Review von Tim Herrmann (mail) | 28.03.2008
Huch? Was ist das denn? Spiele, bei denen Menschenleben nicht viel wert sind, häufen sich auf dem Markt für interaktive Unterhaltung ja. Aber wie kann es plötzlich angehen, dass ausgerechnet Aliens diejenigen sind, die die Homo sapiens da zu Tausenden niedermähen? Eigentlich war doch die Rangordnung immer klar festgelegt: Außerirdische greifen an, Menschen schlagen zurück, Aliens haben einen Schutzschild, Menschheit gewinnt schlussendlich wegen Einfallsreichtum – auch trotz weit überlegener Technologie der Gegner.
Destroy All Humans! von THQ traute sich damals, anders zu sein, und bestach in der letzten Konsolengeneration auf der PlayStation 2 und der XBOX mit einem offenen Gameplay und einem merkwürdigen, sehr makaberen und schwarzen Humor, der bei den meisten exzellent ankam. Es folgte ein zweites Spiel rund um das pädagogisch verurteilenswerte Motto „Zerstöre alle Menschen“ und nun erscheint für Wii (und später auch die PlayStation Portable) ein nächster Teil, der allerdings nicht offiziell Episode 3 darstellen soll. Viel mehr trägt er diesmal den Untertitel „Big Willy: Entfesselt“ und wurde nicht mehr vom Originalentwickler (Pandemic Studios), sondern von Locomotive Games produziert. Ob das der Marke gut getan hat, wie sich der erste Ableger der Reihe auf Wii schlägt und ob die Menschheit vielleicht dieses Mal gewinnen wird, lest ihr in unserem nun folgenden Test zu Destroy All Humans! Big Willy: Entfesselt.
Der Titel beginnt mit einer Videosequenz, in der der Spieler in den charakteristischen Humor und die eigentlich bedrohliche Hintergrundgeschichte eingeweiht wird. Alien Crypto und sein holographischer Freund Pox sehen eine Nachrichtensendung, in die sich plötzlich eine junge Frau einmischt und schwerwiegende Anschuldigungen gegen eine Fast-Food-Kette erhebt. Ihr Name ist Patty Wurst und sie protestiert dabei nicht gegen artenwidrige Haltung der Schlachttiere für Hamburger und Hot-Dogs…
Der Spieler erfährt, was mit den ganzen Menschenleichen passiert ist, die Crypto im Laufe seiner vorangegangenen Missionen auf dem Blauen Planeten produziert und einfach auf der Straße liegen gelassen hat. Sie wurden zusammengesammelt und zu Hackfleisch verarbeitet, woraufhin sie dann den Kunden in der Fast-Food-Kette Big Willy’s als Snacks für Zwischendurch serviert wurden. Zu allem Überfluss befindet sich diese Fast-Food-Kette natürlich auch noch unter der Führung von Pox und so wird es euer Ziel, die Menschen vor der Wahrheit zu beschützen, die sie eigentlich wohl besser nicht wissen wollen.
Die Hintergrundgeschichte hinter dem erneuten Gemetzel ist also wieder ähnlich abgefahren wie bei den ersten beiden Spielen aus der Serie und kann auch ansonsten innerhalb des Gameplays mit witzigen und skurrilen Kommentaren seitens der Aliens in sehr gelungener – und noch dazu komplett deutscher - Sprachausgabe überzeugen. Doch was taugt das Spielprinzip?
Tausendundeine Verwendungsmöglichkeit für die primäre Lebensform auf der Erde
Wie bereits erwähnt, spielen menschliche Leben in „Destroy All Humans!“ keine Rolle - und so werdet ihr euch des Öfteren dabei erwischen, wie ihr auf dem Weg durch das frei begehbare Stadtzentrum zwischendurch einmal ein paar Personen mit eurer Zap-O-Matik grillt oder ihnen eine schmerzhafte Analsonde verpasst, die ihren Hirnstamm vom Rest des Körpers trennt. Um gegen schlechte Gewissen bei den gutmütigeren Spielern anzugehen, geschieht dies allerdings nie in blutig grausamen Animationen, sondern geht immer sehr humorvoll über die Bühne. So ploppen euren Opfern mit witzigen Geräuschen die Gehirne aus den Schädeln und die Köpfe von den Schultern. Hört sich martialisch an? Ist es auch. Aber Destroy All Humans schafft es, das Ganze frech, charmant und voll mit unglaublich makaberem Humor zu verharmlosen.
