Preview von Tim Herrmann (mail) | 07.09.2008
Schon auf der Tokyo Game Show 2005, wo der Wii-Controller weltweit das erste Mal gezeigt wurde, wollte Nintendo beweisen, wie brillant dieses neue Eingabesystem mit Shootern funktioniert. Man zeigte eine Demo-Version von Metroid Prime 2 (GCN), die sich mit der Wii-Remote steuern ließ. Und überzeugte.
Und was haben die Entwickler bis jetzt, fast zwei Jahre nach dem Launch der Konsole, in Hinsicht auf Shooter abgeliefert? Einmal Call of Duty 3 und Red Steel zum Launch, beide mit ein paar Macken, dann zweimal Medal of Honor, eines davon nicht in Deutschland, zweimal Resident Evil, eines davon nicht in Deutschland, einmal ein neu aufgelegtes The House of the Dead, nicht in Deutschland, Ghost Squad und, natürlich, Link’s Crossbow Training(…). Und in der Aufzählung sind noch einige Genres vertreten, die man eher als Action-Adventure und Ligthtgun-Shooter betiteln darf. Eigentlich unangefochten an der Spitze ist und bleibt erst einmal Metroid Prime 3 – Corruption, sicherlich auch wegen der geringen Menge an echter Konkurrenz.
Doch wie aus dem Nichts erschien im April dieses Jahres ein Ritter in goldener Rüstung, nannte sich High Voltage Software und präsentierte, mal eben so nebenbei, einen Ego-Shooter für Wii, der die beste Grafik bis dato bieten und sich spielerisch an die Spitze der erhältlichen Titel setzen wollte. The Conduit heißt das Projekt und soll im ersten Quartal 2009 bei uns erscheinen. In unserer Vorschau verraten wir euch, ob es trotz eines bisher völlig unbekannten Entwicklers das Shootergenre auf Wii wirklich aufmischen könnte.
Oh… Eine Alieninvasion…?
Wer einen Blick auf die Geschichte von The Conduit wirft, wird ein immer wieder gern benutztes Fragment finden: die bösen Aliens, die die Welt erobern wollen. Doch als sei es noch nicht genug, dass sich wenig freundliche und ungebetene Besucher durch Mini-Wurmloch-Portale auf unseren Planeten beamen, gibt es auch noch merkwürdige Vorgänge in Kreisen der Regierung der Vereinigten Staaten. Einige Senatoren und Minister sind korrupt, haben sich mit den Aliens verbündet und sehen seelenruhig dem Ende des Planeten zu.
Agent Ford vom amerikanischen Geheimdienst findet die ganzen Geschehnisse in der Hauptstadt seines Landes wenig amüsierend und begibt sich ins Epizentrum der extraterrestrischen Attacken, um Antworten auf seine Fragen zu bekommen und die Situation in guter, alter, amerikanischer Manier aufzulösen. Und ihr kommt mit, seht durch seine Augen ein zerstörtes Washington D.C., in dem Mauern keine Hindernisse mehr darstellen und Feuer ebenso stark vertreten ist wie Schutt, Asche und Rauch. Besonders interessant: Die Locations, in denen sich The Conduit abspielt, sind nicht einfach ausgedacht. Sie befinden sich auch so in dem unzerstörten Washington D.C. unserer wunderbar sicheren Realität – und High Voltage hat digital dafür gesorgt, dass ihr euch durch die Trümmer kämpfen dürft. Besonders atmosphärisch dürfte es also werden, wenn ihr euch leise durch die Hecken des Weißen Hauses schleicht, um Hinweise zu erlangen und dabei immer auf der Hut vor sabbernden Abstrusitäten sein müsst.

Dabei bezeichnet High Voltage Software sein Projekt aber nicht als atmosphärisches Schleich-Spiel, sondern setzt hauptsächlich auf knallharte Auseinandersetzungen mit den Aliens. Zunächst stehen euch dabei die altbewährten Waffen der Menschen zur Verfügung: Pistole, Maschinengewehr und Co. bilden dabei natürlich erst die Spitze des Eisberges. Es dauert aber nicht lange, bis ihr auch auf Munitionslager eurer Feinde stoßt und so die außerirdische Armada an euch nehmen könnt. Diese Waffen sind größtenteils auf biologischer Basis aufgebaut, scheinen selbst noch zu leben und beziehen ihre Feuerkraft aus mysteriösen Kugeln. Selbstverständlich hat dabei jede Waffe ihre Eigenheiten und besitzt somit teils eine eigene Zielverfolgung oder eine besonders heftige Durchschlagskraft.
