Review von Andreas Held (mail) | 04.05.2008
Nintendo hatte es seit dem SNES nicht mehr wirklich leicht mit 3rd-Party-Support. Während heutzutage zwar quantitativ deutlich mehr Entwickler für Nintendo arbeiten als zu N64- oder GameCube-Zeiten, wird der Markt fast nur von Filmumsetzungen für Kinder und Minispielesammlungen überschwemmt - ein Trend, dem auch Nintendo selbst mit Titeln wie Link's Crossbow Training kaum entgegenwirkt. Umso verständlicher war das Aufatmen, als Marvelous den Trailer zu einem knallharten Core-Game für Erwachsene zeigte: Zwei realistisch gezeichnete Charaktere, einer mit einem Lichtschwert bewaffnet, der andere Zigarre rauchend mit einer Railgun feuernd, standen sich im Kampf um Leben und Tod gegenüber. Das war's. Alles, was wir zu diesem Zeitpunkt über das damals noch auf den Namen "Heroes" hörende Spiel wussten, war: Es würde außergewöhnlich werden. Immerhin stand Suda 51s Team Grasshopper hinter diesem Titel, das mit Killer 7 einen der wohl exzentrischsten und polarisierendsten GameCube-Titeln überhaupt herausgebracht hatte. Dass No More Heroes tatsächlich einen sehr kranken Stil verfolgen würde, zeigten dann erste Gameplay-Trailer.
Noch mehr "ab 18" geht nicht
No More Heroes zeigt so viel Blut, dass der Titel nicht nur in Deutschland, sondern direkt in ganz Europa und obendrein noch in Japan geschnitten wurde, weshalb man nur mit Hilfe eines Freeloaders und der hier getesteten US-Version in den Genuß der unzensierten Fassung kommen kann. Anstatt mich nun wie gewisse Moralapostel darüber aufzuregen, möchte ich aber den Spieß einmal umdrehen und eine gewagte These aufstellen: No More Heroes ist nicht brutal - nur blutig. Wir alle haben die Trailer gesehen, in denen Travis Touchdown seine Gegner enthauptet oder gar in zwei Hälften teilt - von einer echten Gewaltdarstellung sieht der Titel jedoch ab. Getötete Gegner werden schwarz gefärbt, sodass man nur noch deren Silhoutten sieht und keine Details, die irgendwie verstörend sein könnten. Dafür geizt das Spiel absolut nicht mit Blut, von denen jeder Gegner mehrere Hektoliter zu haben scheint, das in Fontänen aus dem Körper schießt und gerne mal fast den kompletten Bildschirm verdeckt. Vollkommen übertrieben also - und zu keiner Sekunde ernst gemeint. Wenn man dann vergleichsweise in Spielen wie "Bully" noch beliebig lange auf sich vor Schmerzen krümmend am Boden liegende Gegner eintreten kann, dort jedoch nur ein "ab 16" von der USK vergeben wird, nur weil die Gegner nicht bluten, kann man die Bewertungskriterien sicherlich in Frage stellen. Aber das nur so am Rande.
Insgesamt ist No More Heroes ganz klar trotzdem ein Spiel, das nicht in die Hände von Kindern (und Moralaposteln) gehört. Immerhin hat es sein M-Rating (das amerikanische Äquivalent zu "ab 18") nicht nur für "Blood and Gore" bekommen, sondern auch für "Strong Language", "Strong Sexual Themes" und "Crude Humor". No More Heroes verfolgt den Stil abgedrehter japanischer Animes wie Blood+ oder Sword of the Berserk, die im japanischen Nachtprogramm laufen und definitiv nicht jugendfrei sind. Es gibt eigentlich kaum eine Sittenwidrigkeit, die No More Heroes nicht an der ein oder anderen Stelle thematisiert - allerdings nie, ohne dabei seinen schwarzen Humor zu verlieren und ganz klar deutlich zu machen, dass der Titel sich selbst nicht ernst nimmt. So sollte es sein, und so bekommt es von zehn von zehn möglichen Punkten für Stil und Präsentation - aber das ist ja bekanntlich nicht alles.
Weniger exzentrisch, aber immer noch durchschnittlich
Selbst eingefleischte Fans des Vorgängerwerks Killer 7 mussten eingestehen, dass der GameCube-Titel kein spielerischer Höhenflug war. Er punktete ausschließlich durch seinen Stil und versuchte erst gar nicht, mit seinem sonderbaren Gameplay die breite Masse zu beeindrucken. Das schien in No More Heroes zumindest leicht anders zu werden. Immerhin zeigten spätere Trailer den Haupthelden in bester Action-Manier und im konventionellen Kampf gegen Gegnermassen à la Devil May Cry oder God of War. Auch die Story des Spiels bietet einen etwas konventionelleren Ansatz: Travis Touchdown muss sich eine Rangliste von Killern hocharbeiten, indem er diese schlichtweg tötet. Unterstützt wird er dabei von einer Organisation, die die Rangliste verwaltet und gegen ein "kleines" Entgeld die Kämpfe arrangiert. Vorher heißt es jedoch, sich mit Waffengewalt durch die Untergebenen eures Kontrahenten zu bahnen, bis es schließlich zum Endkampf kommt. Das dabei zugrunde liegende Kampfsystem offenbart leider sehr schnell seine Schwächen.
