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Boom Blox
Review von Tim Herrmann (mail) | 26.05.2008

Steven Spielberg entwickelt in Zusammenarbeit mit Electronic Arts ein Spiel für Wii! Für alle, die diese Meldung Mitte des letzten Jahres lasen, war damals sofort klar: Das wird endlich ein episches Abenteuer oder ein umfang- und facettenreiches Rollenspiel. Im Film-Genre ist Spielberg mit zeitlosen Klassikern wie Jurassic Park, Indiana Jones oder E.T. schließlich schon seit Jahrzehnten eine feste Größe und stets ein Qualitätssiegel gewesen, welches Film-Publisher gerne im Vorspann platzieren.
Dementsprechend groß war auch das Aufschreien der Fangemeinde, als plötzlich ein bunter Titel mit dem Codenamen „Blocks“ (vorher: PQRS) angekündigt wurde. Es war aus. Ein Gelegenheitsspiel. Man soll Blöcke umwerfen - und das soll ein Spielberg sein? Was hat EA da bloß mit dem guten Mann angestellt?

Kam Zeit, kam Rat und mittlerweile heißt das Spiel Boom Blox, trägt immer noch das prominente Spielberg-Siegel und ist ein kleiner Geheimtipp zwischen unkreativem Lizenzbrei und inspirationslosen Minispielsammlungen auf Wii. Warum, das verraten wir euch in unserem Test.

Klötzchenbauen andersherum
Boom Blox beginnt gleich mit einem kräftigen Schwimmzug gegen den Strom der Unterhaltungsindustrie und deren ungeschriebenen Verhaltenskodex: „Blöcke und Bauklötze – egal welcher Marke - müssen von den Verwendern architektonisch zielgerichtet auf- oder nebeneinander gestapelt und dann möglichst gesittet wieder abgebaut werden; brettspielartige Konzepte (z.B. Jenga) dürfen darauf basieren, Klotzstapel ihrer Einzelelemente zu entledigen, OHNE dass der Stapel zum Einsturz kommt.
„Pustekuchen!“, denkt sich Boom Blox frech und setzt sich zum Hauptziel, möglichst mächtige Blockgebilde möglichst schnell und möglichst effektreich zum Einsturz zu bringen.

Hauptsächlich geht das durch das Werfen von Bällen und Bomben auf die Blockgebilde. Der Pointer der Wii-Fernbedienung hetzt ein Fadenkreuz über den Schirm, welches ihr mit dem A-Knopf an einer beliebigen Stelle festsetzen könnt. Ein beherzter Schwung mit dem Controller in Kombination mit befreitem A-Knopf lässt den Ball – je nach Schwungstärke – schnell oder langsam auf das oder die Türmchen flattern. Nun wäre das Ganze aber nach kurzer Zeit ziemlich langweilig, wenn es immer wieder lediglich darum ginge, so lange mit Bällen auf einen Turm einzudreschen, bis dieser endlich nachgibt. Deswegen findet man auch spezielle Sonderblöcke, von denen tunlichst intelligent Gebrauch gemacht werden sollte. Lilafarbene Klötzchen zum Beispiel verschwinden heimlich, still und leise, wenn diese von einem Ball, einer Bowlingkugel oder einer Wurfbombe getroffen werden, und bringen den Turm über ihnen dann meistens zu einer gewissen Instabilität, die ihn letztendlich vielleicht sogar in die gewünschte Richtung stürzen lassen kann.
Dann gibt es da auch noch die grünen Chemie-Blöcke. Allein ganz zahm und harmlos, werden sie, mit einem Artgenossen vermischt, zum hochexplosiven Gemisch, das sich und seine Umgebung in die Lüfte jagt. Dazu gesellen sich dann noch berührungsempfindliche Bomben-Blöcke, schwarze Klötze, die Minuspunkte geben, Kristalle, Punktblöcke, feste Blöcke, einfache Steine und eine ganze Reihe an abgedrehten Block-Charakteren, die im Story-Modus eine Rolle spielen.

