Preview von Burkhart von Klitzing (mail) | 15.09.2008
Wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann ist es der Fakt, dass sie sich immer wiederholt. Die Geschichte des sagenhaften Aufstiegs einer einstmals kleinen, kalifornischen Firma, die auf den Namen Electronic Arts hört, ist ebenfalls eine voller Wiederholungen. So dürfte wohl niemand ernsthaft erstaunt sein, wenn ich das EA-Aufgebot der Games Convention kurz mit den Worten „Sequels“ und „Updates“ zusammenfasse. So trägt auch die Sims-Marke des Starentwicklers Will Wright immer weiter neue Blüten. Nachdem der spielerische Fokus von Sim City über The Sims hin zu MySims immer enger wurde, erweitert er sich im zweiten MySims, das den Namenszusatz Kingdom führt, zumindest wieder ein wenig und auch sonst bietet die Nintendo-exklusive Knuddel-Simulation genug Neues, um ihre Existenz zu rechtfertigen.
Wie schon in Teil 1 zieht ein ziemlich frei erstellbares Menschlein aus, eine Region nach den Wünschen eines politischen Oberhauptes zu gestalten. War das vormals noch eine Bürgermeisterin, entschieden sich die Mannen rund um MJ Chun – die mir netterweise Einblick in Kingdom gab und sich zudem als Dungeon-Keeper-Fan outete – diesmal für die weniger demokratische Position des Königs. Daher auch der Titel, denn schließlich rennt der Avatar fortan nicht mehr durch eine Stadt, sondern über knapp ein Dutzend Inseln, die sowohl dem Monarchen unterstellt sind als auch ihre ganz eigenen kleinen Herrscher zu bieten haben. Passend zu den einfallsreichen Settings wie Pirateninsel, Tierpark oder Mittelalter ändern sich von Eiland zu Eiland nicht nur die grundlegenden Umgebungsteile wie Bäume und Bodentexturen, sondern gleich die umherwuselnden Kreaturen mit dazu. Frösche warten auf den unsanften Transport zum nächsten Teich, Fische gierig auf einen Köder am Angelhaken, Tanukis und Bären hoppeln munter umher. Wirklich spannend wird es erst mit den menschlichen oder zumindest menschenähnlichen Gesellen, die wieder einmal zum Socialising einladen. Egal ob ein Roboter komplett in unverständlichem Binärcode spricht, ein Elf, der sich für einen Rockstar hält, den Einhorntempel zerlegt, um Platz für seine Bühne zu schaffen, oder ob ein arroganter Archäologe den Weg zu einer Ausgrabungsstelle blockiert, aus jeder Interaktion und jeder Mimik, bzw. Gestik springt den Spieler dermaßen viel Liebe der Entwickler an, dass selbst das fünfte Kind von Captain Planet beeindruckt innehalten würde.

Der spielerische Wert dieser zwischenmenschlichen Kontakte indes ist eher gering. Ziel ist es, beim gegenüber mit Sympathie zu punkten. Dazu kann ein guter (automatisch erzählter) Witz ebenso gut dienen wie ein kleines Kompliment oder eine leichte Einschüchterung. Alle Wege führen aber nicht zum Erfolg, der „Dialogpartner“ sollte schon einigermaßen eingeschätzt werden. Auch Nicht-Psychologie-Studenten dürften schnell darauf kommen, dass selbstverliebte Persönlichkeiten gerne Komplimente zu hören bekommen. Wer auf den Inseln fleißig Beziehungen knüpft, Bäume schüttelt, Blumen ausrupft, im Boden gräbt und allerlei andere Dinge erfüllt, erntet wie im ersten MySims unzählige Essenzen, die zu Bauteilen umgeformt werden. Manche dienen der Gestaltung von Häusern, andere wiederum bauen etwa an einer vordefinierten Stelle den Einhorntempel wieder auf, wodurch die Natur erneut in Einklang kommt und der Weg zum nächsten Spielgebiet in greifbare Nähe rückt. Eine besonders gelungene Neuerung ist Verwendungsart Nummer Drei: Gelegentlich warten Apparaturen auf ihre Reparatur. Ein Wasserrad kann einen Tormechanismus nicht mehr kontrollieren, Wasserleitungen erreichen vertrocknende Pflanzen nicht mehr, Laufbänder sind nicht verbunden. Im – zugegebenermaßen vereinfachten – Stile eines „Crazy Machine“ komplettieren korrekt eingesetzte Einzelteile den Mechanismus wieder, wobei neben der korrekten Auswahl auch die richtige Platzierung entscheidend ist und auch mal unterschiedliche Ansätze Erfolg versprechen. Bei all der Euphorie blieb ein kritischer Gedanke. Bedeuten zahlreiche Inseln weniger Freiheit als eine einheitliche Stadt? Hemmt der rote Faden den Erkundungsspielraum? Auch hier weiß mich die koreanische Designerin zu beruhigen.
Neben der Tatsache, dass die Areale erneut recht groß sind, wie ich selbst sehen konnte, erfreuen später im Spiel auftauchende Scripts das Herz. Neue Wasserköpfe beleben die eigentlich altbekannten Orte, neue Tiere tauchen auf, weitere Aufgaben locken. A propos Wasserköpfe: Sämtliche Objekte – ob unbelebt oder quicklebendig – sind fröhlich bunt und charmant in Szene gesetzt, verlangen der Wii aber keine technischen Meisterleistungen ab, ebenso wie die fröhlich-unaufdringliche Musik begleitet von Fantasie-Gebrabbel. Echte Sprachausgabe scheint sich einfach nicht mit Nintendo-Konsolen zu verstehen. Egal, schließlich versteht man die Mitbewohner auch so, dank ihrer liebevollen Animationen. Verbindungsmöglichkeiten wird es übrigens weder zur DS-Version noch online mit anderen Wiis geben.
Fazit: Ich war ernsthaft überrascht. Was ich vormals als plumpen Animal-Crossing-Verschnitt sah, entpuppt sich als Sammelsurium an unterschiedlichen Aufgaben, Sammelorgien, Entspannung und vor allen Dingen viel deutlich erkennbarem Herzblut der Entwickler. Überall wartet eine weitere Idee, die zum Schmunzeln verleitet. Ob nach den angepeilten 20 Stunden Spielzeit noch die Langzeitmotivation eines Animal Crossing zieht, ist schwierig zu sagen, die Chancen stehen aber eher schlecht, zumal ein Multiplayermodus fehlt. In dieser Zeit könnte der Titel aus der Sequel-Maschinerie jedoch mehr Spielspaß liefern als der Nintendo-Konkurrent, der etwas abwechslungsärmer daherkommt. Geschichte muss sich eben nicht immer wiederholen
Von Burkhart von Klitzing
WiiX Wertung |
Prognose Sehr Gut |
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