Review von Tim Herrmann (mail) | 01.06.2008
Für viele kleine und große Kinder ist es wahrscheinlich überhaupt nicht unattraktiv, sich irgendwann mal so richtig im Schlamm zu wälzen, und das Fahren auf einem BMX-Bike über schikanenreiche Matschpisten (was dem Schlammwälzen ja im Prinzip sehr nahe kommt) ist auch für viele verlockend. Aber das hohe Verletzungsrisiko beim rasanten BMX-Sport macht den meisten in der harten Realität dann doch noch einen Strich durch die Rechnung. Und an genau dieser Rechnung setzt THQ mit seinem Rennspiel MX Vs. ATV Untamed an: Der neueste Eintrag in die Motocross-Serie versetzt den Spieler in den Sattel eines rasenden Motocross-Bikes oder eines dröhnenden All-Terrain-Vehicle-Quads (ATV) und lässt ihn über verschiedene Offroad-Pisten brettern.
Wir haben uns einmal an die Wii-Version des Multiplattformers herangetraut, uns ordentlich im Matsch gewälzt und verraten euch nun in unserem Test, was mit der Simulation anzufangen ist.
Beim ersten Start begrüßt der Titel seine Käufer ganz in englischer Sprache, übersetzt wurde MX Vs. ATV Untamed also nicht, was allerdings kein großes Problem darstellt, weil selbst bei einer Übersetzung wohl die Hälfte des Textes Englisch geblieben wäre...
Dem Spieler stellen sich nun gleich zu Anfang eine Reihe an verschiedenen Optionen zur Verfügung: Herzstück ist natürlich der Singleplayer. Hier besteht für euch die Möglichkeit, euer Können in verschiedenen Meisterschaften zur Schau zu stellen, Punkte zu sammeln, neue Extras freizuspielen oder Geld zu erwerben. Dieses Geld, das nach einigen erfolgreichen Meisterschaften auf einen hinabregnet, kann im spieleigenen Shop auch gleich in neue Vehikel investiert werden. Ein weiterer Menüpunkt, der gleich zu Anfang anvisierbar ist, ist die Quick-Race-Schaltfläche. Ohne größere Einstellungen schwingt ihr euch hier gleich auf das röhrende Etwas und driftet über die Pisten. Zur Multiplayer-Option werden später noch ein paar Wörter verloren.
Oh…? Noch ’ne Runde?
Bei Meisterschaften und in speziellen anderen Turnieren fällt schnell eines direkt ins Auge: die Länge der Rennen. Zunächst einmal muss dazu gesagt werden, dass die Tracks an sich ziemlich lang ausfallen, viele Schikanen haben und dass der Fahrer insgesamt recht lange für einen Umlauf braucht. Dazu gesellt sich der Fakt, dass nicht (wie bei vielen anderen Rennspielen) drei, sondern gleich fünf Runden um die Schlammberge und murenartigen Kurven gefahren werden müssen. Und als wäre das noch nicht genug, besteht ein Event auch immer gleich aus zwei Teilen, in denen eigentlich zweimal exakt das Gleiche passiert, die ungefähr gleich lang dauern und bei denen eigentlich nur die Endergebnisse anders evaluiert werden. Im Voraus bietet das Spiel dann auch noch ein optionales Training an, das für die Ergebnisse nicht zählt, das den Rahmen aber wohl endgültig sprengen würde. Diese künstliche Dehnung der Spieldauer hätte nicht sein müssen, denn so verbringt man unverhältnismäßig viel Zeit auf ein und derselben Strecke und fühlt sich irgendwann gelangweilt von den immer gleichen Streckenpassagen. Eigentlich hätte man eine solche kaugummiartige Dehnung gar nicht nötig gehabt, denn an der Streckenvielfalt kann man THQ nichts vorwerfen, die Anzahl der Tracks stimmt. Der einzige Kritikpunkt findet sich darin, dass die Pisten und Parcours sich alle recht ähnlich sehen und größtenteils nur vom Setting (Bauernhof, Ödland, stillgelegter Flughafen, Stadion etc.) variieren. Die Schikanen finden sich stets in steilen Hügeln, engen Kurven oder welligen Geradeauspassagen wieder.
Wo wir gerade beim Thema Schikanen sind: auch die Steuerung wirkt auf Neulinge bei MX Vs. ATV Untamed oftmals wie eine solche und schikaniert sie zu Beginn. Besonders für diejenigen, die gerade noch Mario Kart Wii mit dem Wii-Wheel gespielt haben und an die weiche und viel verzeihende Spielkontrolle gewohnt waren, ist der Anfang in MX Vs. ATV schwer. Die Steuerung über Nunchuk und Wii-Fernbedienung in THQs Offroad-Rennen fühlt sich für Genre-Neulinge erst einmal viel zu sensibel an, sodass etwas zu starke Lenkbewegungen mit dem Nunchuk das Gefährt gleich in die Pampa oder die Streckenbegrenzung jagen und eine dramatische Unfallszenerie nach sich ziehen, die regelmäßig drei Sekunden kostet. Auch das Lenken in der Luft muss man sich erst einmal langwierig abgewöhnen, denn dann kippt das Bike bzw. das Quad um und gnadenlos lässt der Titel den Körper des Fahrers durch die Landschaft sausen – ohne Gefährt. Ein Stunt-System gibt es für die ganz Mutigen, wenn sie während des Fluges durch die Luft die C- oder Z-Taste drücken und dann das Nunchuk schütteln. Allerdings werden zu gewagte Manöver auch hier unbarmherzig mit einem Unfall bestraft und nur in den seltensten Fällen bringen die durch die Stunts erworbenen Punkte überhaupt irgendetwas.