Der Kern von Boom Blox besteht oft darin, mit so wenigen Würfen wie möglich eine bestimmte Anzahl an Punktblöcken zu Boden zu bekommen. Dabei verliert natürlich sofort jeder, der die Bälle wie wild auf das Gebilde pfeffert. Es gilt, das Ganze genau zu beobachten (indem man mit dem B-Knopf den Blickwinkel verändert oder das Nunchuk dazu benutzt) und sich dann Kettenreaktionseffekte zu Nutze zu machen. Wenn ein lilafarbener Block am unteren rechten Ende eines Turmes das Zeitliche segnet, kippt der Turm über ihm nach rechts. Sollte es nun zufällig so sein, dass dabei ein grüner und ein grüner Block aufeinander treffen, kommt es zur verheerenden Explosion, die gleich mehrere Türme auseinander bringt und dementsprechend viele Punkte oder Kristalle freisetzt. Je nach Aufgabentyp wird am Ende stets abgerechnet: Wie viele Würfe hat man gebraucht, wie lange hat das Beenden des Levels gedauert, wie viele Punkte wurden gesammelt, wie viele Charaktere sind noch lebendig – Fragen, die jeweils für einen Aufgabentyp entscheidend sein können. Die Besten streben natürlich stets die Goldmedaille an, was zunächst noch ganz einfach ist, mit der Zeit aber immer schwerer und dann zu einer echten Herausforderung wird, die ordentlich Ehrgeiz weckt. Das Bewertungssystem kann teilweise unheimlich motivieren und bleibt dabei im Bereich des Fairen.

Neben dem Werfen von Bällen oder Bomben zu verschiedenen Zwecken und mit unterschiedlichen Endzielen macht man es euch auch zum Ziel, mit dem so genannten Greifen-Werkzeug Blöcke aus einem Stapel zu ziehen, ohne dass ein bestimmter Gegenstand oder ein Block-Charakter wie ein Gorilla-Baby das Zeitliche segnet und sich nach unten verabschiedet.

Von Gorildas, Mähs und anderen Blox
Boom Blox ist unterteilt in drei große Teilbereiche: den Einzelspieler-Modus, den Multiplayer-Modus und den Level-Editor. Dabei beinhalten sowohl Multi- als auch Singleplayer für sich noch einmal eine Menge Unterkategorien: Im Einzelspieler kann zunächst ein Training absolviert werden, das einen schnell in die Grundlagen von Boom Blox einweist. Außerdem gibt es hier die beiden wesentlich umfangreicheren Abenteuer- und Entdeckungsmodi. Während man in letzterem der Reihe nach verschiedene vorgefertigte Rätsel rund um die Blöcke lösen darf und sich dabei Bomben, Chemikalien-Blöcke und die Physik zunutze machen muss, geht es im Abenteuer-Modus auf eine Reise durch verschiedene Zeitalter mit verschiedenen Block-Charakteren, die alle so ihre kleinen Problemchen haben. So begleitet ihr beispielsweise zuerst die mittelalterlichen Mähs, Blöcke in Schafform, die Kristalle und Edelsteine aus einer Burg stehlen wollen und dabei auf hinterhältige Affen treffen. Im Rahmen einer solchen Handlungskampagne gibt es immer drei kleine Zwischensequenzen, die mit gezeichneten Hintergründen und gedichteten Untertiteln erzählt werden. Leider sind diese völlig belanglos, sodass Spielberg dort vermutlich – besser wäre es zumindest - nicht direkt mitgearbeitet hat. Warum? Weil die Sequenzen insgesamt nichtig sind, beim Spieler rein gar nichts hervorrufen und eigentlich nicht dem Niveau des Erfolgsregisseurs entsprechen.
Innerhalb der drei Abschnitte in einer Tiergeschichte finden sich Aufgaben rund um die verschiedensten Blockgebilde. Sehr schade ist hierbei, dass stets zehn oder mehr Aufgaben desselben Typs aufeinander folgen und beim Blockumwerfer somit nach einiger Zeit schnöde Routine einkehrt und er sich nach neuen Aufgabenbereichen sehnt. Im zweiten Geschichtsteil begleitet man beispielsweise eine Gorillamutter namens Gorilda, die ihre Babys sucht. Dabei muss der Spieler ihr zunächst zehn Mal einen Weg ebnen, indem er Blöcke verschiebt, dann zehn Mal vorsichtig Hindernisse aus dem Weg ballern und dann ein paar Mal vorsichtig mit dem Greif-Werkzeug arbeiten. Dies ist insofern ein wenig unglücklich gelöst, da es mehr als genügend Ideen in Boom Blox gibt, die man schön bunt und abwechslungsreich hätte mischen können. So wirkt das Ganze eher wie eine pflichthafte Abfrage der Spielinhalte.