Welchen Knopf hätten’s denn gern?
Es gab nicht erst einen Shooter, der letztendlich an nichts weiter als seiner Steuerung gescheitert ist. Denn kaum ein anderes Genre erfordert so schnelle Reflexe und hastige Bewegungen wie das der Ego-Shooter. Bei dem einen Spiel dreht man sich zu langsam einmal um die eigene Achse und ist schon längst erledigt, ehe man den Gegner im Visier hat, bei den anderen ist vernünftiges Zielen wegen der Hastigkeit des Sichtfeldes kaum mehr möglich. Das haben sich anscheinend auch die Entwickler von The Conduit vor Augen gehalten. Und um etwaiger Kritik gleich aus dem Weg zu gehen, überlässt man es am besten gleich dem Spieler, wie er das Spiel am liebsten steuern möchte.
Und das war nicht ironisch gemeint, denn The Conduit wird wirklich unheimlich viele Einstellungsmöglichkeiten für alle möglichen Features beinhalten. So ist der einstellbare Schwierigkeitsgrad erst der Anfang. Je nach dem, wie heftig man es denn gerne hätte, bewegen sich die Gegner schneller oder langsamer, ertragen mehr oder weniger Treffer und teilen entsprechend stark aus.
Auch die Steuerung ist mitnichten in Stein gemeißelt: Die Knöpfe sind frei mit allen möglichen Aktionen zu belegen und außerdem kann man die Sensitivität des Fadenkreuzes einstellen. Wann sich das Sichtfeld dann bewegen soll, obliegt genauso der Entscheidung des Konsumenten wie die Frage nach der Laufgeschwindigkeit von Agent Ford.
Am Ende soll es sogar so sein, dass man einzelne Bewegungen und Gestiken mit dem Controller einspeichern kann, auf die dann eine bestimmte, selbst ausgewählte Reaktion folgt. Wer High Voltage hier noch zu kritisieren versucht, muss sich geschlagen geben: Denn jeder ist seines Glückes Schmied. Auch bei The Conduit.
Alles glänzt
Kommen wir zur tollkühnsten Behauptung der Entwickler: Wir wollen eines der bestaussehenden Wii-Spiele machen. High Voltage Software, ein bis dato völlig unbekannter Entwickler, will plötzlich einen hochkarätigen Exklusiv-Shooter entwickeln und dabei völlig auf das eingehen, was die Fans schon seit Monaten fordern? Da muss doch irgendetwas faul sein?
Es ist aber nichts faul. Denn während man bei Versprechen über ein tolles Gameplay noch so lange lügen kann, bis der Titel letztendlich in seiner Gänze zur Verfügung steht, lässt ein Projekt seine Schleier in einer spielbaren Demo-Version endgültig fallen. Glücklicherweise versteckte sich hinter dem Schleier in diesem Falle eine wahre Schönheit und keine böse Überraschung. Das, was man bisher in Videos gesehen hat, hält sich locker zumindest auf einem Niveau mit Metroid Prime 3, wenn es das nicht sogar noch übersteigt und nach Sphären eines Super Mario Galaxy tastet. Das große Washington D.C. ist bis auf den letzten Backstein ausgeschmückt, Wasserlachen werfen Licht realitätsnah zurück, genauso wie es metallene Waffen und glitschige Alien-Körper übrigens auch tun, und Explosionen überzeugen mit hervorragenden Partikel- und Lichteffekten. Das alles ist der Quantum 3 Engine zu verdanken, wieder eine Entwicklung der High Voltage Studios und wieder speziell auf das zugeschnitten, was Wii kann. Der leistungsfähige Motor des Spiels erlaubt den hohen Grad an Detailreichtum und die korrekte Physik. Aber dafür geht natürlich auch einiges an Rechenleistung drauf und erste Tester berichten von vereinzelten Einbrüchen der Framerate in besonders hitzigen Situationen. Aber kein Grund zur Panik, meinen die Entwickler, schließlich handele es sich noch um eine unfertige Testversion und schlussendlich soll The Conduit mit einer flüssigen Framerate laufen.
