Review von Andreas Held (mail) | 13.12.2009
Wrestling ist bei uns eher eine Nischensportart, Matches bekommt man eher selten und des Nachts auf einschlägigen Sportsendern zu sehen. In den USA erfreut sich der Kampfsport jedoch größter Beliebtheit: Dort gibt es etablierte Fernsehserien, die regelmäßig alle wichtigen Kämpfe zur Prime Time übertragen, Kämpfer sind gefeierte Superstars und die weiblichen Athleten werden vom Playboy heiß begehrt. Woran es nun liegt, dass der Sport in Amerika wesentlich beliebter ist, lässt sich wohl nicht so genau sagen: Manche mögen den Amis vielleicht eine gewisse Gewaltgeilheit nachsagen, vielleicht werden die Schaukämpfe dort jedoch auch einfach nur besser vermarktet und das "Geheimnis", dass alles von vorne bis hinten geschauspielert ist, etwas besser gehütet als bei uns. Was uns Europäern aber noch viel abstruser erscheinen wird, ist die Tatsache, dass die Sendungen dort durchaus als familientauglich betrachtet werden, weshalb zum Beispiel die Kommentatoren nicht fluchen dürfen, denn ein "damn" ist ja auch wesentlich schlimmer als ein brutaler, Platzwunden verursachender Wurf. Beim Wort "familientauglich" haben Wii-Besitzer jedoch wahrscheinlich schon eine böse Vorahnung. EA hat schon mit NBA Live 2008 gezeigt, wie man eine Sportart zum Casual-Game verballhornt (oder eher, wie man es nicht machen sollte) und dafür - von der amerikanischen Fachpresse und von uns - die Quittung kassiert. Aber THQ wird doch wohl nicht...
Oh nein! Es ist ein Casual-Game!
Den ersten Hinweis, dass es sich bei "WWE: Smackdown vs. Raw 2008 Featuring ECW" (so der volle Titel des Spiels) um eine nicht nur grafisch abgespeckte Wii-Version handelt, findet man schon ganz am Anfang, wenn man für sein Profil einen Mii aussuchen muss. Danach erscheint das abgespeckte Titelmenü, das nur fünf Menüpunkte und keinen Karrieremodus bietet. Im Einzelmatch-Modus kommt dann die erste, echte Ernüchterung: Statt einiger dutzend Matchtypen, die man von der Franchise gewohnt ist, gibt es nur noch ganze fünf. Einzelmatch, Hardcore-Match (Einzel-Match mit Waffen, wobei es auf Wii nur noch Klappstühle und keine anderen Waffen gibt), Triple Thread (drei Leute jeder gegen jeden, und wer als erster einen erfolgreichen Pin schafft, gewinnt das Match), Tag Team und K.O.-Match (hier gelten die normalen Beat'em Up-Regeln). Diese Matches können alleine gegen die KI oder (je nach Match) mit bis zu vier menschlichen Spielern gespielt werden. Zusätzlich gibt es im Hauptmenü noch einen Turnier-Modus, die Optionen, die berühmte Create-A-Wrestler-Funktion und den Einzelspielermodus der Wii-Version, der auf den klangvollen Namen "Hauptevent" hört.
Habt ihr euch für letzteren entschieden, müsst ihr zunächst einen Kämpfer auswählen, dessen "Lebensweg" ihr begleiten wollt. Dabei könnt ihr erstmalig nur aus männlichen Wrestlern wählen - habt ihr also vorher im (in der Wii-Version immer noch sehr, sehr umfangreichen CAW-Modus) eure virtuelle Traumfrau kreiert und wollt dieser nun dabei zusehen, wie sie die im Ring stehenden Mannstiere mit den Beinen umklammert und ihnen dabei fast alle Knochen bricht, könnt ihr das nur im Einzelmatch-Modus tun. Aber zurück zum Hauptevent: Nach der Wahl eures Alter Egos gelangt ihr auf eine knallbunte Karte der USA, die direkt aus einem Cel-Shading-Game zu stammen scheint. Oben in der Mitte befindet sich das Bild eures Miis, euer Rang und ein leerer Balken mit der Aufschrift "Popularität", links oben das Bild einer Hantel und rechts oben euer Haus. Die Hantel bringt euch direkt ins Trainingszentrum, wo ihr durch simples Anklicken der entsprechenden Menüpunkte eure Fertigkeiten in fünf Bereichen wie Schlagkraft oder Schnelligkeit erhöhen könnt. Außerdem seht ihr hier abermals euren Mii, der auf einen Körper gesetzt wurde, der sich von blau über grün zu gelb und schließlich rot verfärbt. Ab einer Gelbfärbung ist es höchste Zeit für eine Massage, da ihr sonst erschöpft und mit weniger Energie im Ring steht.
