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Puzzle Quest
Review von Andreas Held (mail) | 11.03.2008

Die Videospieleindustrie ist mittlerweile eigentlich recht vorhersehbar geworden. Die Verkaufscharts werden entweder von den immer gleichen Namen wie Need For Speed, Halo oder auch Mario dominiert und große Spiele Monate im Voraus gehyped. Kurz vor Release werden große Fachmagazine mit schweren Werbeträgern gebunden, die beim Ausbleiben einer gewissen Mindestwertung kurzerhand aufgelöst werden. Umso schöner ist es, wenn ein kleines Spiel eines unbekannten Herstellers plötzlich Ruhm erlangt und nicht nur gute Wertungen erzielen kann, sondern auch wirklich gekauft wird. So erging es vor einem Jahr dem obskuren Entwicklungsstudio Vicious Cycle Software, als sie in den USA den Titel "Puzzle Quest: Challenge of the Warlords" veröffentlichten. Nach dem überraschenden Erfolg erschien das Spiel nach und nach auf dem PC, der PSP, dem Nintedo DS und später auch auf der PS2, auf Wii sowie der Xbox Live Arcade. Und es war auch nur eine Frage der Zeit, bis der Titel endlich auch in lokalisierter Form in Europa zu haben war.

Das "Quest" in Puzzle Quest
Bevor es irgendwelche Verwirrungen gibt: Puzzle Quest ist definitiv ein RPG und kein reines Puzzle-Spiel. Ihr startet ganz traditionell mit der Wahl eueres Charakters, der einer von vier Charakterklassen zugeordnet ist, und könnt innerhalb dieser Klassen noch mal aus jeweils zwei männlichen oder weiblichen Charakteren wählen. Die Story ist unabhängig von eurer Wahl immer die gleiche: Ihr befindet euch im Training zum Ritter des Königreichs Elencia, als plötzlich Untote auf den Straßen gesichtet werden. Nach einiger Zeit kommt heraus, dass der böse Lord Bane, der bereits vor Jahrhunderten in einem Krieg geschlagen wurde, sich nun rächen will. Was zunächst wie eine absolute Nullachtfünfzehn-Story wirkt, entwickelt sich mit der Zeit zu einer überdurchschnittlich guten Handlung. Da es unmöglich ist, Lord Bane direkt anzugreifen, reist ihr zunächst durch die komplette Spielwelt, sucht bei den verschiedendsten Rassen und Völkern nach Verbündeten und werdet dabei in einige politische Intrigen verwickelt. Hier und da verlangt der Titel sogar persönliche Entscheidungen von euch ab, die später Auswirkungen auf den Spielverlauf haben: Beispielsweise könnt ihr das Schicksal einer Prinzessin entscheiden, indem ihr sie entweder an einen Barbarenkönig vermählt, um Aggressionen zu verhindern; oder ihr erlaubt ihr, eure Party im Kampf zu unterstützen, und bereitet euch schon einmal auf den Racheakt des Vasallen vor. Bis zur finalen Gegenüberstellung vergehen gut und gerne 30 Stunden.

Das zweite wichtige RPG-Element, das Aufleveln eures Charakters, darf natürlich auch nicht fehlen. Zunächst einmal erhält euer Charakter normale Erfahrungspunkte und bei einem Level Up können Skillpunkte auf insgesamt sieben Fähigkeiten verteilt werden, die sich abgesehen von einigen Nebeneffekten (Anstieg der maximalen Hitpoints oder der Wahrscheinlichkeit, den ersten Zug machen zu dürfen) erst während der Kämpfe auswirken. Außerdem könnt ihr noch einen Helm, eine Waffe, einen Schild und ein Paar Schuhe ausrüsten, die euch weitere Vorteile verschaffen. Das Stärken eures Charakters ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs, denn ganz nebenbei beschäftigt ihr euch noch mit dem Aufbau eures eigenen Königreiches: Alle großen Städte im Spiel können eingenommen werden, woraufhin ihr dort regelmäßig Steuergelder abholen könnt. Das so erlangte Gold könnt ihr dann in den Aufbau eurer eigenen Zitadelle investieren, die euch viele weitere Tore öffnet: Habt ihr ein Verlies errichtet, können unter bestimmten Voraussetzungen Monster eingefangen werden, die ihr dann (weitere Einrichtungen vorausgesetzt) als Reittiere benutzen oder Zauber von ihnen erlernen könnt. Außerdem könnt ihr ein einer Schmiede eigene Items schmieden, für deren Verzauberung ihr jedoch zunächst Runen sammeln müsst. Die Anzahl der Möglichkeiten in Puzzle Quest ist immens, dank der gut strukturierten Menüs und vieler Ingame-Hilfen jedoch nie überfordernd.

