spiel mit dem Schwert in die entsprechende Richtung zu schwingen, welche auch wichtig ist: Ein gerader, waagerechter Schlag erwischt mehrere Gegner, die in einer Reihe stehen, während mit vertikalen Schlägen übereinander stehende Gegner mit einem Schlag vernichten werden können. Holen die Gegner selbst zum Schlag aus oder greifen aus der Distanz mit Magie an, aktiviert ihr bequem mit B euer Schild, welches dann ebenfalls mit dem Pointer gesteuert wird und zum Abblocken dient. Zuguterletzt gibt es dann noch Geschosse, die ihr mit einem richtig getimeten Schlag zum Gegner zurückschießen und somit beispielsweise Bogenschützen ausschalten könnt. Dragon Quest Swords verlangt euch von Beginn an diese drei Angriffs- und Verteidigungstechniken ab, und nach aller Kritik an der Story müssen wir hier ganz offen zugeben, dass das nicht nur ein gutes Konzept ist, sondern Square-Enix einen absoluten Volltreffer gelandet hat. Selbst Nintendo konnte bisher nur selten die Features der Wii-Remote so gut nutzen und sie so gut in ein funktionierendes Steuerungsschema eingliedern, sodass hier nicht nur ein wirklich gutes Spielgefühl vorliegt, sondern auch eines, das so niemals auf den anderen Konsolen möglich gewesen wäre. Und somit kann der rein spielerische Teil von Dragon Quest zunächst auch voll überzeugen.

Warum in diesem Satz schon wieder das Wort "zunächst" steckt? Nun, das Problem ist, dass die ersten Levels wirklich noch mit Ideen vollgepumpt sind und daher eine Menge Potential versprechen. Bogenschützen verstecken sich hinter Steinhaufen, Zombies schielen von links ins Bild und schneiden Grimassen, und später rauscht ihr auf einem Floß Stromschnellen hinunter und räumt Wassermonster aus dem Weg, um nicht mit ihnen zu kollidieren. Das sind allesamt gute Beispiele für tolles, kreatives Leveldesign und sorgt für entsprechenden Spielspaß. Doch nach etwa der Hälfte des Spiels fällt Dragon Quest Swords mit dem Gesicht zuerst auf den Boden und bietet nur noch ein trauriges Abbild von dem, was in den ersten Stunden geboten wird. Dann kämpft der Spieler in langweiligen Dungeons die immer gleich ablaufenden Kämpfe gegen Gegner, die auch schon in den ersten Levels mit anderen Farben auftauchten und sich nur durch ihre Statuswerte von ihren Artgenossen unterscheiden. Anstatt die Reflexe des Spielers mit einem immer schnelleren Ablauf zu fordern, haben die Entwickler unfaire Attacken von feuerspeienden Gegnern eingebaut, die sich nur selten durch Glück abblocken lassen. Und obwohl es insgesamt nur acht Dungeons mit einer Spielzeit von durchschnittlich 20 Minuten bietet, zieht sich Dragon Quest Swords spätestens im letzten Viertel des Spiels unglaublich in die Länge. Hier wurde wirklich überhaupt nichts mehr aus dem Titel hinausgeholt und man fragt sich, warum das vorliegende Kampfsystem nicht einfach in ein richtiges RPG eingebaut wurde - warum nicht gleich ein Remake von Dragon Quest VIII mit dem neuen Kampfsystem? Warum bekommen Wii-Spieler hier wieder eine extrem abgespeckte Variante des RPG-Genres, während Xbox 360-Besitzer zum gleichen Preis Lost Odyssey kaufen können? Fragen über Fragen, die man sich unweigerlich stellt, wenn man mit einem Arm den Kopf aufstützt und mit dem anderen auf die immer gleich angreifenden Gegner einschlägt. Dazu gesellen sich massive Balancingprobleme, durch die es schon mal vorkommen kann, dass ein bestimmtes Schwert nur einen einzigen Schadenspunkt anrichtet und die nächststärkere Klinge alle Gegner bereits mit zwei Schlägen zerlegt. Ebenfalls ärgerlich: Ab einem bestimmten Punkt des Spiels könnt ihr aus drei Begleitern wählen, die euch durch Magie unterstützen - wer hier auf Fleurettes Heilzauber verzichtet, hat nicht den Hauch einer Chance, weshalb die anderen beiden Charaktere eine reine Statistenrolle spielen.
Einziger Lichtblick sind die Endkämpfe, die auch am Ende des Spiels dafür sorgen, dass der Spieler aus seinem Halbschlaf erwacht und zumindest ein paar Minuten lang gefordert wird. Hier kommt es seltsamerweise dann doch einmal vor, dass der Hauptcharakter mit schnellen Combos angegriffen wird, die durch gute Reflexe und eine Prise auswendiglernen abgewehrt werden müssen. Wirkliche Motivation, die Kämpfe zu üben, besteht aber trotzdem nicht, denn wer einen Showdown verliert, wird zurück in die Stadt geschickt und muss den kompletten Dungeon wiederholen - angesichts dieser Tatsache schiebt man sich dann lieber mit Heilkräutern durch das Duell, bevor man wirklich den Bogen raus hat. Bleibt der finale Endkampf, der der absolute Gipfel der Unverschämtheit ist und als letztes Symbol dafür dient, wie wenig Herzblut die Entwickler in ihr eigenes Spiel investiert haben. Nach einem ohnehin schon sehr lang gezogenen Kampf lädt dieser nämlich seine Spezialattacke auf und ihr habt zehn Sekunden Zeit, den Schaden zu verringern, indem ihr durch möglichst schnelles Schütteln der Remote eine Leiste aufladet. Also schüttelt ihr euch die Seele aus dem Leib und bringt die Anzeige auf 100%, und dann entsetzt zuzusehen, wie der Obermotz eurem Charakter, dem unter normalen Umständen maximal etwas über 300 HP zur Verfügung stehen, fast 400 Schadenspunkte abzieht. Game Over. Bitte leveln Sie mehrere Stunden und versuchen Sie es dann noch einmal! - Der Anteil der Spieler, die nicht beschließen, dass sie wahrlich etwas besseres zu tun haben und tatsächlich den Abspann von Dragon Quest Swords zu Gesicht bekommen, dürfte verschwindend gering sein.