Mehr Abwechslung gibt der Entdeckungsmodus her. Hier gibt es keine Hintergrundgeschichte, keinen vorgeschriebenen Verlauf und auch keine themenbezogenen Hintergründe wie im Abenteuermodus, dafür aber eine Menge kreativer Blockgebilde, deren Schwachstelle vom Abreißer zunächst einmal gefunden werden muss, um den Turm mit möglichst wenigen Würfen zum Einsturz zu bringen. Dabei hat jeder Spezialblock seine eigene Unterkategorie, in der verschiedenen Puzzles vorkommen, wo der jeweilige Klotz die Hauptrolle spielt. Im Abenteuer-Wettstreit-Modus, der ebenfalls im Singleplayer zu finden ist, gibt es dann abermals eine Dosis der insgesamt mehr als 300 vorgefertigten Blocklevels, die Boom Blox beinhaltet und die nach und nach freigeschaltet werden können.

Der Multiplayer-Modus weiß ebenso, wie er punkten kann. Mit bis zu drei Freunden blickt man hier auf drei verschiedene Möglichkeiten, miteinander in den Genuss von EAs „Block-Buster“ zu kommen. Entweder zusammen oder gegeneinander dürfen die Freunde hier zum Beispiel Jenga-Verschnitte spielen, bei denen vorsichtig Blockgebilde abgetragen werden müssen. Auch in der Gruppe kann es darum gehen, so viele Punktblöcke wie möglich zu Fall zu bringen, indem man ihnen den stabilisierenden Klotz unter der Unterseite entreißt. Kooperatives Spiel ist ebenfalls vorhanden, hier finden sich wieder verschiedene Aufgabentypen, die sogar der Reihe nach freigespielt werden müssen und somit für einige Zeit im Multiplayer-Modus zu beschäftigen wissen. Leider dauert auch hier das Freispielen seine Zeit, wodurch sich Boom Blox wieder nah an der Schwelle zur „Arbeit“ bewegt.

Zu guter Letzt ist da noch der Erschaffungsmodus. Hier ist nichts als eure freie Kreativität gefragt, da ihr eure eigenen Block-Gebilde aufbaut. Mit Werkzeugen, Blöcken, Charakteren und anderen Tools, die ihr im Einzelspielermodus erspielt habt, sind hier aberwitzige Kreationen möglich. Wer besonders von seinem Einfallsreichtum überzeugt ist, schickt die eigenen Kompositionen per WiiConnect24 an seine Freunde, speichert sie und kann sie dann selbst immer wieder spielen und anderen vorführen. Der Erschaffungsmodus ist der heimliche Star in Boom Blox, weil fast jede freigespielte Überraschung im Abenteuer- oder Entdeckungsmodus hiermit zu tun hat und man sich monatelang mit dem Erschaffen von eigenen Levels beschäftigen kann, wenn man das möchte.

Physik macht Spaß!
Rein grafisch betrachtet muss man leider sagen, dass Boom Blox nicht über das oft zitierte PlayStation-2-Niveau herausschießen kann. Die (Partikel)Effekte sehen zwar ganz nett aus, könnten sich aber noch wesentlich gewaltiger präsentieren, und das Kantenflimmern an den Schnittstellen sowie der nicht unbedingt vorhandene Detailreichtum der Blöcke und der Hintergründe treiben das Auge zu dieser harten Feststellung. Doch es gibt bei der Bewertung der Technik eines Spiels wie Boom Blox glücklicherweise noch mehr als das, was das Auge im Vordergrund erkennt: die Physik-Engine ist ein Beispiel hierfür. Ohne sie würde Boom Blox nicht funktionieren - Mit ihrer Hilfe fällt alles, wie es fallen sollte und man kann sich schon im Kopf ausmalen, wie sich welcher Wurf wohl auswirken würde. Für solche Hintergrundberechnungen wird natürlich auch ein wenig Rechenleistung von der Konsole erwartet und somit kann man es schon als positiven Aspekt werten, dass das Spiel stets flüssig abläuft. Selbst wenn 400 Blöcke durch die Luft wirbeln (was keine Seltenheit ist) und man an allen Ecken und Enden Klingeln und Surren, Explosionsgrollen oder Blockklackern hört und die Klötze durch die Landschaft kullern und Artgenossen mitreißen, bricht die Bildrate von Boom Blox nie ein. Kompliment dafür.