Das "Puzzle" in Puzzle Quest
Was dafür sorgt, dass viele Leute Puzzle Quest für ein reines Puzzlespiel halten, ist ganz sicher das Kampfsystem, welches sich auf den ersten Blick sehr eng an Low-Budget-Spielen wie Bejeweled oder Rainbow Web orientiert. Genau wie in diesen beiden Titeln geht es darum, auf einem Spielfeld zwei nebeneinander- oder übereinanderliegende Symbole so zu vertauschen, dass eine Reihe aus mindestens drei gleichen Objekten entsteht. Daraufhin verschwindet diese Reihe und ihr erhaltet eine entsprechende Belohnung, die von der Art des verlinkten Objekts abhängt: insgesamt befinden sich sieben Symbole auf dem Spielfeld, die alle eine andere Eigenschaft haben. Perlen in den Farben rot, gelb, grün und blau laden eure Manareserven für die Elemente Feuer, Wind, Erde und Wasser auf. Für Goldstücke erhaltet ihr den entsprechenden Betrag direkt auf euer Konto und violette Sterne geben Erfahrungspunkte. Sowohl das Geld als auch die Erfahrung dürft ihr im Falle einer Niederlage behalten. Zu guter letzt gibt es dann noch die Totenköpfe, die beim Zusammensetzen direkten Schaden bei eurem Gegenüber anrichten. Hier kommen auch die im letzten Abschnitt erwähnten sieben Skills zum Tragen: Jede der Fertigkeiten entspricht einem der sieben Symbole, und ein höheres Level sorgt dafür, dass ihr aus Perlen mehr Mana absorbiert oder mit Totenköpfen mehr Schaden anrichtet. Ihr solltet euch also früh eine Strategie zurechtlegen und euch dann im Kampf auf die entsprechenden Symbole konzentrieren.



Um dem Ganzen eine Prise Komplexität zu verleihen, könnt ihr außerdem noch zaubern. Dazu müsst ihr zunächst über die Perlen eure Manareserven aufstocken und dann einen der bis zu sieben Zauber anklicken, die ihr in den Kampf mitnehmen könnt. Die Effekte reichen dabei von direkten Angrifsszaubern über Schutzzauber bis hin zu komplexeren Auswirkungen, die man erst verstehen und ausnutzen kann, wenn man sich bereits einige Stunden mit dem Spiel und seinem Regelwerk befasst hat. Das Potential für strategische Kämpfe ist also durchaus da, und anfangs müsst ihr dieses auch voll Ausnutzen. Leider spielt die KI nicht immer mit und kann ihre eigenen Zauber nicht annähernd so effektiv einsetzen, wie ein menschlicher Spieler. Um das etwas zu kontern, haben die Entwickler der KI einen unfairen Vorteil geschafft, indem der Zufallsgenerator nicht ganz fair programmiert wurde. Liegen z.B. zwei Totenköpfe am oberen Rand des Spielfelds und ihr seid am Zug, fallen danach fast immer (wenn dies möglich ist) neue Totenköpfe so von oben nach, dass die KI in der nächsten Runde eine Dreierreihe bilden und euch angreifen kann, was umgekehrt sehr selten der Fall ist. Auch Möglichkeiten für Viererreihen, nach deren Bildung erneut gezogen werden darf, erhält der CPU-Gegner auffällig oft. Trotz diesen Ungereimtheiten ist Puzzle Quest nach einer harten Einleitungsphase eher zu leicht als zu schwer, und die meisten Gegner lassen sich völlig problemlos ins Jenseits befördern. Krasse Ausnahme ist der finale Endgegner, der übertrieben viele HP hat und schier unmöglich zu besiegen ist.