Doch nicht nur zum Zeitvertreib sind die Erdbewohner nützlich: Denn die Aliens sind natürlich auch in diesem Produkt rund um die extraterrestrische Intelligenz technisch - wie immer - weit fortgeschritten und machen sich die Lebensformen auf der Erde somit auch zunutze. So können sie sie zum Beispiel mental dazu beeinflussen, ihnen Tore zu öffnen oder Schranken herunterzulassen. Außerdem sammeln sie die DNS auf und versetzen sich wortwörtlich in ihre Haut, um unerkannt durch die Gassen der Stadt zu wandern. Denn auch in Destroy All Humans! sind die Menschen nicht gewöhnt daran, einen schwer bewaffneten Außerirdischen durch ihre Straßen schlendern zu sehen, während er ihre Artgenossen piesackt, um sie zu Hamburgern weiterzuverarbeiten.

Der Titel ist grundsätzlich frei gestaltet, die Hintergrundgeschichte wird mit einem Missionsprinzip vorangetrieben. Hierbei befindet sich eure „Basis“ immer in einer relativ überschaubaren Kleinstadt, in dessen Mitte sich eines der berüchtigten Big-Willy-Restaurants befindet. Diese Stadt, ihre Gassen, Promenaden, Straßen und Dächer sind jederzeit frei erkundbar und einige Extras verstecken sich in luftigen Höhen oder an versteckten Örtchen, die ihr zum Beispiel auch mit Jetpacks auf dem Rücken erreichen könnt. Wenn ihr gerade keine Lust auf freie Erkundung habt, schwingt ihr euch in eine anstehende Mission und bekommt kurz in einer witzigen Zwischensequenz den Auftrag und die Problematik von Pox geschildert. Die Missionen sind dabei recht abwechslungsreich und drehen sich um UFO-Flüge, Trips mit einer überdimensionalen Werbefigur, Spionageaktionen im Körper von Menschen und um Attentate auf diejenigen, die um Big Willys Geheimnisse wissen. Und mit diesen Missionen werdet ihr sicherlich auch fast die ganze Zeit des Spiels verbringen, denn in der Kleinstadt gibt es leider kaum Nennenswertes zu entdecken, was außerhalb der Aufträge schnell zu Langeweile führt.
Bewegungskontrolle über extraterrestrische Lebensform
Wenn ein Spiel, wie im Falle des hier behandelten Destroy All Humans!, auf zwei oder mehr Konsolen gleichzeitig erscheint, konnte man schon in vielen Fällen eine aufgezwungene Bewegungssteuerung verzeichnen, die dem Prinzip mehr schadete als nützte. Deswegen ist es in diesem Falle auch umso überraschender, dass die Wii-Anpassung recht gut gelungen ist. Zunächst einmal dient euch die Pointerfunktion dazu, ein Fadenkreuz über den Bildschirm gleiten zu lassen. Dieses verändert die Kameraperspektive, sobald es an den Rand des Bildschirms gelangt. Hier hätte ein bisschen mehr Tempo Wunder bewirken können, denn schnelle Bewegungen sind es, die die Aliens in „Destroy All Humans!“ bräuchten. Stattdessen dauert es gute sieben Sekunden, um sich einmal um sich selbst zu drehen.
Zum anderen dient das Fadenkreuz natürlich dazu, frei die Gegner auf dem Bildschirm anzupeilen. Ist dies geschehen und hat man sich ein „Opfer“ auserkoren, kann der Spieler entweder ein wenig den Sadisten durchblicken lassen und mit dem Menschen spielen (d.h. auf ihn schießen oder ihn mit Bewegungen durch die Luft schweben lassen) oder der Alien kann seine PK-Fähigkeiten anweden. Hier wird die Kontrolle über das Menschlein ergriffen, man kann ihn hypnotisieren oder in seinen Körper schlüpfen. Außerdem bewirken mentale Fähigkeiten, dass verschieden schwere Gegenstände sich in die Luft erheben und sich eurem Willen beugen, um im Raum zu flattern.
Und dann gibt es da auch noch das UFO und die überdimensionale, Titel gebende Werbefigur Big Willy, die es manchmal zu steuern gilt. Hierbei wird durch Neigen der Wii-Remote der Winkel der Kamera verändert und im Falle des Raumschiffes auch die Flughöhe reguliert. Die Knöpfe lösen dann Fangstrahler aus oder verleiten Big Willy dazu, Objekte aufzuheben und mit Schleuderbewegungen der Wii-FB zu werfen oder sich einen kleinen Menschen-Snack zur Regeneration zu genehmigen.