Die Musik erinnert häufig an den Ton der Mutter aller Casual-Spiele: die Sims. Simples Klimpern auf Klavier und Keyboard vermischt sich mit abgefahrenen Sound-Effekten, die den Umgebungen noch das gewisse Extra verleihen und sich stimmig anhören. Insgesamt gesehen darf man aber keine kompositorischen Meisterleistungen erwarten und mehr als zweckmäßig ist die Musik definitiv nicht. Das Spiel gibt mit Rumble-Feature und zig verschiedenen Tönen ein angenehmes Feedback auf die Würfe des Spielers.

Fazit:
Ja, Boom Blox ist ein Gelegenheitsspiel. Und ja, die Mitarbeit Steven Spielbergs merkt man dem Spiel ebenfalls nicht wirklich an. Und ja, großartige Geschichten, exzellente grafische Effekte oder echten Tiefgang bietet EAs Klötzchenspiel genauso wenig. Aber trotz aller Unkenrufe gegen Gelegenheits- oder Minispiele kann man Boom Blox eine ganz besondere Kreativität nicht absprechen, die es zu einem mehr als spaßigen Zeitvertreib macht. Es ist eines der Spielprinzipe, die so nur auf Wii richtig gut funktionieren (deswegen sind EAs Gedanken über eine PS2-Portierung eigentlich auch als Nonsens anzusehen). Der Umfang stimmt mit über 300 vorgefertigten Stages vollkommen und das Spielprinzip motiviert immer wieder aufs Neue mit intelligent aufgestellten Levels, atemberaubenden Kettenreaktionen und der Ausgewogenheit zwischen „unheimlich einfach“ und „wahnwitzig knifflig“. Jeder Neuling begreift alles sofort und jeder Alteingesessene strebt stets nach der Goldmedaille und dem immer besseren Ergebnis. Dazu spornt der sehr umfangreiche Level-Editor die Kreativität und den Ehrgeiz seiner Spieler kontinuierlich an und kann so theoretisch ewig lange unterhalten. Boom Blox ist eines dieser Konzepte, die zwar kein episches Versinken in andere Welten ermöglichen, aber doch gut durchdacht, kreativ gestaltet und professionell entwickelt worden sind und sich damit weit vom üblichen Wii-Einheitsbrei abheben. Zumindest eine Chance oder einen interessierten Blick sollte man EAs Casual Abteilung für diesen „Block-Buster“ schenken. Zumal auch der Multiplayer-Modus mit zum Besten gehört, was Wii bislang zu bieten hat und der Titel zudem schon für weniger als 40€ erhältlich ist.

Von Tim Herrmann
Wertung für das Spiel Boom Blox
Wertungen Beschreibung
7.0Grafik
Die reine Grafik steht auf PS2-Niveau und bietet keine optischen Highlights. Dafür bietet das Spiel eine hervorragende Physik-Engine und auch Framerate-Einbrüche sind zu keinem Zeitpunkt zu verzeichnen, was nicht selbstverständlich ist.
7.5Sound
Unaufdringliches Geklimpere im Hintergrund mit aberwitzigen Soundeffekten.
8.6Steuerung
Das Werfen von Geschossen funktioniert super und das Spiel erkennt und setzt sogar die Stärke des Wurfes um. Im Leveleditor wäre manchmal ein wenig mehr Präzision wünschenswert gewesen. Boom Blox kommt ohne Pointer-Steuerung nicht aus, was es eigentlich zu einer dauerhaften Wii-Exklusivität machen sollte.
9.0Gameplay
Das Boom Blox zugrunde liegende Konzept ist einfach, schlicht, aber unheimlich motivierend. Besonders der Level-Editor, die große Anzahl an Levels, das Bewertungssystem, der Multiplayer und das viele Feedback, das das Spiel vergibt, machen Boom Blox zu einem der kreativsten Wii-Spiele.
8.6Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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