Insgesamt ist Puzzle Quest jedoch ganz klar ein tolles Spiel. Allein die umfangreiche Story kann lange fesseln, wer sich jedoch wirklich mit allen Möglichkeiten des Spiels befassen will, kann dutzende Stunden einplanen und muss sich im Spielverlauf mit anders gearteten Puzzlen auseinandersetzen, in denen alle Objekte vom Spielfeld entfernt werden oder (zum Schmieden von Items) Werkzeuge erschaffen und dann miteinander verlinkt werden müssen. Und da Puzzle Quest ausschließlich aus 2D-Grafiken besteht und schon auf dem DS problemlos lief, kann bei der Portierung zur Wii doch eigentlich nichts mehr schief gehen, oder? Tja, genau das dachten wir auch.....

Die schlechteste Wii-Anpassung aller Zeiten
Für Wii-Besitzer ist es ja nun nichts ungewöhnliches mehr, dass Wii-Versionen sehr stiefmütterlich behandelt werden und wir am Ende mit einem verbuggten Produkt da stehen, das optisch der PS2-Version unterlegen ist und durch eine völlig verhunzte Wii-Steuerung fast unspielbar gemacht wurde. Das alles ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was mit der Wii-Version von Puzzle Quest passiert ist.
Obwohl die Originalversion komplett aus 2D-Grafiken besteht und sogar auf dem Nintendo DS lief, ist die Optik der Wii-Version untragbar. Alle Grafiken sehen so aus, als hätte ein Praktikant an einem Nachmittag die hochauflösenden Artworks der PC-Version mit der Strecken/Zerren-Funktion von MS Paint auf eine fernsehertaugliche Auflösung runterskaliert und dann auf die Wii-Disk gepackt. Das Ausmaß der Katastrophe: Alle Sprites sind völlig verwaschen, Details nicht mehr erkennbar, und trotz optionaler 480p-Auflösung sieht das Endprodukt auf einem High Definition-Fernseher deutlich schlechter aus, als auf dem schwachen Bildschirm des ersten DS-Modells. Die Texte wurden ebenfalls nicht verschont und sind aufgrund der extrem unscharfen Buchstaben nur sehr schwer lesbar.

Das alles wäre vielleicht immer noch nicht genug, um das Spiel komplett zu ruinieren. Um also wirklich sicher zu gehen, haben die Entwickler die Steuerung völlig unbrauchbar gemacht, obwohl es eigentlich sehr einfach sein sollte, ein Spiel, das auf dem DS mit dem Stylus und am PC mit der Maus gespielt wird, auf Wii mit dem Pointer zu bedienen. Das ist theoretisch auch möglich, praktisch jedoch ist der virtuelle Mauszeiger mit der Fernbedienung kaum zu kontrollieren. Bei der kleinsten Bewegung mit dem Handgelenk springt der Cursor mehrere Pixel weit über den Bildschirm, was bei Kämpfen sehr oft zu falschen Zügen führt, da man das gewünschte Symbol einfach nicht trifft. Spätestens beim Versuch, nach einem Level Up des Charakters die nur wenige Pixel kleinen Plus-Tasten zum Addieren der Skillpunkte zu treffen, folgt jedoch unweigerlich die Erkenntnis, dass Puzzle Quest mit dem zu ungenauen Pointer völlig unspielbar ist. Es muss also auf eine normale Tastensteuerung zurückgegriffen werden, die sich anders als bei allen anderen Wii-Spielen nicht im fliegenden Wechsel ändern lässt, sondern erst im Hauptmenü nach einem Umstellen der entsprechenden Option. Außerdem muss hier das Nunchuk angeschlossen werden. Zurück im Spiel folgt die Erkenntnis, dass die Entwickler keine Sekunde über die Tastenbelegung nachgedacht haben: Der Analogstick des Nunchuks reagiert fast nirgendwo, weshalb ein Großteil des Spiels mit dem Steuerkreuz der immer noch vertikal zu haltenden Wiimote bedient werden muss. Außerdem haben die Entwickler eine über den kompletten Spielverlauf sehr wichtige Funktion (das Anzeigen der Effekte von Zaubern und Ausrüstungsgegenständen) auf den 2-Knopf gelegt, weshalb die meisten Spieler nach eine Stunde über starke Schmerzen im Daumen klagen werden.