Euer Haus ist der Dreh- und Angelpunkt eures Aufstrebens. Hier findet sich neben einem Laptop zum Einsehen der "Power 25", einer Art Rangliste, und einer Zeitschrift mit einer sehr knapp gehaltenen Statistik auch der aus den anderen Versionen bekannte Eventkalender. Doch freut euch nicht zu früh: Der Kalender dient in der Wii-Version als Speicherpunkt, und sonst nichts. Stattdessen erhaltet ihr (und nun wird es etwas lächerlich) regelmäßig SMS von anderen Wrestlern auf euer Handy, die euch zu Matches herausfordern. Für diese Matches erhaltet ihr nicht nur Trainingspunkte, die ihr im Trainingscenter gegen Fertigkeitspunkte eintauschen könnt, sondern - im Falle eines Sieges - einen Popularitätsschub, der den anfangs erwähnten Balken auflädt. Ist dieser ein mal voll, steigt ihr einen Rang auf und es werden einige Wrestler mehr auf euch aufmerksam, die dann ebenfalls gewillt sind, gegen euch zu kämpfen. So arbeitet ihr euch langsam hoch und während es dem Hauptevent sicherlich nicht an Umfang mangelt, fehlt dann sehr schnell die Abwechslung.

Und wie spielt es sich?
Steht ihr dann erst mal im Ring, ist von der Verstümmelung der Wii-Version überraschend wenig zu spüren. Im Gegensatz zu EA mit NBA Live 2008 haben die Entwickler nämlich weder die Steuerung minimalisiert, noch die KI-Gegner zu Kanonenfutter verarbeitet. Stattdessen müsst ihr schon auf dem zweiten von vier Schwierigkeitsgraden mit massiver Gegenwehr rechnen, und gerade am Anfang des Karrieremodus, wenn euer Wrestler körperlich stark unterlegen ist, einiges einstecken. Einige Trainingseinheiten später geht es dann jedoch schon ganz gut.
Die Steuerung wurde ebenfalls überraschend gut auf die Wiimote-Nunchuk-Combo umgesetzt. Während ihr auf den anderen Konsolen den rechten Analogstick in Verbindung mit dem Drücken von ein oder zwei Schultertasten bewegen müsst, um verschiedene Griffe auszuführen, wird diese Aufgabe nun der Wii-Remote zuteil. Simples schütteln der Wii-Remote resultiert in normalen Schlägen. Haltet ihr beim Schütteln den A-Knopf gedrückt, führt euer Wrestler einen Griff aus; der B-Knopf resultiert in einem interaktiven Wurf und beide Tasten wiederum entweder im Lieblingsmove eures Wrestlers oder, falls sich die Energieleiste eures Gegners mittlerweile rot gefärbt habt, in einem Finisher. Das mag sich nicht nach viel anhören, aber die Moves variieren nicht nur, wenn ihr die Wiimote in verschiedene Richtungen schwingt, sondern sind auch davon abhängig, ob euer Gegner in der Mitte des Rings, in der Nähe der Seile oder in der Ecke des Rings steht oder auch am Boden liegt. Bei interaktiven Würfen müsst ihr außerdem weitere Kommandos eingeben, die ihr teilweise auch nochmal variieren könnt, oder möglichst schnell den Analogstick drehen, um den Gegner zu stretchen.