Im Tutorial bringt euch das Spiel bei, wie ihr zunächst mit verschiedenen Manövern (die alle per Knopfdrunk funktionieren) die Energie eurer Gegner auf Null bringt. Habt ihr das geschafft, erscheint ein Pfeil auf eurem Opfer, das ihr nun durch Schwingen der Wiimote in die entsprechende Richtung exekutieren könnt. Sehr schnell merkt man jedoch, dass die verschiedenen Manöver alle nicht so funktionieren wie im Tutorial beschrieben, das Wechseln der Schwerthaltung eher sinnlos ist. Es gestaltet sich dann eher so, dass man einen Gegner anvisiert, so lange A drückt, bis er keine Energie mehr hat, um ihn dann durch ein Schwingen der Wii-Remote ins Jenseits zu befördern. Anfangs macht auch das Spaß, da das Kampfsystem pfeilschnell ist und die Action gut herüberkommt. Nach spätestens 100 bis 200 Gegnern stellen sich jedoch Routine und Langeweile ein und es entsteht der Eindruck, dass man diese wie am Fließband abarbeitet. Bosskämpfe sind (wie in den meisten anderen Genrevertretern auch) eher unfair, auch wenn man hier eher vorausplanen und den Attacken etwas besser ausweichen kann, als in vielen ähnlichen Titeln. Das eigentliche Problem ist, dass die Bosse sogar auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad übertrieben viel Energie haben, während sie selbst mit Instant-Death-Attacken angreifen, was für sehr viel Frust sorgen kann. Trotzdem ist jeder Boss auf seine Art einzigartig und die Endkämpfe bringen dringend nötige Abwechslung ins Spiel.
Die Hauptmissionen machen jedoch nur einen Teil des Spiels aus. Vorher müsst ihr nämlich erst mal das nötige Geld auftreiben, damit der Kampf auch abgehalten wird. Dazu bewegt sich Travis auf seinem Motorrad durch sonnendurchflutete Santa Destroy, um Nebenmissionen anzunehmen, weshalb der Titel gerne mal mit GTA vergleichen wird - ein Sandbox-Game ist es jedoch auf keinen Fall. Es gibt einige wenige Läden, in denen zu vorgegebenen Zeitpunkten neue Klamotten, Waffen oder Fertgkeiten erworben werden können und zwei Möglichkeiten, Nebenmissionen anzunehmen. Die erste Möglichkeit sind triviale Nebenjobs, die sich genauso trivial spielen: So müssen beispielsweise mit dem A-Knopf Blechdosen aufgesammelt oder durch Gedrückthalten des B-Knopfes Autos aufgetankt werden. Mehr als anspruchlose Minispiele gibt es hier leider nicht, die dafür aber meist derart lustig umgesetzt sind, dass sie durchaus unterhalten können. Die zweite Möglichkeit sind Kampfmissionen, die das gleiche von euch wollen, wie das eigentliche Spiel: Es gilt also, noch mehr Gegner zu ihrem Schöpfer zu schicken. Dabei gibt es dann noch ein paar Zusatzaufgaben, die von einem Zeitlimit über eine Beschränkung der einsetzbaren Attacken bis hin zu der Auflage reichen, dass ihr kein einziges Mal getroffen werden dürft, die sich manchmal jedoch eher spaßhemmend auswirken, da man sich nicht ganz so frei austoben kann wie in den Hauptmissionen.
Sowohl die Nebenjobs als auch die Kampfmissionen sind letztendlich nur dazu da, ein Spiel, das sonst nach vier bis fünf Stunden beendet wäre, in die Länge zu ziehen. Und auch wenn No More Heroes einen genialen Stil hat, so hat es doch ganz klare spielerische Schwächen, über die man einfach nicht hinwegsehen kann, wenn man andere aktuelle Titel zum Vergleich heranzieht. Die Kämpfe sind wesentlich anspruchsloser als bei vielen Genrekonkurrenten, die Minispiele nach zwei bis drei Sitzungen langweilig und auch die Hauptmissionen bekleckern sich selten mit Ruhm. Wenn zum Beispiel einfach nur ein langer Tunnel durchlaufen werden muss, in dem alle 100 Meter ein bis zwei Gegner stehen, um dann nach fünf Minuten zu sehen, wie der Endboss in einer Videosequenz stirbt, ohne dass man selbst kämpfen musste, hinterlässt das schon einen sehr faden Beigeschmack. Solche Mängel lassen sich dann auch nicht mehr durch "Aber es hat doch einen tollen Stil"-Argumente rechtfertigen. Es sei jedoch gesagt, dass No More Heroes durchaus Spaß machen kann - dafür sorgen die angesprochene, sehr hohe Spielgeschwindigkeit und die Tatsache, dass das Kampfsystem gerade wegen seiner simplen Struktur auch einen gewissen Reiz hat, der bei anderen Spielen, in denen erst mal etliche Combos auswendig gelernt werden müssen, eher verloren geht.