Für die nach diesen zwei Schlägen in die Magengrube am Boden liegenden Wii-Besitzer folgt jedoch noch der - pardon - Tritt ins Gesicht. Denn während die um Längen bessere DS-Version in den USA für 30 Dollar, also etwa 25 Euro, erschienen ist, und die Download-Version auf der Xbox Live Arcade schlappe 15 Euro kostet, verlangt der Publisher für die untragbare Wii-Version einen ganzen Fünfzig-Euro-Schein - eine Dreistigkeit, die an dieser Stelle nicht mehr weiter kommentiert werden soll.

Fazit:
Wii-Besitzer sind einiges gewohnt, was schlechte Anpassungen für ihre Lieblingskonsole betrifft, doch dass eine Wii-Version technisch der vor über einem Jahr erschienen DS-Version weit unterlegen ist, ist selbst auf dieser Konsole ein völliges Novum. Der europäische Publisher Koch Media setzt dann noch einen drauf und stellt das Spiel für einen Preis in den Laden, der 20 Euro höher ist als der für alle anderen Versionen, im Vergleich zur Downloadversion beträgt die Differenz sogar 35 Euro. Dafür bietet die Xbox Live Arcade-Fassung dann hochauflösende HD-Grafiken und einen Onlinemodus, der auf Wii natürlich auch wegrationalisiert wurde. Was jedoch noch mehr weh tut ist die Tatsache, dass Puzzle Quest in der Originalfassung ein wirklich sehr gutes Spiel ist, das in seiner Wii-Fassung jedoch absolut ruiniert wurde - in etwa so, als hätten Alvin and the Chipmunks "Stairway to Heaven" neu aufgenommen. Wer einen Nintendo DS sein Eigen nennt oder Zugang zur Xbox Live Arcade hat, sollte also am besten heute eine dieser beiden Versionen kaufen. Die Wii-Version sollte auch bei Interesse unbedingt vorher probegespielt werden, da nicht auszuschließen ist, dass die verwaschene Grafik, die schwer lesbaren Texte, die unspielbare Pointer-Steuerung und die an den Harren herbeigezogene Tastenbelegung jegliche Motivation zunichte machen.

Von Andreas Held
Wertung für das Spiel Puzzle Quest
Wertungen Beschreibung
2.7Grafik
Früher einmal gut aussehende Artworks sind auf Wii völlig verwaschen, alle Details sind verloren und Texte schwer lesbar.
7.9Sound
Orchestraler und stimmiger Soundtrack, jedoch insgesamt zu wenige Stücke.
3.9Steuerung
Auch die toll strukturierten Menüs täuschen nicht über eine unbrauchbare Pointersteuerung und eine Tastenbelegung, die scheinbar zufallsgeneriert wurde, hinweg.
7.0Gameplay
Ein tolles, lange motivierendes Spiel, doch die indiskutable Wii-Anspassung kann leider jeglichen Spielspaß zunichte machen.
6.2Gesamt
(Kein Durchschnitt der Einzelwertungen)



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