Gameplay pfui, Technik hui
Square-Enix ist nicht erst seit gestern bekannt dafür, dass sie gerne durchschnittliches Gameplay und eine schwache Story hinter einer dicken Technik-Fassade verstecken, um Fans und Fachpresse zu beeindrucken. Selbst Dragon Quest Swords macht hier keine Ausnahme, obwohl im Rest des Titels so wenig Arbeit steckt. Das fängt schon bei der Bewegungserkennung an: Die technisch perfekte Steuerung registriert jeden einzelnen eurer Wiimote-Schwünge und setzt auch eure Schlagrichtung immer wahrheitsgetreu ins Spiel um. Ausfälle gibt es nicht. Die Grafik ist für Wii-Verhältnisse absolut top: Die leider etwas sterile Stadt überzeugt durch viele nette Details und insbesondere das Wohnhaus des Helden kann überzeugen. Auch die Dungeons fahren gehobenes Wii-Niveau, letztendlich sind es aber die Gegner, die in Bewegung absolut toll aussehen und dank ihrer liebevollen Animationen dafür sorgen, dass Dragon Quest Swords zusammen mit Spielen wie Super Mario Galaxy und Metroid Prime 3 in der Liga der bestaussehendsten Wii-Spiele spielt. Der Soundtrack besteht aus einer Mischung bekannter Dragon-Quest-Melodien und neuen Stücken, die allesamt gut klingen und eine gute Qualität haben. Abgerundet wird das Technik-Paket von einer konsequenten Sprachausgabe, und die Sprecher haben ihr möglichstes versucht, das schlechte Script vernünftig zu vertonen. Störende Grafikfehler oder Slowdowns gibt es nicht.
Fazit: Dragon Quest Swords ist ein Spiel, das anfangs enorm viel Spaß macht, jedoch sehr schnell sehr tief fällt und dann zwei eigentlich sehr widersprüchliche Kritikpunkte erfüllt: Auf der einen Seite ist der Endkampf nach sechs bis sieben Stunden viel zu schnell erreicht, auf der anderen wirken jedoch diese sieben Stunden bereits wie eine halbe Ewigkeit, da das in den letzten Stunden extrem monotone Gameplay kaum zu ertragen ist. Dazu kommt noch, dass von der sehr knappen Spielzeit die meiste Zeit dafür draufgeht, die umständlichen Menüs zu bedienen, komplette Dungeons zu wiederholen weil man gegen den Boss verloren hat und Sequenzen zuzusehen, die die herrlich uninteressante Story präsentieren. Obwohl im spielerischen Teil so wenig Arbeit steckt, gehört Dragon Quest Swords technisch mit zum Besten, was es auf der Wii zu sehen und zu hören gibt - das alleine stellt uns jedoch nicht zufrieden. Dass ein RPG mit einem innovativen und umfangreichen Kampfsystem, das für sehr viel Spielspaß sorgt, immer noch eine gute Story und sympatische Charaktere haben kann, hat Square-Enix kürzlich sogar selbst mit The World Ends With You bewiesen. Was bleibt ist ein Spiel, bei dem man sich einmal mehr fragen muss, warum sich kaum ein Entwickler traut, vollwertige Spiele für Wii zu entwickeln. Letztendlich kann man jedem ruhigen Gewissens empfehlen, sich das Spiel auszuleihen, um ein mal mit dem innovativen Kampfsystem Spaß zu haben, wobei gleichzeitig jedoch eher von einem Kauf abzuraten ist, da es schon alleine wegen seines mageren Umfangs den Vollpreis auf keinen Fall wert ist.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel Dragon Quest Swords | |
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| 8.5 | Grafik sehr schöne, detaillierte Umgebungsgrafiken und toll animierte Gegner bringen Dragon Quest Swords auf optischer Ebene in die erste Liga der Wii-Spiele. | |
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| 8.2 | Sound klassische Melodien mischen sich mit neuen Stücken, die alle gut klingen. Konsequente Sprachausgabe ist in jedem Fall ein Pluspunkt. | |
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| 9.2 | Steuerung So, und nicht anders, soll die Wii-Remote genutzt werden! Tolle Bewegungssteuerung, die den Grundstein für einen Top-Titel hätte legen können. | |
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| 5.8 | Gameplay Weder die Story noch das später fast unerträglich monotone Gameplay können im Ansatz überzeugen. Was bleibt, sind ein bis zwei Stunden Spielspaß in einem ohnehin schon viel zu kurzen Spiel. | |
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| 6.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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