Preview von Tim Herrmann (mail) | 29.07.2008
Good Feel Co. Ltd? Wer ist das denn? Das dachten sich viele, als sie hörten, von wem Wario Land Shake in Japan entwickelt wird. Ein völlig unbekannter Entwickler nimmt sich dem großen Wario-Franchise an, das in der Vergangenheit größtenteils nur noch aus Mikrospielen bestanden hat. Jump'n’Runs mit dem sympathischen Anti-Helden waren rar und Wario – Master of Disguise war nicht das, was sich viele DS-Fans erhofft hatten. Und die ersten unscharfen Scans veranlassten die von Enttäuschungen gebeutelten Wii-Fans dann wieder einmal dazu, laut ihren Unmut kundzutun. „Das sieht echt aus wie ein billiges DS-Spiel!“. „Was soll das? Wir haben 2008 und Nintendo bringt ein 2D-Spiel für Wii auf den Markt?!“. „Der Kram gehört allerhöchstens auf WiiWare“. Das waren die häufigsten Vorurteile.
Aber kann man Wario Land: The Shake Dimension tatsächlich schon im Voraus so verurteilen? Wir haben das Spiel für euch zwei Monate im Voraus auf Nintendos Post-E3-Tour angespielt und können euch demzufolge nun unsere Eindrücke und die neuesten Infos über das Spiel überbringen.
It’s a meee! Warrrrrio!
In diesem neuen Spiel lässt sich Wario wieder einmal auf eine große Raub- und Plünder-Tour ein, an deren Ende eine mysteriöse Geldbörse steht, die unendlich viele Münzen ausspuckt, wenn man sie schüttelt. Die will auch Warios frühere Kontrahentin Captain Maple Syrup haben. Aber sich selbst die Finger schmutzig machen? „Nein, das muss nicht sein“, denkt sich die Schönheit und schickt den mysteriösen, goldenen Globus, in dem sich die entsprechende Paralleldimension befindet, an den raffgierigen Bösewicht. Unglücklicherweise ist die „Shake Dimension“ auch noch von einem bösen Herrscher infiltriert worden, der die feenartigen Bürger des Landes gefangen genommen hat und nun von Wario zur „Rede“ gestellt werden muss.
Die Einführung in die Geschichte wird in einer wirklich sehr ansehnlichen Anime-Sequenz dargestellt, die problemlos als Zeichentrickfilm durchgeht und ordentlich lange dauert.
Auf Maple Syrups Piratenschiff beginnt das Abenteuer und der Spieler wird in die Grundlagen des Action-Jump’n’Runs eingeweiht. Die Wii-Remote wird quer gehalten und das Steuerkreuz lenkt Wario nach links oder recht. Der Zwei-Knopf dient zum Springen, mit dem Eins-Knopf wird gerammt. Fertig. So simpel kann das Ganze sein. Aber da sind ja auch noch die Beschleunigungssensoren der Wii-Fernbedienung, vor denen ebenfalls viele Fans Angst hatten. Schon bei Wario – Master of Disguise vom Nintendo DS wurde der amateurhafte Einsatz des Touchscreens bemängelt. Nun könnte, so die Pessimisten, das ewige Schütteln der Wii-Fernbedienung lästig werden.

Blödsinn. Die Bewegungsfeatures fügen sich sehr angenehm und äußerst intuitiv ins Spielgeschehen ein und werden nie zu einem lästigen Gehampele. Springt Wario einem Gegner einfach so auf den Kopf (also ohne Arschbombe oder Rammattacke), wird dieser benommen und lässt sich bei Berührung aufnehmen. Nun kann er geschüttelt werden, wodurch er etwas Energie spendenden Knoblauch freigibt. Alternativ erscheint nach Druck auf den Eins-Knopf ein Pfeil und Wario schickt sich an, den Kontrahenten zu werfen. Durch Neigungen der Fernbedienung wird der Abwurfwinkel verändert. Das geht sehr viel genauer von statten, als wir es ursprünglich erwartet hätten. Und so kann man Gegner oder Gegenstände verwenden, um hoch gelegene Schalter zu treffen oder andere Gegner aus dem Weg zu schaffen. Durch Schütteln kann man außerdem Geldsäcke schütteln, die dann viele Münzen freigeben. Das ist eine angenehme Alternative zum einfachen Einsammeln der Geldstücke, wenn sie im Weg herumliegen.