Was dem Kampfsystem letztendlich den letzten Feinschliff verpasst, sind die Reversals. Jeder Angriff eures Gegners, von der simplen Ohrfeige bis hin zu einem Finisher, kann mit dem richtigen Timing (ganz ähnlich wie in Dead or Alive) gekontert werden, was die Palette an Möglichkeiten noch mehr erweitert. Insgesamt verfügt jeder Wrestler über dutzende Moves, und auch nach über 20 Matches entdeckt ihr immer wieder neue Facetten des Kampfsystems. Hier hat THQ nicht nur bei der Entwicklung des Spiels, sondern auch bei der Anpassung der Steuerung an die Möglichkeiten der Wii ganze Arbeit geleistet.
Auch die technische Portierung ist sauber. Wirklich hässlich und hervorstechend ist nur das stark verpixelte Publikum, der Ring und die Athleten selbst sind für Wii-Verhältnisse angemessen und (abgesehen von einigen Clipping-Fehlern) auch gut animiert. Slowdowns gibt es nicht, und somit erweist sich nur die bei mit Matches mit mehr als zwei Teilnehmern sehr seltsam agierende Kamera als störend. Soundtechnisch bekommt ihr in den Menüs gute und zur Thematik des Spiels passende Musik von zumindest hierzulande gänzlich unbekannten Interpreten geboten, bei den Matches selbst werdet ihr mit Kommentaren der originalen amerikanischen Moderatoren versorgt. Das Problem bei diesen Kommentaren ist, dass die beiden Gastgeber wirklich ununterbrochen am Reden sind und sich vieles sehr schnell wiederholt. Der Satz "We are bigger than Elvis tonight! Elvis was only one superstar, but we've got a whole bunch of them this evening!" kommt zu Beginn jedes zweiten Matchs und wird extrem nervig - und selbiges lässt sich auch über viele andere Kommentare sagen. Dennoch: Die Wii-Anpssung ist auch auf technischer Seite durchaus sauber und im Vegrleich zu anderen Titeln auf der Konsole sieht Smackdown vs. Raw wirklich ansprechend aus.
Fazit: Als Wii-Only-Besitzer hat man nun zwei Möglichkeiten. Entweder fühlt man sich von THQ bevormundet und boykottiert dieses Spiel, da wir es wieder einmal mit einer spielerisch verstümmelten Wii-Version zu tun haben, oder man nimmt Smackdown vs. Raw 2008 für das, was es ist, und freut sich über ein technisch sauberes Wii-Spiel mit einer guten Steuerung, einigen Stunden Unterhaltung für Einzelspieler und viel Potential für Multiplayer-Partien. Entscheidet man sich für ersteres, stellt sich die Frage: Wäre Smackdown vs. Raw ein besseres Spiel, wenn es die Xbox 360-Version nicht geben würde? Anders als bei NBA Live 2008 ist nämlich trotz der eingeschränkten Komplexität kein beleidigend simples Knöpfchendrücken mit strunzdummer KI und peinlichem Partymodus aus dem Titel geworden, sondern auch Wii-Besitzer können sich über ein spaßiges Wrestling-Spiel freuen, vor allem dann, wenn die knackigen KI-Gegner zum ersten Mal angepinnt am Boden liegen. Ein eingeschränkter, aber immer noch motivierender Einzelspielermodus und eine gute umgesetzte, funktionierende und facettenreiche Steuerung sorgen letztendlich dafür, dass WWE: Smackdown vs. Raw 2008 auch auf Wii ein gutes Spiel ist, wobei natürlich klar sein sollte, dass Besitzer einer Xbox 360 auch zu dieser Version greifen sollten. Alle anderen können sich bei Interesse jedoch ruhigen Gewissens auch die Wii-Version zulegen.
Von Andreas Held
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| Wertung für das Spiel WWE: Smackdown vs. Raw 2008 | |
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| 7.5 | Grafik Verpixeltes Publikum, aber der Ring und die Wrestler sehen für Wii-verhältnisse ganz gut aus. | |
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| 7.0 | Sound Gute und passende Musik in den Menüs, nervige Kommentatoren. | |
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| 8.0 | Steuerung Gute, funktionierende und überraschend komplexe Wii-Steuerung. | |
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| 7.0 | Gameplay Trotz gekürztem Karrieremodus und weniger Matchtypen sowohl für Einzel- als auch Multiplayer durchaus interessant. | |
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| 7.3 | Gesamt (Kein Durchschnitt der Einzelwertungen) | |
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