Kein Wii-Spiel ohne PlayStation-Version
Gut, die Steuerung ist beim zeitexklusiven Wii-Spiel (die PSP-Version kommt wohl erst im Mai, die geplante PS2-Variante wurde gestrichen) insgesamt recht ordentlich gelungen, sodass nur sehr wenig bemängelt werden kann. Letztendlich merkt man aber doch wieder einmal deutlich, dass das Spiel eben auch auf der portablen Version von Sonys Spielmaschine erscheinen soll. Und somit präsentiert sich der neue Teil von Destroy All Humans! in eckiger und kantiger, in matschiger und undetaillierter PlayStation-Portable-Grafik, die auf einer Heimkonsole der aktuellen Generation nichts mehr zu suchen haben sollte. Die Spielstadt ist von ihren Ausmaßen her in gut drei Minuten einmal durchquert und bietet wenig versteckte Gassen oder interessante Plätze. Dazu arbeitet das Spiel mit starken Verwischeffekten, die in der Ferne die Gebäude verschleiern und nicht erkennen lassen, dass sie eigentlich gar keine Texturen haben. Die Menschen unterdessen präsentieren sich in bester Schaufensterpuppen-Manier, denn Gesichter haben sie eigentlich kaum, ihre Haare sind offensichtlich Plastikmützen und Kleider besitzen sie eigentlich auch nicht, ihre Haut scheint nur einfarbig angemalt zu sein. Insgesamt gibt es circa zehn bis zwanzig verschiedene Charaktermodelle, die sich in der Stadt bewegen. Deswegen kann es auch schon einmal gut vorkommen, dass Crypto vom Körper eines Menschen in den eines anderen schlüpft und dabei aber äußerlich exakt dieselbe Form behält. Unschön.
Über Grasgestaltung braucht man natürlich gar nicht reden, denn die Bodenbedeckung sieht so aus wie Rahmspinat, der zart über den Boden gestrichen wurde, und die Zierbäume haben eine Krone aus groben Pixeln. Das ist wirklich nicht besonders schön gelungen und ist wieder ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie viel eine gute Optik bei einigen Spielprinzipen doch ausmachen könnte.
Fazit: Das Grundkonzept von „Destroy All Humans!“ funktioniert auch auf Wii, ist gewohnt "witzig-spritzig" und wurde hier sogar mit einer größtenteils guten Bewegungssteuerung umgesetzt. Allerdings muss wieder einmal die leidige technische Umsetzung angeprangert werden, denn die Playstation Portable sollte auf Wii eigentlich nichts zu suchen haben. Für sich gesehen ist „Destroy All Humans! Big Willy: Entfesselt“ ein unterhaltsamer Titel mit viel gewöhnungsbedürftigem Humor, dessen Grundkonzept im Gesamtkontext der vorigen Spiele der Reihe aber langsam etwas ausgelutscht wirkt. Ein paar neue Einfälle hätten hier vielleicht gut getan, von einer annehmbaren Optik natürlich ganz zu schweigen. So hat Locomotive Games aber das Altbewährte grundlegend einfach nur auf Wii portiert und dabei wenig Eigeninitiative an den Tag gelegt. Wer das Destroy-All-Humans-Franchise noch nicht kannte, wird hier auf Wii ein Spiel finden, das ihn für einige Stunden sicherlich gut unterhalten wird.
Von Tim Herrmann
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| Wertung für das Spiel Destroy All Humans! Big Willy: Entfesselt | |
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| 5.4 | Grafik Matschige Texturen, altbackene Charaktermodelle und unschönes Stadtdesign beweisen, dass man bei dem Entwurf der Wii-Grafik gesteigerte Rücksicht auf die anstehende PSP-Version gelegt hat. | |
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| 7.7 | Sound Musikstücke bleiben zwar nicht im Ohr, fallen aber auch nie negativ auf. Was dicke Pluspunkte verdient, ist die sehr gut gelungene Sprachausgabe mit viel Witz und Ausdruck. | |
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| 7.0 | Steuerung Viele Bewegungselemente kommen im Steuerungskonzept gut herüber und funktionieren, wohingegen der Pointer allerdings etwas mehr Feinschliff hätte vertragen können. | |
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| 7.6 | Gameplay Das humorvolle und makabere Gameplay von Destroy All Humans funktioniert auch auf Wii wieder und überzeugt durch gelungenen Witz, einige Action, unkonventionelle Spielmechanik und offenes Spieldesign. Allerdings nichts, was die Vorgänger nicht auch schon hatten. | |
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| 7.1 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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