Die Einarbeitung in diese sehr realistische und sensible Steuerung erfordert einiges an lästiger Übungszeit, die Seriengrünschnäbel vielleicht gar nicht erst über sich ergehen lassen wollen und stattdessen das Spiel schon im Voraus in das Regal pfeffern, wo es herkam. Die Tatsache, dass das Wii-Wheel unterstützt wird, tut dem Ganzen auch keinen Abbruch: Mit Neigebewegungen des Controllers könnte man den Titel fast als unspielbar bezeichnen (zumal ich gerne einmal ein Motorrad mit Lenkrad sehen würde), auch wenn die Knopfbelegung hier nicht schlecht ausfällt und der Versuch der Innovationseinbringung eigentlich positiv bewertet werden müsste.
Die PlayStation 2 kann mehr
Nein, da steht wirklich PS2 – und ist natürlich eine Anspielung auf die wieder einmal minderwertige optische Präsentation des Spiels. Denn wie fast schon zu erwarten war, hat sich Entwickler Incinerator gegen eine anständige grafische Anpassung des Renners auf Nintendos Konsole zwischen den Generationen entschieden und einfach das genommen, was man schon auf der PlayStation 2 realisiert hatte. Dementsprechend versorgt MX Vs. ATV Untamed seine Spieler auf Wii mit unsauberen, matschigen Texturen (das Matschige passt dann ja schon fast wieder zum Spiel), Kantenflimmern und teilweise auch nicht ganz flüssigen Rennszenen mit leichten Rucklern. Gerade der letzte Punkt erscheint ein wenig merkwürdig, denn bei insgesamt acht Fahrern und unterdurchschnittlichen Umgebungen sollte doch wenigstens eine flüssige Wiedergabe drin sein. Besonders wenn man sich einmal annähernde Genre-Kollegen wie Mario Kart Wii anschaut, das mit besserer Grafik und vier zusätzlichen Fahrern perfekt über den Bildschirm flimmert.
An der tonalen Untermalung des Spiels kann dagegen aber immerhin fast gar nicht genörgelt werden. Was die Käufer hier geboten bekommen, ist ein kompletter Soundtrack mit rockigen Musikstücken von namenhaften Künstlern wie Nickelback, die gut zur Action auf der Rennstrecke passen und das Ganze gut untermalen. Natürlich ist aber auch der Soundtrack wieder eine reine Geschmackssache. In der kurzen Zeit zwischen den einzelnen Stücken allerdings offenbart der Titel noch eine soundtechnische Schwäche, denn das Grölen der Motoren hört sich ohne Rock im Hintergrund nicht viel imposanter an als das Surren eines Brummkreisels.
Rasen durchs Netz
Die meisten Rennspiele setzen neben einem realistischen und umfangreichen Singleplayer-Modus auch auf ein paar Modi für mehrere Spieler – so auch MX Vs. ATV Untamed. Allerdings nicht so umfangreich, wie es wünschenswert wäre. Zunächst einmal ist da der lokale Multiplayer. Hier kann nur mit einem zusätzlichen Fahrer über Split-Screen über ein paar frei wählbare Pisten gefahren werden. Allerdings wäre es wohl auch grob unvernünftig gewesen, hier einen Vier-Spieler-Splitscreen einzubauen, wenn man bedenkt, dass der Titel schon bei einem realen Spieler leicht ruckelt und die Umgebungen sowieso flimmern.
Erfreulicherweise unterstützt das Quad-gegen-Bike-Rennen auch die Nintendo Wi-Fi-Connection und erlaubt es somit, online Rennen zu fahren. Das geschieht mit bis zu fünf Mitspielern aus aller Welt, die allerdings nicht immer völlig ohne Probleme aus dem Netz zusammengesammelt werden, und auch leichte Ruckler gehören hier wieder zur Tagesordnung. Fazit: Handwerklich gesehen ist MX Vs. ATV Untamed kein schlechtes Spiel. Bis auf die unzulängliche Grafik bietet THQs Trendsport-Renner in Hinsicht auf Sound und Umfang alles, was das Herz begehrt. Allerdings sind die wilden Matschrennen natürlich nicht jedermanns Sache. Besonders die zu Beginn merkwürdige Steuerung wird Anfängern lange Zeit zu schaffen machen, bis sie sie wirklich meistern. Wer sich auf den Titel einlässt und Spaß an dem Sport hat, wird für kurze Zeit solide Unterhaltung genießen. Allerdings findet man hier keine Revolutionen, sondern schlicht und einfach ein rockiges Rennspiel mit Schönheitsfehlern und ein paar Merkwürdigkeiten, die die Wii-Version herunterziehen und die nicht hätten sein müssen.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel MX Vs. ATV Untamed | |
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| 5.0 | Grafik Mittelmäßige PlayStation 2 Optik – inklusive Kantenflimmern, leichten Rucklern und unsauberen Matschtexturen. | |
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| 8.0 | Sound Rockiger Soundtrack, der das Geschehen auf der Piste gut untermalt, aber sicherlich auch nicht jedermanns Sache ist. Die Bikes surren vor sich hin anstatt zu jaulen. | |
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| 5.8 | Steuerung Zu Anfang ist die Steuerung für Anfänger viel zu sensibel und sie vergibt keine Fehler, wodurch man sich ihretwegen des Öfteren im Graben wieder finden wird. Lobenswerterweise werden sowohl Wii-Wheel als auch Wiimote-Nunchuk und Classic-Controller unterstützt, wobei einige mittelmäßig und andere schlecht funktionieren. | |
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| 7.0 | Gameplay Ordentlicher Umfang und Unterstützung der Wi-Fi-Connection sowie zahlreiche Modi und Möglichkeiten hieven das Spiel auf den guten Durchschnitt. | |
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| 6.8 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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