An Eisenstangen in den Levels kann ein ordentliches Schütteln übrigens auch für einen wirbelnden Wario sorgen, der dann in die Luft fliegt und Steine zerbrechen oder neue Plattformen erreichen kann. Und die Neige-Features kommen noch an vielen weiteren unterschiedlichen Schauplätzen zum Einsatz. Damit steuert man ein U-Boot durch einen horizontal scrollenden Ozean oder man bewegt ein Fahrzeug nach vorn oder hinten, indem man den Controller neigt. Die Einsatzmöglichkeiten der Tilt-Steuerung sind wirklich vielfältig und das Ganze wird nie zu dick aufgetragen.
Ein Zeichentrickfilm zum Spielen
Nun zum Vorwurf der DS-Grafik: wieder Blödsinn. Wario Land: The Shake Dimension ist 2D-Grafik, so weit stimmt es. Aber es bestehen eben doch himmelweite Unterschiede zwischen schlechter und guter 2D-Grafik, genauso, wie es im 3D-Sektor auch ist. Und Wario Land ist auf jeden Fall eines der schöneren oder sogar schönsten 2D-Spiele: Alle Hintergründe sind hübsch und farbenfroh gezeichnet, die Umgebungen strotzen vor vielen kleinen Details. Es fliegen kleine Partikelchen durch die Luft und es kommt nur sehr selten vor, dass man mal irgendwo eine Textur sieht, die schon einmal vorgekommen ist: In der Grafik steckt unheimlich viel Liebe zum Detail, die man auch in 2D würdigen sollte. Was besonders hervorsticht, sind die Animationen von Wario. Wenn er in eine Kanone klettert, ist das kein einfaches Hineinsinken. Sondern der Fettwanst quetscht sich kopfüber in den Hohlraum, wobei seine Fettröllchen überquellen und er mit den Beinchen strampelt. Oder wenn er versehentlich in eine Bombe springt, gibt das nicht einfach ein „Outsch“ und einen blinkenden Charakter, sondern einen entsetzt in die Kamera blickenden, brennenden Wario. Davon gibt es noch viel mehr Beispiele, an denen sich der Spieler im Verlauf des Abenteuers erfreuen werden darf.
Wario Land: The Shake Dimension wird auf Wii so scharf dargestellt, dass man kaum auf die Idee kommt, dass es sich um ein Videospiel handelt. Es könnte genausogut als ein handgezeichneter Zeichentrickfilm durchgehen, was man dem Titel durchaus eher als Pluspunkt ankreiden darf und nicht als Minuspunkt.
Trotzdem ärgerlich: Ein 16:9-Modus ist nicht wirklich vorhanden. Das Spielgeschehen präsentiert sich stets in 4:3, während auf einem 16:9-Bildschirm rechts und links Balken eingeblendet sind, die wenig Sinn und Funktion haben.

Spagat zwischen Casual und Hardcore
Aber für wen ist das Spiel nun eigentlich gedacht: Für den Casual-Spieler, der sich an schönen Animationen und einem witzigen Hauptcharakter erfreut? Oder für Vielspieler, die neben den beiden genannten Aspekten auch viel Wert auf forderndes Gameplay, versteckte Geheimnisse und geheime Abkürzungen legen? Auch wenn es sich abgedroschen anhört, aber die Antwort ist: für beide. Das Spiel stellt sowohl machbare Minimalanforderungen an die wenig Erfahrenen als auch Zusatzmissionen und Alternativrouten für hartgesottene Vielspieler zur Verfügung. So wählt man zunächst einen der vier bis sechs Levels aus einer Welt aus und bekommt dann gezeigt, was man tun muss. Grundsätzlich geht es immer darum, eine Stage einmal zu durchlaufen, dort einen Bewohner aus einem Käfig zu befreien und dann innerhalb eines Zeitlimits eine Alternativroute aus dem Level heraus zu verfolgen.