Was noch nicht ganz optimal ist, sind die Modelle der Aliens. Hier sind vereinzelt noch vermatschte und kantige Texturen vorzufinden, die beim Rest des Spiels ja auch nicht sein müssen. Es wäre verwunderlich, wenn man gerade diesen allgegenwärtigen Punkt so unpoliert belassen würde.

Wer sich jetzt bei The Conduit also auf einen hochwertigen Shooter freut, wird offensichtlich belohnt. Und sogar diejenigen, die in Shootern nur sinnlose Ballereien sehen, können beruhigt werden, denn The Conduit setzt nicht nur auf wilde Blutbäder mit unfreundlichen Besuchern. Von Zeit zu Zeit geht es auch in den Untergrund, in die Kanalisation oder in dunkle Gemäuer Washingtons. Dort kommt dem Hauptcharakter besonders ein Gadget zugute: Das allsehende Auge lüftet Tarnungen von obskuren Symbolen und macht unsichtbare Feindesminen plötzlich wieder sichtbar. Außerdem hilft es bei den Rätseln im Titel, die durchaus auch vorhanden sind und zur Auflockerung des actionhaltigen Gameplays dienen.
Kein Shooter ohne Multiplayer
Worin Rätsel nun aber wieder überhaupt keine Rolle spielen, sind die Multiplayer-Modi eines Shooters, die mittlerweile ja eigentlich zum Standard in der Branche geworden sind. Auch The Conduit will natürlich gerade in diesem Punkt nicht hinterherhinken und bietet deswegen eine ganze Reihe an Spielmodi für mehrere Teilnehmer. Und auch hier wird der Skeptiker zumindest aus der Versprechensliste des Entwicklers keine Defizite ausmachen können, denn High Voltages Pläne sind reichhaltig und breit gefächert. Zum einen wird die Nintendo Wi-Fi-Connection unterstützt – und ein Wii-Spiel mit Online-Modus ist immer noch etwas Besonderes. Dazu kommt der Lichtblick, dass insgesamt bis zu 16 Spieler durch die Arenen laufen und sich gegenseitig piesacken können. Das toppt bisher nur Medal of Honor Heroes 2 mit 32 Kontrahenten. Und als sei das noch nicht genug, will man optional auch Nutzen von WiiSpeak machen, das den Voice-Chat zwischen mehreren Räumen ermöglicht, erstmals für Wii nach Animal Crossing. Offline gibt es übirgens wegen der aufwändigen Grafiken keinen Multiplayer über den Splitscreen. LAN-Modi und kooperatives Spiel sind aber trotzdem weiterhin ein Thema beim Entwickler.
Fazit: Es ist eigentlich wirklich zu schön, um wahr zu sein. Wenn High Voltage Software seine reichhaltigen Versprechen rund um The Conduit auch nur ansatzweise hält, ist dieses Spiel die Antwort auf wirklich alle Forderungen der letzten Monate. Es bietet eine mehr als ansehnliche Optik, ein interessantes Setting, intensives und lange motivierendes Gameplay, anpassbare Steuerung, Multiplayer übers Internet, Voice-Chat und vieles mehr. Dazu ist es kein Phantomspiel mehr, bei dem durchaus noch alles gekippt werden könnte, sodass am Ende alles anders aussieht. Sondern es hat sich schon mit einer Demo-Version mutig an die Öffentlichkeit gewagt und viele seiner Pluspunkte offen bewiesen.
Kurzum: Wenn The Conduit im Frühjahr 2009 erscheint, sollte es sich wirklich jeder ansehen, der in der Vergangenheit auch nur ein kritisches Wort über Wii geäußert hat. Wenn es sich gut genug verkauft, kann das als ein klares Zeichen an die Entwickler fungieren, dass es durchaus ein erwachsenes Publikum für Hardcore-Spiele gibt – eine gewisse Qualität vorausgesetzt. High Voltage Software springt erfrischend aus der Reihe der profitorientierten Multi-Millionen-Konzerne, traut sich etwas Großes und auf dieser Konsole fast schon Revolutionäres und gibt sich wirklich in jedem Punkt Mühe. Mühe, die in jedem Falle honoriert werden sollte.
Von Tim Herrmann
WiiX Wertung |
Prognose Super! |
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