Grafische Feinheiten, musikalischer Minimalismus
Relativ früh wurde bekannt, dass No More Heroes nicht von Anfang an für Nintendos Wii in Entwicklung war. Später Zeuge davon ist Santa Destroy selbst, das mit vielen Details vollgepackt ist, die mit HD-Texturen und Effekten versehen richtig gut ausgesehen hätten. Die Details sind auf Wii noch vorhanden, verstecken sich jedoch hinter starkem Flimmern und verwaschenen Texturen. Auch bei den Innenarealen kann oft nicht unbedingt von guter Grafik gesprochen werden, auch wenn einige zentrale Punkte wie Travis' Wohnung ebenfalls mit sehr vielen Details aufgearbeitet wurden. Dafür punktet der Titel mit vielen grafischen Feinheiten - seien es die teils aberwitzigen T-Shirts, die es zu kaufen gibt, oder stark verpixelte Grafiken, die an die Anfangszeiten der Videospiele erinnern und als ins Geschehen gemischte Sprites überraschend gut hineinpassen. Zuguterletzt gibt es dann natürlich noch die angesprochenen Aufkommen des Lebenssaftes, die in den geschnittenen JP- und PAL-Versionen schon zu vermissen sind, da sie den sehr schwarzen und makaberen Humor perfekt unterstreichen - ähnlich wie in Mortal Kombat oder Tarantinos Kill Bill Vol. 1.
An der akustischen Front sieht es etwas besser, aber auch nicht perfekt aus. Die Sprachausgabe ist konsequent vorhanden und auch gut umgesetzt, genau wie die Musik. Das große Problem ist der musikalische Minimalismus. Es gibt einfach viel zu wenige Lieder im Spiel - und das, obwohl der Soundtrack verdammt viele Stilrichtungen abdeckt: Während der Kämpfe läuft eingängige, elektronische Hintergrundmusik, beim Motarradfahren hört ihr lässigen Blues und in den Läden läuft eine zuckersüße J-Pop-Hymne. Leider hat das Spiel für jede Situation nur genau ein einziges Musikstück, weshalb ihr dann bei jedem Kampf, in jedem Laden und bei jeder Fahrt das gleiche Lied hört. Und irgendwann nerven diese einfach - egal, wie gut die Stücke im Einzelnen sind.
Fazit: Letztendlich kann ich mich im Fall von No More Heroes sehr gut einem bekannten ohne Punkt und Komma redenden Spieletester anschließen, dessen Reviews im Allgemeinen genauso wenig ernst zu nehmen sind, wie No More Heroes selbst. Und der meinte in etwa: "Es ist wie Earthbound oder Killer 7: Egal, wie viele Kritikpunkte es hat, es ist immer noch einen Kauf wert, weil man niemals etwas Ähnliches finden wird." Und damit hat er Recht. Objektiv gesehen muss die Wertung von No More Heroes trotzdem genauso stark gekürzt werden, wie die europäische Version des Spiels, da sich viele Schwächen einfach nicht mehr vertreten lassen - egal, wie toll man den Stil des Spiels denn nun findet. Ob es trotz seiner spielerischen Mängel besser ist als der nächste technisch aufwändig entwickelte Egoshooter, weil es einfach mal etwas komplett anderes ist, muss jeder für sich selbst entscheiden - genauso wie jeder die Frage klären muss, ob er den Stil des Spiels so annehmen kann, wie er ist. Fairerweise muss man dazusagen, dass No More Heroes auf keinen Fall unspielbar ist und auch der spielerische Teil durchaus für Unterhaltung sorgen kann - im Vergleich zu anderen aktuellen Genrevertretern ist es aber trotzdem etwas zu anspruchslos und abwechslungsarm.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel No More Heroes | |
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| 7.5 | Grafik Viele Details, die durch verwaschene und verpixelte Texturen kaum überzeugen können. No More Heroes punktet jedoch mit seinem genialen Style. | |
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| 7.2 | Sound Für sich genommen sind es gute Stücke, allerdings gibt es über das komplette Spiel hinweg nur etwa zehn Stück davon - und das ist einfach zu wenig. | |
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| 7.8 | Steuerung Kamera, Bewegungssteuerung und Kampfsystem funktionieren, Steuerung während der Minispiele wenig fordernd. | |
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| 6.9 | Gameplay Die Kämpfe sind unterhaltsam, auf Dauer jedoch etwas monoton. Viele Schwächen im Leveldesign. Wie weniger genießbare Cocktails wirkt das Spiel gepuncht, stark in die Länge gezogen. | |
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| 7.6 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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