Wer allerdings noch etwas mehr zu tun haben möchte, macht sich auf die Suche nach den drei versteckten Schatzkisten, die wirklich nicht leicht zu finden sind und die mehrmaliges Durchspielen in den meisten Fällen unbedingt erfordern.
Aber damit noch nicht genug: Denn in jedem Level gibt es spezielle Missionen zu erfüllen. Springt man beispielsweise ohne Zwischenstopp drei Gegnern hintereinander auf den Kopf, erreicht man den Level-Anfang in einer besonders guten Zeit wieder oder sammelt man zehn silberne Münzen hintereinander ein, dann gilt die entsprechende Mission als erfüllt. Dadurch kann der Spieler seine Fortschrittsprozentzahl steigern, neue Musikstücke freispielen oder andere Extras gewinnen.
Dadurch ist für eine große Langzeitmotivation gesorgt. Die wird man allerdings wohl auch brauchen: Denn wer einfach schnurstracks von A nach B und zurück läuft, wird für die ca. 30 Levels nicht besonders viel Zeit aufwenden. Die sind nämlich immer durchschnittlich fünf bis fünfzehn Minuten lang. Wer aber immer nach allen Geheimnissen guckt und die eine oder andere happige Geschicklichkeitsaufgabe meistert, kann theoretisch wochenlang an Wario Land für Wii sitzen.
Fazit: Wario Land: The Shake Dimension gehört nicht auf WiiWare, es gehört auf Wii. Die Tatsache, dass das Spiel in 2D gehalten ist, ist weniger ein Schritt zurück als viel mehr einer vorwärts. Denn die Comic-Optik sieht einfach herrlich aus, macht unheimlich Spaß und passt auf das Spiel wie die Faust aufs Auge.
Auch das Gameplay des Titels ist sehr angenehm ausbalanciert, sodass es für jeden Spieler die passenden Herausforderungen bietet. Die Befürchtungen um die Bewegungssteuerung können ebenso fallen gelassen werden wie die Ängste um eine „Vercasualisierung“ des Jump’n’Runs.
Wario Land Shake ist nicht einfach ein Titel, der zwischen potentiellen Hits wie Disaster – Day of Crisis und The Conduit erscheint, sondern ein ernstzunehmender Top-Titel für den Herbst dieses Jahres. Und kein Fan von guten Jump’n’Runs sollte sich den Titel einfach so entgehen lassen, sondern ihm wenigstens einen oder zwei Blicke schenken.Zweite Meinung von L. PeterkeWario Land: The Shake Dimension ist eine einzige positive Überraschung und für die Wario-Franchise in meinen Augen mindestens so bereichernd, wie es New Super Mario Bros für die Mario-Franchise war. Handgezeichnete Animation, grandios gemalte 2D-Hintergründe und Texturen erzeugen vollends die Impression eines Zeichentrickfilms, welcher zudem mit einer sehr guten Vertonung glänzt. Das Gameplay des Titels ist dynamisch und wie aus einem Guss. Obgleich der Umfang mit fünf Welten zu je fünf Leveln eventuell zu kurz ausfallen könnte, so halten zahlreiche spaßige Gameplay-Ideen, coole Arcade Shooter-Passagen und viele optionale Aufgaben wie das Sammeln von Schätzen dagegen. Auf dem Post E3 Event war Wario Land: The Shake Dimension definitiv der stärkste unter den gezeigten Titeln und sollte für Jump and Run-Freunde und vor allem für Fans von Wario zu den Pflichtkäufen in diesem Jahr zählen.
Von Tim Herrmann
WiiX Wertung |
Prognose Super! |
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